TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/3 W133 2228259-1

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Veröffentlicht am 03.08.2020
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Entscheidungsdatum

03.08.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2228259-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 20.12.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 23.08.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet) und legte einen Histologiebefund einer näher genannten Gruppenpraxis vom 14.11.2018 vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In diesem Gutachten vom 17.09.2019 wurde die Funktionseinschränkung der Leidensposition

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Zöliakie

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da auch eine Gastritis besteht. Durch glutenfreie Diät ist von einer baldigen Besserung der Beschwerden auszugehen.

09.01.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 von Hundert (v.H.) eingeschätzt.

Mit Schreiben vom 17.09.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Aktengutachten vom selben Tag wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Mit Schreiben vom 01.10.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 03.10.2019, brachte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ein. Darin führt sie aus, dass durch die Beurteilung aufgrund der Aktenlage keine vollständige Begutachtung ihres Allgemeinzustandes erfolgt sei. Für ihr Empfinden würde der vorgelegte Befund genügen. Da dies jedoch nicht der Fall sei, lege sie einen aktuellen Befund ihres langjährigen Hausarztes, welcher ihren Gesundheitszustand am besten kenne, vor. Sie hoffe damit einen Gesamtgrad der Behinderung zu erreichen, welcher es möglich mache, zumindest einen Teil ihrer finanziellen Belastung durch die lebenslange Diät mit glutenfreien Produkten zu mindern. Der Stellungnahme wurde ein Schreiben eines näher genannten Allgemeinmediziners vom 30.09.2019 beigelegt.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 20.12.2019 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkung wiederum der Leidensposition

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Zöliakie

Eine Stufe über Unterem Rahmensatz, da keine völlige

Beschwerdefreiheit unter Diät.

09.01.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, die Fructose- und Laktoseunverträglichkeit sowie die chronische Gastritis, die Refluxösophagitis und das chronische Reizmagensyndrom würden keinen Grad der Behinderung erreichen, da diesbezüglich keine fachärztlichen Befunde vorliegen würden. Im Vergleich zum Vorgutachten hätten sich keine gesundheitlichen Änderungen ergeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20.12.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 20 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 20 v.H. betrage. Das Gutachten vom selben Tag wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit E-Mailschreiben vom 28.01.2020 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt sie zusammengefasst aus, dass ihre Gesundheitsschädigungen nicht ausreichend beurteilt worden seien. Bei ihr sei von Fachärzten im November 2018 Zöliakie diagnostiziert worden, Beschwerden habe sie allerdings schon lange. Sie habe nicht sofort um die Ausstellung eines Behindertenpasses angesucht, da sie gedacht habe, dass die Beschwerden bei Einhaltung einer strengen glutenfreien Diät verschwinden würden. Nunmehr merke sie jedoch, dass die Beschwerden anhalten würden und sich der Durchfall verstärkt habe. Eine Coloskopie und eine Gastroskopie seien laut ärztlicher Aussage jedoch erst wieder sinnvoll, wenn es aus medizinischer Sicht notwendig sei. Daher habe sie einen Befund ihres Hausarztes, welcher ihren Gesundheitszustand am besten kenne, vorgelegt. Dass dieser Befund aufgrund der Tatsache, dass es kein fachärztlicher Befund sei, nicht berücksichtigt worden sei, sei für sie nicht nachvollziehbar. Sie habe dem Gutachter auch gesagt, dass sie den Stuhl nicht lange zurückhalten könne und es vermeide wo zu sein, wo es kein WC gebe. Betreffend die Fructose- und Laktoseunverträglichkeit habe sie Atemtests gemacht, es habe aber keine Unverträglichkeit festgestellt werden können. Trotzdem vertrage sie seit längerer Zeit Laktose gar nicht und Fructose nur in kleinen Mengen. Sie könne dies allerdings nicht nachweisen. Eine Ärztin habe ihr gesagt, dass die gespürten Unverträglichkeiten mit der Zöliakie zusammenhängen würden. Sie lege der Beschwerde einen Brief der Gesellschaft für Zöliakie bei. Darin werde die Aussage getroffen, dass 30 v.H. bei anhaltenden Beschwerden gelten sollten. Sie halte sich jetzt streng an die Diät, da sie das Sozialsystem nicht mit weiteren Folgekrankheiten belasten wolle. Der Beschwerde wurden der erwähnte Brief der Gesellschaft für Zöliakie, das im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegte Schreiben eines näher genannten Allgemeinmediziners vom 30.09.2019, ein Gastroskopiebefund vom 07.11.2018, der bei der Antragstellung vorgelegte Histologiebefund einer näher genannten Gruppenpraxis vom 14.11.2018, zwei Befunde eines näher genannten Facharztes für Innere Medizin aus dem Jahr 2014 sowie ein HNO-Befundbericht vom 27.05.2019 beigelegt.

Die belangte Behörde legte am 03.02.2020 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Sie brachte am 23.08.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Bei der Beschwerdeführerin besteht folgende Funktionseinschränkung, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

?        Zöliakie, keine völlige Beschwerdefreiheit unter Diät.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 20 v. H.

Eine vorgebrachte Fructose- und Laktoseunverträglichkeit sowie eine vorgebrachte chronische Gastritis, Refluxösophagitis und das chronische Reizmagensyndrom erreichen keinen Behinderungsgrad, da diesbezüglich keine aktuellen fachärztlichen Befunde vorgelegt wurden.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 20.12.2019 sowie das Aktengutachten vom 17.09.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung des festgestellten Leidenszustandes zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 20.12.2019 sowie dem Aktengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 17.09.2019. In diesen Gutachten wird auf die Art des Leidens der Beschwerdeführerin und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzten sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung auseinander. Zwar wurde von den beigezogenen Gutachtern zur Bewertung die falsche Positionsnummer der Anlage zur Einschätzungsverordnung, nämlich 09.01.01 (Endokrine Störungen leichten Grades), herangezogen. Richtigerweise ist zur Bewertung dieses Leidens die Positionsnummer 09.03.01 (Stoffwechselstörungen leichten Grades) heranzuziehen. Daraus ergibt sich allerdings keine Veränderung des Grades der Behinderung, dieser beträgt – wie festgestellt – 20 v.H.

Die Beschwerdeführerin leidet an Zöliakie, welche unter der Positionsnummer 09.03.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Stoffwechselstörungen leichten Grades betrifft, einzustufen ist. Im Fall der Beschwerdeführerin ist die Zöliakie eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, sohin mit 20 v.H. einzustufen, da die Erkrankung bei der Beschwerdeführerin mit diätetischen Maßnahmen (Einhaltung einer strengen glutenfreien Diät) – wenn auch nicht völlig – stabil ist. Im Fall der Beschwerdeführerin sind diätetische Maßnahmen ausreichend, um die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen zu ermöglichen. Für die Heranziehung des nächsthöheren Rahmensatzes müsste die Notwendigkeit von zusätzlichen therapeutischen Maßnahmen gegeben sein, um die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen zu ermöglichen. Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen hat die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht vorgebracht und ergibt sich eine solche auch nicht aus den vorgelegten Befunden. Schließlich ist festzuhalten, dass bei der Beschwerdeführerin ein guter Allgemein- und Ernährungszustand vorliegt (Größe 169cm/Gewicht 72kg) und sie berufstätig ist. Es sind im gegenständlichen Verfahren somit keine Hinweise auf eine starke Einschränkung des Arbeits- und Alltagslebens der Beschwerdeführerin aufgrund der Zöliakie bei Einhaltung einer strengen glutenfreien Diät hervorgekommen, weshalb die Heranziehung der Positionsnummer 09.03.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung eine Stufe über dem unteren Rahmensatz gerechtfertigt ist.

Die Ausführungen des beigezogenen Arztes für Allgemeinmedizin in seinem Gutachten vom 20.12.2019, dass die vorgebrachte Fructose- und Laktoseunverträglichkeit sowie chronische Gastritis, Refluxösophagitis und das chronische Reizmagensyndrom keinen Behinderungsgrad erreichen, da diesbezüglich keine aktuellen fachärztlichen Befunde vorgelegt wurden, sind nicht zu beanstanden. Auch ergibt sich aus dem bei der Antragstellung vorgelegten Histologiebefund einer näher genannten Gruppenpraxis vom 14.11.2018, dass bei der Beschwerdeführerin lediglich eine geringgradige chronische Antrumgastritis bzw. eine geringgradige chronische Corpusgastritis vorliegt. Auch ein mit der Beschwerde vorgelegter Befund eines näher genannten Facharztes für Innere Medizin vom 09.10.2014 beschreibt das Vorliegen einer lediglich leichten chronischen Corpusgastritis. Im mit der Beschwerde vorgelegten HNO Befundbericht vom 27.05.2019 wird unter dem Punkt „Diagnose“ lediglich der Verdacht auf eine Refluxlaryngitis angeführt. Schließlich ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerde selbst angab, dass bei der Durchführung von Atemtests hervorgekommen sei, dass sie keine Fructose- und Laktoseunverträglichkeit habe. Die Behauptungen in der Beschwerde, dass die von ihr gespürten Unverträglichkeiten mit der Zöliakie zusammenhängen würden, wurden nicht befundmäßig belegt.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde sind somit nicht geeignet eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde auch keine Befunde vor, welche den getroffenen Feststellungen widersprechen würden. Sie ist weiters den gegenständlich eingeholten Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 17.09.2019 und 20.12.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt. Es wurde lediglich vom Bundesverwaltungsgericht nunmehr die richtige Positionsnummer der Anlage zur Einschätzungsverordnung die Zöliakie betreffend herangezogen. Daraus ergibt sich allerdings im Ergebnis keine Änderung des festgestellten Behinderungsgrades.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die Sachverständigengutachten vom 17.09.2019 und 20.12.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 20 v.H. beträgt. Wie bereits oben ausgeführt wurde ergibt auch die Zuordnung zur Positionsnummer 09.03.01, eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, im Ergebnis keine höhere Einschätzung der Funktionseinschränkung.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2228259.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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