TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/3 W133 2227760-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2020
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Entscheidungsdatum

03.08.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2227760-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 21.11.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 30.12.2019, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte erstmals im Jahr 2016 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als „belangte Behörde“ bezeichnet), welcher nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und der Feststellung des Leidens „Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat, Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1, Kopfschmerzsymptomatik bei Zervikalsyndrom“ mit einem Grad der Behinderung von 30 von Hundert (v.H.) mit Bescheid vom 30.09.2016 abgewiesen wurde. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, aufgrund derer die belangte Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten einholte, in welchem die Leiden „Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Bandscheibenvorfall L5/S1 und Eingriff; Cerivcalsyndrom“, „Migräne“ und „Hypertonie“ mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt wurden. In der Folge wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.09.2016 mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.12.2016 ab.

Am 12.12.2017 stellte die Beschwerdeführerin erneut einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten bei der belangten Behörde. Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 28.02.2018 erstatteten Gutachten vom 02.03.2018 stellte die medizinische Sachverständige bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen „Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5“ und „Migräne“ mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 20 v.H. fest. Mit Bescheid vom 04.07.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ab. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2018, W261 2204063-1/3E, als unbegründet abgewiesen wurde.

Am 15.01.2019 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.02.2019 erstatteten Gutachten vom 21.02.2019 stellte der medizinische Sachverständige bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen „Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat, Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1 (2/2016), Fibromyalgiesyndrom“, „Migräne“ und „Belastungsreaktion“ mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 v.H. fest. Mit Bescheid vom 16.04.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab, dagegen wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Am 21.08.2019 stellte die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung bei der belangten Behörde erneut einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag wurden eine von der Beschwerdeführerin gezeichnete Vollmacht zugunsten der rechtlichen Vertretung vom 07.08.2019 und ein Konvolut an medizinischen Unterlagen beigelegt.

Am 09.09.2019 wurde von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein Befundbericht einer näher genannten Orthopädiepraxis vom 30.08.2019 nachgereicht.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 22.10.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat, Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1 (2/2016), Fibromyalgiesyndrom mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades

Oberer Rahmensatz bei ausgeprägter Symptomatik

02.02.02

40

2

Migräne

Oberer Rahmensatz, da Attacken im Schnitt zwei bis vier pro Monat

04.11.01

20

3

Belastungsreaktion

1 Stufe über unterem Rahmensatz bei dauerhafter psychosomatischer

Beeinträchtigung ohne Hinweis auf soziale Deintegration

03.05.01

20

4

Carpaltunnelsyndrom beidseits

Unterer Rahmensatz, da keine motorischen Ausfälle

04.05.06

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass Leiden 1 durch die übrigen Leiden nicht erhöht werde, da sich diese teilweise überschneiden und das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht nicht weiter maßgeblich beeinträchtigen würden. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 21.02.2019 werde das Leiden 1 um eine Stufe erhöht, die Leiden 2 und 3 würden gleichbleiben, das Leiden 4 sei neu erfasst worden. Insgesamt werde der Grad der Behinderung um eine Stufe erhöht.

Mit Schreiben vom 23.10.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das allgemeinmedizinische Gutachten vom 22.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Die rechtlich vertretene Beschwerdeführerin erstattete innerhalb der ihr dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.11.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage.

Mit Schriftsatz vom 19.12.2019 brachte die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 21.11.2019 ein. Ohne Vorlage von Beweismitteln wird darin ausgeführt, die Beschwerdeführerin leide an einer Wirbelsäulenschädigung im Bereich der LWS und HWS, Migräne, Karpaltunnelsyndrom beidseits, Schulterschädigung beidseits und einer Belastungsreaktion. Das unter der laufenden Nummer 1 eingestufte Leiden mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. entspreche keinesfalls dem tatsächlichen Beschwerdebild. Bei der Beschwerdeführerin bestehe eine Schädigung im Bereich der LWS mit Ausstrahlung in das linke Bein. Sie leide an Schmerzen, Sensibilitätsstörungen sowie an einer Taubheit. Weiters liege auch eine HWS-Schädigung mit Ausstrahlung in den rechten Arm vor. Auch im Bereich der HWS würden Schmerzen bestehen, es komme auch zum Auftreten von Migräne. Aufgrund dieser erheblichen dauernd vorliegenden Funktionseinschränkungen sei die erfolgte Einstufung mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. nicht nachvollziehbar. Weiters werde vorgebracht, dass die bestehende Schulterschädigung rechts (Bursitis subacrominalis) unberücksichtigt geblieben sei. Aufgrund der vorliegenden Bewegungseinschränkung und der bestehenden Schmerzen sei auch hier eine richtsatzmäßige Einstufung des Leidens gerechtfertigt. Im Zusammenwirken der Leiden 1 - 4 liege entgegen den Feststellungen der Sachverständigen sehr wohl eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vor, welche eine Einstufung mit einem Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50 v.H. rechtfertigen würde. Das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten sei für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar und schlüssig. Zur Beurteilung des vorliegenden Zustandsbildes wäre die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Orthopädie und Neurologie/Psychiatrie unbedingt erforderlich gewesen. Es wurde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Neurologie/Psychiatrie und Orthopädie beantragt.

Aufgrund der eingebrachten Beschwerde holte die belangte Behörde im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eine Stellungnahme der Ärztin, welche das Gutachten vom 22.10.2019 erstellt hatte, vom 27.12.2019 ein. Darin geht die Gutachterin ausführlich auf die Beschwerdevorbringen ein und führt zusammenfassend aus, dass der Gesamtgrad der Behinderung unverändert bleibe.

Mit Bescheid vom 30.12.2019 erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, worin sie die Beschwerde abwies und sich in der Begründung auf die Ergebnisse der eingeholten Sachverständigengutachten stützte. Das Gutachten vom 22.10.2019 sowie die ergänzend eingeholte Stellungnahme vom 27.12.2019 wurden der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Mit Schreiben ihrer rechtlichen Vertretung vom 17.01.2020 brachte die Beschwerdeführerin ohne Vorlage neuer Beweismittel rechtszeitig einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein. Es wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin leide an einer Wirbelsäulenschädigung im Bereich der Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule, Migräne, Karpaltunnelsyndrom bds., Schulterschädigung bds, und einer Belastungsreaktion. Das vorliegende allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten sei nicht nachvollziehbar, schlüssig und ausreichend um den Gesundheitszustand beurteilen zu können. Die Feststellung der Sachverständigen, dass die Beschwerden der Beschwerdeführerin nicht permanent in hohem Ausmaß bestehen würden, da nur bedarfsweise „einfache" Schmerzmedikamente eingenommen werden würden, sei nicht richtig. Die Beschwerdeführerin nehme das Medikament Sirdalud 6 mg ein. Die normale Dosis dieses Medikamentes betrage jedoch nur 2 mg. Die Feststellung der Sachverständigen, dass dies nur eine einfache Schmerzmedikation sei, sei für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar. Zur Beurteilung des bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Zustandsbildes wäre die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Orthopädie und Neurologie/Psychiatrie unbedingt erforderlich gewesen. Des Weiteren werde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen. Es wurde abermals die die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Neurologie/Psychiatrie und Orthopädie beantragt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 22.01.2020 den Vorlageantrag, die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Mit Schreiben der Rechtsvertretung vom 13.07.2020 teilte die Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass sie vom 22.07.2020 bis zum 12.08.2020 einen Kuraufenthalt absolviere und in dieser Zeit keine Untersuchungstermine anberaumt werden mögen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 21.08.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Sie ist slowakische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat, Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1 (2/2016), Fibromyalgiesyndrom mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades, ausgeprägte Symptomatik;

2.       Migräne, im Schnitt zwei bis vier Attacken pro Monat;

3.       Belastungsreaktion bei dauerhafter psychosomatischer Beeinträchtigung ohne Hinweis auf soziale Deintegration;

4.       Carpaltunnelsyndrom beidseits ohne motorischen Ausfälle.

Das führende Leiden 1 wird durch die übrigen Leiden nicht erhöht, da sich diese teilweise überschneiden und das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht nicht weiter maßgeblich beeinträchtigen.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v.H.

Im Vergleich zum Vorgutachten vom 21.02.2019 wurde das Leiden 1 um eine Stufe erhöht, die Leiden 2 und 3 sind gleichgeblieben, das Leiden 4 wurde neu erfasst. Insgesamt wurde der Grad der Behinderung um eine Stufe erhöht.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 22.10.2019 und in der dieses Gutachten ergänzenden Stellungnahme derselben Ärztin vom 27.12.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im gegenständlich eingeholten Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 22.10.2019 und der ergänzend eingeholten medizinischen Stellungnahme vom 27.12.2019. Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden der Beschwerdeführerin sind die Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat. Der Zustand nach einer Bandscheibenoperation L5/S1 im Februar 2016, das Fibromyalgiesyndrom mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades und die Einschränkung der rechten Schulter sind in dieser Einstufung mitberücksichtigt. Die funktionelle Beurteilung ist das entscheidende Kriterium zur Feststellung des Grades der Behinderung. In diesem Zusammenhang wurde im medizinischen Sachverständigengutachten vom 22.10.2019 im Rahmen der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin folgender Status erhoben:

„Extremitäten: OE: Elevation des rechten Armes bis knapp unter die Horizontale möglich, Nackengriff rechts bis zum Ohr, Schürzengriff rechts bis gluteal möglich, Faustschluss rechts endlagig inkomplett, links komplett, grobe Kraft im Seitenvergleich rechts herabgesetzt, sonst die Gelenke, insbesondere auch beide Kniegelenke altersentsprechend frei beweglich, WS: HWS: Reklination des Kopfes mäßiggradig eingeschränkt, Drehung und Seitneigung des Kopfes nach rechts mehr als nach links eingeschränkt, Kinn-Jugulum-Abstand: 3cm, BWS/LWS: blande Narbe nach OP, Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts mittelgradig eingeschränkt, Lasegue beidseits negativ, Finger-Bodenabstand: 20cm. Das Gangbild normalschrittig und flüssig, Einbeinstand rechts ohne, links mit Anhalten möglich, Zehen- und Fersengang beidseits durchführbar.“

Das führende Leiden wurde von der Sachverständigen unter Berücksichtigung der im Rahmen der Untersuchung erhobenen vorliegenden Einschränkungen der Beweglichkeit und Belastung zutreffend der Positionsnummer 02.02.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades betrifft. Unter Berücksichtigung des Beschwerdebildes im Rahmen einer Fibromyalgiesymptomatik wurde von der Sachverständigen nachvollziehbar der obere Rahmensatz dieser Positionsnummer gewählt. Die Zuordnung zur nächst höheren Positionsnummer würde dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen mit therapeutisch schwer beeinflussbarer Krankheitsaktivität und der Notwendigkeit einer über mindestens 6 Monate andauernden Therapie voraussetzen. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht objektiviert. Da - wie die Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 27.12.2019 nachvollziehbar ausführt – von der Beschwerdeführerin bedarfsweise nur einfache Schmerzmedikamente eingenommen werden, ist davon auszugehen, dass die Beschwerden nicht permanent in hohem Ausmaß bestehen. Bei ihrer persönlichen Untersuchung am 22.10.2019 gab die Beschwerdeführerin dazu an, sie nehme bei Bedarf unter anderem Sirdalud ein, Mengenangaben wurden von der Beschwerdeführerin keine gemacht. Wenn nunmehr im Vorlageantrag vorgebracht wird, dass die Feststellung der Sachverständigen, die Beschwerden würden nicht permanent in hohem Ausmaß bestehen, nicht richtig sei, die Beschwerdeführerin nehme 6 mg des Medikaments Sirdalud ein, die normale Dosis betrage jedoch nur 2 mg, ist auszuführen, dass die Behauptung, die Beschwerdeführerin würde regelmäßig 6 mg des Medikaments Sirdalud einnehmen müssen, nicht befundmäßig belegt wurde. Insofern ist die Feststellung der Sachverständigen, dass bei der Beschwerdeführerin nur eine einfache Schmerzmedikation etabliert ist, nicht zu beanstanden. Eine Schwere der Funktionsbeeinträchtigungen, welche allenfalls eine höhere Einstufung rechtfertigen würden, kann den vorgelegten Befunden nicht entnommen werden. Insofern ist die gegenständliche Einstufung zum oberen Rahmensatz der Positionsnummer 02.02.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (40 v.H.) nicht zu monieren. Es wurden von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde bzw. des Vorlageantrages auch keine Befunde vorgelegt, die dieser Beurteilung widersprechen würden.

Gegen die Beurteilung der Leiden 2 (Migräne), 3 (Belastungsreaktion) und 4 (Carpaltunnelsyndrom beidseits) wurden von der rechtlich vertretenen Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben.

Die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung wurde von der gegenständlich beigezogenen Gutachterin zutreffend durchgeführt. In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass zwischen dem führenden Leiden 1 (Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat) und den Leiden 2 (Migräne) und 3 (Belastungsreaktion) eine teilweise Leidensüberschneidung besteht, sodass diese bei unzureichender wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht erhöhen und das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht nicht weiter maßgeblich beeinträchtigen. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist gemäß § 3 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen. Dies ist im gegenständlichen Fall erfolgt, wurde doch vom Grad der Behinderung des führenden Leidens 1, somit 40 v.H., ausgegangen. Bei Leiden 4 (Carpaltunnelsyndrom beidseits) handelt es sich lediglich um ein geringgradiges Leiden, welches sich auf eine andere Funktionsbeeinträchtigung nicht besonders nachteilig iSd § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung auswirkt.

Im Vergleich zum Vorgutachten vom Februar 2019 wurde das Leiden 1 um eine Stufe erhöht, die Leiden 2 und 3 sind gleichgeblieben, das Leiden 4 wurde neu erfasst. Insgesamt wurde der Grad der Behinderung um eine Stufe auf nunmehr 40 v.H. erhöht. Dieses Vorgehen der Sachverständigen ist nicht zu beanstanden.

Zu den im Rahmen der Befunderhebung, der Beschwerde und des Vorlageantrages vorgebrachten Schmerzen ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung anhand der vorliegenden Funktionsdefizite zu erfolgen hat und die aus vorliegenden Funktionseinschränkungen resultierenden Schmerzzustände aus gutachterlicher Sicht immer in der Diagnoseerstellung inkludiert sind.

Dass die im gegenständlichen Fall beigezogene Sachverständige die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden von der beigezogenen Sachverständigen umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt. Die Beschwerdeeinwendungen wurden im Beschwerdevorentscheidungsverfahren ordnungsgemäß und nachvollziehbar berücksichtigt.

Die Beschwerdeführerin ist dem eingeholten Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen somit in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 22.10.2019 (inklusive ergänzender Stellungnahme vom 27.12.2019) und am objektivierten, vorliegenden Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. Die Beschwerdeeinwendungen wurden – wie bereits erwähnt - im Beschwerdevorentscheidungsverfahren berücksichtigt.

Das vorliegenden Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 22.10.2019 (inklusive ergänzender Stellungnahme vom 27.12.2019) wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 22.10.2019 sowie deren im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte Stellungnahme vom 27.12.2019, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 40 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden im eingeholten Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Die Beschwerdeeinwendungen wurden im Beschwerdevorentscheidungsverfahren ordnungsgemäß und nachvollziehbar berücksichtigt. Die im Rahmen des Vorlageantrages erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, das vorliegende Gutachten (inklusive Stellungnahme) zu entkräften.

Das medizinische Sachverständigengutachten vom 22.10.2019 (inklusive Stellungnahme vom 27.12.2019) ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sieht. Zwischen dem führenden Leiden 1 und den Leiden 2 und 3 besteht eine teilweise Leidensüberschneidung, sodass diese bei unzureichender wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht erhöhen und das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht nicht weiter maßgeblich beeinträchtigen. Bei Leiden 4 handelt es sich lediglich um ein geringgradiges Leiden, welches sich auf eine andere Funktionsbeeinträchtigung nicht besonders nachteilig iSd § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung auswirkt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Soweit im Verfahren die Einholung weiterer medizinischer Sachverständigengutachten anderer Fachrichtungen moniert wird, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten einer bestimmten Fachrichtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung zu bestätigen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens (inklusive Stellungnahme) geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2227760.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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