TE Bvwg Beschluss 2020/8/5 W209 2227865-1

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Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Norm

ASVG §18a
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W209 2227865-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter in Erledigung der Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch Dr. Elfgund ABEL-FRISCHENSCHLAGER, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Marienstraße 13, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 31.10.2019, GZ: HVBA- XXXX , betreffend Abweisung des Anspruchs auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 06.10.2014 wies die belangte Behörde (im Folgenden: PVA) den Antrag der Beschwerdeführerin vom 18.06.2014 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für Zeiten der Pflege ihrer am XXXX geborenen Tochter XXXX mit der Begründung ab, dass die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihrer Tochter nicht gänzlich beansprucht worden sei. Dagegen wurde kein Rechtsmittel ergriffen.

2. Der von der Beschwerdeführerin am 25.04.2017 neuerlich gestellte (verfahrensgegenständliche) Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihrer Tochter XXXX wurde von der PVA mit Bescheid vom 15.05.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2018, GZ: W151 2162585-1/4E, wurde der von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 15.05.2017 erhobenen Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid mit der Begründung behoben, dass die Voraussetzungen für eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache nicht vorlägen, da im Hinblick auf die mit BGBl. I Nr. 2/2015 erfolgte Novellierung der Bestimmung des § 18a ASVG von einer geänderten Rechtslage auszugehen sei.

4. Mit Bescheid vom 31.10.2019 entschied die PVA nunmehr in der Sache selbst und wies den Antrag ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die Tochter der Beschwerdeführerin seit ihrer Geburt an einer atopischen Dermatitis leide. Dabei handle es sich um eine Erkrankung der Haut mit dauerhaften, zum Teil starken Juckreizen, die in der Folge zu Kratzläsionen führen würden. Weitere gesundheitliche Einschränkungen lägen nicht vor. Aufgrund der Diagnose sei bei der Tochter der Beschwerdeführerin seit Geburt persönliche Hilfe und Pflege nötig. Ohne die Betreuung durch die Mutter, vor allem in den ersten Lebensjahren des Kindes, wären einem gleichaltrigen Kind mit ähnlicher Erkrankung Nachteile in der Entwicklung bzw. im Heilungsverlauf erwachsen. Obwohl dadurch zunächst ein erheblicher Zeitaufwand seitens der Mutter zur Pflege und persönlichen Hilfe nötig gewesen sei, habe ab 01.01.1988 keine überwiegende Beanspruchung der (Anm.: Arbeitskraft der) Mutter zur Pflege und persönlichen Hilfe vorgelegen.

5. Dagegen richtet sich die vorliegende, binnen offener Rechtsmittelfrist erhobene Beschwerde, in der ausgeführt wurde, dass für die Tochter der Beschwerdeführerin bis Februar 2008 aufgrund eines mehr als 50%-igen Behinderungsgrades erhöhte Familienbeihilfe gewährt worden sei. Die Tochter leide seit ihrer Geburt an Neurodermitis und Asthma bronchiale und habe seit der Geburt intensiver Pflege und Hilfe bedurft, damit sie in ihrem Fortkommen nicht massiv benachteiligt gewesen sei. Die Mutter habe mit dem Kind bis 1998 (und darüber hinaus) mehrmals täglich inhalieren und ihm entsprechende Medikamente verabreichen müssen. Die Beschwerdeführerin sei auch Mutter der XXXX , geboren am XXXX , die ebenfalls an Neurodermitis leide. Die Mutter habe mit XXXX jedenfalls bis zu ihrem 15. Lebensjahr eine — im Vergleich zu gesunden Kindern — aufwendige Körperpflege vollziehen müssen. XXXX habe auch an schwer zugänglichen Hautstellen mehrmals täglich wund- und präventiversorgt werden müssen und sei hoch allergisch gewesen, weswegen Wohnraum, Bettwäsche und Körperwäsche täglich intensiv gereinigt hätten werden müssen. Die Beschwerdeführerin habe sämtliche Speisen selbst kochen müssen und dafür ausschließlich ausgewählte Nahrungsmittel verwenden können. Eine auch nur teilweise Versorgung mit handelsüblichen Produkten (z.B. Kuhmilch) oder gar Fertiggerichten sei ausgeschlossen gewesen. Zur Linderung ihrer Beschwerden sei XXXX auf zahlreiche Therapien angewiesen gewesen, wohin die Beschwerdeführerin ihre Tochter begleiten habe müssen. Es sei der Beschwerdeführerin durch die Pflege und Versorgung ihres behinderten Kindes unmöglich gewesen, einer Berufstätigkeit nachzugehen und eigene Versicherungszeiten zu erwerben. Im Jahr 1995 habe sie eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen. Erst seit 2014 sei sie in der Lage, einer Vollbeschäftigung nachzugehen. Mit dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, BGBI I Nr. 2/2015, sei festgelegt worden, dass bereits die überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft für die Pflege ausreichend für die Antragstellung nach § 18a ASVG sei. Damit sollte nach den Materialien eine Anpassung an § 18b ASVG erfolgen und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit neben der Pflege und Hilfe für ein behindertes Kind möglich gemacht werden (vgl. 321 BlgNR 25 GP 3). Die belangte Behörde habe in dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid den Pflege- und Hilfsaufwand bis 01.01.1988 als erheblich erachtet. Mit 01.01.1988 sei dieser laut PVA nicht mehr gegeben gewesen. Aus dem Bescheid ergebe sich aber in keiner Weise, warum die überwiegende Beanspruchung der (Anm.: Arbeitskraft der) Mutter durch die Pflege mit 01.01.1988 weggefallen sei. Diese Feststellung widerspreche auch dem Vorbringen und den Beweisergebnissen, nämlich dem Antrag und dem von der Beschwerdeführerin im Auftrag der PVA erstatteten Fragebogen. Augenfällig sei, dass dies genau der Zeitpunkt sei, ab dem eine Selbstversicherung überhaupt in Frage komme (vgl. § 669 Abs. 3 ASVG). Die Behörde habe sich weder mit den anspruchsbegründenden noch mit den anspruchshemmenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt, sondern sich auf bloße Leerformeln zurückgezogen. Bei entsprechender Würdigung der Angaben der Beschwerdeführerin hätte sie zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Die Begründung des Bescheides sei daher mangelhaft. Festgestellt worden sei, dass die Tochter der Beschwerdeführerin seit Geburt an atopischer Dermatitis leide und keine weitere Einschränkungen gegeben seien. Dies widerspreche sowohl den anspruchsbegründenden Beweisergebnissen, die von der Behörde überhaupt nicht gewürdigt worden seien, als auch den allgemeinen Erfahrungssätzen. Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, dass das Kind seit Geburt neben der Dermatitis auch an Asthma bronchiale leide. Dadurch seien täglich mehrmals Inhalationen notwendig gewesen, auf die die Beschwerdeführerin auch hingewiesen habe. Die Dermatitis gehöre zu den Hauterkrankungen, die insbesondere durch Hausstaubmilben, Tierepithelien, Pollen und Nahrungsmittel getriggert werden würden. Um den Leidenszustand der Betroffenen zu mildern, seien ausgeprägte Wäschehygienemaßnahmen und besondere Speisenzubereitung erforderlich gewesen. Trotz der konkreten Angaben der Klägerin sei die Behörde zum Ergebnis gekommen, dass eine besondere Beanspruchung seit 01.01.1988 nicht mehr gegeben sei. Die Behörde lege § 18a ASVG idgF so aus, dass eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege eines behinderten Kindes gar nicht möglich sei. Sie habe nicht festgestellt, in welchem Ausmaß Hilfe und Pflege für das Kind in welchem Zeitraum notwendig gewesen sei. Dies sei aber Voraussetzung dafür, um die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 18a ASVG zu überprüfen. Bei richtiger rechtlicher Würdigung hätte die Behörde Feststellungen zum tatsächlichen Pflegeaufwand im antragsgegenständlichen Zeitraum treffen müssen. Sodann hätte sie auszulegen gehabt, ab wann der Gesetzgeber von einer überwiegenden Beanspruchung ausgehe. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Fragebogen ergebe sich ein beträchtlicher Pflege- und Hilfsaufwand, auf dessen Grundlage Feststellungen getroffen hätten werden können.

6. Am 24.01.2020 einlangend legte die PVA die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme wies sie darauf hin, dass sie sich bei ihrer Entscheidung auf ein ärztliches Gutachten Dris. XXXX vom 08.07.2019 sowie auf eine chefärztliche Stellungnahme vom 18.07.2019 gestützt habe. Die Tochter der Beschwerdeführerin leide seit Geburt an einer atopischen Dermatitis. Folgenden Befunde lägen vor:

?        Allgemeinmedizinern Dr. XXXX aus 1990: Neurodermitis, Asthma bronchiale.

?        Dermatologe Dr. XXXX aus 1994: erythematosquamöse Hautveränderungen und Läsionen.

?        Pneumologe Dr. XXXX aus 1994: allergisches Asthma bronchiale.

?        Dermatologe Dr. XXXX aus 1996: Neurodermitis, atopisches Ekzem.

?        Dermatologe Dr. XXXX aus 1998: floride atopische Dermatitis, großflächige Ausdehnung.

?        Allgemeinmediziner Dr. XXXX aus 2004: atopische Dermatitis, schwerster Verlauf.

?        Krankenhaus XXXX von 2003 bis 2004: ausgeprägte Ekzeme mit Kratzeffloreszenzen.

?        Krankenhaus XXXX aus 2007: akute Exacerbation der Neurodermitis.

?        Krankenhaus XXXX aus 2009: akute Bronchitis mit leichter Obstruktion.

Ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe habe nach Mitteilung des zuständigen Finanzamtes für die Zeit von April 1994 bis April 2005 und von März 2006 bis Mai 2008 vorgelegen. Die medizinische Basis für die erhöhte Familienbeihilfe sei eine Neurodermitis gravis, ein allergisches Asthma bronchiale und eine Polytopie gewesen. Von 19.07.1985 bis 23.11.1985 habe die Beschwerdeführerin Wochengeld und von 24.11.1985 bis 28.09.1986 Karenzgeld bezogen. Am 16.03.1998 habe sie wieder zu arbeiten begonnen. Das Dienstverhältnis habe bis 23.08.2000 gedauert. Von 16.10.2000 bis 31.01.2001 habe die Beschwerdeführerin erneut gearbeitet. Seit 01.02.2001 sei sie laufend beschäftigt. Nach den vorliegenden Beweisergebnissen habe die Beschwerdeführerin ihrer Beweispflicht hinsichtlich der überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft nicht Genüge getan. Aus dem Umstand, dass sie ihre Arbeit nach Geburt des ersten Kindes aufgegeben habe und erst im Alter der Töchter von 10 1/2 bzw. 12 1/2 Jahren wieder zu arbeiten begonnen habe, könne nicht zwangsläufig der Schluss gezogen werden, dass wegen der Notwendigkeit der ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege für das Kind XXXX die Arbeitskraft überwiegend beansprucht worden sei. Weiters sei anzumerken, dass XXXX seit dem 01.01.2012 keinen Antrag auf Gewährung von Pflegegeld gestellt habe und kein Hinweis vorliege, dass ein Anspruch auf Pflegegeld vor diesem Zeitpunkt (Zuständigkeitsübergang auf die PVA) vorgelegen sei. Die Selbstversicherung sei jedenfalls in der Zeit vom 28.09.1985 bis 30.09.1991 wegen Wochengeld- und Karenzgeldbezugs und Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen.

7. Mit Urkundevorlage vom 10.02.2020 wurden von der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin folgende Urkunden vorgelegt:

./A Schreiben BH XXXX vom 16.03.2017

./B Nachtragsbefund Pneumologie Dr. XXXX vom 06.06.2016

./C Fachbefund Pneumologie Dr. XXXX vom 05.02.2016

./D Ambulanter Besuch Krankenhaus XXXX vom 05.01.2009

./E Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom 12.03.2008

./F Aufenthaltsbestätigung Klinikum XXXX vom 22.09.2007

./G Vorläufiger Kurzbericht Klinikum XXXX vom 21.09.2007

./H Befunde Klinikum XXXX vom 05.10.2007

./I Arzneimittelbewilligungservice Antwort vom 10.10.2007

./J Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom 19.06.2007

./K Sammelbefund von Dr. XXXX vom 07.07.2006

./L Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom 03.07.2006

./M Rechnung XXXX vom 16.03.2005

./N Mikrobiologische Stuhluntersuchung XXXX vom 11.03.2005

./O Nachtragsbefund Pneumologie Dr. XXXX vom 06.12.2004

./P Sammelbefund von Dr. XXXX vom 19.10.2004

./Q Fachbefunde Pneumologie Dr. XXXX vom 18.11.2004

./R Ambulanzkarte Dermatologie vom 18.11.2003

./S Fachärztliches Sachverständigengutachten vom 30.06.2004

./T Epicutan-Testreihen Ergebnis der Testung vom 16.11.1999

./U Ärztliche Bescheinigung vom 22.06.1998

./V Befundbericht Dr. XXXX vom 09.06.1998

./W Ärztliche Bescheinigung vom 09.07.1996

./X Gutachten Dr. XXXX vom 08.06.1996

./Y Ärztliche Bescheinigung vom 06.07.1994

./Z Testresultate Landeskrankenhaus XXXX vom 22.06.1994

./AA Lungenfachärztliche Bestätigung Dr. XXXX vom 21.06.1994

./BB Diagnose Neurodermitis und Asthma bronch vom 24.04.1990

./CC Befundbericht Dr. XXXX vom 05.07.1994

./DD Ärztliche Bestätigung Dr. XXXX vom 26.03.1990

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Die in Oberösterreich wohnhafte Beschwerdeführerin stellte am 25.04.2017 bei der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Oberösterreich, rückwirkend für den im Zeitraum von 01.01.1988 bis 31.12.2012 einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für Zeiten der Pflege ihrer am XXXX geborenen Tochter XXXX .

Für die im gemeinsamen Haushalt lebende Tochter der Beschwerdeführerin wurde von April 1994 bis April 2005 und von März 2006 Mai 2008 erhöhte Familienbeihilfe iSd § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) gewährt.

Von 16.03.1998 bis 23.08.2000 stand die Beschwerdeführerin in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis.

Von 24.08.2000 bis 15.10.2000 bezog die Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld (Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 5 ASVG).

Seit 16.10.2000 ist die Beschwerdeführerin durchgehend vollversicherungspflichtig beschäftigt.

Die Tochter der Beschwerdeführerin litt im beschwerdegegenständlichen Zeitraum an einer atopischen Dermitis, an allergischem Asthma bronchiale und einer Polytopie. Sie war nicht von der allgemeinen Schulpflicht befreit oder bettlägerig und bedurfte keiner ständigen (mehrmals in der Woche regelmäßig) persönlichen Hilfe bzw. besonderer Pflege (Wartung).

Ermittlungen und darauf basierende Feststellungen zur Frage, ob die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin trotz Verneinung eines ständigen Betreuungs- und Pflegebedarfs überwiegend in Anspruch genommen wurde, traf die Behörde nicht, obwohl dies, wie der rechtlichen Würdigung weiter unten zu entnehmen ist, erforderlich gewesen wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der Zeitpunkt der Antragstellung, die Zeiträume, in denen erhöhte Familienbeihilfe gewährt wurde, sowie der inländische Wohnsitz der Beschwerdeführerin und der gemeinsame Haushalt mit ihrer Tochter stehen aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.

Eine Befreiung von der allgemeinen Schulpflicht oder Bettlägerigkeit wurden weder behauptet noch ergeben sich aus der Aktenlage Anhaltspunkte dafür, dass eine solche vorlag.

Die oben angeführten Ersatzzeiten und Zeiten, in den vollversicherungspflichtige Dienstverhältnisse vorlagen bzw. vorliegen, ergeben sich aus einem von der PVA eingeholten Versicherungsdatenauszug.

Die Art der Behinderung der Tochter der Beschwerdeführerin sowie das Ausmaß der behinderungsbedingt erforderlichen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege ergeben sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung basierenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 08.07.2019. Das Gutachten ist schlüssig, nachvollziehbar, weist keine Widersprüche auf und geht auf die Art der Leiden und die damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Pflege- und Hilfeleistungen ein. Damit erfüllt es die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Dem in der Beschwerde geäußerten Einwand, die Behörde habe unberücksichtigt gelassen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin auch an Asthma bronchiale gelitten habe und deswegen täglich mehrmals Inhalationen notwendig gewesen seien, ist entgegenzuhalten, dass der Gutachter zwar die Hauptdiagnose atopische Dermatitis (ICD-10: L28.9) stellte, bei der Ermittlung des Pflegeaufwandes aber die regelmäßig erforderliche Medikamenteneinnahme berücksichtigte. Dass dabei auch die angeführten, mehrmals täglich erforderlichen Inhalationen berücksichtigt wurden, ist daraus zu schließen, dass der Gutachter anamnestisch die gesamte Krankheitsgeschichte berücksichtigte, wie sie den vorgelegten Befunden und den Angaben der Beschwerdeführerin (s. insb. S, 2 des Gutachtens, wonach man bis zu drei Mal täglich mit dem Naseninhalierer inhaliert habe) zu entnehmen ist.

Soweit die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin mit Urkundenvorlage vom 10.02.2020 weitere medizinische Unterlagen vorlegte, die nicht Eingang in das ärztliche Gutachten fanden, waren diese nicht geeignet, die gutachterlichen Äußerungen in Zweifel zu ziehen. So bestätigen die nicht in das Gutachten eingeflossenen Unterlagen (Beilagen ./A bis ./C, ./E bis ./G, ./I bis ./P, ./R, ./T, ./U, ./.W, ./Y, ./Z und ./BB) die vom Gutachter erstellte Diagnose bzw. lassen keine Rückschlüsse auf eine vom Gutachten abweichende Einschätzung des Pflege- und Betreuungsaufwands zu.

Das Fehlen von Ermittlungen und darauf basierenden Feststellungen zu Frage, ob die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin nicht auf andere Weise überwiegend in Anspruch genommen wurde, steht aufgrund der Aktenlage fest. So unterließ es die belangte Behörde sich mit dem in ihrem Auftrag erstatteten Fragebogen der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen, in dem diese unter genauer Angabe der täglichen Abläufe ihre zeitliche Beanspruchung durch die Behinderung ihrer Tochter darlegte.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. § 414 Abs. 2 ASVG sieht in den in § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG aufgezählten Angelegenheiten die Entscheidung durch einen Senat unter Laienrichterbeteiligung vor, wenn dies von einer Partei beantragt wird. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine derartige Angelegenheit (Z 1). Mangels Antrages liegt jedoch Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Vorliegend gelangen folgende maßgebende Bestimmungen zur Anwendung:

§ 18a ASVG idF BGBl. I Nr. 2/2015:

„Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten
der Pflege eines behinderten Kindes

§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der

1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2015)

2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder

3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.

(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind

1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

(4) Die Selbstversicherung ist in dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zulässig, in dem der (die) Versicherungsberechtigte zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Werden keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz nachgewiesen oder richtet sich deren Zuordnung nach der ersten nachfolgenden Versicherungszeit, so ist die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten zulässig.

(5) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den der (die) Versicherte wählt, frühestens mit dem Monatsersten, ab dem die erhöhte Familienbeihilfe (Abs. 1) gewährt wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der auf die Antragstellung folgt.

(6) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonates,

1. in dem die erhöhte Familienbeihilfe oder eine sonstige Voraussetzung (Abs. 1) weggefallen ist,

2. in dem der (die) Versicherte seinen (ihren) Austritt erklärt hat.

Ab dem erstmaligen Beginn der Selbstversicherung (Abs. 5) gelten die Voraussetzungen bis zum Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahres als erfüllt; in weiterer Folge hat der Versicherungsträger jeweils jährlich einmal festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung nach Abs. 1 gegeben sind. Der Versicherte ist verpflichtet, den Wegfall der erhöhten Familienbeihilfe dem Träger der Pensionsversicherung binnen zwei Wochen anzuzeigen.

(7) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.“

§ 669 Abs. 3 ASVG idF BGBl. I Nr. 125/2017:

„Schlussbestimmungen zu Art. 5 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 3/2013 (78. Novelle):

§ 669. (1) bis (2) …

(3) Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.

(4) bis (8) …“

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Diese Voraussetzungen treffen im gegenständlichen Fall zu.

Die Beschwerdeführerin beantragte am 25.04.2017 rückwirkend für die Zeit von 01.01.1988 bis 31.12.2012 die Anerkennung des Anspruchs auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihrer am XXXX geborenen Tochter.

Gemäß § 669 Abs. 3 ASVG idF BGBl. I Nr. 125/2017 kann die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung iSd § 18a Abs. 1 ASVG auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit zwischen dem 1. Jänner 1988 und dem 31. Dezember 2012 die zum Zeitpunkt der Antragstellung (hier: 25.04.2017) geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt hätten, nachträglich beansprucht werden.

§ 707a ASVG sieht das Inkrafttreten des § 669 Abs. 3 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 mit 1. Jänner 2018 ohne Übergangsregelung vor. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine solche aus anderen Bestimmungen abzuleiten wäre bzw. dass diesbezüglich eine Rechtslücke bestünde.

§ 669 Abs. 3 ASVG in der genannten Fassung stellt darauf ab, dass die betreffenden Personen die zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllen müssen, im vorliegenden Fall sohin die im § 18a ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2015 festgelegten Voraussetzungen. Auf die im zu erwerbenden Zeitraum der betreffenden Selbstversicherung früher in Geltung gestandenen Voraussetzungen für eine Selbstversicherung kommt es gemäß § 669 Abs. 3 ASVG nicht an (vgl. VwGH 05.06.2019 Ra 2019/08/0051).

Im vorliegenden Fall wurde von April 1994 bis April 2005 und von März 2006 Mai 2008 erhöhte Familienbeihilfe für die im gemeinsamen Haushalt lebende Tochter der Beschwerdeführerin gewährt. Es kommt daher eine Anerkennung des Anspruches für die Zeit von April 1994 bis April 2005 bzw. von März 2006 Mai 2008 in Betracht.

Gemäß § 18a Abs. 2 ASVG (in der gegenständlich anzuwendenden Fassung des BGBl. I Nr. 2/2015) schließen Zeiten einer Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung den Anspruch auf Selbstversicherung nicht aus. Vorliegend steht daher der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ab März 1998 mit einer kurzen Unterbrechung des Bezugs von Arbeitslosengeld durchgehend vollversicherungspflichtig beschäftigt war, der Selbstversicherung nicht entgegen.

Soweit in der Beschwerde ausgeführt wurde, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 1995 eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen habe, konnte das zwar nicht verifiziert werden, zumal eine derartige Beschäftigung in den Versicherungsdaten der Beschwerdeführerin nicht aufscheint. Eine geringfügige Beschäftigung stünde dem Anspruch aber ebenfalls nicht entgegen.

Den Feststellungen folgend bezog die Beschwerdeführerin von 24.08.2000 bis 15.10.2000 Arbeitslosengeld. Dies stellt eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 5 ASVG dar und schließt den Anspruch auf freiwillige Selbstversicherung in diesem Zeitraum aus.

Nach § 18a Abs. 1 ASVG (in der gegenständlich anzuwendenden Fassung des BGBl. I Nr. 2/2015) muss die Arbeitskraft überwiegend beansprucht werden, um den Anspruch anerkennen zu können. Dies ist gemäß § 18a Abs. 3 Z 2 und 3 ASVG jedenfalls dann der Fall, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf oder nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägerig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Die Tochter der Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren. Demnach unterlag sie von 01.09.1992 bis 30.06.2001 der allgemeinen Schulpflicht. Eine Befreiung von der allgemeinen Schulpflicht war ebenso wie Bettlägerigkeit nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht nicht gegeben. Somit war im vorliegenden Fall im Wege eines Sachverständigengutachtens zu klären, ob (und in welchem Umfang) unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches erforderlich war und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet war.

Ständige Pflege und Hilfe könnte dabei im Falle eines täglichen Schulbesuches z.B. dann erforderlich sein, wenn wegen der mangelnden Kommunikationsfähigkeit des Kindes eine Begleitung auf dem Schulweg bzw. nach der Schule eine dauernde Beaufsichtigung und Zuwendung notwendig wäre. Sollte dies der Fall sein, käme die gesetzliche Vermutung zum Tragen, dass es der Beschwerdeführerin auch in der ihr verbleibenden freien Zeit (in der sich ihr Kind in der Schule befindet) kaum möglich gewesen wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und dadurch für eine eigenständige Alterssicherung vorzusorgen (vgl. VwGH 17.12.1991, 89/08/0353).

Ein derartiger ständiger Bedarf persönlicher Hilfe und besonderer Pflege ist dem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten nach zu verneinen. Wie der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, kommt das von der belangten Behörde eingeholte fachärztliche Gutachten – unter Berücksichtigung sämtlicher vorliegenden medizinischen Unterlagen – schlüssig und nachvollziehbar zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige persönlich Hilfe und besondere Pflege nicht erforderlich war.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.06.2017, Ra 2016/09/0091) hat das Verwaltungsgericht dem Gutachten eines Amtssachverständigen, sofern es nicht unschlüssig ist oder mit den ersichtlichen Tatsachen nicht übereinstimmt, solange zu folgen, als dessen Richtigkeit nicht durch fachlich fundierte Gegenausführungen und Gegenbeweise von vergleichbarem Aussagewert widerlegt wurde.

Die Beschwerdeführerin ist dem vorliegenden Sachverständigenbeweis, der den oben angeführten Anforderungen entspricht, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten und hat auch sonst kein Vorbringen erstattet, das darauf schließen ließe, dass das Begutachtungsergebnis nicht mit den im vorliegenden Fall gegebenen Tatsachen übereinstimmt.

Somit ist das Erfordernis ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege zu verneinen.

Mit dem Wort „jedenfalls“ im Einleitungssatz des § 18a Abs. 3 ASVG idF BGBl. I Nr. 2/2015 hat der Gesetzgeber jedoch zum Ausdruck gebracht, dass neben den in Z 1 bis 3 aufgezählten Fällen eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft auch auf andere Weise gegeben sein kann.

Die Legaldefinition des § 18 Abs. 3 ASVG stellt somit nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege, sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien ab. Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft ist einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 21 Stunden wöchentlich bzw. ab 90 Stunden monatlich (entspricht mehr als der halben Normalarbeitszeit) anzunehmen (VwGH 19.01.2017, Ro 2014/08/0084) (vgl. Zehetner in Sonntag (Hrsg) ASVG10 § 18a Rz 4a).

Die Beschwerdeführerin hat dazu über Auftrag der belangten Behörde einen Fragebogen ausgefüllt und dort unter Angabe der genauen Zeitabläufe angegeben, in welchem Ausmaß sie durch die Behinderung ihre Tochter in Anspruch genommen wurde. Die belangte Behörde hat es jedoch verabsäumt, sich mit den Angaben der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen und stützte ihre Entscheidung lediglich auf das ärztliche Gutachten, dass den Bedarf ständiger persönlicher Hilfe bzw. besonderer Pflege verneinte.

Weil die PVA diesbezüglich jegliche Ermittlungstätigkeit unterließ, hat sie keine für eine Entscheidung in der Sache nach § 28 Abs. 2 VwGVG ausreichenden brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinne des § 24 VwGVG bloß zu vervollständigen gewesen wären. Dies berechtigt das Verwaltungsgericht, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088).

Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (s. dazu die in den rechtlichen Erwägungen zitierte VwGH-Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitskraft Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Selbstversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2227865.1.00

Im RIS seit

12.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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