TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/6 W181 1429911-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W181 1429911-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald PERL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2019, Zl. 821232603-2072903, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 10.09.2012 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen einer am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF an, ledig zu sein und der Religionsgemeinschaft der Sunniten anzugehören. Er habe von 1990 bis 1997 in Bangladesch eine Grundschule besucht. Seine Eltern und vier Brüder würden in Bangladesch leben, ein Bruder des BF sei verstorben.

Zu seiner Reiseroute befragt gab der BF zusammengefasst an, Bangladesch im Sommer 2005 verlassen zu haben und mit einem gefälschten Reisepass nach Pakistan geflogen zu sein. Dort sei er ungefähr zwei Jahre lang einer illegalen Beschäftigung als Schneider in einer Bekleidungsfabrik nachgegangen. Im Jahr 2007 sei er schlepperunterstützt in den Iran gereist, wo er für 18 Monate als Fabrikarbeiter in einem Kunststoffunternehmen gearbeitet habe. Im Iran habe er die Grenze zu Fuß überschritten und sei in der Türkei mit einem Bus nach Istanbul gebracht worden, wo er sich ein paar Tage aufgehalten habe. Danach sei er im Juli 2009 mit einem Schlauchboot an die griechische Grenze gebracht worden. In Griechenland sei er, ebenfalls schlepperunterstützt, nach Athen gebracht worden, wo er einen Antrag auf Asyl gestellt habe und ihm daraufhin eine rote Karte ausgestellt worden sei. In Athen habe der BF gelegentlich als Schneider gearbeitet. In Griechenland habe er einen Schlepper kennengelernt, welcher für ihn die Weiterreise nach Österreich am 25.08.2012 organisiert habe, wo er am Tag der Befragung in einem Kastenwagen eingereist sei.

Zu den Gründen für seine Ausreise aus Bangladesch befragt, gab er an, dass er sein Heimatland verlassen habe und nach Pakistan geflohen sei, um dort zu arbeiten. Die Arbeitssituation in Pakistan habe sich in letzter Zeit verschlechtert, weshalb er beschlossen habe, in den Iran zu gehen. Danach habe er nach Europa fahren wollen, um hier zu arbeiten. Die Lage in Griechenland sei sehr schlecht und dort gebe es keine Arbeit, weshalb er nach Österreich gekommen sei, um seine wirtschaftliche Situation zu verbessern. Andere Gründe habe er nicht. Im Fall einer Rückkehr würde er in Bangladesch keine Arbeit finden.

I.3. Am 28.09.2012 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Er gab in der Einvernahme an, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Er wiederholte seine bisherigen Angaben zum Reiseweg und gab zusammengefasst an, weder religiös noch politisch zu sein, aber mit Parteileuten zusammen gewesen zu sein. Eine dieser Personen habe jemanden getötet. Am 03.10.2001 gegen Mitternacht sei das Opfer entführt worden und am nächsten Tag habe man die Leiche gefunden. Am 02.09.2009 sei Anzeige gegen den BF und weitere Personen erstattet worden. Als sich der BF in Griechenland befunden habe und zurückkehren habe wollen, habe er von seinen Familienangehörigen erfahren, dass er immer wieder von der Polizei gesucht werde.

In Bangladesch würden nur mehr seine Eltern leben. Zwei seiner Brüder seien Gärtner und würden in Saudi-Arabien leben und zwei andere Brüder des BF würden in Pakistan leben und in der Textilbranche arbeiten. Ein weiterer Bruder des BF lebe in Griechenland und arbeite ebenfalls in der Textilbranche. Die Eltern des BF würden von den Brüdern des BF unterstützt werden.

Der BF habe in Bangladesch sieben Jahre eine Grundschule besucht. Er sei in Bangladesch keiner Beschäftigung nachgegangen, weil er von seinen Brüdern Geld erhalten habe. Zweieinhalb Jahre sei der BF in Pakistan aufhältig gewesen, wo er als Schneidergehilfe gearbeitet habe. Danach sei er im Iran in einer Plastikfabrik tätig gewesen und anschließend sei er von der Türkei aus nach Griechenland weitergereist. In Griechenland habe er nur Gelegenheitsarbeiten als Straßenhändler gemacht, da es dort keine Arbeit gebe. Seine Ausreise aus Griechenland sei durch seinen in Griechenland aufhältigen Bruder und Erspartes des BF finanziert worden.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF im Wesentlichen an, in Bangladesch zwei bis drei Mal an Demonstrationen teilgenommen zu haben. Eines Tages habe es bei einer Versammlung eine Auseinandersetzung gegeben, im Zuge derer der BF angegriffen und verletzt worden sei. Seine Eltern hätten ihm daraufhin gesagt, er solle ins Ausland gehen. Zusätzlich sei der BF mit Personen, welche Mitglieder in einer Partei gewesen seien, zusammen gewesen und diese Personen hätten Probleme gemacht. Der BF habe aus verschiedenen Gründen das Land verlassen, auch wegen Anzeigen.

Noch einmal aufgefordert, konkret und detailgetreu über die Fluchtgründe zu berichten, gab der BF an, dass ein Gemeinderat namens XXXX , ein Mitglied der Awami League (im Folgenden auch als AL bezeichnet), von Mitgliedern der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) getötet worden sei, als die BNP an der Macht gewesen sei. Danach sei eine Anzeige gegen den BF erstattet worden.

Der BF sei nicht politisch interessiert und habe nur einmal an einer Wahl im Jahr 2001 teilgenommen. Er sei damals nicht der Wähler gewesen, aber habe für jemand anderen eine Stimme abgegeben.

Ergänzend gab der BF an, dass er auch wirtschaftliche Probleme in Bangladesch gehabt habe.

Darauf hingewiesen, dass der BF bei der Erstbefragung nur angegeben habe, dass er im Fall einer Rückkehr befürchte, finanzielle Probleme zu haben, gab er an, dass er damals Angst gehabt und dies deshalb so gesagt habe.

Zu den Länderfeststellungen gab er an, dass diese richtig seien, man allerdings Hypotheken für Mikrokredite benötige, welche er nicht habe.

Zu seiner Integration in Österreich gab der BF an, dass er einen Deutschkurs besuche und schon einige Wörter Deutsch spreche. Er könne als Schneider, in einer Fabrik oder einem Restaurant arbeiten bzw. könne jede Arbeit machen. Seit er in Österreich sei, habe er erst einmal Kontakt zu seinen Angehörigen in Bangladesch aufgenommen.

I.4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.09.2012, Zl. 12 12.326-BAT, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) abgewiesen und der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass das gesamte Vorbringen des BF äußerst vage, pauschal gehalten und in sich widersprüchlich gewesen sei. Darüber hinaus würden auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen. Es sei davon auszugehen, dass der BF als Erwachsener die Möglichkeit habe, im Fall einer Rückkehr seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, wie es ihm auch vor seiner Ausreise gelungen sei. Es könne nicht angenommen werden, dass der BF im Fall einer Rückkehr einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein würde. Es würden auch keine Hinweise auf „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen. Im Verfahren seien auch keine Anhaltspunkte einer besonderen Integration in Österreich hervorgetreten und es habe keine Hinweise gegeben, dass durch die Ausweisung des BF auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in sein Recht auf Familien- und Privatleben eingegriffen würde.

I.5. Mit Schriftsatz vom 15.10.2012 wurde der Bescheid seitens des – rechtsfreundlich vertretenen – BF zur Gänze angefochten.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF und der daraus erwachsenden Verfolgungssituation nicht erfolgt sei. Die Behörde habe es zudem unterlassen, individualisierte Länderberichte einzuholen und einer Beweiswürdigung zu unterziehen. Die allgemein gehaltenen Feststellungen würden sich nicht auf den individuellen Fluchtgrund des BF beziehen. Der BF habe die Ereignisse, die zu seiner Flucht geführt hätten, detailliert und lebensnah erzählt. Bei weiterer Nachfrage wäre er auch bereit gewesen, weitere Ausführungen zu tätigen sowie Daten, Zeiträume oder Namen zu nennen. 2001 sei der Anführer der Awami League, XXXX , ermordet worden. Der BF habe den Mörder gekannt, da diese gemeinsam gearbeitet hätten. Sie seien eine Gruppe von Unterstützern der BNP gewesen, welche alle den Tod dieser Person gewollt hätten. Ausgeführt habe der BF die Tat jedoch nicht. Als die Awami League an die Macht gekommen sei, habe jemand eine Anzeige gegen den BF erstattet; wahrscheinlich sei dies der Sohn des Ermordeten gewesen. Aufgrund dieser Anzeige werde der BF von der Polizei in Bangladesch gesucht. Aufgrund der hohen Korruption und des großen Einflusses der Awami League auf die Polizei habe der BF in Bangladesch nicht mit einem fairen Prozess, sondern mit willkürlicher Verhaftung und unmenschlichen Haftbedingungen zu rechnen.

Der BF verwies auf diverse Länderberichte und führte aus, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde für ihn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe, da sein Besitz und seine Familie im Heimatdorf seien und er nicht über das nötige Geld verfüge, sich außerhalb seines Heimatdorfes eine neue Existenz aufzubauen. Darüber hinaus sei es für Personen mit genügend Geld aufgrund der korrupten Polizei möglich, den BF überall zu finden.

I.6. Am 16.10.2012 legte das Bundesasylamt die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Asylgerichtshof vor.

I.7. Mit Schriftsatz vom 02.11.2012 wurden im Original ein "Erster Informationsbericht" vom 02.09.2009 vorgelegt, der unter der Nr. 13 einen " XXXX ", Sohn des XXXX , aus dem Dorf XXXX , als Beschuldigten anführt, wobei u.a. eine Entführung mit der Absicht, einen Mord zu begehen, vorgeworfen und als Tatort das Wohnhaus des XXXX bezeichnet wird. Zudem war eine Klagsschrift vom 29.07.2009 angeschlossen, die unter der Nr. 13 ebenfalls einen " XXXX " aufweist. Eine weitere vorgelegte Klagsschrift vom 14.06.2010 nennt u.a. als Täter unter der Nr. 13 einen " XXXX ".

I.8. Am 13.08.2013 langte beim Asylgerichtshof eine Teilnahmebestätigung des BF an dem Kurs „Deutsch für AsylwerberInnen Anfänger“ von Oktober 2012 bis Juli 2013 an der Volkshochschule Salzburg ein.

I.9. Mit Beschluss des – zwischenzeitlich zuständigen - Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2016, W152 1429911-1, wurde der Bescheid vom 28.09.2012, Zl. 12 12.326-BAT, in Erledigung der Beschwerde behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich das Bundesasylamt in erster Linie darauf gestützt habe, dass sich der BF in seiner Einvernahme auf das Aufstellen von bloß abstrakten und unkonkreten Behauptungen beschränkt habe, wobei dieser die von ihm vorgebrachten Sachverhalte nicht tatsächlich erlebt habe und es sich ausschließlich um ein gedankliches Konstrukt handle. Die ungerechtfertigten Beschuldigungen wegen Mordes hätten jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit und Nachvollziehbarkeit widerlegt werden können, weshalb nicht von der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts ausgegangen werden könne.

Vor dem Hintergrund der bereits vom Bundesasylamt getroffenen Länderfeststellungen, dass in der Praxis eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive unterstelle, wobei die unteren Gerichte unter endemischer Korruption leiden, es weiters Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte und willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen gebe und es aufgrund der weit verbreiteten Korruption in Justiz und Polizei eine nahe liegende Vermutung sei, dass es auch zu ungerechtfertigten Anschuldigungen komme, hätte es angesichts einer bloß zwei Seiten aufweisenden Niederschrift der Einvernahme des BF zu seinen Fluchtgründen einer eingehenden und umfassenden Einvernahme des BF und insbesondere im Hinblick auf den unterstellten Mord auch Erhebungen vor Ort unter allfälliger Beiziehung eines Vertrauensanwaltes bedurft.

I.10. Am 22.11.2016 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF durch das BFA. Der BF gab darin im Wesentlichen an, ledig zu sein und keine Kinder zu haben sowie gesund und nicht in ärztlicher Behandlung zu sein und keine Medikamente regelmäßig einnehmen zu müssen. In Bangladesch habe er seit seiner Geburt in seinem Elternhaus gelebt. Derzeit würden die Eltern und ein Bruder des BF in Bangladesch leben. Insgesamt habe der BF fünf Brüder, von denen einer in Bangladesch, einer in Katar, einer in Saudi-Arabien und einer in Griechenland lebe. Der älteste Bruder des BF sei bereits verstorben. Auf Nachfrage gab der BF an, dass seine Geschwister schon seit langem, circa 20 Jahre, nicht mehr in Bangladesch leben würden. Ansonsten würden noch die Kinder seiner Brüder aus Saudi-Arabien und Griechenland sowie viele Onkel und Tanten mütterlicher- und väterlicherseits des BF in verschiedenen Teilen Bangladeschs leben. Zu diesen habe der BF aber derzeit keinen Kontakt. Der BF halte zu seiner Familie Kontakt, diese würde ihn circa einmal im Monat anrufen. Manchmal besuche die Polizei seine Eltern und stelle Fragen wegen der Probleme, die der BF gehabt habe. Es gehe seinen Eltern aber gut.

Der BF habe in Bangladesch mit seinem Vater in einer Landwirtschaft gearbeitet. Das Elternhaus gehöre dem Vater des BF, ansonsten habe die Familie noch ein kleines Grundstück neben diesem Haus.

Der BF sei seit elf Jahren nicht mehr in Bangladesch gewesen. Er habe sich von 2005 bis 2007 in Pakistan, von 2007 bis 2008 im Iran, anschließend vier oder fünf Monate in der Türkei und danach von 2009 bis 2012 in Griechenland aufgehalten, bevor er nach Österreich gekommen sei. Er habe wirtschaftliche Gründe gehabt, Bangladesch zu verlassen und habe gedacht, dass er in Griechenland arbeiten und Geld verdienen könne. Da dies nicht so gewesen sei, sei er weitergereist.

Nachgefragt, um was für einen „Polizeibericht“ es sich bei den im Verfahren bereits vorgelegten Unterlagen des BF handelt, gab der BF an, dass dies ein Festnahmebefehl für ihn sei. Er habe dieses Dokument im Jahr 2012 von seinem Vater zugeschickt bekommen, welcher den Brief zwischen 2008 und 2009 von der Polizei bekommen habe. Darin stehe, dass der BF angeklagt werde, ein „politisches Mitglied“ erschossen zu haben.

Der BF sei von 2001 bis 2005 Mitglied der BNP gewesen, er habe derzeit aber keinen Kontakt zur Partei. Er könne seine Mitgliedschaft nicht nachweisen, da er seinen Parteimitgliedschaftsvertrag nicht mehr habe.

Befragt zu seiner Funktion in der Partei gab der BF an, dass er an Parteitreffen und Demonstrationen teilgenommen habe. Nachgefragt, auf welcher Verwaltungsebene der Partei der BF mitgewirkt habe, führte er an, dass er noch jung gewesen sei und nicht viel dazu sagen könne. Er sei kein besonderes Mitglied gewesen und habe keine Funktion innegehabt. Der Parteivorstand habe dem BF gesagt, an welchen Demonstrationen er teilnehmen solle. Dieser habe von einem Büro im Heimatdorf des BF Befehle erteilt. Der BF habe zum Beispiel an Treffen im Rahmen des Besuches eines Premierministers teilgenommen. Ansonsten habe er auch noch soziale Arbeit gemacht, indem er Geld eingesammelt habe, wenn jemand finanzielle Hilfe benötigt habe. Wenn es Probleme gegeben habe, habe die Partei Demonstrationen abgehalten.

Nach mehrmaligen Nachfragen gab der BF an, dass er an Demonstrationen teilgenommen habe, in denen es um Schulen und Moscheen gegangen sei. Im Jahr 2005 sei die BNP Regierungspartei gewesen, in den letzten zehn Jahren sei aber die Awami League Regierungspartei gewesen. Wenn zum Beispiel Geld für die Reparatur einer Moschee benötigt worden sei, sei demonstriert worden.

Nachgefragt, wieso der BF nun sage, dass die Awami League an der Macht gewesen sei, obwohl der BF gerade angegeben habe, dass 2005 die BNP Regierungspartei gewesen sei, gab der BF an, dass die Awami League bis zum Jahr 2005 in der Opposition gewesen sei und Widerstand geleistet habe und daher die BNP nicht alles machen habe können.

Der BF habe in Bangladesch bis zur 5. Schulstufe eine Schule besucht und das Spengler-Handwerk erlernt. Er habe auch einen Führerschein gemacht. Da sein Vater nicht so gut verdient habe, sei es ihm finanziell nicht gut gegangen. Seine Brüder im Ausland hätten keine finanzielle Unterstützung geleistet.

Der BF habe weder im Herkunftsland noch in Österreich Strafrechtsdelikte begangen. Aus dem Jahr 2009 bestehe ein offizieller Haftbefehl gegen den BF, welchen er vorgelegt habe.

Aufgefordert, alle Gründe für seine Asylantragstellung zu nennen, gab der BF an, dass ihm die politische Situation nicht gefallen habe und es finanziell sehr schwierig gewesen sei. Sein Vater habe wenig Geld verdient und es sei sehr schwer für die ganze Familie gewesen. Auch seine Brüder hätten deshalb Bangladesch verlassen. Es habe keine Chance auf ein besseres Leben in Bangladesch gegeben. Nachgefragt, was der BF damit meine, dass ihm „die politische Situation nicht gefallen“ habe, gab er an, dass es ständig Auseinandersetzungen und Schmiergelderpressungen gegeben habe. Zum Bespiel habe die BNP beschlossen, eine Straße zu renovieren und die Awami League sei in der Nacht gekommen und habe alles zerstört. Darum habe sich der BF entschlossen, nach Pakistan zu gehen und auch den Kontakt zur Partei abzubrechen.

Der ausschlaggebende Grund für die Ausreise des BF sei gewesen, dass Mitglieder der BNP einen Obmann der Awami League getötet hätten und daraufhin Mitglieder der BNP, darunter auch der BF, des Mordes verdächtigt worden seien.

Auf Nachfrage, wann diese Person ermordet worden sei, gab der BF zuerst an, dass dieser im Jahr 2009 ermordet worden sei und korrigierte sein Vorbringen anschließend, dass es entweder im Jahr 2001 oder 2003 gewesen sei.

Auf Nachfrage, woher der BF wisse, dass diese Person von einem Mitglied der BNP ermordet worden sei, gab der BF an, dass die Anklage für 15 Mitglieder der BNP gewesen sei und er es daher angenommen habe. Der BF habe die Anklage gesehen, als die Person ermordet worden sei. Er sei erst 2009 angezeigt worden und wisse erst seit diesem Zeitpunkt von diesem Fall. Der BF habe gehört, dass diese Person in einem Garten von einem Kindergarten ermordet worden sei. Der BF sei des Mordes verdächtigt worden, weil er mit der Partei zu tun gehabt habe. Es seien alle Parteiführer und Personen, die eine wichtige Rolle eingenommen hätten, verdächtigt worden. Im Dorf des BF habe es ungefähr 50 oder 60 Parteimitglieder der BNP gegeben. Der BF wisse nicht, ob man den Mörder habe ausfindig machen können. Seine Eltern hätten ihm mitgeteilt, dass im Jahr 2009 oder 2010 einige Leute verhaftet worden seien, aber er wisse nicht, was mit diesen passiert sei.

Nachgefragt, weshalb der BF bei seiner Erstbefragung am 10.09.2012 ausschließlich angegeben hab, Bangladesch verlassen zu haben, um in Pakistan zu arbeiten, gab er an, dass er nach Pakistan gegangen sei, um seine finanzielle Lage zu verbessern. Dort habe es aber politische Probleme gegeben, weil der Premierminister erschossen worden sei, deshalb habe er Pakistan verlassen.

Vor dem Mord habe der BF keine Probleme gehabt und es habe auch keine Übergriffe gegeben. Nur die Partei habe Streitereien, von denen er persönlich aber nicht betroffen sei. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Er habe keine Probleme wegen seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit. Der BF hätte seine Probleme auch an anderen Orten in Bangladesch gehabt, wenn er angezeigt worden wäre.

Der BF verzichtete auf eine Stellungnahme zu den Länderberichten.

Zum Leben in Österreich befragt, gab der BF an, von der Caritas unterstützt zu werden. Er habe keine Verwandten in Österreich und sei nicht Mitglied in einem Verein. Er besuche einen Deutschkurs auf dem Niveau A1. Es sei geplant, dass er in seiner Freizeit bei der Diakonie in der Behindertenbetreuung mithelfe.

Der Reisepass des BF sei bei seinem Bruder in Griechenland. Es wurde eine Frist von vier Wochen zur Vorlage des Reisepasses vereinbart.

Im Rahmen der Einvernahme legte der BF ein Empfehlungsschreiben des Vereins XXXX vom 11.11.2016, eine Deutschkursbestätigung der Volkshochschule Salzburg vom 15.07.2013, eine Bestätigung über die Teilnahme am Projekt „Gemeinnützige Beschäftigung für Asylwerber“ aus dem Jahr 2014 und eine Bestätigung der XXXX über die selbständige Tätigkeit als Kolporteur vom 09.09.2013 bis 15.03.2015 vor.

I.11. Mit Schreiben vom 24.11.2016 teilte der BF mit, dass er seinen Reisepass nicht vorlegen könne, weil dieser in Griechenland verloren gegangen sei.

I.12. Am 13.01.2017 stellte das BFA eine Anfrage an die Staatendokumentation, ob eine Anzeige gegen den BF nach wie vor bestehe und der vom BF geschilderte Mord aufgeklärt werden habe können bzw. ob es Verurteilungen gegeben habe.

I.13. In der am 06.06.2017 beim BFA eingelangten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation wird ausgeführt, dass dem Bericht des Vertrauensanwalts zu entnehmen sei, dass die Aussage des BF nicht bestätigt habe werden können. Der genannte Mordfall sei noch vor Gericht. Die Untersuchungen des Vertrauensanwalts hätten ergeben, dass es laut Originaldokumenten und Aussagen von Einheimischen keine Anzeige gegen den BF gebe und dieser auch nicht polizeilich gesucht werde. Die beigefügten Dokumente würden nicht als authentisch angesehen werden können.

I.14. Am 01.08.2017 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA. In Rahmen der Einvernahme wurden dem BF die Ergebnisse der Vorortrecherche zur Kenntnis gebracht. Der BF gab dazu an, dass der Haftbefehl vielleicht noch nicht bei der Polizei, sondern in der Bezirksstelle registriert sei; dieser sei echt. Der BF habe auch seinen Vater gebeten, nachzusehen, ob dieser noch andere Dokumente finden könne. Der BF wolle selbst vor Ort recherchieren, damit er vielleicht noch etwas Anderes herausfinden könne. Auf Nachfrage, weshalb der BF die vorgelegten Unterlagen nicht bereits im Zuge seines ersten Verfahrens vorgelegt habe, gab er an, dass ihm keiner die Dokumente besorgen hätte können.

I.15. Am 09.02.2018 leitete das Bundesverwaltungsgericht dem BFA ein Schreiben des BF vom 06.02.2018, ein ÖSD Zertifikat A2 sowie eine beglaubigte englische Übersetzung eines als „Complain“ betitelten Dokumentes aus Bangladesch weiter.

I.16. Am 30.10.2018 langte ein Empfehlungsschreiben einer Philologin beim BFA ein.

I.17. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.01.2019, Zl. 821232603-2072903, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass für die Behörde feststehe, dass der vom BF vorgebrachte Fluchtgrund rund um die Anzeige bzw. Klageerhebung wegen Mordes an einem Mitglied der Awami League nicht der Wahrheit entspreche. In Anbetracht dessen, dass der BF behauptet habe, der genannte Mord wäre seiner Flucht ursächlich zugrunde zu legen, erscheine es fragwürdig, dass der BF zu diesem nur vage Angaben gemacht habe und auch den zeitlichen Rahmen nicht konkreter definieren habe können. Dass der BF im Lauf seines Asylverfahrens derart divergierende Angaben gemacht habe, sei nicht nachzuvollziehen. Die widersprüchlichen Angaben des BF würden zur Unglaubwürdigkeit der vorgebrachten Verfolgung beitragen. Auch die Vorortrecherche habe ergeben, dass es laut Originaldokumenten und Aussagen der Einheimischen keine Anzeige gegen den BF gebe und der BF nicht polizeilich gesucht werde sowie die vom BF vorgelegten Unterlagen nicht als echt verifiziert hätten werden können. Der BF habe versucht, das Ermittlungsergebnis dadurch zu erklären, dass der Mord und der Haftbefehl für seine Person vermutlich nicht bei der lokalen Polizei registriert worden sei, sondern nur in der Bezirksstelle. Die Behauptung des BF, dass ein Mord an einem Oppositionsführer der Awami League nicht bei der lokalen Polizei registriert worden wäre, sei ebenfalls völlig unglaubwürdig. Hinsichtlich der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei anzuführen, dass selbst bei Wahrunterstellung der Angaben des BF kein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister in Bangladesch existiere und es im Heimatdorf des BF laut eigenen Angaben bis zur Ausreise keine Probleme gegeben habe. Selbst bei einer Flucht in einen komplett anderen Landesteil hätte man keine Möglichkeit, den BF ausfindig zu machen.

Darüber hinaus würden auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen. Der BF sei ein arbeitsfähiger, junger und gesunder Mann, der fünf Jahre die Grundschule und fünf Jahre eine höhere Schule besucht habe. Zudem sei der BF als Schneider und Fabrikarbeiter tätig gewesen und habe mit seinem Vater in der Landwirtschaft gearbeitet. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der BF im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein würde, erneut seinen bisher ausgeübten oder vergleichbaren Tätigkeiten nachzugehen und ein ausreichendes Einkommen für sich zu erwirtschaften. Zudem lebe noch ein Großteil der Familie des BF in Bangladesch, sodass er jedenfalls auf eine gewisse Unterstützung durch diese zurückgreifen könne.

Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei.

I.18. Mit Schriftsatz vom 05.03.2019 wurde der Bescheid des BFA seitens des – rechtsfreundlich vertretenen – BF zur Gänze angefochten.

Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF in Bangladesch Mitglied der derzeitigen Oppositionspartei BNP gewesen sei und an Demonstrationen und anderen Aktivitäten der Partei teilgenommen habe. Als die Partei im Juli 2001 in der Regierung gewesen sei, sei ein Mitglied der Awami League, der nunmehr regierenden Partei, ermordet worden. 2005 habe der BF Bangladesch verlassen, da er dort nicht mehr leben habe können. Als die Awami League 2009 wieder an die Macht gekommen sei, seien 15 Mitglieder der BNP, darunter auch der BF, des Mordes verdächtigt und angeklagt worden. Bei einer Rückkehr nach Bangladesch drohe dem BF eine Verhaftung für ein Verbrechen, dass er nicht begangen habe, und politische Verfolgung aufgrund seiner Mitgliedschaft in der BNP.

Aus den Auszügen der Vorortrecherche gehe nicht hervor, welche Rolle der BF in der BNP gespielt habe und ob seine politische Einstellung bekannt gewesen sei. Aufgrund des politischen Engagements des BF und seiner politischen Einstellung wäre der BF bei einer Abschiebung weiterhin Verfolgung und willkürlicher Gewalt sowie drohenden Festnahmen ausgesetzt, was auch die Länderberichte zeigen würden. Das BFA gehe auch nicht weiter darauf ein, welche Gefahren dem BF aufgrund seines politischen Engagements auch in jenen anderen Landesteilen drohe, auf die im Bescheid verwiesen werde. Auch seien die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen unvollständig, da sie kaum Aufschluss über das konkrete Fluchtvorbringen des BF geben. Es wurde auf zahlreiche Berichte zur Lage der Oppositionsmitglieder, Gerichtsverfahren, Haftbedingungen und zur allgemeinen Sicherheitslage verwiesen und darauf hingewiesen, dass die angeführten Länderberichte öffentlich zugänglich und einfach zu recherchieren seien, was zeige, wie ungenau sich die belangte Behörde der ihr zugänglichen Quellen bedient habe.

Zur Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass das BFA bemängle, dass der BF nur vage Angaben zu dem vorgeworfenen Mord und der damit verbundenen Anklage gemacht habe, obwohl dies der fluchtauslösende Grund gewesen sei. Der BF habe allerdings, wie aus den Einvernahmen hervorgehe, klare Angaben zum Mord gemacht. In Bezug auf die Vorortrecherche sei darauf hinzuweisen, dass diese nun bereits 21 Monate zurückliege.

Aus dem Bescheid gehe zudem nicht hervor, wie die Informationsquelle des BFA zu den getroffenen Feststellungen gekommen sei. Es werde von der belangten Behörde auch nicht angezweifelt, dass der BF Mitglied der BNP gewesen sei und trotzdem gehe es nicht auf die Gefahrenlage als ehemaliges Mitglied des BF ein, obwohl laut Länderberichten Oppositionspolitiker oder jegliche Personen, die als der Opposition angehörend erkannt werden, der Verfolgung durch die Regierung ausgesetzt seien. Dazu würden auch willkürlich eingeleitete Strafverfahren gehören.

Fallbezogen sei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF angesichts des ihn betreffenden Verfolgungsrisikos keinen ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden könne und ihm auch keine inländische Fluchtalternative offenstehe, weil die Verfolgung durch politische Gegner und die Behörden auf dem ganzen Staatsgebiet von Bangladesch drohe.

Aus den angeführten Länderberichten ergebe sich, dass die Sicherheitslage in Bangladesch volatil sei und es immer häufiger zu Terroranschlägen komme. Der BF wäre aufgrund seines bisherigen politischen Engagements zusätzlichen Schwierigkeiten ausgesetzt und von seiner Familie könne er sich keine Unterstützung erhoffen, da die Familie durch seine Anwesenheit in Gefahr wäre und diese auch nicht die Mittel hätte, um den BF finanziell zu unterstützen. Bei einer Rückkehr nach Bangladesch bestehe somit das reale Risiko einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK.

Der BF lebe bereits seit über sechs Jahren in Österreich und sei gut integriert. Er bereite sich eigenständig auf die B1 Prüfung vor und habe sich mehrmals freiwillig, zB bei der XXXX oder den XXXX , betätigt. Zusätzlich helfe er ehrenamtlich älteren Leuten. Durch eine Rückkehrentscheidung werde der BF daher in seinen Rechten nach Art. 8 EMRK verletzt.

Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und der Beschwerde ein Bestätigungsschreiben über die Tätigkeit des BF vom 24.03.2013 bis 12.04.2013 und vom 03.03.2014 bis 21.03.2014 im Rahmen eines sozialen Projekts für die XXXX , eine Bestätigung über die Tätigkeit des BF als selbständiger Kolporteur im Rahmen der Straßenkolportage von 09.09.2013 bis 15.03.2015 für die XXXX sowie das bereits vorgelegte ÖSD Zertifikat A2 und das ebenfalls bereits vorgelegte Empfehlungsschreiben einer Philologin beigelegt.

I.19. Am 06.03.2019 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

1.20. Am 04.02.2020 übermittelte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben der Finanzpolizei betreffend eine Anzeige wegen des Verdachts auf Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, nachdem der BF bei der Arbeit angetroffen worden sei, ohne bei der zuständigen Sozialversicherung angemeldet worden und weder im Besitz einer gültigen Beschäftigungsbewilligung oder einer Arbeitserlaubnis noch eines Befreiungsscheins gewesen zu sein.

I.21. Am 01.07.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen.

Der BF bestätigte auf entsprechende Frage des Richters, dass er Bangladesch 2005 verlassen habe und mit gefälschtem Reisepass nach Pakistan gereist sei, wo er zwei Jahre als Schneidergehilfe gearbeitet habe; 2007 sei der BF, schlepperunterstützt, in den Iran weitergereist, wo er 18 Monate in einer Plastikfabrik gearbeitet habe; danach habe der BF 2008/2009 in der Türkei, in Istanbul, gelebt; auf Nachfrage führte der BF aus, dass er dort in einer Schlepperunterkunft gewohnt habe und keiner Arbeit nachgegangen sei; 2009 sei der BF mit einem Schlauchboot an die griechische Grenz gelangt und schlepperunterstützt nach Athen gelangt.

Auf konkrete Frage des Richters, ob der BF in Griechenland einen Asylantrag gestellt habe, antwortete der BF, dass er keinen Asylantrag gestellt habe; er sei in Griechenland von der Polizei festgenommen worden und – laut eigenen Angaben rund 24 Stunden – festgehalten worden; danach hätte er keinen Zugang zu einem Asylantrag gehabt; er habe einen (wörtlich) Zettel erhalten, der eine Adresse enthalten habe, an der er sich melden hätte sollen; vor dieser Adresse hätten sich allerdings regelmäßig lange Warteschlangen gebildet – es sei dort zu Schlägereien gekommen und er sei nie zum Ziel gekommen.

Der Richter führte weiter aus, dass der BF nach der Aktenlage von 2009 bis 2012 Gelegenheitsarbeiten als Straßenhändler verrichtet habe, was der BF bestätigte; auf konkrete Frage, warum er Griechenland verlassen habe, führte der BF aus, dass ihm in Griechenland Leute von der Regierung (wie auch die Polizei) immer wieder Sachen und Geld abgenommen hätten, er immer wieder zwei bis drei Tage festgehalten und dabei auch geschlagen worden sei, deshalb habe er sich entschlossen, das Land zu verlassen; auf die Frage des Richters, wer das Geld für die schlepperunterstützte Reise über die Balkanroute (Mazedonien und Serbien) nach Österreich aufgebracht hätte, und wie viel, führte der BF aus, dass sein Bruder in Griechenland als Schneider gearbeitet und dieser das Geld – € 2.500 – besorgt habe.

Der BF bestätigte, dass seine Eltern nach wie vor in Bangladesch leben, ebenso ein Bruder; ein weiterer Bruder lebe in Katar, ein Bruder in Saudi-Arabien sowie der bereits zuvor angesprochene Bruder in Griechenland; der BF sei der jüngste der Brüder; ein Bruder sei verstorben; auf die Frage, ob der BF mit den Eltern noch in Kontakt stehe, führte er aus, dass der Kontakt über seine Brüder bestehe, von denen er erfährt, welche Schwierigkeiten es in Bangladesch gebe; die Frage, ob seine Brüder seine Eltern finanziell unterstützen wurde bejaht, der BF selbst werde von seinen Brüdern gegenwärtig nicht unterstützt. Auf konkrete Frage des Richters, bestätigte der BF, dass er in Bangladesch die Grundschule besucht habe.

Zu den Fluchtgründen führte der Richter einleitend aus, dass sich der Aktenlage im Wesentlichen (auch auf Grundlage der Ausführungen des BF selbst) entnehmen lässt, dass der BF hinsichtlich seiner bisherigen Aufenthalte außerhalb Bangladeschs in erster Linie eine Verbesserung in seiner wirtschaftlichen Situation angestrebt habe; die von ihm dargelegten Gründe für eine politische Verfolgung resultieren aus einer Anzeige wegen des Verdachts einer Mittäterschaft an einem Vorfall 2001, sohin vor etwa 19 Jahren; der BF habe innerhalb der BNP keine politische Funktion gehabt und auf Grundlage der Recherchen der belangten Behörde liege gegen ihn auch keine Anzeige vor.

Der BF führte dazu aus, dass er sich in Bangladesch nicht frei habe bewegen können, die BNP habe faktisch einen Zwang ausgeübt, bei ihr Mitglied zu sein; man habe überall mit der BNP oder ihren Mitgliedern zusammen sein müssen, bei Parteiveranstaltungen oder bei Feiern; der BF führte weiters aus, dass man ihn, als er angedeutet habe, nicht mehr mitmachen zu wollen, mit entsprechendem Zwang gedroht habe, er habe gewollt und sei auch nicht an Verbrechen beteiligt; da er allerdings ständig mit Mitgliedern der BNP zusammen gewesen sei, habe man gegen ihn Anzeige erstattet; der BF führte aus, dass er im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch getötet werden würde.

Ergänzend führte der BF aus, dass seine Familie regelmäßig mit Problemen konfrontiert sei, bedroht werde und von der Polizei bei seiner Familie nachgefragt werde, wann er (der BF) wieder aus dem Ausland zurückkehre. Er ergänzte, dass er aus einer Region stamme, aus der immer wieder Söhne und Gatten fehlen, verschleppt oder ermordet werden würden; die Behörde könne das recherchieren.

Auf die konkrete Frage des Richters nach dem Ermittlungsergebnis des Vertrauensanwaltes – wonach kein Verfahren anhängig wäre und sonst auch keine Involvierung des BF in die Politik gegeben wäre – führte der BF aus, dass er akzeptiere, dass es zu Ermittlungen gekommen sei, allerdings sei auch bei der Polizei nachgefragt worden und selbstverständlich würden die Behörden, die ja daran interessiert seien, dass er wieder zurückkehre, sagen, dass gegen ihn keine Anzeige bestehe. Der BF führte dazu weiters aus, dass die Mitglieder der AL seiner Familie regelmäßig mit dem Tod drohen und Sachen von zu Hause mitnehmen oder Pflanzen und Bäume ausreißen; wenn etwas dagegen gesagt werde, werde mit Mord gedroht.

Auf die Frage des Richters, woran ersichtlich sei, dass es sich bei den Übergriffen bzw. den Menschen, die diese Übergriffe tätigen, um Mitglieder der AL handle, führte der BF aus, dass ihm das seine Brüder, mit denen er Kontakt habe, gesagt hätten; auf die ergänzende Frage des Richters, woher die Brüder dieses Wissen hätten, führte der BF aus, dass zwei seiner Brüder Ehefrauen im Heimatland hätten, die ihnen berichtet hätten, dass es sich um Leute der AL handle, die diese Belästigungen gemacht hätten; der BF ergänzte, dass diese Belästigungen nur von Mitgliedern der AL ausgeführt werden, man könne das auch ermitteln und es wäre auch in den Nachrichten darüber berichtet worden.

Zu den vorgelegten Unterlagen führte der BF aus, dass er beweisen möchte, dass die Leute der AL derzeit Tätigkeiten vornehmen würden, die nicht in Ordnung seien, sie würden Unfrieden stiften und Probleme bereiten und all das werde von den Leuten der AL gesteuert bzw. der AL selbst akzeptiert; auch sein älterer Bruder, der nach Jahren aus Pakistan zurückgekehrt sei, sei von ihnen grob beleidigt und geschlagen worden; eine Tante habe 5.000 Taka bezahlt, damit er wieder freigelassen werde; auf die Frage des Richters, was unter groben Beleidigungen zu verstehen wäre, antwortete der BF, dass sein Bruder eine respektable und intellektuelle Person gewesen sei und er nach den Beleidigungen durch Mitglieder der AL sehr nervös und traurig geworden wäre und dann auch verstorben sei; der Richter wendete ein, dass zu diesem Zeitpunkt noch die BNP in Bangladesch an der Macht sei; aus einem längeren Zwiegespräch zwischen Richter und BF ergab sich, dass der Bruder des BF 2002 oder 2003 aus Pakistan zurückgekehrt sei, zu diesem Zeitpunkt noch die BNP in der Regierung gewesen sei und die Vorfälle, auf die der BF Bezug genommen habe sich erst nach dem Eintritt der AL in die Regierung und somit auch nach dem Verlassen Bangladeschs durch den BF zugetragen hätten.

Auf konkrete Frage des Richters, wann sein Bruder verstorben sei, führte der BF (wörtlich) aus, dass er sich nicht genau erinnern könne, aber es zwei bis drei Jahre nachdem er das Land verlassen habe, gewesen sein müsse.

Der BF wurde neuerlich gefragt, was den von ihm vorgelegten Unterlagen zu entnehmen sei; BF führte aus, dass er – in Facebook – festgehalten habe, dass die Tätigkeit und der Umgang der Regierung mit den Corona-Umständen nicht in Ordnung sei; auch das Geld für die Corona-Foundation sei nicht an den richtigen Stellen angekommen, es werde damit Korruption begangen; der BF führte aus, dass er auch weitere regierungskritische Schreiben verfasst habe, so seien am Todestag des Vaters von Sheikh Hasina 400 Mio. Taka ausgegeben worden, die Führerin der Oppositionspartei sei aber wegen der Verschwendung von 20 Mio. Taka verurteilt werden; er habe weiters festgehalten, dass Ehemänner und Ehefrauen verschleppt, festgehalten und getötet werden. All das habe er in Facebook festgehalten.

Der Richter griff noch einmal das Jahr auf, an dem der Bruder des BF verstorben sei; in der heutigen Verhandlung habe der BF angegeben, sein Bruder sei zwei bis drei Jahre nach seiner Ausreise verstorben; der Richter zitierte aus der Einvernahme von September 2012, in der der BF angegeben habe, sein Bruder sei 2002 – sohin drei Jahre vor seiner Ausreise - verstorben; auf die konkrete Frage führte der BF aus, dass sein Bruder, so wie heute ausgeführt zwei bis drei Jahre nach seiner Ausreise verstorben ist; den Unterschied zur Ersteinvernahme führte er darauf zurück, dass ihm vom damaligen Dolmetscher nur Teile der Niederschrift rückübersetzt worden seien, und es sich daher um eine fehlerhafte Übersetzung handeln müsse.

Im Rahmen der Verhandlung wurde eine Einstellungszusage der XXXX vom 30.06.2020, ein Bescheid des AMS vom 26.03.2020 betreffend die Abweisung einer Beschäftigungsbewilligung (mit dem Hinweis des RV, dass aus diesem Grund nur eine Einstellungszusage erfolgen könne), ein Empfehlungsschreiben des Vereins XXXX vom 11.11.2016, ein Empfehlungsschreiben der Frau XXXX vom 17.06.2020, ein Wohnungsmietvertrag, abgeschlossen zwischen dem Herrn XXXX und dem BF (Untermietvertrag – monatliche Miete 130,00 €), eine Bestätigung dieser Untervermietung im Schreiben vom 18.02.2016 und 08.03.2017 zwischen dem Vermieter XXXX und dem Mieter XXXX sowie ein Mietvertrag zwischen dem Herrn XXXX und dem BF (monatliche Miete 150,00 €) vorgelegt.

Auf konkrete Frage einer Beschäftigung führte der BF aus, dass er zwei bis drei behinderten Personen ehrenamtlich helfe.

Der Richter sprach den BF auf seine Deutschkenntnisse an und ersuchte ihn, die weiteren Fragen auf Deutsch zu beantworten. Die Fragen drehten sich in erster Linie darum, wie oft der BF im täglichen Leben die deutsche Sprache verwendet. Aus den Antworten ergibt sich, dass der BF mit seinem unmittelbaren Umfeld, seinen Zimmerkollegen, in erster Linie in bengalischer Sprache kommuniziert und die deutsche Sprache nur sehr selten verwendet. Der Richter vermerkte, dass sich der BF seinem Eindruck nach in keiner Weise flüssig auf Deutsch verständigen könne, die Verwendung der deutschen Sprache durch den BF äußerst holprig und als sehr gebrochen zu bezeichnen sei. Die weitere Kommunikation wurde wieder unter Beiziehung des Dolmetschers fortgeführt.

Gefragt nach seinem Tagesablauf führte der BF aus, dass er nach dem Aufstehen in den Park gehe und etwas für sein Fitness tue; danach dusche und esse er und besuche anschließend behinderte Personen, denen er die Zeitung bringe, den Mist austrage und mit ihnen plaudere; angesichts seinem sehr gebrochenen Deutsch, fragte der Richter nach, in welcher Sprache er sich mit den von ihm betreuten behinderten Personen unterhalte; der BF antwortete, dass er sich mit ihnen auf Deutsch und teilweise Deutsch/Englisch unterhalten würde (eine von ihm betreute Person sei früher Englischlehrer in Salzburg gewesen); der Richter drückte nochmals seine Verwunderung aus, dass nach acht Jahren Aufenthalt in Österreich und nach täglichen Gesprächen auf Deutsch die Artikulationsfähigkeit des BF auf Deutsch nicht besser sei; der BF führte dazu aus, dass er nach der Absolvierung des Deutschkurses in seinen persönlichen Umfeld kaum mehr Deutsch gesprochen habe, nun mehr aber durch die Betretung der behinderten Personen wieder mehr auf Deutsch kommunizieren könne, wörtlich sagte er, er befinde sich damit auf dem richtigen Weg; zu seinen Abendgestaltungen führte der BF aus, dass er sich mit Freunden amüsiere, viel außer Haus gehe, Fußball spiele und zu Hause koche; darüber hinaus sehe er sich gerne Videos und Kurzfilme auf Deutsch an.

Zu diesem Themenkomplex abschließend befragt, ob aus der Sicht des BF etwas zu ergänzen sei, gab der BF an, dass es ihm in Österreich sehr gefalle und es ihm hier gut gehe. Seine Eltern habe er, lange bevor ich hier um Asyl angesucht habe, verlassen. Er denke, es wäre für ihn sehr gut, wenn ich hier verbleiben dürfte.

Der Richter merkte hinsichtlich der aktuellen Pandemie-Situation an, dass es mit Stichtag 30.06.2020 in Bangladesch rund 145.000 infizierte Personen, rund 1.800 Todesfälle und rund 57.000 wieder genesene Personen gebe. Der BF merkte ergänzend an, dass regelmäßig 30 bis 40 Personen sterben würden.

Zum Länderinformationsblatt wurde seitens des BF auf „RSF-Reporters Sans Frontières: Bangladeshis Journalists, Cartoonists, arrested for COVID-19 Coverage, 14.05.2020“, abzurufen auf ECOI.net, verwiesen, wonach Journalisten, welche sich auf Facebook zum Corona-Virus äußern, von der Regierung unter zu Hilfenahme des Digital Security Acts angeklagt werden würden. Zum kritischen Digital Security Act von Oktober 2018 wurde auf S. 24 des aktuellen LIB (April 2020) verwiesen. Weiters wurde auf das „HRFB-Human Rights Forum Bangladesh, veröffentlicht von CAT-UN Committee against torture: Stakeholders Submission to the United Nations Committee against torture, 22.06.2019“, abzurufen auf ECOI.net, verwiesen, woraus hervorgehe, dass innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Digital Security Acts mindestens 63 Personen wegen ihrer Online-Aktivität, insbesondere auf Facebook und YouTube festgenommen wurden.

Darüber hinaus wurden vom Rechtsvertreter drei Länderinformationsblätter vorgelegt.

Abschließend führte der BF aus, dass er alles gesagt habe; er möchte allerdings noch hinzufügen, dass er das Land wegen politischen Problemen verlassen habe müssen. Gäbe es diese Probleme nicht, hätte er das Land nicht verlassen müssen; die AL (wie der BF wörtlich ausführte) tätige Sachen, die nicht auszuhalten seien; falls es für ihn keine gute Entscheidung dieses Gerichtes gebe, ersuchte er, jedenfalls nicht während der Regierungszeit der AL zurückgeschickt zu werden; er könne sofort mit einer Arbeit hier in Österreich beginnen und möchte arbeiten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali. Der BF ist ledig.

In Bangladesch lebte der BF gemeinsam mit seinen Eltern im Elternhaus. Der BF besuchte in Bangladesch eine Grundschule und absolvierte eine Spengler-Ausbildung. Der BF hat in Bangladesch gemeinsam mit seinem Vater auf einer Landwirtschaft gearbeitet.

In Bangladesch leben die Eltern und ein Bruder des BF. Der BF hat über seine Brüder Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Bangladesch. Ein Bruder des BF lebt in Katar, ein Bruder in Saudi-Arabien und ein Bruder in Griechenland. Der älteste Bruder des BF ist verstorben. Die Brüder des BF unterstützen die Eltern des BF in Bangladesch finanziell.

Der BF verließ Bangladesch im Jahr 2005 und lebte anschließend ungefähr zwei Jahre in Pakistan, wo er als Schneidergehilfe arbeitete. 2007 reiste er schlepperunterstützt in den Iran, wo er 18 Monate in einer Plastikfabrik arbeitete. In den Jahren 2008 und 2009 lebte der BF in der Türkei, wo er keiner Arbeit nachging, bis er 2009 schlepperunterstützt nach Griechenland reiste, wo er Gelegenheitsarbeiten als Straßenhändler verrichtete.

Am 10.09.2012 reiste der BF in Österreich ein und stellte einen Asylantrag.

Der BF bezieht im Bundesgebiet Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und lebt in einer privaten Unterkunft.

Der BF hat die Prüfung ÖSD Zertifikat A2 sehr gut bestanden. Er kann sich zum Entscheidungszeitpunkt nicht flüssig auf Deutsch verständigen und spricht nur sehr gebrochen Deutsch.

Der BF nahm an verschiedenen Aktionen des Vereins XXXX teil, war von 2013 bis 2015 als selbständiger Kolporteur für die XXXX tätig und in den Jahren 2013 und 2014 im Rahmen des sozialen Projekts „Gemeinnützige Beschäftigung für Asylwerber“ im Ausmaß von insgesamt 120 Stunden bei der XXXX im Bereich Straßenreinigung beschäftigt. Der BF unterstützt zum Entscheidungszeitpunkt zwei bis drei behinderte Personen ehrenamtlich.

Am 17.11.2019 wurde der BF im Rahmen einer Kontrolle der Finanzpolizei bei der Arbeit für ein Gebäudereinigungsunternehmen angetroffen, ohne zur Sozialversicherung angemeldet zu sein und über eine gültige Beschäftigungsbewilligung oder Arbeitserlaubnis zu verfügen. Aufgrund des Verdacht auf Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erstellte die Finanzpolizei ein Strafantrag.

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 26.03.2020 wurde ein Antrag des BF auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung abgewiesen.

Der BF verfügt über eine Einstellungszusage eines Gastronomiebetriebs aus Juni 2020.

In Österreich leben keine Verwandten des BF.

Der BF ist gesund.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 6.4.2020

?        bdnews24 (20.6.2019): Turnout in Upazila polls drops 50% from general elections, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/06/20/turnout-in-upazila-polls-drops-50-from

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten