Entscheidungsdatum
13.08.2020Norm
BBG §40Spruch
W200 2227145-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde (Vorlageantrag) von XXXX , geb. XXXX , gegen die Beschwerdevorentscheidung des Sozialministeriumservice des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 03.12.2019, Zl. 86892616200013, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 16.04.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
Im Zuge des Verfahrens des Sozialministeriumservice wurden ein Gutachten eines Facharztes für Hals- Nasen- und Ohrenerkrankungen sowie eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt, welche zusammengefasst einen Gesamtgrad der Behinderung von 40% ergaben.
Mit Bescheid vom 16.09.2019 wies das Sozialministeriumservice den Antrag des Beschwerdeführers mangels Vorliegen der Voraussetzungen ab.
Der Beschwerdeführer legte seiner dagegen erhobenen Beschwerde ein Gutachten eines Facharztes für Orthopädie bei, in dem dieser dem Beschwerdeführer einen Gesamtgrad der Behinderung von 60 v. H. attestierte.
Weiters wurde vom Beschwerdeführer ein Protokoll des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vorgelegt, in dem ein vom Beschwerdeführer und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft geschlossener Vergleich über eine dauernde Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers protokolliert wurde.
Das Sozialministeriumservice holte neuerlich ein HNO-Gutachten basierend auf der Aktenlage (GdB von 20%: Tinnitus, 12.02.02, 20%, eine Stufe über unterem Rahmensatz, da mit psychovegetativer Begleitreaktion; Hochton-Innenohrstörung beidseits, 12.02.01, Tabelle Zeile 1/Kolonne 1, im oberen Rahmensatz, um dem Abfall im Hochtonbereich Rechnung zu tragen) und ein orthopädisches fachärztliches Gutachten basierend auf einer Untersuchung ein. Die beiden fachärztlichen Gutachten ergaben zusammengefasst einen Gesamtgrad der Behinderung von abermals 40 v. H.
In weiterer Folge wies das Sozialministeriumservice mit Bescheid vom 03.12.2019 im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die gegen den Bescheid vom 16.09.2019 erhobene Beschwerde ab.
Aufgrund des erfolgten Vorlageantrages übermittelte das Bundesverwaltungsgericht einem bisher nicht mit dem Verfahren befassten Facharzt für Orthopädie die beiden im Akt aufliegenden orthopädischen Gutachten mit den unterschiedlichen Einstufungen und ersuchte um Einholung eines neuerlichen orthopädischen Gutachtens unter Zugrundelegung dieser beiden Gutachten, wobei auf die von den jeweiligen Orthopäden gewählten Positionen detailliert einzugehen sei, sowie unter Zugrundelegung einer eigenen Untersuchung.
Folgende Fragen waren dabei insbesondere aus zu beantworten:
„2) Folgende Fragen sind zu beantworten:
2)a) Liegt beim Beschwerdeführer eine Funktionseinschränkung der LWS mittleren Grades oder geringen Grades vor?
2)b) Liegen bei den Knien beim Beschwerdeführer Funktionseinschränkung schweren Grades bds. oder geringen Grades bds. vor?
2)c) Liegt beim Beschwerdeführer eine Funktionseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades bds oder eine generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen geringe Grades vor?“
Das nunmehr eingeholte orthopädische Sachverständigengutachten vom 25.06.2020 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. und gestaltete sich wie folgt:
„Es ergeht der Auftrag, ein Sachverständigengutachten basierend auf persönlicher Untersuchung zu erstellen.
Eine Neuerungsbeschränkung ist zu beachten (Oktober/Dezember 2019).
Vorgutachten: DDr. XXXX SMS 11/2019; Dr. XXXX -Privatgutachten 10/2019
Vorgelegte, neue orthopädisch/unfallchirurgisch relevante Befunde:
Es wird ein Bericht aus der Privatklinik Graz gebracht, er erfolgte die Implantation einer Knieendoprothese beidseits am 9.6.2020.
(Es wird ein Bericht mitgebracht, auch ein Implantatausweis für beide Seiten.)
Relevante Anamnese:
Degenerative Gelenksveränderungen der Wirbelsäule, beider Hüft- und beider Kniegelenke, Zustand nach mehreren Kniearthroskopien, nach Kreuzbandplastik rechts.
Andere festgestellte Erkrankungen.
Jetzige Beschwerden:
„Ich wollte nicht in Pension gehen. Ich wollte nur den Behindertenausweis haben.
Ich habe einen mehrfachen Bandscheibenvorfall. Ich kann jetzt nur sehr kurze Strecken gehen, vor der Knieprothese war es auch schon schlimm.
Etwas besser ist es mit den Prothesen schon geworden."
Medikation: Seractil, Lovenox, Novalgin bei Bedarf.
Sozialanamnese: ledig
Allgemeiner Status:
177 cm grosser und 96 kg schwerer Mann in gutem Allgemein- und Ernährungszustand.
Relevanter Status:
Wirbelsäule im Lot. HWS in R 50-0-50, F 15-0-15, KJA 1 cm, Reklination 14 cm. Normale Brustkyphose, BWS-Drehung 30-0-30,
FKBA 35 cm, Seitneigung bis 10 cm ober Patella. Lasegue nicht prüfbar (Schmerz bei frischen Endoprothesen)
Obere Extremitäten:
Schultern in S 50-0-170, F 170-0-50, R 70-0-70, links schmerzhafter, Ellbogen 0- 0-135, Handgelenke 50-0-60, Faustschluß beidseits möglich.
Nacken- und Kreuzgriff durchführbar.
Untere Extremitäten:
Hüftgelenke in S 0-0-05, F 20-0-15, R 20-0-10, Kniegelenke in S 0-10-45, frisch verbunden, der Eingriff knapp 3 Wochen zurückliegend.
Sprunggelenke 15-0-45.
Lasgeu bis 40 Grad negativ, dann Schmerzen im Knie.
Gangbild/Mobilität:
Gang in Straßenschuhen mit einer Krücke sehr kleinschrittig, geringes Abrollen und nicht raumgreifend. Zehenspitzen- und Fersenstand nur angedeutet möglich.
BEURTEILUNG
Ad 1)
1) Koronare Herzerkrankung 05.05.02 40%
Oberer Rahmensatz, da Zustand nach Herzinfarkt Wahl der Position, da keine relevante Einschränkung der Linksventrikelfunktion vorliegend
2) Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule und der großen Gelenke 02.02.02 40%
oberer Rahmensatz, da deutliche Abnützung beider Kniegelenke, seit 6/2020 Knieendoprothese beidseits
3) Tinnitus 12.02.02
Eine Stufe über unterem Rahmensatz, da mit psychovegetativer Begleitreaktion.
4) Hochton-Innenohrstörung beidseits 12.02.01
Tabelle Zeile 1/Kolonne 1 im oberen Rahmensatz, da Hochtonbereichsabfall
Ad2a) Wenn ich das WS-leiden einzeln einzustufen hätte,
würde ich, so wie immer dafür 30% vergeben, da aufgrund der Befunde eine mittlere Einschränkung besteht.
Da kein sensomotorisches Defizit vorliegt, ist hier der untere Rahmensatz zu wählen. Damit folge ich keinem Gutachten.
Ad2b) Auch hier folge ich keinem der beiden Gutachten, einerseits, weil ich jetzt frischoperierte Gelenke beurteilen muss, mit eher schlechten Beweglichkeiten - allerdings ist das normal so kurz nach OP!
Somit kann ich auch die Diskrepanz der Bewegungsausmaße in den angesprochenen GA nicht klären.
Es findet sich auch ein Befund Dris. XXXX im Akt, der eher an XXXX anschließt.
Glaubt man dem bewegungsumfang XXXX , so wäre 40% und eine Einschränkung mittleren Grades gegeben gewesen. 50% sind eindeutig fehleingeschätzt.
Folgt man XXXX , so wäre 30% korrekt gewesen.
Ad2c) Die Einschränkung beider Hüftgelenke ist leichten Grades.
Der Rahmensatz geht von 20-40%, hier würde ich 20% vergeben.
Da es meiner langjährigen Erfahrung zufolge realitätsnäher ist, bei vielen Leiden des Bewegungs- und Stützapparates eine Gesamtnummer zu wählen, so lautet mein Kalkül deshalb:
Wirbelsäule 30/Knie laut Befund XXXX 20-30, (jetzt 40), Hüften 20.
Deshalb erscheint mir alles zusammen mit 40% als die Situation am Besten abbildend, da die Gonarthrose, jetzt KTEP beidseits, sehr wohl eine Beeinflussung, v.a. der Wirbelsäule, ausmacht.
Ad2) Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50%, da das Leiden 1 durch das Leiden 2 wegen schwerwiegender Höhe von 40% um eine Stufe erhöht wird.
Ad3) Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.“
Im gewährten Parteiengehör wurde keine Stellungnahme abgegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1.: Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 von 100.
1.2.: Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Relevanter Status:
Wirbelsäule im Lot. HWS in R 50-0-50, F 15-0-15, KJA 1 cm, Reklination 14 cm. Normale Brustkyphose, BWS-Drehung 30-0-30,
FKBA 35 cm, Seitneigung bis 10 cm ober Patella. Lasegue nicht prüfbar (Schmerz bei frischen Endoprothesen)
Obere Extremitäten:
Schultern in S 50-0-170, F 170-0-50, R 70-0-70, links schmerzhafter, Ellbogen 0- 0-135, Handgelenke 50-0-60, Faustschluß beidseits möglich.
Nacken- und Kreuzgriff durchführbar.
Untere Extremitäten:
Hüftgelenke in S 0-0-05, F 20-0-15, R 20-0-10, Kniegelenke in S 0-10-45, frisch verbunden, der Eingriff knapp 3 Wochen zurückliegend.
Sprunggelenke 15-0-45.
Lasgeu bis 40 Grad negativ, dann Schmerzen im Knie.
Gangbild/Mobilität:
Gang in Straßenschuhen mit einer Krücke sehr kleinschrittig, geringes Abrollen und nicht raumgreifend. Zehenspitzen- und Fersenstand nur angedeutet möglich.
1.3.: Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Koronare Herzerkrankung
Oberer Rahmensatz, da Zustand nach Herzinfarkt Wahl der Position, da keine relevante Einschränkung der Linksventrikelfunktion vorliegend
05.05.02
40
2
Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule und der großen Gelenke Oberer Rahmensatz, da deutliche Abnützung beider Kniegelenke, seit 6/2020 Knieendoprothese beidseits
02.02.02
40
3
Tinnitus
eine Stufe über unterem Rahmensatz, da mit psychovegetativer Begleitreaktion
12.02.02
20
4
Hochton-Innenohrstörung beidseits
Tabelle Zeile 1/Kolonne 1 im oberen Rahmensatz, um dem Abfall im Hochtonbereich Rechnung zu tragen
12.02.01
10
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 %.
Das Leiden 1 wird durch das Leiden 2 wegen schwerwiegender Höhe von 40% um eine Stufe erhöht. Leiden 3 und 4 erhöhen nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige Leidensbeeinflussung besteht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Wie bereits im Verfahrensgang ausgeführt, lagen dem BVwG zwei einander widersprechende orthopädische Gutachten vor. Aus diesem Grund hatte das BVwG ein neuerliches Gutachten eines bisher nicht mit der Angelegenheit befassten Sachverständigen einzuholen, in dem dieser auch die beiden fachärztlichen Gutachten einer Beurteilung zu unterziehen hatte. Aufgrund einer neuerlichen Operation des Beschwerdeführers drei Wochen vor der Untersuchung durch den vom BVwG bestellten Sachverständigen, stellte sich für diesen auch ein neues Bild des Beschwerdeführers dar.
Unstrittig waren die Beurteilung der Herzerkrankung sowie der HNO-Erkrankungen.
Aufgrund des Zustandes des Beschwerdeführers Zeitpunkt der Untersuchung, kam der vom BVwG bestellte Gutachter zu einer von beiden vorliegenden orthopädischen Gutachten abweichenden Beurteilung, in dem er das Leiden 2 unter der Pos. Nr. 02.02.02 mit 40% einstufte, während die zuvor befassten Gutachter eine Einstufung einerseits unter den Pos. Nr. 02.01.01 und 02.02.01 und andererseits unter den Pos.Nr. 02.01.02, 02.05.08 und 02.05.23 vorgenommen haben.
Der Sachverständige begründete, dass er keinen der beiden Gutachten folge, schlüssig damit, dass es seiner langjährigen Erfahrung zufolge realitätsnäher sei, bei vielen Leiden des Bewegungs- und Stützapparates eine Gesamtnummer zu wählen – konkret: eine Einstufung von allen zusammen mit 40%, da dies die Situation am besten abbilde, da die Gonarthrose, jetzt KTEP beidseits, sehr wohl eine Beeinflussung, v.a. der Wirbelsäule, ausmache. Weiters führt er auch aus, dass das Leiden 1 (koronare Herzerkrankung) durch das Leiden 2 wegen schwerwiegender Höhe von 40% um eine Stufe erhöht wird.
Der Inhalt des Gutachtens wurde im Rahmen des Parteiengehörs von den Parteien unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Zu A)
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
In dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 % festgestellt. Festgehalten wurde, dass sich in der Gesamtbeurteilung somit eine Erhöhung des Behinderungsgrades der beschwerdeführenden Partei ergibt. Das angeführte Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.
Da ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt wurde und dieser Feststellung im Rahmen des Parteiengehörs nicht widersprochen wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der beschwerdeführenden Partei festgestellten Gesundheitsschädigungen.
Zur Klärung des Sachverhaltes war vom BVwG ein orthopädisches Sachverständigengutachten eingeholt worden. In diesem Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2227145.1.00Im RIS seit
13.11.2020Zuletzt aktualisiert am
13.11.2020