Entscheidungsdatum
17.08.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W229 2173950-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth WUTZL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1, 2 und 4 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt.
2. Am 17.08.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA). Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er im Iran geboren sei und dort keinen Aufenthaltstitel gehabt habe. Er sei einmal nach Afghanistan abgeschoben worden. In Afghanistan habe er keine Familie und deshalb sei er wieder zurück in den Iran gegangen. Er sei im Iran schlecht behandelt worden und deshalb habe seine Mutter gesagt, er solle weggehen. In Afghanistan habe er niemanden, die Taliban töten täglich Hazara und Schiiten, jetzt sei auch noch Daesh dazugekommen.
3. Mit Bescheid vom 22.09.2017 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.).
4. Mit Verfahrensanordnung vom 22.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberatung für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid fristgerecht Beschwerde, welche in der Folge an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wurde.
6. Am 21.11.2019 legte der Beschwerdeführer einen Taufschein der Stadtpfarre XXXX vor.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.06.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertreterin teilnahmen und der ein Dolmetscher für die Sprache Dari beigezogen wurde sowie zwei Zeugen einvernommen wurden. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.
Der Beschwerdeführer legte ein Unterstützungsschreiben seiner Vermieter vor. In der Verhandlung wurden Länderinformationen vorgelegt und dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme eingeräumt.
8. Am 24.06.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht auch iranisches Farsi. Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet oder verlobt und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , Iran, geboren, seine Familie stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Bamyan. Der Beschwerdeführer besuchte fünf Jahre lang die Schule und arbeitete etwa fünf Jahre auf Baustellen.
Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besteht aus seiner Mutter, drei Schwestern und drei Brüdern und lebt im Iran. Sein Vater ist bereits verstorben. Seit der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum hat er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie.
Der Beschwerdeführer stellte am 27.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Beschwerdeführer arbeitet seit 16.03.2020 als Landarbeiter bei der XXXX . Diese Tätigkeit ist mit 15.09.2020 befristet. Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers möchte ihn für die nächste Saison erneut einstellen.
Hinweise auf Asylausschlussgründe liegen nicht vor.
1.2. Zur in Österreich erfolgten Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum:
Der Beschwerdeführer wuchs als schiitischer Moslem auf. Seine Familie war gläubig, der Beschwerdeführer betete fünf Mal pro Tag und besuchte hin und wieder die Moschee. Die Familie des Beschwerdeführers fastete auch regelmäßig.
Im Jahr 2018 hatte der Beschwerdeführer erstmals Kontakt zur katholischen Kirche. Nach einem ersten Kirchenbesuch gemeinsam mit einem Freund, hat der einen Bibelkurs besucht. Da ihm das Christentum gefiel, beschloss er, sich taufen zu lassen. Der Beschwerdeführer besuchte weiters einen Taufvorbereitungskurs in der Stadtpfarre XXXX , der etwa ein Jahr und vier Monate dauerte.
Der Beschwerdeführer ist zum katholischen Glauben konvertiert. Er wurde am 16.11.2019 in der Stadtpfarre XXXX unter dem Taufnamen XXXX getauft. Sein Taufpate ist ebenfalls ein Konvertit aus Afghanistan. Bevor der Beschwerdeführer zu arbeiten begonnen hat, besuchte er in XXXX den Sonntagsgottesdienst. Nun arbeitet er meist am Wochenende. Der Beschwerdeführer nimmt an einer Online-Klasse der Kirche teil.
Es ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung seine Religion vom Islam zum Christentum gewechselt hat und dieser Schritt von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen zu sein scheint. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben ablegen oder in seinem Herkunftsstaat Afghanistan verleugnen würde.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 13.11.2019 in der Fassung vom 18.05.2020 - LIB 18.05.2020, S. 15).
1.3.1. Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (LIB 18.05.2020, S. 21). Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (EASO Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89ff; LIB 18.05.2020, S. 21ff). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen waren die Provinzen Helmand, Kandahar, Nangarhar und Bhalk (LIB 18.05.2020, S. 22).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren.
Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer „strategischen Pattsituation“, die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann. Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten. Ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welcher Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens ist. Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (LIB 18.05.2020, S. 21 - 22).
Die geographische Verteilung aufständischer Aktivitäten innerhalb Afghanistans blieb, im Vergleich der beiden Jahre 2018 und 2019, weitgehend konstant. Im Jahr 2019 fanden auch weiterhin im Süden und Westen Afghanistans weiterhin schwere Kampfhandlungen statt; feindliche Aktivitäten nahmen zu und breiteten sich in größeren Gebieten des Nordens und Ostens aus. Mit einer hohen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen – speziell in den südlichen, nördlichen und östlichen Regionen – blieb die Sicherheitslage vorerst volatil, bevor ein Zeitraum der Reduzierung der Gewalt registriert werden konnte. Im Zeitraum 08.11.2019 bis 06.02.2020 waren die aktivsten Konfliktregionen in den Provinzen Kandahar, Helmand, Nangarhar und Balkh zu finden (LIB 18.05.2020, S. 22).
Für das Jahr 2019 wurden als Folge des bewaffneten Konflikts 10.392 zivile Opfer (3.403 Tote und 6.989 Verletzte) registriert, was einen Rückgang um 5% gegenüber 2018, aber auch die niedrigste Anzahl an zivilen Opfern seit dem Jahr 2013 bedeutet. Die Anzahl der durch ISKP verursachten zivilen Opfer ist zurückgegangen, die Anzahl ziviler Opfer speziell durch Taliban und internationale Streitkräfte haben zugenommen. Im Laufe des Jahres 2019 war das Gewaltniveau erheblichen Schwankungen unterworfen, was auf Erfolge und Misserfolge im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen Taliban und den US-Amerikanern zurückzuführen war (LIB 18.05.2020, S. 23).
Sowohl in den ersten fünf Monaten 2019, als auch im letzten Halbjahr 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Die Gesamtzahl der öffentlichkeitswirksamen Angriffe ist sowohl in Kabul als auch im ganzen Land in den letzten anderthalb Jahren stetig zurückgegangen (LIB 18.05.2020, S. 24 - 25).
1.3.2. Regierungsfeindliche Gruppierungen:
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 12.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (LIB 18.05.2020, S. 26).
Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) – Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub – Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar – und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (LIB 18.05.2020, S. 26).
Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt. Die Kämpfe werden hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen.
Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Das Khalid bin Walid-Camp soll 12 Ableger, in acht Provinzen betreiben (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden. Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 18.05.2020, S. 27).
In Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen Kontrolle ausüben, gibt es eine Vielzahl an Methoden, um Kämpfer zu rekrutieren, darunter auch solche, die auf Zwang basieren,wobei der Begriff Zwangsrekrutierung von Quellen unterschiedlich interpretiert und Informationen zur Rekrutierung unterschiedlich kategorisiert werden. Landinfo versteht Zwang im Zusammenhang mit Rekrutierung dahingehend, dass jemand, der sich einer Mobilisierung widersetzt, speziellen Zwangsmaßnahmen und Übergriffen (zumeist körperlicher Bestrafung) durch den Rekrutierer ausgesetzt ist. Die Zwangsmaßnahmen können auch andere schwerwiegende Maßnahmen beinhalten und gegen Dritte, beispielsweise Familienmitglieder, gerichtet sein. Auch wenn jemand keinen Drohungen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt ist, können Faktoren wie Armut, kulturelle Gegebenheiten und Ausgrenzung die Unterscheidung zwischen freiwilliger und zwangsweiser Beteiligung zum Verschwimmen bringen. Die Taliban haben keinen Mangel an freiwilligen Rekruten und machen nur in Ausnahmefällen von Zwangsrekrutierung Gebrauch. Druck und Zwang, den Taliban beizutreten, sind jedoch nicht immer gewalttätig (LIB 18.05.2020, S. 242).
1.3.3. Sicherheitsbehörden:
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 18.05.2020, S. 230 - 231).
Die Afghanische Nationalarmee (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert. Die Afghan National Police (ANP) gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA, jedoch ist es nach wie vor das Langzeitziel der ANP, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Die Afghan Local Police (ALP) wird ausschließlich durch die USA finanziert. Die ANP rekrutiert lokal vor Ort in einer der 34 Rekrutierungsstationen in den Provinzen (LIB 18.05.2020, S. 231 - 232).
1.3.4. Bamyan:
Die Provinz Bamyan mit der gleichnamigen Hauptstadt grenzt im Norden an Samangan, im Osten an Baghlan, Parwan und (Maidan) Wardak, im Süden an Ghazni und Daykundi und im Westen an Sar-e Pul und Ghor. Die Provinz hat etwa 486.928 Einwohner. Bamyan gilt als die „inoffizielle Hazara-Hauptstadt“ Afghanistans und ist Teil des sogenannten Hazarajat (LIB 18.05.2020, S. 62).
Der Linienverkehr zum und vom Flughafen Bamyan wurde im Januar 2018 eingestellt, nachdem die einzige Fluggesellschaft, die diese Strecke anfliegt, bei einem Angriff auf ein Hotel in Kabul mehrere Mitarbeiter verloren hat. Mit Stand Februar 2019 war der Betrieb wieder aufrecht. Bamyan kann von Kabul aus entweder über die Autobahn Kabul-Bamyan, über die Provinz (Maidan) Wardak oder über Parwan erreicht werden (LIB 18.05.2020, S. 62).
Gemäß dem UNODC Opium Survey des Jahres 2018 war Bamyan auch in diesem Jahr die einzige schlafmohnfreie Provinz in der Nordregion Afghanistans (LIB 18.05.2020, S. 63).
Die Provinz Bamyan zählt zu den relativ friedlichen Provinzen in Zentralafghanistan. Zwar wurde im Juli 2018 von einem Angriff der Taliban-Aufständische auf mehrere Polizeikontrollstellen im Distrikt Kahmard berichtet, mit Stand November 2018 hatten die Taliban keinen Einfluss in Bamyan. Aufseiten der Regierungstruppen liegt Bamyan im Verantwortungsbereich des 203. ANA Tandar Corps, das der Task Force Southeast untersteht, welche von US-amerikanischen Streitkräften geleitet wird. Im November 2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani die Bildung einer neuen militärischen Einheit mit mindestens 443 Sicherheitskräften in der Provinz an (LIB 18.05.2020, S. 63).
Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA fünf zivile Opfer (drei Todesopfer und zwei Verletzte) in der Provinz Bamyan. Dies entspricht einem Rückgang von 29 % gegenüber 2018. Hauptursache waren nicht explodierte Kampfmittel (unexploded ordnances, UXOs) bzw. Landminen (LIB 18.05.2020, S. 64).
1.3.4. Allgemeine Menschenrechtslage:
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Außerdem wurde Afghanistan für den Zeitraum 2018-2020 erstmals zum Mitglied des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen gewählt. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog. Darüber hinaus hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert. Die afghanische Regierung ist jedoch nicht in der Lage, die Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 18.05.2020, S. 245).
1.3.5. Religionsfreiheit:
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt. Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus; in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist. Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie. Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (LIB 18.05.2020, S. 258).
Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen. Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist, sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (LIB 18.05.2020, S. 258).
Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung. Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung. Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen. Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (LIB 18.05.2020, S. 259).
1.3.5.1. Christentum und Konversion zum Christentum:
Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (LIB 18.05.2020, S. 262).
Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen. Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam. Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (LIB 18.05.2020, S. 262).
Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (LIB 18.05.2020, S. 262).
Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gib. Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul. Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (LIB 18.05.2020, S. 262).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den im gesamten Verfahren übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers, an deren Richtigkeit auch in der Verhandlung keine Zweifel entstanden sind.
Die Feststellungen zur Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Herkunft und Muttersprache sowie der Herkunft seiner Familie in Afghanistan beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers, welche über das gesamte Verfahren gleichgeblieben sind. Dies trifft ebenso auf seinen Familienstand zu.
Die Feststellung zur Schulbildung und der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers im Iran ergeben sich aus seinen insgesamt glaubhaften Angaben.
Die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers beruhen auf seinen soweit gleichbleibenden und insgesamt glaubhaften Angaben vor dem BFA und in der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dass der Beschwerdeführer aufgrund der erfolgten Konversion keinen Kontakt mehr zu seiner Familie hat, ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung (vgl. insb. S. 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2020).
Das Datum des Antrags auf internationalen Schutz ergibt sich aus der Niederschrift zur Erstbefragung des Beschwerdeführers am 27.07.2015.
Die Feststellungen zum Dienstverhältnis des Beschwerdeführers beruhen auf den im Akt einliegenden Bescheid des AMS gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG vom 10.02.2020, dem Dienstvertrag zwischen der XXXX und dem Beschwerdeführer, sowie auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und der Zeugeneinvernahme seines Dienstgebers XXXX .
Die Feststellung, wonach keine Asylausschlussgründe für den Beschwerdeführer vorliegen, ergibt sich aus der Strafregisterabfrage vom 04.06.2020 sowie aus den Akten des BFA und des Bundesverwaltungsgerichtes, welche keine entsprechenden Hinweise enthalten.
2.2. Zu den Feststellungen zur in Österreich erfolgten Konversion:
Der Beschwerdeführer bekannte sich in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 17.08.2017 noch zum schiitischen Glauben. Die Feststellungen zur religiösen Erziehung des Beschwerdeführers und seinem Umgang mit den Regeln des Islams ergeben sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung.
Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerdeverhandlung einen persönlich glaubwürdigen und überzeugenden Eindruck hinterlassen. Seine Schilderungen erschienen nachvollziehbar und plausibel. Der Beschwerdeführer hat insbesondere sein Interesse für das Christentum und seine Motivation für den Religionswechsel überzeugend und stimmig darzulegen vermocht (So führte er in der Verhandlung etwa aus, dass er in den Kursen gemerkt habe, dass sich die Menschen dem Unterricht entsprechend verhalten, während seiner Beobachtung nach die Achunds im Iran dies nicht täten, vgl. Niederschrift VH S. 10).
Der Beschwerdeführer konnte die Erwägungsgründe für seine Entscheidung, zum katholischen Glauben zu konvertieren, plausibel schildern. Ebenso führte er nachvollziehbar aus, dass er sich darum bemüht, auch im Alltag nach den Regeln des Christentums, etwa den 10 Geboten, zu leben, und nach dem Aufstehen ein Gebet zu sprechen (vgl. u.a. Niederschrift VH S. 14 f.). In der Beschwerdeverhandlung konnte der Beschwerdeführer die ihm gestellten inhaltlichen Fragen zum Christentum gut beantworten und beschränkte sich dabei nicht auf leicht verfügbares Fachwissen. Ebenso konnte der Beschwerdeführer eine Passage der Bibel (Matthäus 9, 27 – 31) erklären und ausführen, warum gerade diese für ihn wichtig ist (s. Niederschrift VH S. 12 f.: „RI: Aus welchem Grund ist diese Passage so wichtig für Sie? BF: Weil es stimmt und richtig ist, was Gott Jesus sagt. Wenn man an ihn glaubt, dann findet man auch die Erlösung. Die Botschaft von Jesus an die beiden Blinden war, wenn diese glauben, dann finden sie auch die Erlösung.“). Dies vermittelte letztlich eine eingehende Auseinandersetzung und ein tiefgreifendes Interesse für den christlichen Glauben. Diese Einstellung war aus Sicht des erkennenden Gerichts auch in den übrigen Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung erkennbar.
Der Beschwerdeführer konnte in der Beschwerdeverhandlung nachhaltig darlegen, dass er ein fortgesetztes Interesse am Christentum hat, so lebt er mit einem evangelischen Konvertiten zusammen und befindet sich auch in seinem Freundeskreis ein konvertierter Christ. Auch die einvernommene Zeugin gab an, dass der Beschwerdeführer weiterhin im Austausch mit anderen Konvertiten stehe und Jesus ein Vorbild geworden sei (vgl. Niederschrift VH S. 17, s. insb.: „RI: Aus welchen Gründen sind Sie davon überzeugt, dass der BF sich vom Islam abwandte und aus innerster Überzeugung Christ geworden ist? Z: Ich habe gemerkt, wie sich eben durch diesen Glauben auch in seiner Art etwas verändert hat. Vor allem, dass er seiner Herkunftsfamilie gesagt hat, dass er Christ geworden ist mit der Konsequenz, dass er dort Khafer genannt wird, ein Ungläubiger. Das ist nicht leicht zu ertragen. Er kann das ertragen, weil er aufgenommen worden ist in diese Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern. Er möchte auch noch mehr die Bibel, das Wort Gottes, verstehen. Leider ist es ihm momentan zeitlich nicht möglich zu kommen am Samstag, auf Grund der Arbeit. Ich bin sehr froh, dass er enge Freundschaften zu anderen Konvertiten hat. Sein Taufpate ist auch ein Konvertit aus Afghanistan, der ein starker Mann des Glaubens und eine Autorität in unserer Glaubensgruppe ist. Er teilt sich die Wohnung mit einem evangelischen Christen […].“).
Dass der Beschwerdeführer trotz des erfolgten Kontaktabbruchs mit seiner Familie konvertiert ist und die Taufe vorgenommen hat, zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der dies geschah, und dass der Beschwerdeführer sich bei seiner Entscheidung von Unverständnis bzw. Widerstand seitens seiner Familie letztendlich nicht beeinflussen ließ, auch wenn dies, wie sich aus den Angaben der einvernommenen Zeugin ergibt, nicht leicht für den Beschwerdeführer war.
Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer glaubhaft schildern, dass sich seine Einstellung bzw. Lebensführung verglichen mit der Vergangenheit geändert habe (So führte er in der Beschwerdeverhandlung insbesondere aus, dass er, seit er Christ geworden sei, geduldiger und glücklicher geworden sei. Er habe eine Arbeit und eine Wohnung, dies sehe er als Zeichen bzw. Segen Gottes, vgl. Niederschrift VH S. 14).
Dass der Beschwerdeführer einen Taufvorbereitungskurs besuchte, ergibt sich sowohl aus seinen eigenen diesbezüglichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung, als auch aus den Angaben der einvernommenen Zeugin. Die Taufe erfolgte am 16.11.2019. Die Bestätigung über die Aufnahme des Beschwerdeführers am Taufunterricht vom 08.12.2018, die Bestätigung über die Eingliederung des Beschwerdeführers vom 08.03.2019 sowie der Taufschein liegen im Akt ein. Neben seinen Freunden weiß auch die Familie des Beschwerdeführers und die Familie eines Freundes über die Konversion Bescheid. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum katholischen Glauben über sein persönliches Umfeld hinaus nach außen bekannt geworden ist.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Konversion zum Christentum. Für die Annahme einer Scheinkonversion sind keinerlei fassbare Hinweise hervorgekommen.
In Anbetracht der Konversion des Beschwerdeführers, welche einen Nachfluchtgrund darstellt, konnten weitere Ermittlungen und (daran anknüpfende) Feststellungen zu den von ihm im asylbehördlichen Verfahren vorgebrachten Ausreisegründen aus verfahrensökonomischen Gründen entfallen.
2.3. Zu den Länderfeststellungen:
Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Dem Beschwerdeführer wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019 in der Fassung vom 18.05.2020 vorgelegt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. In der eingelangten Stellungnahme vom 24.06.2020 trat der Beschwerdeführer den getroffenen Feststellungen nicht substantiiert entgegen. Insgesamt vermochte der Beschwerdeführer die Korrektheit der Erkenntnisquellen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Zweifel zu ziehen.
Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass mit 29.06.2020 und 21.07.2020 neuerdings Aktualisierungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 13.11.2019 erfolgten. Die für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Informationen haben jedoch keine Änderung erfahren.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Stattgabe der zulässigen Beschwerde:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074, uva.). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287).
Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265, mwN).
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.02.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Abgesehen davon, dass einer derartigen nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH 11.06.1997, 95/01/0617) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (vgl. VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205; 23.11.2006, 2005/20/0551; 29.06.2006, 2002/20/0167).
Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059; 18.11.2015, Ra 2014/18/0162; 19.04.2016, Ra 2015/20/0302, je mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191).
3.1.2. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:
Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, in Österreich zum christlichen Glauben konvertiert zu sein und im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Konversion aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht er einen subjektiven Nachfluchtgrund iSd § 3 Abs. 2 AsylG 2005 geltend.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH vom 07.05.2018, Ra 2018/20/0186).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, hat sich der Beschwerdeführer aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben hingewendet. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Beschwerdeführer in Afghanistan vom christlichen Glauben abwenden würde bzw. sich nicht diesem Glauben entsprechend verhalten zu beabsichtige.
Überdies ist auf das Urteil des EuGH vom 5. September 2012, Y und Z, C-71/11 und C-99/11, hinzuweisen, wonach eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395).
Aus dem zum Beschwerdeführer festgestellten Sachverhalt in Zusammenhang mit den unter den Feststellungen angeführten Länderinformationen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner innerlichen christlichen Überzeugung im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan massiven Einschränkungen und Diskriminierung, strafrechtlicher Verfolgung sowie körperlichen Angriffen aus dem privaten Umfeld und durch Mitglieder der Taliban oder des IS ausgesetzt wäre.
Die Verfolgung, die der Beschwerdeführer zu befürchten hat, wurzelt in einem der in der GFK genannten Gründe, nämlich seiner Religion. Es kann – und dies ergibt sich aus den Feststellungen zu Afghanistan – insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer ausreichender staatlicher Schutz zuteilwerden würde, weil die Verfolgung auch von staatlichen Stellen ausgehen kann und die Behörden daher keineswegs als schutzwillig angesehen werden können.
Zudem ist die Verfolgung aufgrund seiner Religion, welche – wie bereits ausgeführt – einen in der GFK genannten Grund darstellt, nicht auf einen bestimmten Landesteil beschränkt, weil ihm die Entdeckung als Christ landesweit droht. Es ist nicht ersichtlich, dass ihm in einem Teil von Afghanistan keine Verfolgung aufgrund seiner Religion drohe oder ihm Schutz vor einer derartigen Verfolgung gewährleistet werden könne. Eine innerstaatliche Fluchtalternative kommt für den Beschwerdeführer somit nicht in Betracht.
3.1.3. Zusammenfassend ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb Afghanistans aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Der Beschwerde ist daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen; dies ist gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 mit der Feststellung, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt, zu verbinden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion Schutzunwilligkeit staatliche Verfolgung strafrechtliche Verfolgung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W229.2173950.1.00Im RIS seit
13.11.2020Zuletzt aktualisiert am
13.11.2020