TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/20 W183 2206842-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2020
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Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W183 2206842-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.07.2020 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2017 mit dem Flugzeug Iran, war nach einem kurzen Aufenthalt in Wien von 29.11.2017-14.06.2018 in Deutschland aufhältig, kehrte aufgrund des Dubliner Übereinkommens per „Laissez-passer“ nach Österreich zurück, stellte am 14.06.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 15.06.2018 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 16.08.2018 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), unter anderem zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er zum Christentum konvertiert sei und im Falle einer Rückkehr nach Iran wegen des Religionswechsels Verfolgung und den Tod fürchte. Im Rahmen des Administrativverfahrens legte der Beschwerdeführer neben Personendokumenten auch Unterlagen betreffend seine Konversion vor.

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 19.09.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3.       Mit Schriftsatz vom 26.09.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I.-V. Auszugsweise wurden Länderinformationen zur Menschenrechtslage und Religionsfreiheit in Iran angeführt.

4.       Mit Schriftsatz vom 27.09.2018 (eingelangt am 02.10.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

Mit Schreiben vom 27.12.2018 (OZ 6) brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerdeergänzung ein und legte weitere Dokumente betreffend seine Konversion und Integration vor.

Mit Schriftsätzen vom 31.10.2019 (OZ 12), 03.07.2019 (OZ 10) und 11.04.2019 (OZ 7) legte der Beschwerdeführer insbesondere seine Taufurkunde, eine Bestätigung über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft und weiter Dokumente betreffend seine Integration vor.

Mit Schriftsatz vom 10.10.2019 (OZ 16) legte der Beschwerdeführer unter anderem eine Taufbestätigung und weitere Dokumente betreffend seine Integration vor. Mit Schreiben vom 14.02.2020 (OZ 15) wurde ein Beweismittelantrag – die Vernehmung eines Zeugen – gestellt.

5.       Mit Schreiben vom 26.05.2020 wurden der Beschwerdeführer, ein Zeuge sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 08.07.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 14. 06. 2019“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.

Mit Schriftsatz vom 01.07.2020 (OZ 19) legte der Beschwerdeführer eine Teilnahmebestätigung am Evangelischen Religionsunterricht vor.

6.        Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.07.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung und ein Vertreter des BFA teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020 zum Parteiengehör. Seitens der Rechtsvertretung wurde eine mündliche Stellungnahme zur Situation im Herkunftsland vorgetragen und die Stattgabe der Beschwerde beantrag. Das BFA nahm an dieser Verhandlung ebenfalls teil, gab eine abschließende Stellungnahme ab und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Eine Strafregisterabfrage wurde am Tag der Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus Kermanshah und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gehört der Volksgruppe der Kurden an, spricht Kurdisch (Muttersprache), Farsi und Deutsch (Abschluss der Deutschförderklasse mit Sprachlevel B1), besuchte für 12 Jahre die Grundschule in Iran und für eineinhalb Jahre die Universität.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben seine Eltern und ein Bruder.

Der Beschwerdeführer reiste legal mit einem zuvor beantragten Schengenvisum aus Iran aus, legal am 29.11.2017 nach Österreich ein und reiste direkt weiter nach Deutschland. In Deutschland suchte er um Asyl an und wurde nach ca. sieben Monaten aufgrund eines Dublin-Verfahrens zurück nach Österreich verwiesen, wo er am 14.06.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.

Der Beschwerdeführer leidet aktuell an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer besucht seit zwei Jahren die ECOLE Schule in XXXX (seit dem Schuljahr 2019/20 als ordentlicher Schüler der Fachschule) und absolvierte einen Werte- und Orientierungskurs. Zum Freundeskreis des Beschwerdeführers zählen unter anderem österreichische Staatsbürger, welche er vorwiegend von der Pfarre oder Schule kennt.

Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig; er ist ehrenamtlich tätig als Dolmetscher und begleitet andere Personen aus seiner Unterkunft zu Arztbesuchen, oder hilft beim Einkauf oder anderen Behördengängen.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse in einem Ausmaß, welches den Besuch der Höheren Bundeslehranstalt und Fachschule für wirtschaftliche Berufe (Sprachniveau B1) erlaubt; einzelne Fragen zu seiner Person beantwortete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ebenfalls auf Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer wuchs in Iran als schiitischer Muslim auf bzw. gehört seine Familie der Religion Al-Hagh an, er hat aber seinen Glauben kaum praktiziert und interessierte sich bereits in Iran für das Christentum. In Österreich konvertierte der Beschwerdeführer zum Christentum und gehört einer protestantischen Freikirche an.

Er besuchte bereits bei seinem Deutschlandaufenthalt den Gottesdienst in einer evangelischen Gemeinde. In Österreich lernte er durch einen Freund die freie Christengemeinde in XXXX kennen und hat nach einem Taufvorbereitungskurs das Sakrament der Taufe am 25.11.2018 in der freien Pfingstgemeinde empfangen. Er besucht regelmäßig die Gottesdienste und ist aktives Mitglied in seiner Kirche. Persönlich betet der Beschwerdeführer regelmäßig und liest in der Bibel, auch gemeinsam mit anderen Christen in seiner Unterkunft. Schließlich trat er auch aus der islamischen Glaubensgemeinschaft aus und besucht den evangelischen Religionsunterricht in der Schule.

Es wird festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt hat, sich öffentlich dazu bekennt und den neuen Glauben praktiziert sowie am Leben der Kirchengemeinde aktiv teilnimmt. Auch will der Beschwerdeführer Mitmenschen den christlichen Glauben näherbringen. Der christliche Glaube wurde wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers. Es ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum bekennt und dementsprechend im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben und diesen Glauben aktiv leben würde.

Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran Verfolgung durch staatliche Akteure droht.

1.3.     Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19. Juni 2020 (LIB 2020) ergibt sich wie folgt:

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

?        AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020

?        BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

?        DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020

?        US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020

Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:

Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)

Die zu Apostasie und Konversion festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran vom 19. Juni 2020 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (Taufurkunde, Bestätigung über Gottesdienstbesuche in Deutschland und Österreich, Austrittsanzeige, Bestätigungen über den Schul- und Religionsunterrichtsbesuch), die Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung und die Strafregisterabfrage vom 08.07.2020.

2.2.    Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1.  Zur Person des Beschwerdeführers

Aufgrund der beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokumente (Staatsbürgerschaftsnachweis, Reisepass) steht die Identität des Beschwerdeführers fest. Dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Schulbildung Aufenthaltsorte, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

Die Feststellung zur Einreise und Ausreise ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde und dem Verwaltungsakt (insbesondere die beantragten Visumsunterlagen der Österreichischen Botschaft in Teheran).

Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich einerseits aus den vorgelegten, unstrittigen Dokumenten (Schulbesuchsbestätigungen, Kursbestätigung) und andererseits aus der Einvernahme vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Betreffend die Deutschkenntnisse konnte sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den bereits fortgeschrittenen Deutschkenntnissen machen und basieren auch auf der Aufnahme als ordentlicher Schüler auf der Fachschule seit dem Schuljahr 2019/20.

2.2.2.  Zum Fluchtvorbringen

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich aus dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung, der vorgelegten Taufurkunde vom 25.11.2018, der Bescheinigung über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft, sowie der Zeugenaussage des in pastoraler Ausbildung befindlichen Herrn XXXX , dem Bestätigungsschreiben der Freien Christengemeinde und der Evangelischen Paulusgemeinde in XXXX , der Teilnahmebestätigung des evangelischen Religionsunterrichts und dem vorgelegten Empfehlungsschreiben der Schule des Beschwerdeführers.

Sofern die belangte Behörde im Vorbringen des Beschwerdeführers keine ernsthafte Konversion erkennt und seinem Vorbringen daher die Glaubhaftigkeit abspricht, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer einerseits bereits bei der Erstbefragung das Interesse am Christentum in Iran als Fluchtgrund anführte und andererseits danach weitere, öffentliche Schritte für den Glaubenswechsel in Österreich setzte – somit den Wunsch zum Christentum zu konvertieren mit dem Taufunterricht und der erfolgten Taufe ernsthaft weiterverfolgte. Die belangte Behörde stützte ihre Beweiswürdigung, wonach der Beschwerdeführer nicht zum Christentum konvertiert sei, hauptsächlich auf die fehlende Taufe und das fehlende religiöse Grundwissen. Hierzu steht jedoch ca. zwei Jahre später für das Bundesverwaltungsgericht unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer Mitglied der Freien Christengemeinde in Österreich ist. Dies ergibt sich aus der vorgelegten Taufurkunde und der Zeugenaussage.

Unzweifelhaft ist weiteres, dass der Beschwerdeführer aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ausgetreten ist und in der Fachschule den evangelischen Religionsunterricht besucht. Eine entsprechende Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft und eine Bestätigung des Pfarrers und Religionslehrers an der Schule des Beschwerdeführers wurden vorgelegt (vgl. OZ 7 und OZ 19). Daran zeigt sich, dass der Beschwerdeführer kein Interesse am Islam hat und seinen neuen Glauben auch nach außen hin lebt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte den Beschwerdeführer zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.

Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig darlegen, dass er sowohl von der inneren Überzeugung her, als auch in der Praxis ein Leben nach christlichen Grundsätzen führt und aktives Mitglied der Freien Pfingstgemeinde geworden ist. Dass es sich bei dem Vorbringen, zum Christentum konvertiert zu sein, um ein rein asyltaktisches Vorgehen handelt, ist nicht anzunehmen, weil der Beschwerdeführer bereits in Iran Interesse am christlichen Glauben entwickelte und in Deutschland/Österreich seit über zweieinhalb Jahren seinen christlichen Glauben praktiziert. Laut der vorgelegten Bestätigung einer evangelischen Pfarrgemeinde in Deutschland (vgl. AS 57) habe der Beschwerdeführer auch dort von Jänner 2018 bis zu seiner Ausreise nach Österreich im Juni 2018 regelmäßig den Gottesdienst besucht. In Zeiten der COVID-19 bedingten Ausgangsbeschränkungen hielt der Beschwerdeführer über Internet Kontakt zur Kirche und fand ein Austausch über ZOOM statt. Ein wesentliches Merkmal christlichen Lebens ist auch das Praktizieren des Glaubens innerhalb der Gemeinde und konnte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang glaubwürdig darlegen, dass er in Kontakt mit anderen Gläubigen steht und insbesondere mit dem Pfarrer und dessen Familie regelmäßig beisammen ist. Er ist somit in der Pfarrgemeinde gut eingebunden.

Zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel gab der Beschwerdeführer authentisch und lebensnah an, dass sein Glaube erst mit der Zeit gewachsen sei, insbesondere durch das Gebet, das Lesen in der Bibel und die Gottesdienstbesuche. Er beschrieb seine Konversion als Prozess, den er noch weiterverfolgen möchte (vgl. VH, S. 10). Er wolle Gott erreichen und habe nach dem richtigen Weg gesucht. Der neue Glaube habe ihm Ruhe verschafft. Sein Glaube wachse und seit knapp drei Jahren fühle er sich nun als Christ.

Zudem verfügt der Beschwerdeführer über ein durchaus – mit Bedacht auf die im Vergleich doch erst „kurze“ Beschäftigung mit dem christlichen Glauben – fortgeschrittenes Wissen betreffend das Christentum (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350) und vermittelte dem Gericht eine ambitionierte Einstellung, sich noch näher mit Glaubensfragen zu beschäftigen und weiterzuentwickeln zu wollen. Er konnte zum Großteil die Glaubensfragen vollständig beantworten bzw. nicht nur oberflächlich, sondern auch tiefergehende Verständnisfragen erklären. Er konnte mit ausführlichen Antworten das Wesen der Dreifaltigkeit, Pfingsten als zuletzt gefeiertes Fest in der Kirche und auch dessen Bedeutung erklären (vgl. VH, S. 13). Die Kennzeichen der christlichen Glaubenslehre, auch im Unterschied zum Islam beschrieb der Beschwerdeführer mit: „Die Grundzüge des Christentums basieren auf die Schöpfung, Sünde, Beichte, die Wiederauferstehung Jesus und die Taufe. Im Islam muss man nur Gutes tun, im Christentum müssen wir nur an Jesus glauben und über den Glauben können wir Gott erreichen. Im Christentum sind Männer und Frauen gleich. Im Islam hat der Mann einen höheren Stellenwert als die Frau. Im Christentum empfängt man Liebe im Herzen, im Islam herrschen nur Kriege und Zwänge…“ (vgl. VH, S. 13-14). Auch die Frage des Behördenvertreters nach der Bedeutung des letzten Abendmahls konnte der Beschwerdeführer beantworten.

Die Aussage des Beschwerdeführers über sein Gebetsverhalten, wonach das Gebet die Möglichkeit sei, jederzeit und an jedem Ort, auch zu Hause, mit Gott in Verbindung zu treten, er Gott im Gebet dankbar sei, Gott mit ihm direkt über sein Wort spreche und er in der Bibel lese (vgl. VH, S. 14), waren ein weiteres Indiz für die ernsthafte Hinwendung zum christlichen Glauben. In Bezug auf eine Verhaltens- und Einstellungsänderung nannte der Beschwerdeführer auch die gelebte Nächstenliebe und die unbedingte Hilfsbereitschaft für alle seine „Schwestern und Brüder“ ohne selbiges vom Gegenüber zu erwarten, als Veränderung seitdem er Christ ist (vgl. VH, S. 13). Auch hilft er anderen, indem er sie etwa als „Dolmetscher“ bei Arztbesuchen begleitet. In der mündlichen Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde vorgehalten, dass Hilfe auch unabhängig von einem Glauben gewährt werden könne, woraufhin der Beschwerdeführer aber nachvollziehbar antwortete, dass er sich für seine Hilfe nichts zurückerwarte, was einem christlichen Leben entspricht (VH, S. 17).

Die Beantwortung der Fragen bei der mündlichen Verhandlung erwecken beim Leser auch nicht den Eindruck, Wissensfragen auswendig gelernt zu haben, sondern machte der Beschwerdeführer authentische, alltagsnahe Angaben, die auch nicht übertrieben und einstudiert wirken. Dies zeigt sich etwa an seiner Antwort auf die seitens des Behördenvertreters gestellte Frage nach seinem öffentlichen Glaubensbekenntnis und Missionarstätigkeit (VH, S. 14). So sagte er, dass er seinen Glauben nicht leugnen würde und bereits vier Menschen bekehrt habe. Auch die Ausführungen zur Taufe waren glaubwürdig und lebensnah. Sie bezogen sich sowohl auf die Beschreibung des Taufaktes wie auch auf das Empfinden des Beschwerdeführers (VH. S. 16).

Weiters haben sich die Deutschkenntnisse durch den Schulbesuch des Beschwerdeführers deutlich verbessert – er besuchte das Schuljahr 2019/2020 als ordentlicher Schüler –, sodass davon ausgegangen werden kann, dass er den Gottesdiensten auf Deutsch folgen kann. Zusätzlich teilt der Pfarrer auch Zettel mit den Gebetsnummern aus, damit der Beschwerdeführer bei Verständnisproblemen in seiner Farsi-Bibel nachlesen oder auch jederzeit rückfragen kann.

Der in pastoraler Ausbildung befindliche Zeuge und ebenfalls Mitglied der Freien Pfingstgemeinde bestätigte in der mündlichen Verhandlung, dass der Beschwerdeführer jeden Sonntag zum Gottesdienst komme und immer hilfsbereit sei. Zudem sei er an der Bibel interessiert und frage nach, wenn er Fragen zum Glauben hat. Auch habe er noch Kurse nach der Taufe besucht. Der Beschwerdeführer habe nicht den Eindruck erweckt, dass er nur Vorteile sucht, sondern dass er gerne in die Kirche kommt und mehr verstehen und lernen möchte. Den Beschwerdeführer kenne er schon seit ca. zwei Jahren durch den Taufunterricht; auch habe er ihn öfters mit dem Auto zu Aktivitäten mitgenommen.

Mit Schreiben vom 07.10.2018 bestätigte auch der lokale Leiter und Pastor der XXXX dass der Beschwerdeführer großes Interesse am christlichen Glauben habe und regelmäßig die Gottesdienste, lokale Bibelkreise, Vorträge und sonstige christliche Veranstaltungen besuche. Der Beschwerdeführer habe schon in Deutschland die Gottesdienste besucht, er habe sich intensiv mit der Bibel beschäftigt und sich ein klares Bild vom Christentum gemacht, bevor er sich freiwillig für ein Leben als Christ entschieden habe. Zudem besuchte er einen gründlichen Taufunterricht.

Auch der Lehrer und Klassenvorstand des Beschwerdeführers, der unter anderem altkatholischer Priester und Seelsorger ist, bestätigte schriftlich in einem weiteren Unterstützungsschreiben, dass er mit dem Beschwerdeführer intensive Gespräche geführt habe, da er immer wieder über die Bibel habe sprechen wollen und er sich mit der Heiligen Schrift intensiv auseinandergesetzt habe. Zudem habe der Beschwerdeführer im Schuljahr 2019/20 beim Landesredewettbewerb teilgenommen, über die Verfolgung der Christen in Iran gesprochen und den dritten Platz belegt.

Die Bestätigungen und die Zeugenaussage waren insofern glaubwürdig, als zu Umständen Auskunft gegeben wurde, die die Verfasser selbst wahrnehmen konnten. Auch haben sich die unterschiedlichen Berichte von Begegnungen und Wahrnehmungen zum Beschwerdeführer nicht widersprochen und decken sich auch mit dem Eindruck des erkennenden Gerichts.

Im Ergebnis ist bei einer Gesamtbetrachtung des behördlichen und gerichtlichen Ermittlungsverfahrens eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung in Bezug auf das Christentum ableitbar. Der Beschwerdeführer hat sich im Zusammenhang mit der Ausübung seines Glaubens nicht nur auf außenwirksame Akte (Taufe, Austrittserklärung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft, Gottesdienstbesuche, lokale Bibelkreise etc.) beschränkt, sondern schilderte auch eine tatsächliche, tiefergehende Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten im Sinne einer nachhaltigen, persönlichen Hinwendung zu Gott. Diese Aussagen stehen in Einklang mit den vorgelegten Bestätigungsschreiben und Unterlagen. In einer Gesamtschau ist beim Beschwerdeführer von einem, das Christentum aktiv lebenden Menschen auszugehen. Der christliche Glaube wurde wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers, sodass in weiterer Folge dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden kann, im Falle einer Rückkehr nach Iran seinen christlichen Glauben nur im Geheimen zu praktizieren. Auch ist davon auszugehen, dass er nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben und diesen Glauben aktiv leben würde. Eine Verfolgung durch staatliche Akteure kann demnach im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht ausgeschlossen werden.

2.2.3.  Zur Situation in Iran

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung und ergänzend in der mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten)

3.1.1.  Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen;“

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 und Ra 2018/19/0260). Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Iran mit dem Christentum in Berührung gekommen ist (vgl. VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675); ebenso wenig, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230). Die Behauptung eines „Interesses am Christentum“ reicht zur Darlegung einer inneren Glaubensüberzeugung nicht aus (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453).

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 07.05.2018, Ra 2018/20/0186). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergehende Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455).

Aus Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2011/95/EU (Statusrichtlinie) folgt, dass die Ausübung einer Glaubensüberzeugung nicht auf das sog. „forum internum“ beschränkt werden darf, sondern vielmehr auch der öffentliche Bereich umfasst ist.

3.1.2.  Umgelegt auf den gegenständlichen Fall findet die oben festgestellte, die den Beschwerdeführer treffende und glaubhaft gemachte Verfolgungsgefahr ihre Deckung in einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe, weil dem Beschwerdeführer in Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine aktuelle, aus politischen bzw. religiösen Gründen resultierende Verfolgung maßgeblicher Intensität durch staatliche Akteure droht. Ein aktives Ausleben des christlichen Glaubens und insbesondere eine missionarische Betätigung werden in Iran verfolgt und drohen hohe Haftstrafen, allenfalls auch die Todesstrafe. Der Beschwerdeführer hat sich ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt und lebt diesen aktiv. Die nachvollziehbaren und persönlich glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers machen eine innere Konversion glaubhaft. Durch die offiziell dokumentierte Taufe und die Austrittserklärung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft erfolgte auch eine Konversion nach außen. Zusammen mit den regelmäßigen Gottesdienstbesuchen ist der Glaubenswechsel des Beschwerdeführers öffentlich geworden. Wenn der in der mündlichen Verhandlung einvernommene Zeuge auf Frage des Behördenvertreters angibt, dass es in der pentekostalen Kirche keinen Auftrag zur Mission gebe, so kann nach Ansicht des Gerichts nicht daraus geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht verfolgt werden würde. Schließlich gab der Beschwerdeführer selbst an, dass er seinen Glauben nicht leugnen würde und – was gegenständlich wesentlich ist – wäre der Beschwerdeführer in Iran gezwungen, sein bereits ernsthaft verinnerlichtes Praktizieren des christlichen Glaubens aufzugeben. Eine Beschränkung der Glaubensausübung auf das sog. „forum internum“ würde jedoch der Statusrichtlinie widersprechen.

Es kann folglich nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle einer Rückkehr nach Iran dem Beschwerdeführer eine asylrechtlich relevante Verfolgung droht. Auch ist es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, im Falle einer Rückkehr nach Iran den neuen Glauben vor den iranischen Behörden zu verleugnen und die Religionsausübung auf das sog. forum internum zu beschränken (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2011/95/EU).

Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer nicht offen, weil sich – wie sich aus den Länderberichten ergibt – die drohende Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt.

Da im Verfahren auch keine Asylausschlussgründe iSd § 6 Abs. 1 AsylG 2005 hervorkamen und der Beschwerdeführer nicht straffällig wurde, war dem Beschwerdeführer gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 auszusprechen, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2.    Zur Behebung der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides

Da die Spruchpunkte II. bis VI. des im Spruch bezeichneten Bescheides voraussetzen, dass der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, sind diese ohne weitere Prüfung ersatzlos zu beheben und ist insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen und waren Fragen der Beweiswürdigung entscheidend.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W183.2206842.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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