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PersonenstandsrechtNorm
PStG 1983 §2 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Hoffmann, Dr. Herberth und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungsrat Dr. Seyfried, über die Beschwerde der SH in H, vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler, Rechtsanwalt in Bregenz, Gerberstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 11. November 1986, Zl. Ia 320-7/86, betreffend Eintragung des Vornamens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
In der Geburtsanzeige vom 23. September 1986 hat die Beschwerdeführerin ihrem am 22. September 1986 geborenen Sohn die Vornamen Aladin Samuel Musa gegeben.
Der Standesamtsverband H lehnte mit Bescheid vom 3. Oktober 1986 gemäß § 21 Abs. 2 des Personenstandsgesetzes, BGBl. Nr. 60/1983 (PStG), die Eintragung des Vornamens Musa im Geburtenbuch ab. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus, gemäß § 21 Abs. 1 PStG obliege die Bestimmung des Vornamens des Kindes den Eltern. Im vorliegenden Fall sei die außereheliche Mutter zur Bestimmung des Vornamens berechtigt. Die Mutter und das Kind seien österreichische Staatsbürger. Die von der Mutter als dritter Vorname gewählte Bezeichnung „Musa“ sei in Österreich als Vorname nicht gebräuchlich. Diese Bezeichnung dürfe daher im Geburtenbuch nicht eingetragen werden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie auf ihrem Recht bestand, die Vornamen ihres Kindes zu bestimmen. Musa sei kein in Österreich ungebräuchlicher Vorname. Man dürfte auf „unsere türkischen Mitmenschen, die hier leben, vergessen haben“. Auch sei dieser Name keine „als Vorname ungebräuchliche Bezeichnung“, sondern ein Vorname, wie sich aus einer Bestätigung des türkischen Konsulates ergebe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde fest, bei der Bezeichnung „Musa“ handle es sich um einen türkischen Vornamen. Diese Bezeichnung scheine jedoch weder in der vom Österreichischen Statistischen Zentralamt herausgegebenen Vornamensstatistik 1984 (Verzeichnis der im Jahre 1984 in Österreich gegebenen Vornamen) noch in anderen Verzeichnissen von im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Vornamen auf. § 21 Abs. 2 PStG bestimme, daß bei Kindern des im § 2 Abs. 2 genannten Personenkreises (österreichische Staatsbürger, Staatenlose oder Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit sowie Flüchtlinge im Sinne der Konvention und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, sofern sie einen Wohnsitz oder Aufenthalt in Österreich haben) zumindest der erste Vorname dem Geschlecht des Kindes entsprechen müsse, weiters, daß Bezeichnungen, die nicht als Vornamen gebräuchlich oder dem Wohl des Kindes abträglich seien, nicht eingetragen werden dürften. Dies bedeute, daß für ein Kind mit österreichischer Staatsbürgerschaft nur Bezeichnungen beurkundet werden dürften, die bei Personen, die dem angeführten Personenkreis angehörten, gebräuchlich seien. Bei der Bezeichnung „Musa“ handle es sich zweifelsfrei um einen türkischen Vornamen, der zwar möglicherweise bei den in Österreich lebenden türkischen Staatsangehörigen, nicht jedoch bei dem im § 2 Abs. 2 PStG erfaßten Personenkreis gebräuchlich sei. Diese Bezeichnung dürfe daher gemäß § 21 Abs. 2 PStG im Geburtenbuch des am 22. September 1986 von der Beschwerdeführerin geborenen Kindes nicht eingetragen werden. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß für die erstgeborene Tochter der Beschwerdeführerin - offenbar unzulässigerweise - eine Bezeichnung, die dem § 21 Abs. 2 PStG nicht entspreche, beurkundet worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, ihrem Kind freigewählte Vornamen zu geben, sowie im Recht auf Eintragung dieser Vornamen in die Personenstandsbücher verletzt. Weiters macht sie Verletzung im Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 MRK und im Recht, eine Familie zu gründen, gemäß Art. 12 MRK geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Vornamensgebung ist im § 21 des Personenstandsgesetzes vom 19. Jänner 1983, BGBl. Nr. 60 (PStG), neu geregelt worden. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung haben vor der Eintragung der Vornamen des Kindes in das Geburtenbuch die dazu berechtigten Personen schriftlich zu erklären, welche Vornamen sie dem Kind gegeben haben. Sind die Vornamen von den Eltern einvernehmlich zu geben, genügt die Erklärung eines Elternteiles, wenn er darin versichert, daß der andere Elternteil damit einverstanden ist.
Gemäß Absatz 2 der genannten Bestimmung, auf den die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid gegründet hat, muß bei Kindern des im § 2 Abs. 2 genannten Personenkreises zumindest der erste Vorname dem Geschlecht des Kindes entsprechen; Bezeichnungen, die nicht als Vornamen gebräuchlich oder dem Wohl des Kindes abträglich sind, dürfen nicht eingetragen werden.
Der im § 2 Abs. 2 genannte Personenkreis umfaßt:
1. einen österreichischen Staatsbürger;
2. einen Staatenlosen oder eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben;
3. einen Flüchtling im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, wenn er seinen Wohnsitz, mangels eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
Die belangte Behörde vertritt die Meinung, daß es bei der Beurteilung, ob eine Bezeichnung als Vorname gebräuchlich ist, auf die Gebräuchlichkeit in dem im § 2 Abs. 2 PStG abgegrenzten Personenkreis ankommt. Dieser Auslegung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht anzuschließen. Sie kann aber darüber hinaus nicht zu dem von der Behörde gezogenen Schluß führen, im Ausland gebräuchliche Vornamen bei der Namensgebung im Sinne des § 21 Abs. 2 PStG auszuschließen, weil insbesondere beim Personenkreis des § 2 Abs. 2 Z. 3 (Konventionsflüchtlinge), aber auch beim Personenkreis nach Z. 2 der genannten Bestimmung, also bei Personengruppen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, ausländische Vornamen gebräuchlich sind.
Die Wortauslegung des § 21 Abs. 2 PStG kann aber ebensowenig zu einer Einschränkung der Namensgebung auf in Österreich oder im deutschen Sprachraum gebräuchliche Vornamen führen, weil das Gesetz selbst seinem Wortlaut nach eine solche Einschränkung nicht enthält.
Nach der Gesetzeslage vor Inkrafttreten des neuen Personenstandsgesetzes war die Vornamenswahl nach herrschender Rechtsprechung und Lehre nicht auf inländische Vornamen beschränkt. Auch die Wahl ausländischer Vornamen war vielmehr erlaubt (vgl. Edelbacher, Namensrecht, S. 55, Raschauer, Namensrecht, S. 110, und Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1983, Zl. 82/01/0236, Slg. N. F. Nr. 11.068/A). Hätte der Gesetzgeber diese Rechtslage verändern und die Wahl des zur Namensgebung Berechtigten auf im Inland gebräuchliche Vornamen einschränken wollen, so hätte er dies bei der Neuregelung des Personenstandsrechtes im Gesetz zum Ausdruck bringen müssen. Da eine solche Beschränkung auf in Österreich gebräuchliche Vornamen nicht erfolgt ist, ist davon auszugehen, daß die zur Vornamensgebung Berechtigten bei der Wahl der Vornamen grundsätzlich frei sind, dem Kind auch im Ausland gebräuchliche Vornamen zu geben. Auf die statistische Häufigkeit der Verwendung eines Vornamens im Inland kommt es demnach bei der Beurteilung der Gebräuchlichkeit eines Vornamens nicht entscheidend an.
Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren an „Einheitssatz“ und Umsatzsteuer mußte, soweit es den in der genannten Verordnung festgesetzten Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand übersteigt, abgewiesen werden.
Wien, am 8. April 1987
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1987:1986010284.X00Im RIS seit
13.11.2020Zuletzt aktualisiert am
13.11.2020