Index
L87906 Straßenverkehr Geschwindigkeitsbeschränkung Nachtfahrverbot SteiermarkNorm
AVG §58Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung gegen Spruchpunkt III. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 29. April 2020, Zl. LVwG 40.9-718/2019-8, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes - Luft (mitbeteiligte Partei: Mag. C K in G, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/8), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses wird im Umfang der Behebung des Spruchpunktes 1. des Straferkenntnisses der revisionswerbenden Partei vom 8. Februar 2019, Zl. BHGU-15.1-44213/2017, und der Einstellung des diesbezüglich geführten Verwaltungsstrafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Mit dem angeführten Straferkenntnis stellte die revisionswerbende Partei unter Spruchpunkt 1. fest, der Mitbeteiligte habe am 20. Oktober 2017 um 14.52 Uhr an einem näher angeführten Ort auf der Süd Autobahn A 2 bei Straßenkilometer 191,1 in Fahrtrichtung Villach - und somit im Sanierungsgebiet gemäß der „Verordnung des Landeshauptmannes der Steiermark“ (gemeint: Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Oktober 2014, mit der eine immissionsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung auf Teilstrecken der A 2 Süd Autobahn und der A 9 Pyhrn Autobahn angeordnet wird, LGBl. Nr. 117/2014 [VBA-Verordnung-IG-L Steiermark]) - ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug gelenkt und dabei die zum genannten Zeitpunkt in diesem Korridor festgelegte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 43 km/h überschritten.
2 Unter Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses stellte sie ferner fest, der Mitbeteiligte habe dadurch auch die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 13 km/h überschritten.
3 Damit habe er sowohl § 30 Abs. 1 Z 4 des Immissionsschutzgesetzes - Luft (IG-L) iVm. § 3 Abs. 1 und 2 der VBA-Verordnung-IG-L Steiermark (zu Spruchpunkt 1.) als auch § 20 Abs. 2 StVO (zu Spruchpunkt 2.) verletzt, weshalb die revisionswerbende Partei über ihn jeweils eine Geldstrafe in bestimmter Höhe verhängte.
4 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde.
5 In der am 3. März 2020 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht legte der als Zeuge geladene Vertreter der ASFINAG einen Schaltplan vor. Er brachte dazu vor, daraus sei ersichtlich, dass vor der bei Straßenkilometer „186,6“ beginnenden „IG-L-Schaltung“ eine permanente „100 km/h-Beschränkung“ gemäß StVO verordnet sei. Dies sei auf dem Schaltplan schematisch im unteren Bereich zu sehen (Straßenkilometer „183,9“). Richtig sei auch, dass diese „100 km/h-Beschränkung“ nicht aufgehoben werde. Die betreffende „Handhabe“ sei praktisch österreichweit (einheitlich). „Sozusagen“ gehe der „StVO 100er“ in die 100 km/h-IG-L-Beschränkung „nahtlos ohne Aufhebung über.“
6 Mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, behob das Straferkenntnis in vollem Umfang und stellte „das Verwaltungsstrafverfahren“ ein.
7 Es stellte fest, unbestritten sei der Mitbeteiligte am 20. Oktober 2017, „kurz vor 15.00 Uhr“, auf der Autobahn A 2 in Fahrtrichtung Klagenfurt gefahren, nachdem er beim Knoten Graz-Ost auf die Autobahn aufgefahren sei. Dabei habe er beim Messpunkt auf der Höhe von Straßenkilometer 191,1 der A 2 eine Fahrgeschwindigkeit von 143 km/h (abzüglich Messtoleranz) eingehalten. Die Messung sei mit einem Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerät der Bauart „VKS 3.1“, welches zum Tatzeitpunkt über eine aufrechte Eichung verfügt habe, erfolgt.
8 Im betreffenden Korridor West der A 2 in Fahrtrichtung Klagenfurt im Abschnittsbereich Knoten Graz-West bis zur Anschlussstelle Lieboch sei die Höchstgeschwindigkeit mit 100 km/h gemäß IG-L beschränkt gewesen.
9 Des Weiteren sei, beginnend mit Straßenkilometer „183,9“, die höchstzulässige Geschwindigkeit auf 100 km/h gemäß der StVO beschränkt gewesen. Eine Aufhebung dieser Höchstgeschwindigkeit habe nicht nachgewiesen werden können.
10 Beweiswürdigend führte es aus, die getroffenen Feststellungen stützten sich zum einen auf die Anzeige samt der unbedenklichen Messung mit dem zum Tatzeitpunkt geeichten Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerät. Dies sei im Übrigen vom Mitbeteiligten auch nicht bestritten worden.
11 Gemäß den „sonstigen Feststellungen“ stütze sich das erkennende Gericht auf die vorgelegten Schaltpläne des informierten Vertreters der ASFINAG bzw. dessen Aussage vor dem Verwaltungsgericht, nicht zuletzt „was“ die Angaben zur „100-km/h-Beschränkung“ gemäß StVO im gegenständlichen Bereich anbelange und auch der Tatsache, dass tatsächlich eine Aufhebung dieser Geschwindigkeitsbeschränkung nicht erfolgt sei und diese „Schalthandhabe“ seiner Aussage zufolge als generell anzusehen sei.
12 Rechtlich gelangte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, gemäß § 3 Abs. 5 VBA-Verordnung-IG-L Steiermark ende eine Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß Abs. 1 und 2, wenn nach der StVO niedrigere oder gleich hohe Höchstgeschwindigkeiten angeordnet würden. Dass „derartiges“ zum Tatzeitpunkt „der Fall“ gewesen sei, habe einerseits den vorgelegten Schaltplänen des informierten Vertreters der ASFINAG, wie auch dem vom Vertreter des Mitbeteiligten vorgelegten Lichtbild entnommen werden können.
13 Im Übrigen normiere die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Festlegung allgemeiner Kriterien für Verkehrsbeeinflussungssysteme gemäß Immissionsschutzgesetz-Luft, BGBl. II Nr. 302/2007 (VBA-Verordnung-IG-L [Bund]), dass, sofern zeitgleich sowohl die Voraussetzungen für eine Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß § 14 Abs. 6a ff IG-L als auch die Voraussetzungen für eine Kundmachung einer zumindest gleich strengen Verkehrsbeschränkung gemäß §§ 44 Abs. 1a und § 44c StVO vorlägen, die Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß § 14 Abs. 6a ff IG-L solange nicht in Kraft trete, bis die Aufhebung der Verkehrsbeschränkung gemäß §§ 44 Abs. 1a und § 44c StVO kundgemacht worden sei. Gerade von „solchen Umständen“ sei im gegenständlichen Fall auszugehen gewesen, nachdem eine zumindest gleich hohe Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß § 52 lit. a Z 10a StVO „tatzeit- und tatortgegenständlich offensichtlich kundgemacht und nicht wieder aufgehoben wurde.“
14 Somit habe der Mitbeteiligte die oben genannte „Subsidiaritätsbestimmung im Sinn des § 3 Abs. 5 VBA-Verordnung-IG-L Steiermark“ für sich beanspruchen dürfen.
15 Hinsichtlich der zweiten angelasteten Übertretung sei „offensichtlich“ zum Tatzeitpunkt gemäß § 52 lit. a Z 10a StVO eine „100 km/h-Beschränkung“ - ohne Aufhebung - verordnet gewesen, sodass „auch“ zu dieser Übertretung die verletzte Rechtsvorschrift unrichtig gewesen sei und auch eine Abänderung dieser (Rechtsvorschrift) nicht nur einen Austausch einer falschen Strafnorm, sondern eine unzulässige Ausdehnung des dem Mitbeteiligten angelasteten Übertretungsausmaßes der Fahrgeschwindigkeit von nunmehr 43 km/h bedeutet hätte. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
16 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit.
17 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19 Die Revision erweist sich schon deshalb als zulässig, weil dem Verwaltungsgericht ein Abweichen von der ständigen hg. Rechtsprechung zur Begründungspflicht verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen vorzuwerfen ist. Die Revision ist im Ergebnis auch begründet.
20 Nach § 29 Abs. 1 VwGVG sind Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen.
21 Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt. Ein Begründungsmangel führt zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert.
22 Das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts wird den Begründungserfordernissen (§ 29 Abs. 1 VwGVG iVm §§ 58, 60 AVG) dann gerecht, wenn sich die seine Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie der rechtlichen Beurteilung in den wesentlichen Punkten aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. zum Ganzen VwGH 25.4.2019, Ra 2018/07/0464, jeweils mwN).
23 Zunächst ist unstrittig, dass der Mitbeteiligte am 20. Oktober 2017 um 14.52 Uhr im Sanierungsgebiet nach der VBA-Verordnung-IG-L Steiermark im Korridor West der Süd Autobahn A 2 in Fahrtrichtung Klagenfurt bei Straßenkilometer 191,1 ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug gelenkt und dabei eine Fahrgeschwindigkeit von 143 km/h (abzüglich Messtoleranz) eingehalten hat.
24 Dem vorliegenden Fall liegt ferner - obwohl bereits dies nicht klar aus den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses hervorgeht - eine näher bezeichnete Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) vom 16. März 2009 zu Grunde, die zum Tatzeitpunkt auf der Süd Autobahn A 2 in Fahrrichtung Klagenfurt im Streckenabschnitt zwischen Straßenkilometer 183,948 und 186,626 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h nach der StVO vorsah. Unstrittig ist dabei, dass der Beginn dieser Geschwindigkeitsbeschränkung bei Straßenkilometer 183,948 mittels Verkehrszeichen nach § 52 lit. a Z 10a StVO kundgemacht war.
25 Im Verfahren ist jedoch strittig geblieben, ob zum Tatzeitpunkt auch das Ende dieser Geschwindigkeitsbeschränkung nach der StVO bei Straßenkilometer 186,626 bzw. ob an dieser oder anderer Stelle der Beginn der in der VBA-Verordnung-IG-L Steiermark vorgesehenen Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h nach dem IG-L kundgemacht waren.
26 Sowohl die revisionswerbende Partei in ihrem Straferkenntnis als auch der Mitbeteiligte in seiner Beschwerde gingen zunächst davon aus, dass bei Straßenkilometer „186,5“ eine Geschwindigkeitsbeschränkung nach dem IG-L beginne.
27 In den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schaltplänen des Vertreters der ASFINAG ist erkennbar bei Straßenkilometer „186,626“ ein Verkehrsbeeinflussungssystem, mit dem die in Verordnungen gemäß § 14 Abs. 6a leg. cit. vorgesehenen Geschwindigkeitsbeschränkungen nach dem IG-L - wie etwa jene der VBA-Verordnung-IG-L Steiermark - regelmäßig kundgemacht werden (vgl. § 14 Abs. 6c IG-L bzw. § 4 VBA-Verordnung-IG-L Steiermark), eingezeichnet.
28 Ausgehend davon wird in der Revision nunmehr vorgebracht, die Kundmachung des Beginns der Geschwindigkeitsbeschränkung nach dem IG-L sei nachweislich mittels Verkehrsbeeinflussungssystems bei Straßenkilometer „186,626“ und somit unmittelbar im Anschluss an das Ende des von der Verordnung des BMVIT umfassten Streckenabschnitts erfolgt. Aus diesem Grund sei diese Verordnung sowohl hinsichtlich des darin festgelegten Beginns und Endes der Geschwindigkeitsbeschränkung nach der StVO ordnungsgemäß kundgemacht worden, weshalb gemäß § 52 lit. a Z 10b letzter Satz StVO die Geschwindigkeitsbeschränkung nach dem IG-L bei Straßenkilometer „186,626“ beginne.
29 Demgegenüber wird in der Revisionsbeantwortung ins Treffen geführt, aus § 2 Z 5 VBA-Verordnung-IG-L Steiermark ergebe sich, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung nach dieser Verordnung erst bei Straßenkilometer „186,63“ beginne, weil bei diesem „Autobahnquerschnitt“ eine Messstation, auf der sich auch der „Überkopfwegweiser“ befinde, angebracht sei. Damit beginne die Geschwindigkeitsbeschränkung nach dem IG-L erst vier Meter nach jener der StVO, weshalb § 52 lit. a Z 10b letzter Satz StVO irrelevant sei.
30 Mit diesen das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung nach der StVO und den Beginn jener nach dem IG-L betreffenden widersprüchlichen Tatsachenbehauptungen hat sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt bzw. dazu keine Feststellungen getroffen. Diese wären jedoch bereits für die Beurteilung der ordnungsgemäßen Kundmachung der jeweiligen Verordnungen (insbesondere hinsichtlich ihres in vergleichbaren Straßenkilometern anzugebenden örtlichen Geltungsbereichs bzw. - im Fall der nicht ordnungsgemäßen Kundmachung - einer allfälligen Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof) und in weiterer Folge für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falls relevant gewesen.
31 Die mangelhaften Feststellungen halten daher einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht stand; die darauf aufbauende rechtliche Beurteilung ist somit einer Prüfung nicht zugänglich.
32 Das angefochtene Erkenntnis war daher im genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 24. September 2020
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070048.L00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021