TE Vwgh Beschluss 2020/10/14 Ra 2020/20/0343

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des I M, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2020, W232 2171801-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein ukrainischer Staatsangehöriger, stellte am 21. Juni 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Er brachte zusammengefasst vor, er hätte im Zuge der Massenmobilisierungswelle einrücken sollen. Als er deswegen den Entschluss gefasst habe, seinen Heimatort zu verlassen, sei er entführt, geschlagen und einer Befragung unterzogen worden. Er habe unterschreiben müssen, Separatist mit Spionageabsichten zu sein, um nicht strafrechtlich verfolgt zu werden. Als „Entgegenkommen“ hätte er in den Krieg ziehen sollen.

2        Mit Bescheid vom 31. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung. Es stellte fest, dass seine Abschiebung in die Ukraine zulässig sei und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision, die sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung inhaltlich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, es gebe zahlreiche (näher genannte) Berichte und Dokumente, die die Aussagen des Revisionswerbers als plausibel und wahrscheinlich erscheinen ließen. Da er als Separatist gelte, fürchte er im Fall seiner Rückkehr Verfolgung durch den „Rechten Sektor“. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht von den zu Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten nicht Gebrauch gemacht.

8        Mit diesem Vorbringen wendet sich der Revisionswerber der Sache nach gegen die Beweiswürdigung. Ihm ist entgegenzuhalten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden Beweiswürdigung mit seinem Vorbringen zu den Gründen seiner Flucht auseinandergesetzt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0314, mwN). Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0012, mwN).

9        Dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sprach das Bundesverwaltungsgericht unter mehreren Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit ab und zeigte im Einzelnen auf, welche Aspekte nach Ansicht des Gerichtes gegen eine tatsächliche Verfolgung sprechen würden. So habe der Revisionswerber seine Angaben nicht nur im Lauf des Verfahrens gesteigert, indem er die Folterungen und Verhöre erst zu einem späteren Zeitpunkt erwähnt habe. Es stimmten seine Aussagen auch nicht mit den tatsächlichen Geschehnissen und Gegebenheiten, wie sie sich nach den Länderberichten darböten, überein, wie beispielsweise im Zusammenhang mit der Einberufung zum Wehrdienst.

10       Die Revision beruft sich in diesem Zusammenhang auf diverse Berichte, die die Angaben des Revisionswerbers untermauern sollen. In diesen wird aber nur über das Vorhandensein von unabhängigen bewaffneten Gruppen und Freiwilligenbataillonen berichtet, deren hierarchische Eingliederung in die regulären Befehlsstrukturen nicht immer klar sei, weshalb es zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. Dabei übersieht die Revision, dass das Bundesverwaltungsgericht das Bestehen von paramilitärischen Freiwilligenbataillons in der Ukraine gar nicht bezweifelt hat, sondern lediglich die vom Revisionswerber geschilderte Fluchtgeschichte und damit sein Zusammentreffen mit einem solchen Bataillon, seine angebliche Desertion sowie seine „Behauptung“, Separatist zu sein, für nicht glaubwürdig erachtete. Dass die Aussagen des Revisionswerbers den in der Revision zitierten Berichten nicht widersprächen, wie der Revisionswerber vorbringt, vermag daran nichts zu ändern, weshalb auch das Vorbringen, der Revisionswerber könne im Falle seiner Rückkehr keine staatlichen Leistungen in Anspruch nehmen und sich keine Existenzgrundlage aufbauen, weil er als Separatist gelte, ins Leere geht.

11       Es gelingt dem Revisionswerber mit seinem Vorbringen nicht, darzulegen, dass die Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen worden wäre und sich die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob dem Revisionswerber in seinem Heimatstaat Verfolgung drohe, in ihrer Gesamtheit als unschlüssig darstellten. Auch eine tragende Grundsätze des Verfahrensrechts berührende Verkennung der Begründungspflicht (vgl. dazu VwGH 1.7.2020, Ra 2020/20/0196 bis 0198, mwN) ist nicht ersichtlich.

12       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 14. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200343.L00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten