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L66501 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke Flurbereinigung BurgenlandNorm
AVG §8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Urbarialgemeinde S, vertreten durch Mag. Michael Löschnig-Tratner, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Stadlauer Straße 29, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 20. November 2017, Zl. E HG1/03/2016.031/033, betreffend Aufhebung eines Beschlusses einer Agrargemeinschaft infolge einer Minderheitenbeschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Amt der Burgenländischen Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei: J Z in S), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 In ihrer Vollversammlung vom 24. September 2015 fasste die revisionswerbende Urbarialgemeinde (im Folgenden: Revisionswerberin) unter Tagesordnungspunkt 2. den Beschluss, auf zwei näher genannten Grundstücken eine Waldfläche im Ausmaß von 4,06 ha auszupflanzen.
2 Dieser Beschluss wurde vom damaligen Obmann (mitbeteiligte Partei) in einer auch von zwei weiteren überstimmten Mitgliedern der Revisionswerberin unterfertigten Eingabe beeinsprucht.
3 Nach Einholung von Gutachten hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. März 2016 den zum genannten Tagesordnungspunkt gefassten Beschluss der Vollversammlung der Revisionswerberin auf.
4 Die dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde wurde - nach Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Liegenschaftsbewertungen und Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland (LVwG) als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
5 Der vom LVwG befasste Sachverständige war in seinem im angefochtenen Erkenntnis zitierten Gutachten zusammenfassend zum Ergebnis gekommen, dass die Nachhaltigkeit und Höhe der Erträge bei landwirtschaftlicher Nutzung unter Zugrundelegung eines erzielbaren ortsüblichen Pachtzinses um das
3,5-fache höher als bei forstwirtschaftlicher Nutzung erscheine. Aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise erscheine es demnach nicht angebracht, die derzeitigen Ackerflächen in Wald umzuwandeln.
6 Das LVwG verwies in seinen Erwägungen unter anderem auf die mit Verordnung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung vom
6. Mai 1971, Zl. V/1-7069/49-1971, erlassenen, im Landesamtsblatt für das Burgenland Nr. 21/1971 kundgemachten und seither mehrfach novellierten Satzungen für Agrargemeinschaften (Urbarialgemeinden). Nach § 1 Abs. 2 dieser Satzungen sei die Revisionswerberin bei der Bewirtschaftung des gemeinschaftlichen Besitzes zur „Erreichung eines nachhaltigen, möglichst hohen Ertrages“ verpflichtet. Auch die im sachlichen Regelungszusammenhang stehenden materiellrechtlichen Bestimmungen der §§ 80 ff des Burgenländischen Flurverfassungs-Landesgesetzes (FLG) stellten auf den nachhaltigen Ertrag ab.
7 Ausgehend von der gutachterlichen Schlussfolgerung des Sachverständigen seien die Reinerträge aus der landwirtschaftlichen Verpachtung um das 3,5-Fache höher anzusetzen als aus einer Waldnutzung. Ein Verzicht auf diese wesentlich höheren Einnahmen sei mit dem Grundsatz der „Erreichung eines nachhaltigen, möglichst hohen Ertrages“ nicht in Einklang zu bringen. Das Ziel der Stärkung des gemeinschaftlichen Vermögens werde durch den angefochtenen Beschluss der Vollversammlung also nicht erreicht.
8 Das Beschwerdevorbringen, dass nicht auf jeden Fall der höchste finanzielle Ertrag maßgeblich sei, widerspreche dem eindeutigen Wortlaut der Satzung. Aber selbst wenn neben diesem auch andere Umstände für die Erreichung des Gemeinschaftszweckes wesentlich sein könnten, sei nicht schlüssig dargelegt worden, welche Umstände derart gewichtig sein sollten.
9 Der Hinweis auf die in § 35 Abs. 7 der Satzungen normierte Frist von drei Monaten führe die Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Diese Frist sei auch in § 53 Abs. 9 FLG vorgesehen. Sie finde sich systematisch in den Bestimmungen betreffend die Aufsicht über die Agrargemeinschaften nach der Aufzählung der genehmigungspflichtigen Beschlüsse und sei in diesem Zusammenhang zu sehen. Hier handle es sich nicht um eine von der Agrarbehörde von Amts wegen ausgeübte Aufsicht oder um einen von vornherein genehmigungspflichtigen Beschluss, sondern um den Fall einer Minderheitenbeschwerde. Eine gesonderte Entscheidungspflicht der Behörde sei diesbezüglich nicht vorgesehen und im Hinblick auf die Rechtsschutzinteressen der anfechtenden Minderheit auch nicht begründbar.
10 In der vorliegenden Revision wird die Aufhebung dieses Erkenntnisses des LVwG begehrt.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Gemäß § 1 Abs. 2 der Satzungen für Agrargemeinschaften (Urbarialgemeinden), LABl. Bgld Nr. 21/1971 (in weiterer Folge: Satzungen), obliegt der Agrargemeinschaft die zweckmäßige Bewirtschaftung des gemeinschaftlichen Eigentums und die Erreichung eines nachhaltigen, möglichst hohen Ertrages.
15 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird die Frage nach der Interpretation dieser Bestimmung gestellt, die nach Ansicht der Revisionswerberin keine Verpflichtung im Sinne eines unveränderbaren und festgeschriebenen Grundsatzes normiere, sondern allein schon im Zusammenhang mit der Überschrift (Anmerkung: „Name, Sitz und Zweck der Agrargemeinschaft“) und der Formulierung lediglich den Zweck und eine Obliegenheit, nicht hingegen eine Verpflichtung, die unter allen Umständen einzuhalten sei, determiniere.
16 Die grundsätzliche Frage, ob die in § 1 Abs. 2 der Satzungen festgelegten Aufgaben der Agrargemeinschaft als Verpflichtung dieser Agrargemeinschaft zu verstehen ist, ist - zunächst losgelöst vom konkreten Inhalt dieser Bestimmung - zweifellos zu bejahen. So spricht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur im Zusammenhang mit Satzungsbestimmungen von Agrargemeinschaften, in denen der Zweck dieser Gemeinschaften näher determiniert wird, von einer „Verpflichtung“ der Organe einer Agrargemeinschaft, in diesem Sinne zu handeln (vgl. etwa VwGH 18.3.1994, 90/07/0117 [Tirol]; 26.2.2004, 2001/07/0180; 29.10.2015, 2012/07/0183 [jeweils Kärnten]). Nichts anderes gilt für die hier in Rede stehende Bestimmung des § 1 Abs. 2 der Satzungen, obliegt doch der Agrargemeinschaft nach dem klaren Wortlaut ein Handeln im dort genannten Sinn. Der Begriff „obliegt“ ist dabei nach seinem eindeutigen Wortsinn nicht als Option eines bestimmten Handelns, sondern als verpflichtende Vorgabe zu verstehen (zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn die Rechtslage nach dem klaren Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen eindeutig ist, vgl. etwa VwGH 21.2.2020, Ra 2018/07/0411 bis 0417, mwN).
17 Davon zu trennen ist die - in der Zulässigkeitsbegründung der Revision jedoch nicht konkret gestellte, sondern bestenfalls angedeutete - Frage, ob aufgrund der in Rede stehenden Satzungsbestimmung in jedem Fall ausschließlich der höchste erzielbare finanzielle Ertrag maßgeblich ist.
18 Auch diese Rechtsfrage stellt jedoch aufgrund der eindeutigen Rechtslage und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine solche von grundsätzlicher Bedeutung dar. Das verpflichtende Handeln im Sinne eines „möglichst hohen Ertrages“ muss im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Verpflichtung zur Erreichung eines „nachhaltigen“ Ertrages verstanden werden. Es liegt auf der Hand, dass nicht in jedem Fall die Erzielung des höchstmöglichen Ertrages auch im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung wäre. Im Übrigen judiziert der Verwaltungsgerichtshof zu tendenziell vergleichbaren Satzungsbestimmungen („bestmögliche (...) Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder“: VwGH 18.3.1994, 90/07/0117 [Tirol]; VwGH 26.2.2004, 2001/07/0180; VwGH 8.7.2004, 2002/07/0033 [jeweils Kärnten]; „bestmögliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens“: VwGH 29.10.2015, 2012/07/0183 [Kärnten]) in ständiger Rechtsprechung, dass damit den Organen der Gemeinschaft die Verpflichtung auferlegt ist, für eine zweckmäßige Bewirtschaftung des Gemeinschaftsvermögens zu sorgen. Nichts anderes gilt für die hier maßgebliche Satzungsbestimmung.
19 Das LVwG hat seine Entscheidung aber ohnehin nicht ausschließlich damit begründet, dass auf jeden Fall der höchste finanzielle Ertrag maßgeblich sei, sondern (im Rahmen einer Alternativbegründung) in den Raum gestellt, dass auch andere Umstände für die Erreichung des Gemeinschaftszweckes wesentlich sein könnten, solche gewichtigen Umstände aber nicht schlüssig dargelegt worden seien. Ferner sei dem vom LVwG eingeholten Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden. Diesen Ausführungen des LVwG wird in der - hier allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung der Revision - nicht widersprochen.
20 Angemerkt sei, dass auch das nicht näher konkretisierte Vorbringen in der Revisionsbegründung, das LVwG habe sich nicht mit dem Schreiben der Revisionswerberin vom 10. April 2017, in dem begründet worden sei, dass der Beschluss der Revisionswerberin dem Erfordernis der Zweckmäßigkeit der Wirtschaftsführung vollinhaltlich entspreche, beschäftigt, nicht geeignet wäre aufzuzeigen, dass die Entscheidung des LVwG in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre. Im Übrigen hat sich der Sachverständige für Liegenschaftsbewertungen - und damit auch das LVwG - sehr wohl mit diesem Schreiben befasst.
21 Zur Zulässigkeit der Revision wird ferner die Frage aufgeworfen, ob die Auffassung des LVwG, dass die dreimonatige, vom Zeitpunkt der Auflage an laufende Frist gemäß § 35 Abs. 7 der Satzungen, innerhalb der nicht der Genehmigung unterliegende Beschlüsse von der Agrarbehörde aufgehoben werden können, dann nicht zur Anwendung komme, wenn die Aufsichtsbehörde nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag, im vorliegenden Fall aufgrund einer Minderheitenbeschwerde tätig werde, rechtsrichtig sei.
22 Dazu ist Folgendes festzuhalten:
23 Vergleichbar mit Flurverfassungsgesetzen anderer Bundesländer sieht auch das Burgenländische FLG einerseits in seinem § 53 Abs. 3 die Entscheidung der Agrarbehörde über Streitigkeiten, die zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, und andererseits in seinem § 53 Abs. 9 die Aufhebung näher genannter Beschlüsse, die Gesetze oder Satzungen verletzen, durch die Agrarbehörde vor. § 49 Abs. 8 FLG normiert ferner das Recht von bei der Vollversammlung überstimmten Mitgliedern, innerhalb der Auflagefrist von zwei Wochen die Aufhebung nach § 53 Abs. 9 leg. cit. zu beantragen.
24 Eine entsprechende Differenzierung zwischen Entscheidungen über Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis und (davon zu trennenden) Aufhebungen von Beschlüssen durch die Aufsichtsbehörde innerhalb von drei Monaten vom Zeitpunkt der Auflage ist auch in den Satzungen festgelegt (vgl. § 35 Abs. 3 und § 35 Abs. 7 der Satzungen).
25 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass sie Rechte und Pflichten der Gemeinschaft gegenüber dem Mitglied, Rechte und Pflichten des Mitgliedes gegenüber der Gemeinschaft und Rechte und Pflichten des Mitgliedes gegenüber den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft zum Gegenstand haben. Gegenstand einer Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis kann nur sein, was die die Agrargemeinschaften regelnden gesetzlichen Vorschriften und die darauf gegründeten Rechtsakte, insbesondere die Satzungen, über das Mitgliedschaftsverhältnis bestimmen. Eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis liegt dann vor, wenn das Mitgliedschaftsverhältnis für die geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach bestimmend ist (vgl. VwGH 17.10.2002, 2001/07/0108, mwN; vgl. auch VwGH 30.9.2010, 2009/07/0075, beide zum TFLG 1996). Eine Minderheitenbeschwerde stellt einen solchen Streit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis dar.
26 Ein Agrargemeinschaftsmitglied hat kein subjektiv-öffentliches Recht auf Wahrnehmung der behördlichen Aufsichtsbefugnis, sondern nur ein Recht auf Wahrung seiner Mitgliedschaftsrechte, das es in einem Streit mit der Agrargemeinschaft auf dem Wege der Minderheitenbeschwerde verfolgen kann (vgl. etwa VwGH 10.6.1999, 99/07/0054, mwN; VwGH 27.7.2001, 98/07/0083 - beide zu Kärnten).
27 Vor diesem Hintergrund ist auch nach dem hier maßgeblichen FLG und den Satzungen zwischen Minderheitenbeschwerden und (anderen) aufsichtsbehördlichen Entscheidungen zu unterscheiden. Da durch den Inhalt des verfahrensgegenständlichen Beschlusses der Revisionswerberin vom
24. September 2015 unzweifelhaft Rechte der mitbeteiligten Partei aus dem Mitgliedschaftsverhältnis berührt werden, liegt ein Antrag auf Streitentscheidung im Sinn des § 53 Abs. 3 FLG bzw. § 35 Abs. 3 der Satzungen vor. Eine Qualifikation als (bloße) Aufsichtsbeschwerde scheidet aus (vgl. zur Notwendigkeit der verfassungskonformen Ausgestaltung des Rechtsweges, zu der die genannte Befristung der Entscheidungsmöglichkeit in Widerspruch stünde, zudem die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 24.9.2015, VfSlg. 20.003/2015, und vom 7.3.2018, VfSlg. 20.245/2018).
28 Nach der auch hier eindeutigen Rechtslage kommt demnach im gegenständlichen Fall die dreimonatige Frist des § 53 Abs. 9 FLG bzw. § 35 Abs. 7 der Satzungen nicht zur Anwendung.
29 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018070339.L00Im RIS seit
30.11.2020Zuletzt aktualisiert am
30.11.2020