TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/3 95/19/0844

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Veröffentlicht am 03.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bajyones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des K P in Salzburg, geboren 1938, vertreten durch Dr. Helmut Ebenhauser, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hildmannplatz 1a - Am Neutor, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juni 1995, Zl. 111.651/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 19. April 1994 beim Magistrat der Stadt Salzburg einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Mit Bescheid vom 17. November 1994 wurde dieser Antrag vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg für den Landeshauptmann von Salzburg gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) iVm § 10 des Fremdengesetzes (FrG) sowie gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer unter anderem darauf hin, seit zwölf Jahren ununterbrochen in Österreich zu leben. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liege seit langem ausschließlich in Österreich.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 26. Juli 1995, zugestellt am 28. Juli 1995, gemäß "§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 6 Abs. 2 AufG iVm § 13 Abs. 1 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG" ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, gemäß § 4 Abs. 1 AufG könne Fremden eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund gemäß § 5 AufG vorliege. § 5 Abs. 1 AufG besage, daß Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden dürfe, bei denen ein Grund für die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 FrG vorliege, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde würde.

Es werde von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 24. Mai 1989 sei gegen den Beschwerdeführer ein bis zum 24. Mai 1994 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieses Aufenthaltsverbot sei auf Grund eines Antrages des Beschwerdeführers vom 15. Juli 1993 mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 29. Oktober 1993 gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben worden.

Da ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestanden habe, seien dem Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Salzburg auf Grund seiner Anträge laufend Vollstreckungsaufschübe erteilt worden. Der letzte dieser Vollstreckungsaufschübe sei bis zum 21. Juli 1993 befristet gewesen. Da jedoch ein Vollstreckungsaufschub keinen rechtmäßigen Aufenthalt darstelle - der Bescheid verweist auf § 15 FrG -, halte sich der Beschwerdeführer seit Eintritt der Rechtskraft des Aufenthaltsverbotsbescheides unerlaubt im Bundesgebiet auf. Diese Tatsache stelle eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG dar.

Gemäß § 13 Abs. 1 AufG könnten Fremde, die sich bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften beantragen. Gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch vom Inland aus gestellt werden.

Aus dem oben angeführten Sachverhalt ergebe sich, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes (1. Juli 1993) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. In seinem Fall könne nicht von einem Überleitungsfall im Sinne des § 13 AufG gesprochen werden, der Beschwerdeführer hätte seinen Antrag gemäß § 2 AufG vom Ausland aus zu stellen gehabt. Aus diesem Grund und in Folge der Verfahrensvorschriften des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und sei auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird. Es sei zwar richtig, daß mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 24. Mai 1989 gegen den Beschwerdeführer ein bis 24. Mai 1994 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, hiezu sei jedoch festzuhalten, daß dieses Aufenthaltsverbot mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 29. Oktober 1993 aufgehoben worden sei. Die Behauptung der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer auf Grund des Aufenthaltsverbotes bis zur Antragstellung am 19. April 1994 rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten habe, sei unrichtig. Der Aufhebungsbescheid habe das seinerzeit erlassene Aufenthaltsverbot rechtlich unwirksam gemacht, sodaß rechtlich davon auszugehen sei, daß ab Rechtskraft des Aufhebungsbescheides ein rechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vorliege. Ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers in jenem Zeitraum, wo er sich auf Grund von Vollstreckungsaufschüben im Bundesgebiet aufgehalten hat, rechtmäßig gewesen sei, sei für die gegenständliche Beurteilung zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19. April 1994 unerheblich, da sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung jedenfalls rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Aus diesem Grund sei es auch ausgeschlossen, daß die Anwesenheit des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit im Sinne des Fremdengesetzes darstellen könnte. In Folge seines rechtmäßigen Aufenthaltes sei der Antragsteller auch berechtigt gewesen, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Inland, beim Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg, einzubringen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich. Die §§ 6 Abs. 2 und 13 Abs. 1 AufG in der Fassung dieser Novelle lauten (auszugsweise):

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der

Einreise nach Österreich vom Ausland zu stellen. ... der Antrag

auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

...

§ 13. (1) Die Berechtigung zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

..."

§ 15 Abs. 1 FrG lautet:

"§ 15. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.

wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des zweiten Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder

2.

wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder

3.

solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 24. Mai 1989 gegen ihn ein bis zum 24. Mai 1994 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, das auf Grund seines Antrages vom 15. Juli 1993 mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 29. Oktober 1993 gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben wurde. Ebensowenig tritt der Beschwerdeführer der Bescheidfeststellung entgegen, daß ihm von der Bundespolizeidirektion Salzburg auf Grund seiner Anträge Vollstreckungsaufschübe erteilt wurden, wobei der letzte dieser Vollstreckungsaufschübe bis zum 21. Juli 1993 befristet war. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat auf Grund der Aktenlage keinen Grund, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln.

Das zentrale Vorbringen des Beschwerdeführers geht dahin, daß ab der Rechtskraft des Bescheides vom 29. Oktober 1993, mit dem das bis 1994 befristete Aufenthaltsverbot aufgehoben worden war, ein durchgehend rechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vorlag, somit auch zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19. April 1994. Mit dieser Auffassung ist der Beschwerdeführer jedoch nicht im Recht. Die Abänderung oder Aufhebung eines Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG wirkt ex nunc, d.h. die neue Sachentscheidung entfaltet mit Eintritt ihrer Rechtskraft Wirkung nur für die Zukunft; die bis dahin bestandene Rechtslage bleibt unberührt (vgl. Ringhofer,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, Anmerkung 18 zu § 68 AVG; vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. Juni 1950, Slg. Nr. 1512/A, vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0199, und vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0277). Die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes durch den Bescheid vom 29. Oktober 1993 konnte daher an den Wirkungen des Aufenthaltsverbotsbescheides vom 24. Mai 1989 bis zu dieser Aufhebung nichts ändern.

Zwar verfügte der Beschwerdeführer nach der Aktenlage über einen am 21. Dezember 1992 ausgestellten, bis 21. Juni 1993 gültigen Wiedereinreise-Sichtvermerk, durch den das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot - für die Geltungsdauer des Sichtvermerkes - aufgehoben wurde. Nach Ablauf dieses Sichtvermerkes stand das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer wieder in Kraft, der Beschwerdeführer genoß jedoch bis zum 21. Juli 1993 Vollstreckungsaufschub. Nach Ablauf des Vollstreckungsaufschubes wäre der Beschwerdeführer auf Grund des dann aufrechten Aufenthaltsverbotes verhalten gewesen, das Bundesgebiet zu verlassen. Da der Beschwerdeführer bis zum Ablauf seines letztgültigen Vollstreckungsaufschubes keinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt hat, konnte er - jedenfalls schon aus diesem Grunde - mit seinem erst am 19. April 1994 gestellten Antrag von der Übergangsregelung des § 13 Abs. 1 AufG keinen Gebrauch mehr machen. Die belangte Behörde wertete den Antrag des Beschwerdeführers demnach zu Recht nicht als Verlängerungsantrag.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland zu stellen. Mit "Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN). Daß er seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt hätte, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet. Die belangte Behörde hatte überdies schon auf Grund des Umstandes, daß der Beschwerdeführer auf dem Antragsformular für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung im Feld "Ort" Salzburg angegeben und auch in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid eine Salzburger Adresse angegeben hat, ausreichende Gründe für ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe seinen Antrag im Inland gestellt und die Entscheidung über den Antrag im Inland abgewartet.

Da das in § 6 Abs. 2 AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, nicht als bloße Formvorschrift zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1994, Zl. 96/19/1010), erfolgte die Abweisung des entgegen § 6 Abs. 2 AufG gestellten Antrages zu Recht.

An der Abweisung kann auch eine Bedachtnahme auf Art. 8 MRK nichts ändern. Da gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen war, traf ihn jedenfalls mit Ablauf des Vollstreckungsaufschubes am 21. Juli 1993 die Pflicht zur unverzüglichen Ausreise aus dem Bundesgebiet gemäß § 22 FrG. Die während eines unrechtmäßigen (anschließenden) Aufenthaltes begründeten oder auch nur intensivierten persönlichen Interessen eines Fremden im Bundesgebiet sind nicht geeignet, eine Abweisung seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu verhindern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0277).

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Eintritt und Umfang der Rechtswirkungen von Entscheidungen nach AVG §68

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190844.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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