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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §69 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Senatspräsident Dr. Schick und Hofrat Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. Mai 2018, Zl. LVwG-AV-605/003-2017, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Angelegenheit nach § 57a KFG 1967 (mitbeteiligte Partei: D GmbH in L, vertreten durch Dr. Alexander Neurauter und Dr. Martin Neuwirth, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Petersplatz 3), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1.1. Mit auf § 57a Abs. 2 KFG 1967 gestütztem Bescheid vom 11. April 2017 widerrief die Revisionswerberin die der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 14. April 2008 erteilte Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen. Die Revisionswerberin legte dem Widerrufsbescheid zugrunde, dass die Mitbeteiligte, der gegenüber bereits in der Vergangenheit Anordnungen gemäß § 57a Abs. 2a KFG 1967 erlassen worden wären, im Oktober 2015 und im November 2016 unrichtige Gutachten erstattet habe, weshalb vom Verlust der Vertrauenswürdigkeit ausgegangen werde.
2 Der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Erkenntnis vom 17. Juli 2017 Folge und hob den angefochtenen Bescheid (ersatzlos) auf. Das Verwaltungsgericht legte seinem Erkenntnis zugrunde, dass die beiden Gutachten vom Oktober 2015 und vom November 2016 nicht unrichtig gewesen seien und bei einer Revision im April 2016 keine Beanstandung des Betriebs der Mitbeteiligten erfolgt sei. Bei einer Überprüfung eines Kraftfahrzeugs im April 2015 seien allerdings schwere Mängel, die die Ausstellung eines positiven Gutachtens verhindern hätten müssen, nicht festgestellt worden, obwohl die Mängel bei gehöriger Sorgfalt erkennbar gewesen wären. Seit der Ausstellung des unrichtig erstellten Gutachtens vom April 2015 seien keinerlei Missstände in der Prüfstelle der Mitbeteiligten festgestellt worden. Angesichts des positiven Revisionsergebnisses aus dem April 2016 bestehe Grund zur Annahme, dass die Mitbeteiligte die ihr übertragenen Aufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes ausüben werde, weshalb nicht von einer (aktuellen) Vertrauensunwürdigkeit der Mitbeteiligten ausgegangen werden könne.
3 1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin vom 27. Oktober 2017 auf Wiederaufnahme des mit dem oben erwähnten Erkenntnis abgeschlossenen Verfahrens ab. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dem Wiederaufnahmsantrag zufolge hätte die Mitbeteiligte am 22. Februar 2017, am 10. März 2017, am 22. März 2017 und am 3. April 2017 für näher bezeichnete Kraftfahrzeuge jeweils ein positives Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 ausgestellt. Bei behördlich durchgeführten Überprüfungen gemäß § 56 KFG 1967 vom 6. Oktober 2017, vom 11. Oktober 2017, vom 12. Oktober 2017 und vom 18. Oktober 2017 wäre jedoch festgestellt worden, dass bei denselben Kraftfahrzeugen schwere Mängel bestünden und jene nicht der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprächen. Dass die „wohl unrichtige Ausstellung“ der Prüfgutachten durch die Mitbeteiligte erst durch eine Mitteilung der Abteilung technische Kraftfahrangelegenheiten des Amtes der Landesregierung nachträglich hervorgekommen sei, beruhte dem Wiederaufnahmsantrag zufolge nicht auf einem Mangel an Aufmerksamkeit der Revisionswerberin.
5 Am 21. November 2017 habe die Revisionswerberin drei Amtssachverständigengutachten vom 3. November 2017, vom 14. November 2017 und vom 21. November 2017 nachgereicht. Dem Amtssachverständigengutachten vom 3. November 2017 und demjenigen vom 21. November 2017 zufolge liege der Verdacht vor, dass die Überprüfungen durch die Mitbeteiligte hinsichtlich zwei der in Rede stehenden Kraftfahrzeuge nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden wären. Laut dem Amtssachverständigengutachten vom 14. November 2017 müsste an der Bremsleitung (stark angerostet) sowie am Fahrgestell und an daran befestigten Teilen (Durchrostung) eines anderen der in Rede stehenden Kraftfahrzeuge jeweils ein schwerer Mangel bereits bei der Überprüfung durch die Mitbeteiligte vorhanden gewesen sein und hätte eine positive Begutachtung ausschließen müssen.
6 Der Wiederaufnahmsantrag sei rechtzeitig erfolgt.
7 In der Sache führte das Verwaltungsgericht aus, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse der Antragsteller den Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stütze, aus eigenem Antrieb in seinem Antrag konkretisiert und schlüssig darlegen (Hinweis auf VwGH 20.9.1995, 93/13/0161; 26.3.2003, 98/13/0142). Es treffe allein den Antragsteller die Pflicht, die Umstände, aus denen seiner Ansicht nach hervorgehe, dass einer der in § 69 Abs. 1 Z 1 bis 3 AVG (bzw. § 32 Abs. 1 Z 1 bis 3 VwGVG) angeführten Tatbestände verwirklicht sei, konkret und dezidiert anzuführen. Die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) sei an die von der Partei fristgerecht vorgebrachten Gründe gebunden (Hinweis auf VwGH 23.4.1990, 90/19/0125, 0126).
8 Im Wiederaufnahmsantrag sei lediglich angeführt worden, dass bei vier Kraftfahrzeugen im Zeitpunkt der Überprüfung nach § 57a Abs. 4 KFG 1967 lediglich leichte Mängel, über ein halbes Jahr später im Rahmen von Überprüfungen nach § 56 KFG 1967 hingegen schwere Mängel festgestellt worden seien. Eine unrichtige Begutachtung durch die Mitbeteiligte sei nicht behauptet worden (das Antragsvorbringen, „die wohl unrichtige Ausstellung der Gutachten ...“ könne nicht als konkretisiert und schlüssig qualifiziert werden), weshalb die Antragbegründung eine Wiederaufnahme nicht zu rechtfertigen geeignet und der Antrag schon deshalb abzuweisen sei. Allein die Behauptung, dass bei behördlichen Überprüfungen nach § 56 KFG 1967 gewisse schwere Mängel festgestellt worden seien, obwohl für dieselben Kraftfahrzeuge viele Monate zuvor positive Prüfgutachten ausgestellt worden seien, stelle keine neu hervorgekommene Tatsache (Beweismittel) dar, welche entscheidungsrelevante Umstände derart betreffe, dass sie, wären sie seinerzeit (gemeint: bei der Entscheidung über die Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Widerrufsbescheid) berücksichtigt worden, voraussichtlich zu einer anderen Entscheidung geführt hätten, zumal nicht einmal behauptet werde, dass die nunmehr vorliegenden schweren Mängel an den Kraftfahrzeugen bei gehöriger Sorgfalt von der Mitbeteiligten schon anlässlich der Überprüfungen im Frühjahr 2017 als „schwer“ hätten qualifiziert werden müssen. Der in den nachgereichten Gutachten erstmals angeführte Verdacht, dass die Überprüfungen gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 aus dem Frühjahr 2017 nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden wären, sei verspätet und nicht mehr zu berücksichtigen.
9 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).
12 2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Beurteilung der Frage, ob einem Wiederaufnahmsantrag stattzugeben ist, allein die innerhalb der Wiederaufnahmefrist vorgebrachten Wiederaufnahmegründe maßgebend (vgl. VwGH 23.4.1990, 90/19/0125, 0126; 31.3.2006, 2006/02/0038; 14.11.2006, 2005/05/0260; 18.9.2007, 2007/16/0094).
13 Ebenso entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Wiederaufnahmewerber den Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, schon in seinem Antrag aus eigenem Antrieb konkretisiert und schlüssig darzulegen hat. Sein Antrag kann nur dann zur Wiederaufnahme führen, wenn er Tatsachen vorbringt, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einer anderen Entscheidung geführt hätten (vgl. zB. VwGH 26.4.2013, 2011/11/0051; 19.2.2014, 2013/08/0275; 14.3.2019, Ra 2018/18/0403; 4.3.2020, Ra 2020/18/0069).
14 2.2.2.1. Die Revision bringt zur Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei eine nachvollziehbare Begründung dafür schuldig geblieben, weshalb der in den drei Amtssachverständigengutachten vom 3. November, vom 14. November und vom 21. November 2017 angeführte Verdacht (gemeint: von Fehlbegutachtungen durch die Mitbeteiligte) verspätet sei, zumal auch diese Gutachten „unmittelbar übermittelt“ worden seien. Überdies fehle eine nachvollziehbare Begründung, weil bereits mit den am 27. Oktober 2017, also mit dem Wiederaufnahmsantragübermittelten vier Gutachten der Mitbeteiligten aus dem Frühjahr 2017 sowie der vier auf dieselben Kraftfahrzeuge bezogenen Gutachten gemäß § 56 KFG 1967 eben jene Tatsachen in Zweifel gezogen worden seien, auf welche das Verwaltungsgericht die rechtskräftig gewordenen Entscheidung vom 17. Juli 2017 tragend gestützt habe, nämlich dass die Mitbeteiligte in diesem Zeitpunkt vertrauenswürdig gewesen sei.
15 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision nicht auf, dass die Behandlung der Revision von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhinge, der grundsätzliche Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt:
16 Mit seiner Rechtsauffassung, dass es für die Beurteilung der Frage, ob die Wiederaufnahme zu bewilligen ist, ausschließlich auf die im Wiederaufnahmsantrag angeführten Gründe ankommt, ist das Verwaltungsgericht nicht von der oben wiedergegebenen hg. Rechtsprechung abgewichen.
17 Die Beurteilung, ob im Wiederaufnahmsantrag die Gründe für die Wiederaufnahme konkretisiert und schlüssig dargelegt wurden und ob Tatsachen vorgebracht werden, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einer anderen Entscheidung geführt hätten, ist als Einzelfallbeurteilung in der Regel nicht revisibel, solange das Verwaltungsgericht nicht von den Leitlinien der hg. Rechtsprechung abgewichen ist. Ein solches Abweichen ist im Revisionsfall nicht ersichtlich, wenn das Verwaltungsgericht - in vertretbarer Weise - davon ausgegangen ist, dass der Wiederaufnahmsantrag, der sich mit der Wiedergabe der vier Prüfgutachten der Mitbeteiligten sowie der vier deutlich späteren Gutachten nach § 56 KFG 1967 und der Mutmaßung, dass eine „wohl unrichtige Ausstellung“ der Prüfgutachten durch die Mitbeteiligte erfolgt sei, begnügt, eine entsprechend konkretisierte und schlüssige Darlegung nicht enthielt.
18 2.2.2.2. Soweit die Revision die Zulässigkeit darin erblickt, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, derzufolge auch ein Gutachten, das nach Rechtskraft des Bescheids erstattet worden ist, insbesondere mit neuen Befundergebnissen, einen Wiederaufnahmsgrund darstellen könne, genügt es zu erwidern, dass dieses behauptete Abweichen schon deshalb nicht vorliegt, weil das Verwaltungsgericht die Eignung eines solchen Gutachtens als Wiederaufnahmsgrund gar nicht in Abrede gestellt hat, sondern sich vielmehr, wie unter Pkt. 2.2.2.1. dargestellt, darauf gestützt hat, dass das Vorbringen im Wiederaufnahmsantrag den Anforderungen der hg. Rechtsprechung nicht genüge.
19 Auch soweit die Revision zur Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht habe das Amtswegigkeitsprinzip verletzt, weil es keine Verfahrensschritte gesetzt habe, um die Frage klären zu können, ob die mit dem Wiederaufnahmsantrag neu hervorgekommenen Beweismittel nicht einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund darstellten, zeigt sie das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf. Die Revision übersieht erneut die unter Pkt. 2.2.1. dargestellte hg. Rechtsprechung, vor deren Hintergrund das Verwaltungsgericht das Vorbringen im Wiederaufnahmsantrag, der keine schlüssigen Ausführungen dazu enthielt, dass der Mitbeteiligten schon im Frühjahr 2017 bei den Begutachtungen der vier in Rede stehenden Kraftfahrzeuge schwere, ein positives Gutachten ausschließende Mängel vorgelegen wären, als nicht ausreichend gewertet hat, um annehmen zu können, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit - fallbezogen: wegen der aus mehrmaligen unrichtigen Prüfgutachten folgenden mangelnden Vertrauenswürdigkeit der Mitbeteiligten - im wiederaufzunehmenden Verfahren eine andere Entscheidung ergehen würde.
20 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018110126.L00Im RIS seit
30.11.2020Zuletzt aktualisiert am
30.11.2020