Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V* GmbH, *, vertreten durch Ing. DDr. Hermann Wenusch, Rechtsanwalt in Rekawinkel, gegen die beklagte Partei K* GmbH, *, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 154.433,63 EUR sA (Revisionsinteresse 58.626,54 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. April 2020, GZ 6 R 11/20k-62, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 5. November 2019, GZ 4 Cg 44/17s-58, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 2.257,92 EUR (darin 376,32 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
1. Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage des Verhältnisses einer zu Unrecht verwerteten Sicherheitsleistung nach § 1052 ABGB zu einer später geforderten Sicherheitsleistung gemäß § 1170b ABGB und den daraus resultierenden Rechtsfolgen. Auf diese Frage geht die Klägerin in ihrer Revision jedoch mit keinem Wort ein, sondern führt – ohne ausdrückliche Zuordnung zu einzelnen Revisionsgründen – lediglich aus, weshalb die Entscheidung des Berufungsgerichts ihrer Ansicht nach unrichtig sein soll.
Diesen Ausführungen der Klägerin lässt sich nicht (explizit) entnehmen, welche Rechtsfrage in der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität konkret releviert wird, weshalb die Revision – trotz Zulässigerklärung durch das Berufungsgericht – unzulässig ist. § 506 Abs 1 Z 5 ZPO sieht zwar nur bei der außerordentlichen Revision und § 508 Abs 1 ZPO für den Antrag auf Änderung des Nichtzulassungsausspruchs die Anführung der Gründe vor, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Entsprechende Ausführungen zur Zulässigkeit sind aber – worauf Neumayr (in Höllwerth/Ziehensack, ZPO [2019] § 502 Rz 42 unter Hinweis auf Zechner in Fasching/Konecny IV/1² § 502 ZPO Rz 17 [Stand 31. 3. 2005, rdb.at]) zutreffend hinweist – auch für die zugelassene Revision notwendig. Denn selbst dann, wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hat, die Revision sei zulässig, könne das Rechtsmittel zurückgewiesen werden, wenn nur Gründe geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RS0102059). Ganz allgemein erfordere die Revision – ohne Bindung an die Zulässigkeitsbegründung des Berufungsgerichts – eine Darstellung der erheblichen Rechtsfrage(n) und eine konkrete juristische Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Berufungsgerichts. Auch Lovrek (in Fasching/Konecny IV/1³ [2019] § 502 ZPO Rz 125) betont zutreffend, dass der Revisionswerber zumindest eine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen müsse (ebenso A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 [2019] Vor § 502 Rz 4); er könne sich auf den Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht verlassen. Erklärt das Berufungsgericht die Revision mit konkretisierter Begründung zutreffend für zulässig, reiche es zwar, wenn der Revisionswerber dieser Begründung beitritt, er müsse aber zur maßgeblichen Rechtsfrage inhaltlich Ausführungen erstatten, sich also konkret mit der Entscheidung des Berufungsgerichts juristisch auseinandersetzen. All diesen Voraussetzungen entspricht die Revision der Klägerin nicht.
2. Dass sich die Klägerin in ihrer Revision mit dem „Verhältnis einer zu Unrecht verwerteten Sicherheitsleistung nach § 1052 ABGB zu einer später geforderten Sicherheitsleistung gemäß § 1170b ABGB und den daraus resultierenden Rechtsfolgen“ möglicherweise deshalb nicht auseinander setzte, weil die Streitteile davon ausgingen, dass beide Sicherstellungen nach § 1170b ABGB erfolgten (vgl 2.3.), ändert nichts daran, dass es Sache der Klägerin gewesen wäre, eine (andere) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen. Ein eklatanter Beurteilungsfehler durch das Berufungsgericht, der einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, ist jedoch nicht erkennbar:
2.1. Die Klägerin, ein im Geschäftszweig Spezialtiefbau tätiges Unternehmen, wurde im Jahr 2015 von der Beklagten, die im Geschäftszweig Projektierung, Planung, Errichtung und Betrieb eines Wasserkleinkraftwerks tätig ist, mit drei Pressungen (Bohrungen) in der Ausführungsvariante Teilschnittverfahren beauftragt. Für Sicherheitsleistungen wurde dabei die Form der Garantie oder Bürgschaft vereinbart, weshalb die Beklagte der Klägerin als Gläubigerin eine Bankbürgschaft einer österreichischen Bank vom 18. 12. 2015 über 137.893,35 EUR aus dem Titel „Bauvertrag vom 20. 11. 2015 bezüglich der Bestellung der Vortriebsarbeiten und Stahlbetonrohre für Kleinwasserkraftwerk L* – Zusatz zur Bestellung vom 20. 8. 2015“ beibrachte; diese Bankbürgschaft war mit 30. 3. 2016 befristet. Grund für das Begehren der Klägerin, eine Bankbürgschaft beizubringen, waren schleppende und jeweils nur nach Mahnung erfolgte Zahlungen der Beklagten gewesen.
Nachdem die Klägerin für die erste – mängelfrei durchgeführte – Bohrung 230.000 EUR netto in Rechnung gestellt hatte, diese Rechnung aber von der Beklagten nach Prüfung in einzelnen Positionen nicht akzeptiert und daher auch nicht vollständig bezahlt worden war, nahm die Klägerin die Bankbürgschaft hinsichtlich des noch offenen Restbetrags von 86.614,52 EUR in Anspruch. Nachdem auch die zweite Bohrung durchgeführt worden war, wobei nicht feststeht, dass diese mangelhaft erfolgt wäre, blieben aus der von der Klägerin gelegten Rechnung hiefür 95.807,09 EUR offen (diesen Betrag sprachen die Vorinstanzen der Klägerin im vorliegenden Verfahren – insoweit rechtskräftig – zu). Daraufhin verlangte die Klägerin von der Beklagten im November 2016 die Leistung einer Sicherstellung nach § 1170b ABGB in Höhe von 40.000 EUR und drohte für den Fall deren Nichtleistung die Auflösung des Vertragsverhältnisses und die Einforderung des gesamten vereinbarten Entgelts an. Nach erfolgloser Setzung einer Nachfrist erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 17. 1. 2017 den Vertrag für aufgehoben. Revisionsverfahrensgegenständlich sind die Kosten der Klägerin für die (tatsächlich nicht mehr durchgeführte) dritte Bohrung, die mit 58.626,54 EUR der Höhe nach im Revisionsverfahren nicht mehr strittig sind.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren insoweit ab, sei doch die Klägerin infolge von der Beklagten in Frage gestellter Positionen der Rechnung für die erste Bohrung nicht berechtigt gewesen, die Bankbürgschaft zur Abdeckung dieser strittigen Positionen zu verwenden; Voraussetzung für die Verwertung der Sicherheit wäre vielmehr eine abschließende Klärung der offenen Beträge gewesen. Durch die unzulässige Inanspruchnahme der Bankbürgschaft sei der Klägerin nunmehr ohnehin Bar- oder Buchgeld in Höhe von 86.614,52 EUR zur Verfügung gestanden, welcher Betrag seine Widmung als Sicherheit nicht verloren habe. Da die Forderung einer weiteren Sicherstellung nach § 1170b ABGB in Höhe von 40.000 EUR somit nicht berechtigt gewesen sei, sei die Klägerin zu Unrecht vom Vertrag zurückgetreten und könne daher auch nicht gemäß § 1168 ABGB das offene Entgelt verlangen.
2.2. Die mit dem Handelsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2005/120 eingefügte Bestimmung des § 1170b ABGB sieht eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers unabhängig von der Unsicherheitseinrede des § 1052 Satz 2 ABGB vor. Die Sicherstellung nach dieser Gesetzesstelle kann nur bei Werkverträgen verlangt werden, in denen es um die Herstellung oder die Bearbeitung eines Bauwerks selbst, seiner Außenanlagen oder eines Teils davon geht. Kommt der Werkbesteller dem Sicherstellungsverlangen des Werkunternehmers nicht, nicht rechtzeitig oder sonst unzureichend nach, so kann dieser die Erbringung seiner Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären. In diesem Zusammenhang verweist § 1170b Abs 2 Satz 2 ABGB auf § 1168 Abs 2 ABGB. Damit soll klargestellt werden, dass der Entgeltanspruch des Unternehmers wie in den Fällen des § 1168 Abs 2 ABGB zu behandeln ist (1 Ob 107/16s bau aktuell 2016/17 [Berlakovits/Stanke; Wiesinger, bau aktuell 2017, 33; Panholzer/Andrieu, bau aktuell 2017, 104] = EvBl 2017/66 [Kietaibl] = ecolex 2017/167 [Melcher] = ZVB 2016/126 [Wagner]; 6 Ob 65/18d ZRB 2019, 19 [Wenusch]; vgl auch 7 Ob 67/17d bau aktuell 2017/10 [Berlakovits/Stanke] = ZVB 2017/107 [Lessiak] = EvBl 2018/18 [Peissl]). Zweck der Regelung ist es, den Insolvenzrisiken im Bau- und Baunebengewerbe entgegenzuwirken. Die Obliegenheit des Werkbestellers, auf Verlangen des Unternehmers eine Sicherstellung zu leisten, wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht bis zur vollständigen Bezahlung des Entgelts. Das Recht, Sicherstellung zu begehren, steht dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zu (1 Ob 107/16s; 6 Ob 65/18d; vgl auch ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 72 f) und entsteht mit Vertragsabschluss (arg: „ab Vertragsabschluss“); die Geltendmachung setzt nicht voraus, dass der Unternehmer bereits Vorleistungen erbracht hat (6 Ob 65/18d).
2.3. Das Berufungsgericht ging zwar davon aus, dass die erste Sicherheitsleistung in Form der Bankbürgschaft eine Sicherheit nach § 1052 ABGB gewesen sei; tatsächlich hat sich aber die Klägerin – von der Beklagten substanziiert nicht bestritten – bereits im Verfahren erster Instanz ausdrücklich darauf gestützt, dass es sich dabei um eine Sicherstellung nach § 1170b ABGB gehandelt habe (AS 98). Dies steht auch durchaus im Einklang mit der Feststellung des Erstgerichts, Grund für das Begehren der Klägerin, eine Bankbürgschaft beizubringen, seien schleppende und jeweils nur nach Mahnung erfolgte Zahlungen der Beklagten gewesen, abgesehen davon, dass die Klägerin als Unternehmerin eine Sicherstellung nach § 1170b ABGB selbst dann hätte verlangen dürfen, wenn sie noch keine Vorleistungen erbracht gehabt hätte (vgl 2.2.). Damit stellt sich aber die Frage, ob die Sicherstellung nach § 1170b ABGB bei unberechtigten Einwendungen des Bestellers aufrecht erhalten werden muss und vom Unternehmer nicht verwertet werden darf:
2.4. Im Ministerialentwurf zum Handelsrechts-Änderungsgesetz (81/ME XXII. GP 37) war in § 1170b Abs 3 ABGB noch vorgesehen gewesen, dass Sicherstellungen nach Abs 1 nur dann verwertet werden können, wenn über das Vermögen des Sicherungsgebers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, wenn ein Antrag auf Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Vermögens abgewiesen worden ist oder wenn der Sicherungsgeber durch ein gerichtliches Urteil erster Instanz zur Leistung der gesicherten Forderung verpflichtet worden ist. Eine solche Beschränkung lässt sich dem Gesetzestext allerdings nun nicht mehr entnehmen, weshalb Teile der Lehre davon ausgehen, dass eine Beschränkung der Verwertung nunmehr dem Willen des Gesetzgebers widerspräche (vgl Panholzer, Die Anwendbarkeit des § 1170b ABGB, Erfahrungen seit der Einführung 2007 und die damit verbundenen Problemstellungen in der Praxis, bbl 2009, 83 [86]). Bollenberger (Zum Inhalt der Sicherstellung des Bauunternehmers nach § 1170b neu ABGB: Muss der Besteller faktisch ein Vorleistungsrisiko tragen? RdW 2006/200 [201]) geht davon aus, dass (unberechtigte) Einwendungen die Verwertung der Sicherheitsleistung nicht hindern, weil die österreichische Regelung ihrem Wortlaut nach darauf hinauslaufe, dass der Unternehmer eine abstrakte (Bankgarantie) oder eine andere Sicherheit bekommt, die er liquidieren kann, ohne dass geklärt sei, ob sein Anspruch auf den Werklohn überhaupt besteht. Auch nach Schauer (in Krejci, Reformkommentar UGB – ABGB [2007] § 1170b ABGB Rz 10) hindern (unberechtigte) Einwendungen die Verwertung der Sicherheitsleistung nicht, sei doch das Risiko, dass der Sicherungsnehmer das Sicherungsmittel unberechtigterweise verwertet, als Folge der gesetzlichen Interessenbewertung und somit als vom Gesetzgeber in Kauf genommenes Risiko anzusehen.
2.5.1. Demgegenüber wies bereits B. Jud (Sicherstellung bei Bauverträgen, ecolex 2004, 12) in ihrer Stellungnahme zu § 1170b Abs 3 ABGB idF des Ministerialentwurfs darauf hin, der Umstand, dass die Sicherheit bei Fälligkeit der Forderung nicht einfach eingezogen werden könne, lasse sich (allenfalls) dadurch rechtfertigen, dass die Frage, ob die Forderung fällig ist, gerade im Baugewerbe häufig strittig sei; sie verwies allerdings auch darauf, dass die vorgeschlagene Regelung im Widerspruch zu vorgesehenen Erleichterungen der Pfandverwertung stehen könnte, zumal nach §§ 466a, 466b ABGB künftig die Pfandverwertung nur die Pfandreife, nicht aber einen Titel erfordere. Möglicherweise (so Bollenberger aaO) als Reaktion auf die Ausführungen B. Juds verzichtete der Gesetzgeber in weiterer Folge zwar auf die Voraussetzung einer Insolvenz oder eines Urteils, änderte aber (auch) die Kostentragungsregel betreffend die Sicherstellung ab. Lautete sie zunächst nach § 1170b Abs 1 ABGB idF des Ministerialentwurfs dahin, dass die Kosten der Sicherstellung der Sicherungsgeber zu tragen habe, so ordnet § 1170b Abs 1 vorletzter und letzter Satz ABGB nunmehr an, dass die Kosten der Sicherstellung der Sicherungsnehmer zu tragen habe, soweit ein bestimmter Schwellwert nicht überschritten wird. Diese Kostentragungspflicht entfällt aber, wenn die Sicherheit nur noch wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch aufrecht erhalten werden muss und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen. Die ErläutRV (1058 BlgNR 22. GP 72) begründen diese Kostentragungsregel damit, dass der Kostenersatz der Höhe nach begrenzt werden solle, weil der Unternehmer auf Modalitäten der Sicherstellung, deren Kosten er zu tragen habe, keinen Einfluss nehmen könne. Die Pflicht zum Ersatz weiterer Kosten solle zudem enden, wenn die Sicherstellung nur noch wegen nicht gerechtfertigter Einwendungen gegen den Entgeltanspruch aufrecht erhalten werden müsse.
2.5.2. Nach Hörker/Klete?ka (in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1170b Rz 25 [Stand 1. 1. 2018, rdb.at]) ist die Verwertung der Sicherstellung den allgemeinen Regeln entsprechend erst bei Fälligkeit des Werklohns und Zahlungsverzug des Bestellers zulässig. Liegen Mängel vor, so könne der Besteller gemäß § 1052 Satz 1 ABGB den gesamten Werklohn bis zur Mängelbehebung zurückbehalten, gerät somit nicht in Verzug, weshalb auch die Sicherungsverwertung nicht zulässig sei. Dies ergebe sich bereits aus den allgemeinen Regeln, folge jedoch ebenso aus § 1170b Abs 1 letzter Satz ABGB, der davon ausgehe, dass die Sicherstellung selbst bei unberechtigten Einwendungen aufrecht erhalten werden muss und gerade nicht verwertet werden darf.
Auch Rebhahn/Kietaibl (in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2014] § 1170b Rz 14) vertreten die Ansicht, dass der Besteller den gesamten Werklohn auch dann zurückbehalten kann, wenn er eine Sicherstellung geleistet hat, und dass der Unternehmer daher die Sicherheit so lange nicht verwerten darf, als der Besteller von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht. Dafür spreche auch § 1170b Abs 1 letzter Satz ABGB, der offenbar davon ausgehe, dass die Sicherstellung bei Einwendungen des Bestellers aufrecht erhalten werden muss und gerade nicht verwertet werden darf.
2.6. Nach dem klaren Wortlaut des § 1170b Abs 1 letzter Satz ABGB ist die Sicherheit bei Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch – darunter ist vor allem ein Leistungsverweigerungsrecht zu verstehen, das auf gewährleistungsrechtlichen Ansprüchen auf Mängelbehebung beruht (Schauer in Krejci, Reformkommentar UGB – ABGB § 1170b ABGB Rz 18) – selbst dann aufrecht zu erhalten, wenn die Einwendungen sich als unbegründet erweisen. Auch die ErläutRV (1058 BlgNR 22. GP 72) führen aus, dass die Pflicht zum Ersatz weiterer Kosten erst enden solle, wenn die Sicherstellung nur noch wegen nicht gerechtfertigter Einwendungen gegen den Entgeltanspruch aufrecht erhalten werden müsse. Die vom Berufungsgericht vorgenommene, auf die Ausführungen von Hörker/Klete?ka gestützte Überlegung, die Klägerin hätte die Bankbürgschaft im Ausmaß von 86.614,52 EUR nicht zur (teilweisen) Begleichung ihrer Rechnung für die erste Bohrung verwenden dürfen, ist deshalb ebenso richtig wie die weitere Überlegung, durch das teilweise Abrufen der Bankbürgschaft habe die Klägerin nunmehr über Buch- oder Bargeld in Höhe des genannten Betrags verfügt; nach § 1170b Abs 1 ABGB können als Sicherstellung doch nicht bloß Bankgarantien, sondern etwa auch Bargeld, Bareinlagen und Sparbücher dienen. An der Qualität des Betrags von 86.614,52 EUR als Sicherstellung iSd § 1170b ABGB hat sich daher nichts geändert.
2.7. Begehrte die Klägerin somit eine (weitere) Sicherstellung nach § 1170b ABGB zu Unrecht von der Beklagten – dass der Klägerin möglicherweise eine höhere Sicherstellung als der Betrag von 86.614,52 EUR zugestanden sein könnte, lässt sie zwar in der Revision anklingen, nennt selbst aber keine konkreten Zahlen oder Berechnungsgrundlagen, sondern wirft dem Berufungsgericht lediglich vor, es habe „weder zur Höhe des Sicherungsanteils noch zur Höhe des vereinbarten Entgelts Überlegungen angestellt“, womit dessen Verfahren mangelhaft geblieben sei –, dann erfolgte ihr Vertragsrücktritt infolge Nichtleistung der weiteren Sicherstellung durch die Beklagte ebenfalls zu Unrecht. Die Klägerin kann sich dann aber nicht auf § 1168 ABGB stützen, wonach dann, wenn die Ausführung des Werks unterbleibt (hier: die dritte Bohrung), dem Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt gebührt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Bestellers lagen, daran verhindert worden ist.
Soweit die Klägerin in ihrer Revision meint, tatsächlich habe es sich bei den von ihr auszuführenden Bohrungen nicht um das ursprüngliche Werk gehandelt, vielmehr sei es zu einer Novation gekommen, weshalb mangels Werkidentität die Sicherstellung nicht von einem Vertrag in den anderen „hinübergerechnet“ werden könne, übersieht sie, dass sie sich darauf weder im Verfahren erster Instanz noch im Berufungsverfahren gestützt hat.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
Textnummer
E129612European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:E129612Im RIS seit
12.11.2020Zuletzt aktualisiert am
03.02.2022