TE OGH 2020/9/15 6Ob109/20b

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Veröffentlicht am 15.09.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** KG, *****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei V ***** s.r.o., *****, Slowakei, vertreten durch Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 7.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. Juli 2019, GZ 1 R 400/18x-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 15. Oktober 2018, GZ 20 C 71/18i-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen über Antrag der Klägerin abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es könne eine erhebliche Fehlbeurteilung der Rechtssache durch das Berufungsgericht in Anbetracht des Wortlauts der auszulegenden Vereinbarung „Ablöseanbot für Gewerbeimmobilie“ nicht ausgeschlossen werden.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt der Auslegung von Urkunden im Regelfall – krasse Fehlbeurteilungen ausgenommen – keine über den Einzelfall hinausgehende und damit revisible Bedeutung zu (siehe bloß 7 Ob 182/06z). Da es das Berufungsgericht unterlassen hat, in seiner den ursprünglichen Nichtzulassungsausspruch abändernden Entscheidung darzutun, worin es konkret die Möglichkeit einer krassen Fehlbeurteilung sieht, erweist sich die Begründung seiner nunmehrigen Zulassungsentscheidung als Scheinbegründung (vgl RS0122015).

2. Es gelingt aber auch der Klägerin in ihrer Revision nicht, eine Rechtsfrage der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität darzutun:

2.1. Nach den Feststellungen beabsichtigte die Beklagte, mit ihrem Geschäftsbetrieb nach Österreich zu expandieren und in einer Filiale in W***** festliche Gesellschaftsmode anzubieten. Der bisherige Mieter des letztlich ins Auge gefassten Geschäftslokals war auf der Suche nach einem Nachmieter, woraufhin die klagende Maklerin Inserate schaltete, wonach ein Mieter gesucht werde. Eine Vertreterin der Beklagten meldete sich beim Geschäftsführer der Klägerin und vereinbarte einen Besichtigungstermin Ende April 2017. Der abzuschließende Mietvertrag war daraufhin auch ein wesentliches Thema der Gespräche zwischen den Parteien, an denen auch der Vormieter teilnahm.

Mit E-Mail vom 5. 5. 2017 übermittelte der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten ein Formular für ein Ablöseanbot. In seinem Schreiben wies er auf folgende Punkte besonders hin:

Ein neuer Mietvertrag wird fällig.

Dieses Anbot ist verbindlich, dh wenn der derzeitige Mieter gegenzeichnet, ist eine sogenannte Willenseinigung und damit ein rechtsgültiger Vertrag entstanden. Auch die Provisionszahlung ist damit verpflichtend.

Es gibt eine weitere Ebene: Die Einigung mit der Hausverwaltung. Nach der Einigung über die Ablöse muss noch eine Einigung mit der Hausverwaltung herbeigeführt werden. Scheitert diese, ist der Vertrag für die Ablöse ungültig und es gibt auch keine Verpflichtung, uns eine Provision auszuzahlen.

Die Klägerin, die im vorliegenden Verfahren ihre Maklerprovision geltend macht, beruft sich in ihrer Revision darauf, dass in diesem Ablöseanbot nicht eine aufschiebende, sondern eine auflösende Bedingung dergestalt vereinbart gewesen sei, dass die Ablösevereinbarung (und damit die Provisionspflicht der Beklagten) mit der Annahme des Ablöseanbots durch den Vormieter rechtswirksam und nur dann beseitigt werde, wenn der abzuschließende Mietvertrag infolge Nichteinigung mit der Hausverwaltung nicht zustande kommen sollte. Demgegenüber vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dass Gegenstand des Vermittlungsauftrags der Beklagten an die Klägerin nicht bloß die Ablösevereinbarung, sondern auch der Mietvertrag über das Geschäftslokal gewesen sei. Da dieser Vertrag nicht zustande gekommen sei, sei auch keine Provisionspflicht ausgelöst worden.

2.2. Nach § 7 Abs 1 MaklerG entsteht der Anspruch des Maklers auf Provision mit der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts; der Geschäftsherr muss aber das vermittelte Geschäft nicht abschließen (RS0062994 [T4]). Für einen unter einer Bedingung abgeschlossenen Vertrag, den ein Makler vermittelt, gebührt keine Provision, wenn die Bedingung nicht erfüllt wird (RS0062555). Ist das vermittelte Geschäft aufschiebend bedingt und wird es vor Eintritt der Bedingung einvernehmlich aufgelöst, so steht dem Makler eine Provision nur bei absichtlicher Provisionsverhinderung oder bei Vorliegen einer Vereinbarung nach § 15 Abs 1 Z 1 MaklerG zu (RS0116974; vgl 2.3.). Nur wenn der bedingte Vertrag vor Eintritt der Bedingung aufgelöst wird, ist der Provisionsanspruch dennoch erworben, wenn der Makler beweist, dass die Bedingung eingetreten wäre (RS0062555 [T1]).

Wenn die Klägerin hier ihren Provisionsanspruch auf § 7 MaklerG stützt, dann wäre dafür somit Voraussetzung, dass das vermittelte Geschäft tatsächlich auch zustande gekommen ist. Entscheidend dafür ist, dass eine Einigung über die wesentlichen Vertragspunkte besteht (Gartner/Karandi, MaklerG³ § 7 Rz 2). Welches Geschäft das „vermittelte“ war, ist dabei eine Frage der Auslegung der Ablösevereinbarung, wobei – worauf schon hingewiesen wurde – die Auslegung einer Urkunde grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls darstellt und ihr keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, im Hinblick darauf, dass die Beklagte in W***** ein Geschäftslokal suchte, sollte das zu vermittelnde Geschäft nicht nur jenes über die an den Altmieter zu leistende Ablöse, sondern auch und gerade der Mietvertrag über das Geschäftslokal selbst sein, ist jedenfalls vertretbar. So wurde auch in dem Begleit-E-Mail zum Ablöseanbot ausgeführt, dass ein neuer Mietvertrag „fällig“ werde, und dessen voraussichtlicher Beginn mit 1. 7. 2017 festgehalten. Auch in den Inseraten der Klägerin war davon die Rede gewesen, dass ein Mieter gesucht werde. Da aber ein Mietvertrag über das Mietobjekt in der Folge unstrittig nicht abgeschlossen wurde, kam das „vermittelte Geschäft“ iSd § 7 MaklerG nicht rechtswirksam zustande, womit die Klägerin einen Provisionsanspruch aus dieser Bestimmung auch nicht ableiten kann.

2.3. Nach § 15 Abs 1 Z 1 MaklerG ist eine Vereinbarung zulässig, wonach der Auftraggeber, etwa als Entschädigung oder Ersatz für Aufwendungen und Mühewaltung, auch ohne einen dem Makler zurechenbaren Vermittlungserfolg einen Betrag bis zur Höhe der vereinbarten oder ortsüblichen Provision zu leisten hat, wenn das im Maklervertrag bezeichnete Geschäft wider Treu und Glauben nur deshalb nicht zustandekommt, weil der Auftraggeber entgegen dem bisherigen Verhandlungsverlauf einen für das Zustandekommen des Geschäfts erforderlichen Rechtsakt ohne beachtenswerten Grund unterlässt.

2.3.1. Diese Bestimmung setzt voraus, dass das zu vermittelnde Geschäft letztlich nicht zustande kam (vgl Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 15 MaklerG Rz 12), und soll dem Makler eine leicht geltend zu machende Entschädigung für vertragswidriges Verhalten des Auftraggebers oder einen Ersatz für seine Aufwendungen und Mühewaltung ermöglichen: Der Auftraggeber muss entgegen dem bisherigen Verhandlungsverlauf wider Treu und Glauben einen für das Zustandekommen des Geschäfts erforderlichen Rechtsakt unterlassen haben; beachtenswert ist – neben allen nicht vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen – ein Grund auch dann, wenn er in der (Unternehmens- oder) Privatsphäre des Auftraggebers liegt und von subjektiven Erwägungen getragen ist (7 Ob 7/13z). Als beachtenswerte Gründe dafür, den vermittelten Vertrag nicht abzuschließen, kommen etwa eine vorerst nicht geplante Änderung des Wohnorts infolge Berufswechsels, Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse (Kündigung), Scheidung des Antragstellers, Tod eines Angehörigen oder gesundheitliche Probleme etc in Betracht (RS0118179 [T1]; 1 Ob 142/03v). Das nunmehrige Verhalten des Auftraggebers muss – um beachtenswert zu sein – bei objektiver Betrachtung deshalb nachvollziehbar sein, weil aufgrund von objektiv eingetretenen Veränderungen in der Sphäre des Auftraggebers der Hauptvertragsabschluss abgelehnt wird (vgl 1 Ob 142/03v). Der Grund muss aber nicht „wichtig“ im Sinn der Kriterien für die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses sein (Gartner/Karandi, MaklerG³ § 15 Rz 17; Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 15 MaklerG Rz 16); der Abschluss muss auch nicht „unzumutbar“ sein, sondern reicht es vielmehr, wenn der Grund für den Nichtabschluss bei objektiver Betrachtung verständlich ist (Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 15 MaklerG Rz 16). Das Vorliegen beachtenswerter Gründe hat grundsätzlich der Auftraggeber des Maklers zu beweisen (RS0121103).

2.3.2. Eine Vereinbarung nach § 15 MaklerG hat die Funktion einer Vertragsstrafe; der Makler braucht insoweit keinen konkreten Schaden oder Aufwand nachzuweisen, um einen entsprechenden Vergütungsanspruch begründen zu können (Gartner/Karandi, MaklerG³ § 15 Rz 4). Die grundsätzliche Freiheit des Auftraggebers, den Abschluss eines Geschäftes mit dem vom Makler vermittelten Dritten zu verweigern, ist im Falle einer Vereinbarung nach § 15 Abs 1 Z 1 MaklerG somit zwar eingeschränkt bzw mit Sanktionen verbunden; um die Freiheit des Auftraggebers nicht zu sehr einzuschränken, dürfen aber an die Gründe für die Verweigerung des Rechtsakts, regelmäßig des Abschlusses des im Maklervertrag genannten Geschäfts, keine besonderen Anforderungen gestellt werden (vgl Gartner/Karandi, MaklerG³ § 15 Rz 22 f).

2.3.3. Damit eine Vergütung nach § 15 Abs 1 Z 1 MaklerG fällig wird, bedarf es zudem eines „bisherigen Verhandlungsverlaufs“, damit die Abschlussverweigerung bei objektiver Betrachtung überhaupt „überraschend“ kommen kann und eine Wende gegenüber dem bisher eingenommenen Standpunkt des Auftraggebers darstellt: Nur Vertragsverhandlungen, in welchen eine Annäherung der wechselseitigen Standpunkte der Partner des vermittelten Geschäfts versucht wird bzw eine solche Annäherung mit oder ohne Zutun des Maklers erfolgt, sodass einem Vertragsabschluss keine nennenswerten Hindernisse mehr entgegenstehen, stellen einen solchen „Verhandlungsverlauf“ dar; die überraschende Weigerung zur Setzung des erforderlichen Rechtsakts muss daher in einem späteren Verhandlungsstadium erfolgen (2 Ob 135/14p; Gartner/Karandi, MaklerG³ § 15 Rz 13). Während der Verhandlungen muss nicht nur bereits eine Annäherung der Parteien des Hauptgeschäfts zustande gekommen sein, sondern auch eine so weitgehende Angleichung der divergierenden Interessen, dass einem Vertragsabschluss keine nennenswerten Hindernisse mehr entgegenstanden (Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 15 MaklerG Rz 13). Je länger die Vertragsverhandlungen dauern und je konkreter die Annäherung der potenziellen Vertragsparteien ist, umso mehr wird die grundsätzlich bestehende Abschlussfreiheit des Auftraggebers im Interesse des Maklers eingeschränkt; für den Verlust der Abschlussfreiheit gegenüber dem Makler ist es daher notwendig, dass bereits länger andauernde Vertragsverhandlungen geführt wurden (Gartner/Karandi, MaklerG³ § 15 Rz 13 f).

2.3.4. Die Frage, ob ein wichtiger und nicht vom Auftraggeber zu vertretender Grund dafür vorlag, das Rechtsgeschäft nicht auszuführen, bzw ob er gegen Treu und Glauben verstieß, kann nur auf den Einzelfall bezogen beantwortet werden, sodass – auch insoweit – regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (RS0118180). Eine krasse Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht hier nicht unterlaufen:

Nach den Feststellungen wurde der Beklagten zunächst nur bekanntgegeben, dass ein neuer Mietvertrag „fällig“ werde. Ihr wurde außerdem zunächst nur die Höhe des vom bisherigen Mieter bezahlten Mietzinses genannt; den von ihr zu zahlenden Mietzins sowie die Dauer der Befristung erfuhr die Beklagte erst einige Zeit nach Unterfertigung der Ablösevereinbarung. In der Folge stellte die Beklagte zusammengefasst noch Erkundigungen und wirtschaftliche Kalkulationen an und kam zu dem Ergebnis, dass – bei Gesamtbetrachtung der Ablöse, des Mietzinses und des Standorts – die Konditionen für sie doch nicht wirtschaftlich seien.

Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage zu der Einschätzung gelangte, dass es der Beklagten möglich sein müsse, sich bei Vorliegen einer vollständigen Entscheidungsgrundlage aufgrund einer erst dann möglichen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung gegen den Mietvertrag zu entscheiden, dann ist dies jedenfalls vertretbar. Zwar trifft es zu, dass die Beklagte über die Mietzinshöhe „positiv überrascht“ war, sodass die Frage nach der Kausalität der erst spät bekannt gegebenen Zinshöhe und Befristung gestellt werden könnte; es ist auch durchaus richtig, dass die Beklagte den Kundenstrom und die Lage des Lokals schon früher hätte überprüfen können. Allerdings hat das Berufungsgericht vertretbar darauf hingewiesen, dass die Gespräche über den Mietvertrag nie ein solches Stadium erreicht hatten, dass ein Vertragsabschluss kurz bevorgestanden wäre und damit eine Abschlussverweigerung überraschend hätte kommen können. Der tatsächlich zu zahlende Mietzins war der Beklagten nicht bekannt gegeben worden, wobei sich jedoch aus der von der Klägerin selbst vorgelegten Korrespondenz (Beilagen ./B, ./C und ./D) schlüssig ergibt, dass die Beklagte stets den Mietzins und die Ablöse im Zusammenhang betrachtete und eine Entscheidung darüber somit nur im Gesamten möglich war. Bei dieser Sachlage konnte die Klägerin redlicherweise nicht annehmen, dass die Beklagte sich mit Unterfertigung der Ablösevereinbarung noch vor erstmaliger Bekanntgabe des Mietzinses schon so weit binden wollte, dass eine spätere Verweigerung des Abschlusses des Mietvertrags gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

Textnummer

E129611

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00109.20B.0915.000

Im RIS seit

12.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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