TE OGH 2020/9/15 6Ob43/20x

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Veröffentlicht am 15.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Edgar Veith, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Pichler Rechtsanwalt GmbH in Dornbirn, wegen 20.000 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. November 2019, GZ 10 R 55/19t-21, mit dem die Berufung des Beklagten gegen das Versäumungsurteil des Landesgerichts Feldkirch vom 25. Jänner 2018, GZ 57 Cg 104/17g-4, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.569,60 EUR (darin 261,60 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Versäumungsurteil vom 25. 1. 2018 (ON 4) verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zur Zahlung von 20.000 EUR und stellte dessen Haftung für sämtliche Schäden und Nachteile, welche auf einen bestimmten Vorfall vom 20. 3. 2017 zurückgehen, fest. Aus dem Zustellnachweis der Österreichischen Post AG ergibt sich, dass dem Beklagten das Dokument mit der GZ 57 Cg 104/17g-3 durch Übernahme am 7. 2. 2018 zugestellt wurde. Am 7. 3. 2018 bestätigte das Erstgericht Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils.

Mit der Behauptung, am 7. 2. 2018 sei ihm nur der Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils (ON 3), nicht aber auch das Versäumungsurteil selbst (ON 4) zugestellt worden, von diesem habe er erst durch die Zustellung der Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichts Bregenz am 18. 1. 2019 erfahren, beantragte der Beklagte am 23. 1. 2019 die Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung, stellte einen Antrag auf neuerliche Zustellung des Versäumungsurteils und erhob Berufung sowie Widerspruch gegen dieses.

Nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens wies das Erstgericht am 8. 3. 2019 den Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung ab, wobei es davon ausging, dass dem Beklagten am 7. 2. 2018 nicht bloß der Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils, sondern auch dieses selbst samt Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden sei. Diesen Beschluss bestätigte das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht am 24. 4. 2019.

Mit dem angefochtenen (weiteren) Beschluss wies das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht die Berufung des Beklagten wegen Nichtigkeit zurück. Aufgrund des Zwischenverfahrens über den Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung stehe bindend fest, dass das Versäumungsurteil bereits am 7. 2. 2018 zugestellt worden sei, weshalb die am 23. 1. 2019 beim Erstgericht eingelangte Berufung verspätet sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO); er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Das Oberlandesgericht Innsbruck entschied im Aufhebungsverfahren als Rekursgericht und nunmehr als Berufungsgericht in derselben Besetzung, weshalb – unabhängig von der erörterten Frage der formellen Bindung – dem Rekurs des Beklagten auch aufgrund folgender Überlegungen ein Erfolg nicht beschieden sein kann:

1.1. Werden Zustellmängel behauptet, die nicht offenkundig sind, müssen sie glaubhaft gemacht werden (6 Ob 93/09h JBl 2010, 249 [Geroldinger]; 6 Ob 181/11b); eines (strengen) Beweises bedarf es nicht (3 Ob 48/93; 6 Ob 93/09h JBl 2010, 249 [Geroldinger]; 6 Ob 181/11b); das Gericht ist bei Prüfung und Ermittlung der von Amts wegen festzustellenden Tatsachen nicht an die strengen Formen des Beweisverfahrens gebunden (Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO5 [2019] § 87 [§ 22 ZustG] Rz 4). Der zuständige Senat des Oberlandesgerichts Innsbruck konnte deshalb bei seiner Entscheidung über die Nichtigkeitsberufung die im Akt erliegenden Bescheinigungsmittel zur Frage des behaupteten Zustellmangels verwerten. Dabei ging er (neuerlich) davon aus, dass dem Beklagten am 7. 2. 2018 nicht nur der Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils, sondern auch dieses selbst zugestellt worden war.

1.2. Die Erhebungspflichten gelten zwar auch für den Obersten Gerichtshof (vgl RS0036430), obwohl dieser an sich keine Tatsacheninstanz ist (vgl etwa 10 Ob 47/09y; 10 ObS 113/12h EvBl 2013/54 [Schwab] [eigene Erhebungen des OGH durch Anfrage bei der Bundesrechenzentrum GmbH und Einsichtnahme in die Protokolldaten]). Hat allerdings das Zweitinstanzgericht derartige Erhebungen geführt und Feststellungen getroffen, ist der Oberste Gerichtshof daran gebunden (7 Ob 170/16z [ErwG II.3.]). Schon allein aus diesem Grund hat der erkennende Senat davon auszugehen, dass der vom Beklagten behauptete Zustellmangel tatsächlich nicht vorgelegen hatte.

2. Wurde das Versäumungsurteil dem Beklagten am 7. 2. 2018 zugestellt, hat das Berufungsgericht aber die erst am 23. 1. 2019 beim Erstgericht eingelangte Berufung zutreffend als verspätet zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E129609

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00043.20X.0915.000

Im RIS seit

12.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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