TE OGH 2020/9/23 1Ob157/20z

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Veröffentlicht am 23.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Martin Rausch, Rechtsanwalt in Groß Gerungs, gegen die beklagten Parteien 1. K***** E*****, und 2. R***** E*****, vertreten durch Mag. Michael Warzecha, Rechtsanwalt in Wien, wegen 29.010,42 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Mai 2020, GZ 11 R 60/20d-25, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 30. Jänner 2020, GZ 33 Cg 40/18t-21, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die mit 1.032,91 EUR (darin 172,15 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagten sind Landwirte und beauftragten die Klägerin – wie bereits im Jahr davor – auch 2018 mit dem Mähen des von ihnen gepachteten Feldes. Der Fahrer des Mähdreschers der klagenden „Lohnunternehmerin“ stieß mit dem Schneidwerk gegen einen ca 15 cm außerhalb des Feldes liegenden massiven Stein, der nur mit einem kleinen Teil aus dem Erdreich ragte und derart fest im Boden steckte, dass er sich nicht bewegen ließ. Der Stein befand sich nicht am zu bearbeitenden Feld, sondern in einer daran angrenzenden Böschung. Dadurch wurde das Schneidwerk des Mähdreschers stark beschädigt.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin auf Ersatz der Kosten des Schneidwerks – unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens im Umfang von 50 % – in der Höhe von 12.175 EUR sA statt. Das Mehrbegehren wies es (unbekämpft und daher rechtskräftig) ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Judikatur zur „bedeutenden Rechtsfrage, in welchem Umfang Aufklärungs- und Hinweispflichten eines Landwirts bei Beauftragung eines Lohnunternehmens für Mäharbeiten mit einem Mähdrescher vor Beginn der Durchführung der Arbeiten gegenüber dem Fahrer dieses landwirtschaftlich genutzten Fahrzeugs bestehen, [...] nicht vorliegt“.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision ist der Oberste Gerichtshof an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Zurückweisung der gegen das zweitinstanzliche Urteil erhobenen Revision der Klägerin wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Wenn die Klägerin meint, sie habe gemäß § 1014 ABGB einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz „erfüllungstypischer“ Schäden, habe sich doch durch das Schadensereignis eine typische Gefahr des aufgetragenen Geschäfts verwirklicht, ist sie darauf zu verweisen, dass diese Bestimmung speziell für einen Bevollmächtigungsvertrag gilt. Hier ist aber kein Auftragsverhältnis (§§ 1002 ff ABGB) zu beurteilen, sondern ein Werkvertrag.

Die Beklagten beauftragten die Klägerin, mit dem Mähdrescher auf dem von ihnen gepachteten Feld Lohndruscharbeiten durchzuführen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Vereinbarung als Werkvertrag zu beurteilen ist (vgl 2 Ob 79/08v [3.]), ist nicht zu beanstanden. Der von der Klägerin angesprochene verschuldensunabhängige Anspruch nach § 1014 ABGB kommt hier nicht in Betracht.

2. Die nebenvertragliche Fürsorgepflicht der Beklagten als Besteller (§ 1157 ABGB iVm § 1169 ABGB) erfasst auch Sachschäden (RIS-Justiz RS0021591 [T1]; RS0021602). Zu diesen Schutz- und Sorgfaltspflichten gehört die Warnpflicht und Informationspflicht des Bestellers über gefährliche Umstände, sofern mögliche Gefahrenquellen nicht überhaupt beseitigt werden können (RS0021602 [T7, T10]). Der Umfang dieser nebenvertraglichen Warn- und Sicherungspflichten richtet sich danach, wie weit sich der Unternehmer in einen der Sphäre des Bestellers zuzuordnenden Bereich begibt, in dem er gefährdet ist (RS0021602 [T12]; RS0123728). Abgesehen davon, dass der Oberste Gerichtshof bereits zu 2 Ob 79/08v und 9 Ob 33/13p Schäden an Mähdreschern anlässlich von Lohndruscharbeiten zu beurteilen hatte (und damit entgegen der Meinung des Berufungsgerichts einschlägige Rechtsprechung zu den wesentlichen Rechtsfragen vorliegt), ist die Frage, ob der Werkbesteller seine Fürsorgepflicht vor allem in Form von Informations-, Warn- und Sicherungspflichten verletzt hat, eine des Einzelfalls und daher im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (8 Ob 56/15s mwN = RS0021526 [T3]).

3. Der schadenauslösende Stein befand sich nicht am zu bearbeitenden Feld, sondern in einer daran angrenzenden Böschung. Nach der Bauart des von der Klägerin verwendeten Mähdreschers war das Überragen des Feldrandes mit dem Schneidwerk in die Böschung hinein notwendig.

Das Berufungsgericht ging davon aus, dass keine atypische Gefahrenquelle für den Mähvorgang vorgelegen habe, die vom bearbeiteten Feld unmittelbar ausgegangen sei, sondern es habe sich eine für die Klägerin erkennbare allgemeine Gefahr, die hier ihren Ausgang im Einsatz eines spezifischen Mähdreschertyps genommen habe, verwirklicht. Den beklagten Landwirten sei die „entsprechende Gefährlichkeit“ der Art der Durchführung der beauftragten Arbeiten bei Mähbeginn nicht bekannt gewesen, sei es doch im Vorjahr unter denselben Bedingungen zu keinen Beschädigungen gekommen. Trotz ihres Wissens um „das Befinden“ von vielen Steinen in der Böschung sei ihnen eine Verletzung der Warn- und Hinweispflicht nicht anzulasten, habe doch der Lenker des Mähdreschers vor Durchführung der Arbeiten eine entsprechende Anfrage unterlassen. Im erstinstanzlichen Verfahren sei von der Klägerin nicht behauptet worden, den Beklagten sei der Umstand bekannt gewesen oder hätte bekannt sein müssen, dass beim Mähen des Feldes bis zum Rand auch der angrenzende Böschungsbereich (betriebstypisch) teilweise miteinzubeziehen sei. Der Fahrer der Klägerin habe bei den Beklagten nicht nachgefragt und geeignete Informationen eingeholt und habe speziell den anwesenden Erstbeklagten auch nicht gebeten, „eine Runde mitzufahren“. Der Schaden sei allein dem Risiko der klagenden Werkunternehmerin zuzurechnen, zumal es auch keine Regeln für die Anbausituation gebe und bekannt sei, „dass dabei jeder Quadratmeter ausgenützt wird“. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das eine (Mit-)Haftung der Beklagten verneinte, ist nicht zu beanstanden.

4. Die Klägerin vermag in ihrer Revision keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Nach den Feststellungen wusste der Erstbeklagte, dass sich in der Böschung viele Steine befinden und das Getreide dort sehr knapp am Rand zur Böschung angebaut ist, während der Fahrer des Mähdreschers wusste, dass er mit dem klappbaren Schneidwerk noch zusätzlichen Platzbedarf benötigt, weil sich der Antrieb seitlich befindet. Allgemein bekannt ist, dass sich in einer Böschung regelmäßig auch Steine befinden. Dass das Getreide sehr knapp zum Rand der Böschung angebaut war, musste auch der Fahrer des Mähdreschers erkennen. Entgegen der Ansicht der Klägerin steht nicht fest, dass den Beklagten der zusätzliche Platzbedarf des Mähdreschers wegen des klappbaren Schneidwerks und der Lagerung des Antriebs bekannt war. Wenn sie meint, der anwesende Erstbeklagte hätte mit dem Fahrer die erste Runde mit dem Mähdrescher mitfahren müssen, um ihn auf Gefahren aufmerksam zu machen, ist ihr entgegenzuhalten, dass ihn der Fahrer darum gerade nicht ersuchte. Befand sich die Gefahrenquelle außerhalb des zu mähenden Feldes und war den Beklagten nicht bekannt, dass der Mähdrescher zusätzlichen Platzbedarf hat, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, sie seien nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf die ihnen bekannte (und naheliegende) Tatsache hinzuweisen, dass sich in der Böschung Steine befinden, weshalb der Eintritt des Schadens allein dem Risiko der Werkunternehmerin zuzurechnen sei und keine Pflichtverletzung der Beklagten vorliege, nicht korrekturbedürftig.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Textnummer

E129606

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00157.20Z.0923.000

Im RIS seit

12.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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