TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/3 95/19/1587

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Veröffentlicht am 03.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §39 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des L T in Mazedonien, geboren 1978, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Oktober 1995, Zl. 111.423/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte am 5. Juli 1994 von Bratislava aus auf dem Postweg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bei der dortigen österreichischen Botschaft ein, der am 11. Juli 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Der Antrag sei offenbar von einer dritten Person von Bratislava aus der österreichischen Botschaft übermittelt worden; im Akt scheine lediglich ein Wohnsitz in Wien auf. Mit dieser Vorgangsweise werde das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe.

In der dagegen erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer, die Behörde erster Instanz habe kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, der Bescheid gründe sich lediglich auf Vermutungen. So sei nicht nachgewiesen worden, daß sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten habe.

Diese Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Oktober 1995 - ebenfalls gemäß § 6 Abs. 2 AufG - abgewiesen.

Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch vom Inland aus gestellt werden.

Es stehe fest, daß der Beschwerdeführer per Post am 5. Juli 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG in der österreichischen Botschaft Preßburg gestellt habe.

Aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers stehe auch fest, daß er seit 24. Juni 1993 in 1020 Wien,

B-Gasse 7/19, aufrecht gemeldet sei. Gegen die in der Berufung kritisierte Annahme der ersten Instanz, daß sich der Antragsteller im Bundesgebiet aufhalte, sei jedenfalls der Nachweis des Gegenteils unterblieben.

Die bloße Übersendung des Antrages per Post an eine österreichische Vertretungsbehörde im Ausland sei hiefür keinesfalls ausreichend; die Vorgangsweise des Beschwerdeführers widerspreche auch dem in § 6 Abs. 2 AufG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, daß Fremde die Entscheidung über ihren Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten hätten.

Aus diesen Gründen und infolge der Verfahrensvorschriften des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und sei auf das Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer weist in seinen Beschwerdeausführungen darauf hin, bereits in seiner Berufung den Inlandsaufenthalt bestritten zu haben und eine Adresse in Mazedonien als Anschrift nachgewiesen zu haben. Darüber hinaus vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, die belangte Behörde hätte ihm ihre Zweifel an seinem Auslandsaufenthalt mitzuteilen und ihm diesbezüglich Parteiengehör zu gewähren gehabt.

Überdies bringt der Beschwerdeführer vor, minderjährig zu sein und gemäß § 3 AufG einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung mit einem Elternteil zu haben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (13. Oktober 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

§ 6 Abs. 2 AufG in dieser Fassung lautet (auszugsweise):

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ... Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

Da der Beschwerdeführer noch niemals eine Aufenthaltsbewilligung inne hatte, wertete die belangte Behörde seinen Antrag zu Recht als Erstantrag, auf den die Vorschriften des § 6 Abs. 2 AufG Anwendung finden.

Unbestritten und aus dem Akt eindeutig zu entnehmen ist der Umstand, daß der Antrag auf dem Postwege von Bratislava aus an die österreichische Vertretungsbehörde gestellt wurde.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Fremde selbst im Inland aufhält, erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht.

Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialen erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN). Da § 6 Abs. 1 AufG nicht zu entnehmen ist, ein Fremder habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde, ist das Vorliegen dieser Erfolgsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010) gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG von der Behörde vom Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nicht aufgrund ihrer Vermutung, § 6 Abs. 2 erster Satz solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz (dieser Bestimmung) vorgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792). Dabei trifft die Partei die Pflicht, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken.

Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer, der im Antragsformular als derzeitigen Wohnsitz nur "Mazedonien" und in der Berufung nur "Struga Mazedonien" angegeben hatte, mit diesen unpräzisen Angaben zu seinem Aufenthaltsort seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist. Selbst wenn nämlich die belangte Behörde der Auffassung gewesen sein sollte, diese unpräzisen Angaben in ihre Beweiswürdigung einbeziehen zu können, hätte sie gemäß § 60 AVG in der Begründung des angefochtenen Bescheides die bei ihrer Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen dazulegen gehabt. Da die belangte Behörde jedoch jegliche Beweiswürdigung unterlassen hat, hat sie Verfahrensvorschriften mißachtet, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Der angefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191587.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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