TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/1 W170 2196955-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2020
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Entscheidungsdatum

01.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2196955-2/23E
W170 2196958-2/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 15.01.2020, Zl. IFA-Zahl: 1146022709, Verfahrenszahl: 191232122, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, stattgegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 15.01.2020, Zl. IFA-Zahl: 1146022600, Verfahrenszahl: 191232157, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, stattgegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitigen und zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX ist ein volljähriger, iranischer Staatsbürger; er war am 10.10.2017 jedenfalls schon volljährig.

XXXX ist der leibliche Vater der XXXX .

XXXX ist eine nunmehr volljährige, iranische Staatsangehörige, sie wurde am XXXX geboren.

1.2. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) und XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin, beide zusammen in Folge: beschwerdeführende Parteien) stellten am 10.10.2017 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz, die mit „Bescheiden“ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2018, Zl. 1146022709/171160615 bzw. Zl. 1146022600/171160631, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Unter einem wurde den beschwerdeführenden Parteien ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Iran zulässig sei. Schließlich wurde den beschwerdeführenden Parteien eine 14-tägige Frist für deren freiwillige Ausreise gewährt.

1.3. Die belangte Behörde versuchte dem Beschwerdeführer die ihn sowie die damals noch minderjährige Beschwerdeführerin betreffenden Bescheidausfertigungen als deren Vertreter zuzustellen. Die Bescheidausfertigungen wurden nach einem erfolglosen Zustellversuch am 26.03.2018 an der Adresse XXXX (in Folge: Adresse (neu)) ab dem 27.03.2018 am Postamt XXXX zur Abholung bereitgehalten.

1.4. Die beschwerdeführenden Parteien waren von 18.10.2017 bis 21.03.2018 in der Unterkunft Gasthaus XXXX (in Folge: Adresse (alt)), gemeldet, von 21.03.2018 bis 02.12.2019 an der Adresse (neu).

Der Beschwerdeführer unterschrieb am 22.03.2018 einen ab 01.04.2018 geltenden Mietvertrag über die Wohnung an der Adresse (neu), zu diesem Zeitpunkt wurden ihm fünf Schlüssel (2x Gartentor, 2x Haustüre, 1x Postkasten) ausgehändigt.

Am 01.04.2018 wurde in der Grundversorgung der Quartiersabgang der beschwerdeführenden Parteien vermerkt. Am 01.04.2018 zogen die beschwerdeführenden Parteien in der Adresse (alt) aus und in die Adresse (neu) ein. Zwischen 22.03.2018 und 01.04.2018 waren die beschwerdeführenden Parteien zwei- bis dreimal für ca. jeweils zwei bis vier Stunden an der Adresse (neu), um den Stand der Renovierungsarbeiten zu prüfen oder selbst Reinigungsarbeiten vorzunehmen; genächtigt haben die Beschwerdeführer in der Adresse (neu) vor dem 01.04.2018 jedenfalls nicht, sondern in der Adresse (alt).

1.5. Am 15.05.2018 sprachen die beschwerdeführenden Parteien zur Identitätsfeststellung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle St. Pölten, vor. Im Rahmen dessen wurden ihnen Kopien der Bescheidausfertigungen ausgehändigt. Diese sind jeweils auf jeder Seite mit „KOPIE“ gestempelt und weisen keine elektronische Signatur vor. Die die Beschwerdeführerin betreffende Bescheidausfertigung ist gar nicht unterschrieben, die den Beschwerdeführer betreffende Bescheidausfertigung weist lediglich eine Unterschrift in Kopie vor.

1.6. Am selben Tag brachten die beschwerdeführenden Parteien Wiedereinsetzungsanträge ein, die mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl abgewiesen wurden. Die diesbezüglichen Beschwerden wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt am 30.05.2018 vorgelegt und sind – in einem separaten Verfahren – beim Bundesverwaltungsgericht zu den Zlen. W274 2196955-1 und W274 2196958-1 anhängig.

1.7. Am 02.12.2019 stellten die beschwerdeführenden Parteien abermals Anträge auf internationalen Schutz und wurden Erstbefragungen unterzogen. Darin gaben sie an, ihre damaligen Fluchtgründe seien weiterhin aufrecht, sie würden seit mehr als 18 Monaten privat ohne staatliche Unterstützung leben und könnten sich das nicht mehr leisten. Sie würden die Anträge stellen, um in die Grundversorgung aufgenommen zu werden.

Am 16.12.2019 wurden die beschwerdeführenden Parteien Einvernahmen durch ein Organ des Bundesamtes unterzogen, in der sie ihre in der Erstbefragung dargelegten Fluchtgründe bestätigten. Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, inzwischen sei sein Haus im Iran beschädigt und sein Auto in Brand gesetzt worden. Auch wolle er vom protestantischen zum katholischen Zweig konvertieren. Die Beschwerdeführerin legte Integrationsunterlagen vor.

1.8. Mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden wurden die unter 1.7. dargestellten Anträge auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) zurückgewiesen. Unter einem wurde den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 57 AsylG Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für ihre freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde gegen die beschwerdeführenden Parteien gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z6 FPG ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt VII.) und ihnen gemäß § 15b Abs. 1 AsylG aufgetragen, ab 02.12.2019 bis 18.12.2019 in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.).

Die Bescheide wurden den beschwerdeführenden Parteien am 17.01.2020 zugestellt.

1.9. Gegen die im Spruch bezeichneten und unter 1.8. näher dargestellten Bescheide richten sich die am 31.01.2020 bei der Behörde eingebrachten Beschwerden.

1.10. Die Beschwerden wurden samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Am 13.02.2020 und 15.06.2020 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher vor allem der Zustellvorgang betreffend die unter 1.2. bezeichneten Bescheidausfertigungen ermittelt sowie die Wohnverhältnisse der beschwerdeführenden Parteien im Kontext ihrer Übersiedlung von Adresse (alt) nach Adresse (neu) geklärt wurden. Mit in der Verhandlung vom 13.02.2020 mündlich verkündeten Beschlüssen, Zlen. W170 2196955-2/7Z und W170 2196958-2/5Z, wurde den Beschwerden bis zur Entscheidung in der Hauptsache in sinngemäßer Anwendung des § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Gegen die Beschlüsse wurde kein Rechtsmittel erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Die Beweiswürdigung stützt sich auf die Aussagen der beschwerdeführenden Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (siehe Niederschrift der Verhandlung vom 13.02.2020 und 15.06.2020 samt Beilagen), die Beschwerden vom 31.01.2020, Einsichtnahme in die Akten zu Zlen. W274 2196955-1 und W274 2196958-1 sowie auf folgende, ins Verfahren eingeführte Beweismittel:

?        Bescheidausfertigungen der belangten Behörde vom 22.03.2018 hinsichtlich des Beschwerdeführers, Zl. 1146022709/171160615, sowie hinsichtlich der Beschwerdeführerin, Zl. 1146022600/171160631, samt Rückschein (Zustellversuch am 26.03.2018 und Hinterlegung am 27.03.2018);

?        Kopien der oben genannten Bescheidausfertigungen, die den beschwerdeführenden Parteien am 15.05.2018 ausgefolgt wurden, auf jeder Seite mit „KOPIE“ gestempelt sind, keine elektronische Signatur vorweisen (Bescheidausfertigung hinsichtlich des Beschwerdeführers mit kopierter Unterschrift, Bescheidausfertigung hinsichtlich der Beschwerdeführerin ohne jegliche Unterschrift) und undatierten Übernahmebestätigungen sowie die dazugehörige Beschwerde vom 15.05.2018;

?        Mietvertrag vom 22.03.2018 (Beginn des Mietverhältnisses: 01.04.2018) hinsichtlich des Objekts Adresse (neu);

?        Meldung des Quartierabgangs der beschwerdeführenden Parteien durch den Vermieter XXXX (Adresse (alt)) vom 03.04.2020 mit Abgangsdatum 01.04.2018;

?        (Gesprächs-)Notizen des Rechtsberaters vom 23.03.2018-17.01.2020;

?        Schreiben des Vermieters des Objekts Adresse (neu) vom 07. und 11.02.2020;

?        rechtskräftige, in der Verhandlung vom 13.02.2020 mündlich verkündete Beschlüsse, Zlen. W170 2196955-2/7Z und W170 2196958-2/5Z;

?        Stellungnahme der belangten Behörde vom 30.04.2020;

?        ZMR-Auszug der beschwerdeführenden Parteien

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage.

2.2. Die Feststellungen zu 1.2. und 1.6. ergeben sich aus der Aktenlage zu den am Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren mit den Zlen. W274 2196955-1 und W274 2196958-1.

2.3. Die Feststellungen zu 1.3. ergeben sich aus dem vorgelegten Rückschein.

2.4. Die festgestellten Meldedaten ergeben sich aus dem ZMR-Auszug der beschwerdeführenden Parteien. Die Feststellungen zum Mietvertrag, konkret das Vertragsdatum, der Beginn des Mietverhältnisses, und die Aushändigung der Schlüssel, ergeben sich aus einer vom Vermieter des Objekts Adresse (neu) vorgelegten Kopie des Mietvertrages, der die Parteien trotz Vorhalt nicht entgegengetreten sind. Die Aushändigung der Schlüssel ergibt sich weiters auch aus dem Schreiben des Vermieters des Objekts Adresse (neu) vom 11.02.2020. Weiters entspricht es auch den üblichen Gepflogenheiten, dass bei Abschluss des Mietvertrags (und nicht erst mit Beginn des Mietverhältnisses) die Schlüssel übergeben werden. Daher, und da der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift am Mietvertrag die Aushändigung der Schlüssel bestätigt hat, ist seinen Angaben, er habe die Schlüssel erst am 01.04.2020 erhalten, nicht zu folgen.

Der Quartiersabgang ergibt sich aus den Unterlagen, mit denen der Quartiersabgang der beschwerdeführenden Parteien vom Vermieter des Objekts Adresse (alt) angezeigt wurde.

Die Feststellungen, dass die beschwerdeführenden Parteien am 01.04.2018 jeweils aus- und einzogen, bis dahin an der Adresse (alt) gewohnt hatten und ab diesem Zeitpunkt an der Adresse (neu) ergibt sich aus den Aussagen der beschwerdeführenden Parteien in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dem Mietvertrag, den Schreiben des Vermieters Objekt Adresse (neu) vom 07. und 11.02.2020, sowie dem angezeigten Quartiersabgang. Aus diesen ergeben sich übereinstimmend dieselben Wohndaten.

Auch die belangte Behörde bestreitet dies in ihrer Stellungnahme vom 30.04.2020 nicht, sie stützt sich lediglich auf die Meldung im Zentralen Melderegister. Zusätzlich (die obige Feststellung stützend) bringt sie noch vor, aus der intern geführten Grundversorgungs- Anwendung sei ein voller Leistungsbezug von 14.10.2017 bis 01.04.2018 ersichtlich. Sie beurteilt lediglich die Kriterien der Unterkunftnahme anders als der Verwaltungsgerichtshof. Die belangte Behörde stützt sich auf das Vorhandensein eines Postkastens sowie eine Anwesenheit für Arbeiten an der Adresse (neu).

Die Feststellungen, dass die beschwerdeführenden Parteien zwischen 22.03.2018 und 01.04.2018 zwei- bis dreimal für ca. jeweils zwei bis vier Stunden an der Adresse (neu) waren, um den Stand der Renovierungsarbeiten zu prüfen oder selbst Reinigungsarbeiten vorzunehmen, sowie dass sie vor dem 01.04.2018 jedenfalls nicht in der Adresse (neu), sondern in der Adresse (alt) genächtigt haben, ergibt sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die diesbezüglich glaubhaft sind und welchen die belangte Behörde nicht entgegengetreten ist.

2.5. Die Feststellungen zur Aushändigung der „Bescheidkopien“ ergibt sich aus den Angaben der beschwerdeführenden Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die diesbezüglich glaubhaft sind und welchen die belangte Behörde nicht entgegengetreten ist. Da die Übernahmebestätigungen undatiert waren, und die belangte Behörde hinsichtlich des Übernahmedatums nichts Gegenteiliges vorbringen konnte, war den Angaben der beschwerdeführenden Parteien zu folgen. Auch aus den Gesprächsnotizen des Rechtsberaters ergibt sich, dass die beschwerdeführenden Parteien ihn gleich nach Übernahme der „Bescheidkopien“ aufgesucht haben und der Wiedereinsetzungsantrag am selben Tag verfasst wurde. Die Ausgestaltung der „Bescheidkopien“ ergibt sich aus diesen selbst.

2.6. Die Feststellungen zu 1.7., 1.8. und 1.9. ergeben sich aus den vorgelegten Akten der Verwaltungsverfahren.

2.7. Die Feststellungen zu 1.10. ergeben sich aus den Gerichtsakten sowie insbesondere aus der am 13.02.2020 und 15.06.2020 durchgeführten Verhandlung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Allerdings ist Voraussetzung dafür, dass ein Folgeantrag vorliegt, dass bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Daher ist zunächst die Vorfrage zu klären, ob die Bescheidausfertigungen vom 22.03.2018 den Parteien überhaupt rechtmäßig zugestellt und somit erlassen wurden – entweder durch die Hinterlegung am 27.03.2018 oder die Ausfolgung der Kopien am 15.05.2018 – oder nicht; das Vorliegen einer mündlichen Verkündung wurde nicht einmal behauptet. Ein mangelhafter und dementsprechend gesetzwidriger Zustellvorgang steht einer rechtswirksamen Zustellung entgegen. Er löst den Beginn der Rechtsmittelfrist nicht aus (vgl. VwGH 29.10.2015, 2013/07/0102; VwGH 11.06.2014, Ro 2014/22/0010; VwGH 07.03.2016, Ra 2015/02/0233).

Es ist daher zu prüfen, ob die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2018, Zl. 1146022709/171160615 bzw. Zl. 1146022600/171160631, mit denen über die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer vom 10.10.2017 (vorbringlich) entschieden wurde, erlassen, d.h. mangels mündlicher Verkündung, zugestellt wurden.

3.2. Zum versuchten Zustellvorgang bzw. zur versuchten Hinterlegung:

Gemäß § 13 Abs. 1 1. Satz ZustG ist das Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.

Gemäß § 17 Abs. 1 ZustG ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Gemäß § 17 Abs. 2 ZustG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Gemäß § 2 Z 4 ZustG ist im Sinne des ZustG die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort eine Abgabestelle im Sinne des ZustG. Dies ist bedeutend, weil die Zustellung nur an einer Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustG erfolgen darf (vgl. § 13 Abs. 1 erster Satz ZustG), wobei die in § 2 Z. 4 ZustG genannten Abgabenstellen in keiner Rangordnung zueinanderstehen, und die Auswahl der Abgabestelle, wenn mehrere bestehen, der Behörde überlassen bleibt (VwGH 23.11.2011, 2009/11/0022).

Gegenständlich ist die Frage, ob der konkrete Zustellort zum Zeitpunkt der versuchten Zustellung eine Abgabestelle der beschwerdeführenden Parteien darstellte. Jedenfalls handelte es sich bei der Adresse (neu) weder um eine Betriebsstätte, den Sitz, den Geschäftsraum, die Kanzlei oder den Arbeitsplatz der beschwerdeführenden Parteien, auch wurde mit den beschwerdeführenden Parteien an der Adresse (neu) keine Amtshandlung geführt, noch handelt es sich bei der Adresse (neu) um einen von den beschwerdeführenden Parteien der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebenen Ort.

Daher war die Adresse (neu) nur dann eine Abgabestelle, wenn sie zum Zeitpunkt des (erfolglosen, ersten) Zustellversuches und der (versuchten) Zustellung – also des ersten Tages der Hinterlegung – eine Wohnung oder eine sonstige Unterkunft war.

Zum Begriff der „Wohnung“:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer Wohnung im Sinn des § 2 Z4 ZustG jede Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt. Der dazu erforderliche regelmäßige Aufenthalt des Empfängers in seiner Wohnung ist dabei nach objektiven Gesichtspunkten ex post und ohne Rücksicht darauf zu beurteilen, wie sich die Verhältnisse dem Zustellorgan seinerzeit subjektiv geboten haben sowie ohne Rücksicht auf die Absichten des Empfängers. Eine Meldung nach dem Meldegesetz ist für das Vorliegen einer Abgabestelle nicht ausschlaggebend. (vgl. VwGH 16.12.1992, 92/02/0250, VwGH 19.02.2020, Ra 2019/12/0037) Eine Wohnung im Sinne des ZustG und somit eine Abgabestelle, an der ein Dokument gemäß § 13 Abs. 1 ZustG dem Empfänger zugestellt werden darf, liegt aber nur dann und so lange vor, als sich der Empfänger – von relativ kurzfristigen Ausnahmen abgesehen (vgl. § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 ZustG) – dort tatsächlich aufhält (VwGH 25.03.2010, 2010/21/0007). Eine „Wohnung“ wird durch das Faktum des (regelmäßigen) Bewohntwerdens begründet. Davon kann keine Rede sein, wenn nur eine bloß fallweise Benützung vorliegt. (vgl. die zum identen Begriff der Wohnung gemäß § 4 Zustellgesetz in der bis zum 29. Februar 2004 geltenden Stammfassung BGBl. Nr. 200/1982: VwGH 25.04.2002, 2001/07/0120; VwGH 30.01.2007, 2004/18/0428) Erst wenn das Vorliegen einer Wohnung im genannten Sinn und damit einer Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG bejaht werden kann, käme es im weiterer Folge darauf an, ob der Zustellempfänger im Sinne des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz wegen Abwesenheit von dieser Abgabestelle von einem Zustellvorgang nicht rechtzeitig hätte Kenntnis erlangen können (VwGH 19.05.1993, 92/09/0331; VwGH 30.06.2005, Zl. 2003/18/0209; VwGH 26.11.2008, 2005/08/0089). Die Eintragung einer bestimmten Anschrift als Hauptwohnsitz im Melderegister hat zwar Indizwirkung, bietet aber keinen Beweis für eine Wohnadresse (VwGH 22.12.2015, Ra 2015/06/0086, VwGH 13.10.2016, Ra 2015/08/0213), auch beseitigt eine meldebehördliche Abmeldung den Charakter einer Abgabestelle nicht. Allein aus der meldebehördlichen Abmeldung lässt sich noch nicht zwingend ableiten, dass der Beschwerdeführer seine bisherige Abgabestelle geändert oder aufgegeben hätte (VwGH 25.04.2002, 2002/21/0036; VwGH 17.03.2009, 2006/19/0515; VwGH 28.11.2014, 2012/06/0027). Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der Umstand, dass sich der Empfänger am Tag der Hinterlegung und an dem der Hinterlegung des Schriftstückes folgenden Wochenende an der Abgabestelle nicht aufgehalten hat, um sich am neuen Wohnort einzurichten und die (bisherige) Wohnung erst später endgültig zu räumen, der bisherigen Wohnung vor dem Tag der endgültigen Wohnungsräumung nicht den Charakter einer Abgabestelle iSd § 4 ZustG nimmt (vgl. VwGH 24.03.1997, 95/19/1302).

Zusammenfassend hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 07.10.2010, 2006/20/0035 ausgeführt, dass als Wohnung iSd § 4 ZustG Räumlichkeiten verstanden werden, die im Zeitpunkt der Zustellung dem Empfänger tatsächlich als Unterkunft in der Art eines Heimes dienen; Räumlichkeiten also, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er gewöhnlich zu nächtigen oder sich sonst aufzuhalten pflegt.

Da die beschwerdeführenden Parteien sich vor dem 01.04.2018 nicht regelmäßig, sondern nur sporadisch in der Adresse (neu) aufgehalten haben und dort vor allem nicht genächtigt haben – sie haben noch in der Adresse (alt) genächtigt – handelte es sich für die beschwerdeführenden Parteien bei der Adresse (neu) weder am 26.03.2018 noch am 27.03.2018 um eine Wohnung im Sinne des ZustG.

Zum Begriff der „sonstigen Unterkunft“:

In seinem Erkenntnis vom 07.10.2010, 2006/20/0035 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass eine sonstige Unterkunft vorliegt, wenn sich der Empfänger in Räumlichkeiten aufhält, die nicht das sind, was nach den allgemeinen Lebensgewohnheiten als Wohnung zu betrachten ist, selbst wenn der Aufenthalt nicht ständig, sondern nur vorübergehend ist, also nicht, wie dies bei Wohnungen der Fall ist, auf Dauer angelegt ist. Stets muss es sich um Räumlichkeiten handeln, die als Wohnungsersatz in Betracht kommen können und die dem Unterkommen dienen, wie z.B. ein Wohnwagen, ein Seniorenheim, ein Studentenheim oder eine Flüchtlingsbetreuungsstelle. Unterkünfte für Asylwerber in Pensionen, Hotels, Heimen und Lagern oder anderen Betreuungsstellen kommen als sonstige Unterkunft im Sinne des ZustG in Betracht, eine solche sonstige Unterkunft im Sinne des ZustG kann auch bei einem nur vorübergehenden, nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt eine „Abgabestelle“ darstellen (VwGH 22.03.2000, 99/01/0124, 0125). Doch bedarf es auch in diesen Konstellationen einer gewissen – hinsichtlich der Mindestdauer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen – zeitlichen Verfestigung, so bewirkt eine zweimalige Übernachtung und der Aufenthalt während eines Tages in einem „Notquartier“ des Bundesasylamtes noch nicht, dass dieser Unterkunft die Qualität einer „Abgabestelle“ im Sinne des ZustG zugebilligt werden könnte (VwGH 23.11.2006, 2003/20/0519).

Da die beschwerdeführenden Parteien sich vor dem 01.04.2018 nicht regelmäßig, sondern nur sporadisch in der Adresse (neu) aufgehalten haben und bis zum 01.04.2018 an der Adresse (alt) genächtigt haben, handelte es sich für die beschwerdeführenden Parteien bei der Adresse (neu) weder am 26.03.2018 noch am 27.03.2018 um ein Wohnungssurrogat und daher zu den angeführten Daten auch nicht um eine sonstige Unterkunft im Sinne des ZustG. Mit anderen Worten unterscheidet sich die sonstige Unterkunft in der Hinsicht, dass auch diese tatsächlich und regelmäßig bewohnt werden muss, nicht von der Wohnung. Vielmehr ist sie ein Wohnungsersatz oder -surrogat, es geht also nicht um die Funktion, sondern die Form: eine sonstige Unterkunft ist eine nicht als Wohnung zu qualifizierende Unterkunft bzw. Räumlichkeiten, die nicht nach den allgemeinen Lebensgewohnheiten als Wohnung zu betrachten sind, wie ein Schuppen, ein Wohnwagen, ein Heim, oder eine Asylwerberunterkunft. Eine „sonstige Unterkunft“ ist somit nicht einfach ein anderer Ort, an dem man sich neben der Wohnung regelmäßig aufhält, sondern hat denselben Wohnzweck zu erfüllen.

Da die Adresse (neu) weder am 26.03.2018 noch am 27.03.2018 eine Wohnung oder eine sonstige Unterkunft der beschwerdeführenden Parteien im Sinne des ZustG war, handelte es sich dabei um keine Abgabestelle im Sinne des ZustG, was nach objektiven Gesichtspunkten ex post und ohne Rücksicht darauf zu beurteilen ist, wie sich die Verhältnisse dem Zustellorgan seinerzeit subjektiv geboten haben sowie ohne Rücksicht auf die Absichten der Empfänger. Daran ändert auch die die Behörde irreführende polizeiliche Meldung nichts, selbiges gilt für den mehrmaligen Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien, um die Renovierung zu beaufsichtigen oder Reinigungsarbeiten vorzunehmen. Gerade, dass noch Renovierungsarbeiten im Gang und Reinigungsarbeiten notwendig waren, zeigt, dass ein tatsächliches Bewohntwerden der Wohnung noch nicht möglich war, sondern vielmehr vorbereitet wurde.

Nachdem zum Zeitpunkt des versuchten Zustellvorgangs (26. bzw. 27.03.2018) die beschwerdeführenden Parteien an der Adresse (neu) noch keine Abgabestelle begründet hatten, kommt es im gegenständlichen Fall auf die Frage, ob die beschwerdeführenden Parteien Zugang zu einem gemeinsamen oder eigenen Postkasten hatten (sie verfügten jedenfalls über einen Postkastenschlüssel) nicht an. Aus der Judikatur ergibt sich, dass die Frage des Postkastenzugangs im Zusammenhang mit der Abwesenheit von der Abgabestelle oder der Möglichkeit, eine Hinterlegungsanzeige zu erhalten, relevant ist, nicht jedoch für die Begründung einer Abgabestelle (VwGH 19.10.2017, Ra 2017/20/0290; VwGH 08.09.2014 2013/06/0084; VwGH 28.05.2013, 2011/05/0076; VwGH 28.05.2013, 2012/10/0121; VwGH 23.11.1993, 93/11/0085).

Da das von den beschwerdeführenden Parteien noch nicht bewohnte Objekt Adresse (neu) für diese am 26.03.2020 und am 27.03.2020 (noch) keine Abgabestelle im Sinne des ZustG war, war ihnen dort nicht zuzustellen und konnte dies auch nicht versucht werden. Mangels (tauglichen) Zustellversuchs an einer tatsächlichen Abgabestelle konnte den beschwerdeführenden Parteien jedoch auch nicht durch Hinterlegung zugestellt werden. Somit wurden den beschwerdeführenden Parteien die Bescheidausfertigungen vom 22.03.2018 am 26. und 27.03.2018 nicht rechtmäßig zugestellt, keine Bescheide erlassen und auch keine Beschwerdefrist ausgelöst. Somit liegen auch keine rechtskräftigen erstinstanzlichen Entscheidungen vor. Weiters stellt sich die Frage, ob die Bescheide danach erlassen wurden.

Zu betonen ist, dass die Schuld an dieser „Falschzustellung“ die beschwerdeführenden Parteien trifft, aber kann dies mangels entsprechender Normen nicht durchschlagen.

3.3. Zur Ausfolgung der Kopien am 15.05.2018:

Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt (vgl. Beglaubigungsverordnung, BGBl. II Nr. 494/1999 in der Fassung BGBl. II Nr. 151/2008). So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa ausgeführt, dass, wurde die der Partei ausgehändigte, mit „DUPLIKAT“ überschriebene Ausfertigung des Bescheids nicht in Form eines elektronischen Dokuments mit Amtssignatur erstellt, es sich um eine sonstige Ausfertigung im Sinn des § 18 Abs. 4 AVG handelt. Fehlt dieser die erforderliche Unterschrift des Genehmigenden oder die ersatzweise Beglaubigung durch die Kanzlei, liegt kein Bescheid vor (VwGH vom 25.02.2016, Ra 2015/08/0108). Weiters heilt der Erhalt einer Kopie eines Bescheides einen Zustellmangel noch nicht. Die Anfertigung einer Kopie anlässlich einer Akteneinsicht kann nicht die formelle Zustellung des Bescheides bewirken. Der Umstand, dass jemand in den Besitz einer Kopie eines ihm nicht wirksam zugestellten Bescheides kommt, ist von einer Zustellung nach dem ZustG zu unterscheiden (VwGH 29.08.1996, 95/06/0128).

Aus § 18 Abs. 4 AVG sowie aus der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich demnach, dass die Form der den beschwerdeführenden Parteien am 15.05.2018 im Rahmen der Identitätsfeststellung (der oben angeführten Akteneinsicht vergleichbar) ausgehändigten „Bescheidkopien“ (jeweils auf jeder Seite mit „KOPIE“ gestempelt, keine elektronische Signatur, die die Beschwerdeführerin betreffende Bescheidausfertigung ist gar nicht unterschrieben, die den Beschwerdeführer betreffende Bescheidausfertigung weist eine Unterschrift in Kopie vor) keine Bescheide oder deren tatsächliches Zukommen darstellen. Es ergibt sich eindeutig, dass die auf der Bescheidausfertigung vorhandene Unterschrift (für den Fall, dass keine Amtssignatur vorliegt) eine Original- und keine kopierte Unterschrift sein muss. Andernfalls wäre auch eine ersatzweise Beglaubigung durch die Kanzlei sowie die bestehende Beglaubigungsverordnung sinnwidrig. Die bereits näher bezeichneten, mit 22.03.2018 datierten „Bescheide“ wurden daher auch am 15.05.2018 weder gegenüber dem Beschwerdeführer noch gegenüber der Beschwerdeführerin erlassen.

Somit liegen im gegenständlichen Fall keine erstinstanzlichen Bescheide der belangten Behörde über die Anträge auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Parteien vor. Gegenständlich relevant ist, dass mangels rechtskräftiger Bescheide keine Folgeanträge vorliegen.

3.4. Zum Umfang der Beschwerde bzw. der ersatzlosen Behebung

Obwohl die beschwerdeführenden Parteien formal nur gegen die Spruchpunkte I., II., IV., V. und VI. Beschwerde erhoben, waren auch die Spruchpunkte III., VII. und VIII. mitbekämpft, da sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt, dass mit der Aufhebung der abweisenden Entscheidung hinsichtlich des Antrags auf internationalen Schutz auch die darauf aufbauenden Aussprüche ihre Grundlage verlieren und sich das Rechtsmittel – ungeachtet einer anderslautenden Anfechtungserklärung – auch gegen diese richtet (vgl. VwGH 13.02.2020, Ra 2019/01/0005) sowie dass auch bei grundsätzlich voneinander rechtlich trennbaren Aussprüchen im Fall der Aufhebung eines Spruchs ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (VwGH 24.03.2020, Ra 2019/01/0496; sowie insbesondere hinsichtlich des Einreiseverbots VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067).

Mit der Aufhebung der zurückweisenden Entscheidungen hinsichtlich der Anträge auf Asyl und subsidiären Schutz verlieren die amtswegige Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, die Rückkehrentscheidung sowie die auf der Rückkehrentscheidung aufbauenden Aussprüche nach §§ 52 Abs. 9, 53, 55 FPG und § 15b AsylG ihre Grundlage. Daher sind – mangels rechtskräftig erlassener erstinstanzlicher Bescheide – außer den Spruchpunkten I. und II. auch die restlichen Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide mangels Rechtsgrundlage ersatzlos zu beheben und ist insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat unter A) die relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dargestellt und der Entscheidung unterstellt; es ist keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.

Schlagworte

Abgabestelle Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben entschiedene Sache ersatzlose Behebung Folgeantrag Rückkehrentscheidung behoben Voraussetzungen Wohnsitzauflage Zustelladresse Zustellung Zustellwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2196955.2.01

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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