TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/9 W176 2164729-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2020
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Entscheidungsdatum

09.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W176 2164729-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , iranischer Staatsangehöriger, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2017, Zl. 1098456309-151955375/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.07.2021 erteilt.

Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der illegal ins Bundesgebiet gereiste Beschwerdeführer stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er als Fluchtgrund an, iranische Studenten hätten, als er noch in XXXX gewesen sei, dem Konsulat verraten, dass er sechs Monaten zuvor zum Christentum übergetreten sei. Die Studenten würden vom iranischen Konsulat für den Verrat bezahlt. Das Konsulat habe in weiterer Folge den Geheimdienst verständigt. Daher sei ihm auch, als er am Flughafen angekommen sei, der Pass abgenommen worden. Wäre er im Iran geblieben, wäre er sicher ermordet worden. Im Falle der Rückkehr in seine Heimat, befürchte er getötet zu werden, weil er zum christlichen Glauben übergetreten sei.

2. Mit Schriftsatz vom 30.05.2016 teilte das Land Steiermark mit, dass der Beschwerdeführer per XXXX 05.2016 aus disziplinären Gründen aus der Grundversorgung abgemeldet worden sei.

3. Mit Schriftsatz vom 28.10.2016 verwies der Beschwerdeführer auf seine gute Integration sowie seine Bemühungen, die deutsche Sprache zu erlernen. Er beherrsche neben Farsi noch Deutsch, Russisch und Englisch. Zudem hob er seine integrativen Leistungen im sportlichen Bereich hervor. Weiters sei er als Konvertit in eine freichristliche Gemeinde in Graz eingebunden, er besuche auch regelmäßig die Sonntagsgottesdienste. Er pflege auch privaten Kontakt zu Gemeindemitgliedern. Zum Beweis führe er an, dass er Probleme mit Muslimen in seiner Unterkunft habe, weil diese ihm seinen Übertritt zum Christentum vorwerfen und ihn schikanieren würden. Weiters liege ein übersetztes Facebook-Profil bei. Daraus sei die Bedrohung ersichtlich, die seine Angst vor weiterer Verfolgung im Iran begründe. Dies betreffe auch seine Familie im Iran.

4. Am 23.06.2017 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folgenden: belangte Behörde) statt. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Er sei vom Islam zum Christentum konvertiert; nach dem islamischen Recht sei er ein Religionsbrecher und würde getötet werden. Er sei im Mai 2015 konvertiert; da sei er in XXXX in einem Fluss getauft worden. Im XXXX 2015 sei er den Iran geflogen. Bei der Passkontrolle sei er befragt worden, weil man seine Bibel und ein Kreuz in seinem Koffer gefunden habe. Er habe die Kontaktdaten seiner Tante in Teheran hinterlassen müssen, damit er erreichbar sei. Danach sei er gar nicht nach Hause gegangen, sondern von einem Freund in Urumieh untergebracht worden. Seine Tante habe am Flughafen eine Sicherheitsgarantie für den Beschwerdeführer erbringen müssen. Auf Nachfrage gab er an, die Bibel nur aus Versehen mitgenommen zu haben. Eigentlich habe er ein russisches Literaturbuch mitnehmen wollen. Auch seine Familie sei bedroht worden, weil er ein Religionsbrecher sei. An einem Samstag im XXXX 2015 seien Leute in das Haus seiner Familie eingedrungen. Seine Mutter sei durch den erhöhten Druck sogar gezwungen gewesen, ihren Wohnsitz zu ändern.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 200/2005 (AsylG), (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Unter Spruchpunkt III. erteilte die Behörde – unter einem – gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) gegen den Beschwerdeführer und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Weiters sprach die Behörde aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

Begründend stützte sich die Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer seine Konversion nicht glaubhaft habe machen können. Vielmehr sei der Beschwerdeführer aus Sicht der Behörde nach wie vor islamischen Glaubens. Eine Bedrohungssituation habe sich nicht ergeben.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er sich in erster Linie gegen die von der Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet. Weiters wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in der Evangelikalen Gemeinde XXXX aktiv sei, wofür die Einvernahme von XXXX beantragt wird.

7. Am XXXX .05.2020 fand am Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerdeverhandlung statt; in dieser wurde der Beschwerdeführer nochmals, insbesondere zu seinen Fluchtgründen, befragt und XXXX als Zeuge einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger persischer Volksgruppenzugehörigkeit und stammt aus XXXX , wo er auch aufwuchs. Von 2010 bis 2014 hielt er sich in XXXX auf und studierte an der XXXX in XXXX .

1.1.2. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer in XXXX durch eine Studentengruppe in Kontakt mit dem Christentum kam, über diese den christlichen Glauben und die Bibel kennen lernte und dort getauft wurde.

1.1.3. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er im XXXX 2015 am Flughafen VOn Teheran von der Grenzpolizei angehalten wurde, diese seinen Koffer durchsuchte und eine Bibel fand, er in Folge einige Stunden einvernommen wurde, erst nach Hinterlegung einer Grundbuchrolle durch seine Tante freikam und am nächsten Tag im Haus seiner Mutter von der Polizei gesucht wurde.

1.1.4. Der Beschwerdeführer kam über XXXX in Kontakt zur der Evangelikalen Gemeinde XXXX und besucht dort seit Herbst 2016 regelmäßig den wöchentlichen Gottesdienst. Er hilft freiwillig in der Gemeinde mit, beispielsweise durch Reinigungsarbeiten, Kochen oder durch das Aufstellen von Tischen und Sesseln und verfügt über nicht unerhebliche Kenntnisse des christlichen Glaubens evangelikaler Prägung.

1.1.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ernsthaft den christlichen Glauben angenommen hat.

1.1.6. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Iran aufgrund seiner Aktivitäten auf Facebook mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht.

1.1.7. Der Beschwerdeführer leidet unter Schilddrüsenkrebs und Blutkrebs. Aufgrund der Erkrankung an Schilddrüsenkrebs muss er seit 2013 täglich das Medikament Levothyroxin, 160 mg, einnehmen.

1.1.8. Der Beschwerdeführer wurde mit (rechtskräftig gewordenem) Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 22.12.2016 wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 (StGB), zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.2.1. Zur hier relevanten Situation im Iran:

Allgemeine Lage:

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitsapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muss im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Es kann auch zum Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Auch 2017 wurden grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) vollstreckt. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Drogendelikten, dann Mord und Sexualdelikten angewandt. Laut AI wurden 2017 mindestens 507 Personen hingerichtet. Auch 2016 war Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit das Land mit der weltweit höchsten Hinrichtungszahl im Verhältnis zur Bevölkerung.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion:

99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha-i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe-und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Etwa 100.000 bis 300.000 - vornehmlich armenische - Christen leben im Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Ihnen stehen zwei der 290 Parlamentssitze zu. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen (armenische, assyrische und chaldäische). Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Ihre Vertreter unterliegen Beschränkungen beim Zugang von höheren Staatsämtern. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg diskriminiert. Anerkannte religiöse Minderheiten sind in ihrer Glaubensausübung nur geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt, christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind verboten).

Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 31 wegen "Beleidigung des Islam" und 12 wegen "Korruption auf Erden" inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, 5 wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und 10 mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.

Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Verdorbenheit auf Erden, oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden im Jahr 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen "moharebeh" exekutiert (ÖB Teheran 9.2017). Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und in den Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr in den Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.

Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde . Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,3%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Balutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das viertgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Balutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 3.2018c).

Situation von Angehörigen ethnischer Minderheiten im Allgemeinen und der kurdischen Volksgruppe im Speziellen:

Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt. Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch betreffend u.a. Angehöriger der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzten, wurden bedroht, festgenommen und bestraft (ÖB Teheran 9.2017).

Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 2.3.2018). Die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, sind allerdings zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015). Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren, Gefängnisstrafen und die Todesstrafe. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (AI 22.2.2018).

Die Kurden (überwiegend Sunniten) sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen (so wurde 2018 erstmals eine kurdischstämmige Frau Vize-Innenministerin). In der Verfassung vorgesehener Schulunterricht sowie Studiengänge in kurdischer Sprache sind seit dem Erlass von Rohani im Jahr 2016 rechtlich möglich. Es ist jedoch nicht nachprüfbar, in welchem Umfang Unterricht an Schulen und Universitäten tatsächlich angeboten wird, da er nicht aktiv vom iranischen Staat gefördert wird. Der iranische Staatsrundfunk sendet stundenweise kurdischsprachige Sendungen auf dem Regionalsender IRIB Kurdistan (AA 2.3.2018). Die Regierung schränkte kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein (HRW 18.1.2018). Problematisch sind vor allem kulturelle Aktivitäten, die politisch werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden im September 2017 wurde die Präsenz von Militär und Revolutionsgarden deutlich erhöht (AA 2.3.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Das Erdbeben von Kermanshah im November 2017, dessen Auswirkungen fast ausschließlich in den von Kurden bewohnten Gebieten zu spüren sind, hat die Präsenz der Sicherheitskräfte noch verfestigt, ca. 5.800 Freiwillige der Revolutionsgarden sollen bis zum Ende der Aufräumarbeiten vor Ort bleiben (AA 2.3.2018). Im September 2017 war die Polizei in der gesamten Provinz Kurdistan sehr stark präsent, als Angehörige der kurdischen Minderheit Kundgebungen abhielten, um das Unabhängigkeitsreferendum der Kurden im Nordirak zu unterstützen. Dabei wurden Berichten zufolge über ein Dutzend Personen festgenommen (AI 22.2.2018). In der iranischen Provinz Kurdistan gibt es auch militärische und geheimdienstliche Präsenz, die nicht immer sichtbar ist. Die Überwachung in diesem Gebiet ist nicht systematisch, aber strukturiert und auch nicht zufällig, sondern gezielt (DIS/DRC 23.2.2018).

Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet (AA 2.3.2018). Unter den politisch Verfolgten sind daher verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“, Schwesterorganisation der PKK in Iran) – und die oftmals unverhältnismäßig hohen Strafausmaße. Zusammenstöße zwischen Kurden und iranischen Sicherheitskräften, welche insbesondere im zweiten Quartal 2016 zunahmen und, neben hunderten Festnahmen, auch zu Toten und Verletzten führten, nähren Befürchtungen, dass Kurden zukünftig vermehrt Repressalien ausgesetzt sein könnten, nicht zuletzt um Sympathiebekundungen mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der irakischen Kurden hinten anzuhalten. Hier gilt es jedoch anzumerken, dass von kurdischer Seite Gewalttätigkeiten gegen iranische Sicherheitskräfte zunehmen. So bestätigte etwa die Demokratische Partei Kurdistans in Iran [KDPI] im September 2016, dass die Peschmerga, Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan, einen bewaffneten Konflikt mit iranischen Regierungstruppen in den kurdischen Gebieten Irans begonnen hätten (ÖB Teheran 9.2017, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv. Dies sind politische Gruppierungen, aber vor allem PJAK und Komala erscheinen momentan weniger aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Rückkehr:

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr in den Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein.

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (AA 2.3.2018). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Sozialbeihilfen:

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 12.2018). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und

Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von 1.111.269 IRR (ca. 7,70 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3.10 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Angesichts drängender Wirtschaftsnöte wurde im September 2018 zusätzlich die Ausgabe von 10 Millionen elektronischen Lebensmittelkarten beschlossen, ergänzt durch Nahrungsmittelpakete für die am meisten von Armut betroffenen Familien (AA 12.1.2019).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 12.1.2019).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2018).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialsicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und FreiberuflerInnen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Sfufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2018).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, alten Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme) ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozio- psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2018).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, das der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2019b).

Medizinische Versorgung:

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt. Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2017a). Die medizinische Versorgung ist in Teheran und anderen großen Städten ausreichend bis gut. In den zahlreichen Apotheken [Persisch: daru-khane] sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer (GIZ 3.2017b).

Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 15.3.2017). Grundsätzlich entspricht die medizinische Versorgung nicht (west-) europäischen Standards. Gegen Zahlung hoher Summen ist jedoch in den Großstädten eine medizinische Behandlung nach erstklassigem Standard erhältlich. Die Versorgung mit Medikamenten ist weitgehend gewährleistet. Behandlungsmöglichkeiten auch für schwerste Erkrankungen sind zumindest in Teheran und ggf. gegen Zahlung entsprechender Kosten grundsätzlich gegeben. Iran verfügt über ein staatliches Versicherungswesen, welches prinzipiell auch die Deckung von Krankheitskosten umfasst. Allerdings müssen Patienten hohe Eigenleistungen teils in Form von Vorauszahlungen erbringen und regelmäßig lange Wartezeiten in Kauf nehmen (AA 8.12.2016).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI genannt: www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern gedeckt (IOM 2016).

Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter.

Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellte müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig.

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html (IOM 2016).

Zugang speziell für Rückkehrer:

Anmeldeverfahren: Alle iranischen Bürger einschließlich Rückkehrer können beim Tamin Ejtemaei eine Krankenversicherung beantragen.

Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können jedoch noch verlangt werden.

Zuschüsse: Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird.

Kosten: Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen sobald die Person eine Arbeit im Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2016).

Mehr als 85% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essentiellen Gesundheitsdienstleistungen. In den letzten drei Jahrzehnten wurden im Iran diverse Reformen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung vorgenommen, nach deren Implementierungen wesentliche Fortschritte im sozialen sowie wirtschaftlichen Sektor verzeichnet werden konnten. In ländlichen Regionen verfügt jedes Dorf über ein sogenanntes Gesundheitshaus, in dem ausgebildete “Behvarz” und Gesundheitsarbeiter zur medizinischen Behandlung bereitstehen. In städtischen Regionen stehen, ebenfalls ähnlich verteilt, eine Vielzahl an Gesundheitszentren zur Verfügung. Das gesamte Gesundheitssystem wird vom Ministerium für Gesundheit und Medizinische Bildung verwaltet. Die Universitätskliniken, von denen in jeder Provinz eine vorhanden ist, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle hinsichtlich der medizinischen Versorgung. Der Universitätsleiter fungiert hier als Oberhaupt aller medizinischen Dienstleistungen und ist verantwortlich für alle Gesundheitshäuser und Kliniken in der jeweiligen Region. Trotz kürzlicher Sanktionen gegen den Iran die zu einer vorläufigen Knappheit bestimmter Medikamentengruppen geführt haben, gibt es generell keinen Mangel an Medikamenten, Spezialisten sowie Behandlungsmöglichkeiten. Pharmazeutische Produkte werden unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums ausreichend importiert. Darüber hinaus gibt es vor allem in größeren Städten mehrere private Kliniken die für Privatpatienten Gesundheitsdienste anbieten (IOM 2016).

Einweisung: In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren.

Verfügbarkeit von Medikamenten: “The Red Crescent” ist die zentrale Stelle bezüglich des Imports von speziellen Medikamenten, die für Patienten in bestimmten Apotheken erhältlich sind. Generell sind alle Medikamentengruppen im Iran erhältlich, welche üblicherweise in kleinen Mengen ausgeteilt werden um den Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt zu unterbinden (IOM 2016).

1.2.2. Situation betreffend Covid-19:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 08.07.2020 16.721 Fälle von genesenen, mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 681 bestätigte Todesfälle (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html). Im Iran gibt es derzeit laut der Homepage der Weltgesundheitsorganisation 245.688 bestätigte Fälle infizierter Personen und 11.931 Todesfälle (https://covid19.who.int/ [08.07.2020]). Der Iran meldete Mitte Februar die ersten Corona-Ansteckungen, die Zahl der Neuinfizierten stieg infolge rasant, sodass die iranische Regierung diverse Ausgangsbeschränkungen erließ. In Folge sanken die Infektionszahlen, sodass Mitte April die Behörden erstmals mehr Genesene als Infizierte registrierten (https://www.nzz.ch/international/corona-in-iran-teheran-kaempft-mit-der-zweiten-welle-ld.1560131; https://www.diepresse.com/5823958/eine-zweite-viruswelle-erfasst-den-iran). Nach Lockerung der Ausgangsbeschränkungen sind die Infektionszahlen seit Anfang Mai wieder gestiegen; derzeit beträgt die Zahl der täglichen Neuinfektionen 2.637 (https://covid19.who.int/region/emro/country/ir [12.06.2020]). Die medizinische Situation ist (auch wegen sanktionsbedingter Versorgungsengpässe) laut dem Außenwirtschaftscenter der Wirtschaftskammer Österreich äußerst angespannt (https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavirus--.html [12.06.2020])

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (unter anderem Krebspatienten) auf (vgl. dazu https://www.who.int/news-room/q-a-detail/q-a-coronaviruses [12.06.2020]).

2. Beweiswürdigung:

2.1.1. Die Feststellungen zur Biographie des Beschwerdeführers (Herkunft, Studienaufenthalt in XXXX , Wohnorte in Österreich) beruhen auf seinen glaubwürdigen Angaben vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht. Seine Identität konnte durch Vorlage seines iranischen Führerscheines festgestellt werden.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers stützen sich auf die Einsichtnahme in das diesbezügliche Strafurteil sowie einen aktuellen Strafregisterauszug.

2.1.2 Die (negativen) Feststellung zu der vom Beschwerdeführer behaupteten christlichen Vorprägung und Taufe in XXXX stützt sich insbesondere darauf, dass sein diesbezügliches Vorbringen Widersprüche, Ungereimtheiten und Unplausibilitäten aufweist:

Dies betrifft zunächst den Verbleib des Taufscheins:

Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer diesbezüglich (der Sache nach) an, dass der Taufschein, als er selbst in den Iran zurückgekehrt sei, in XXXX geblieben und dann verloren gegangen sei – anders der Führerschein und die Universitätsdokumente, die ihm dann geschickt worden seien, sei er nicht bei den Unterlagen gewesen, die sein Bruder vor dessen Rückkehr in den Iran einem Freund namens XXXX gegeben habe – (vgl. Verwaltungsakt AS 197).

Auch in der Beschwerdeverhandlung brachte er zunächst noch vor, den Taufschein in XXXX verloren zu haben: Als er im XXXX 2015 in den Iran geflogen sei, habe er ihn nicht mitgenommen, sondern ihn in einer Tasche gelassen, von der er nicht wisse, wo sie nach der Rückkehr seines Bruders in den Iran geblieben sei (Verhandlungsschrift S 9).

Auf die Frage, wo sich nun der Führerschein und die Universitätsunterlagen, die sich ebenfalls in der Tasche befunden hätten, nun seien, gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass die Tasche nicht verloren gegangen sei, sondern (einfach) nicht da sei, um dann auf Wiederholung der Frage vorzubringen, dass ihm die Tasche am Flughafen von Teheran abgenommen worden sei (Verhandlungsschrift S 9f.).

Festzuhalten ist dabei auch, dass der Beschwerdeführer angab, nicht mehr zu wissen, wie die Kirche geheißen habe, die ihm den Taufschein ausgestellt habe.

Für die Tatsachenwidrigkeit der Aussage des Beschwerdeführers, in XXXX getauft worden zu seien, spricht weiters der Umstand, dass in dem vom 18.10.2016 datierenden Schreiben von XXXX festgehalten wird, dass dieser das Ziel habe, in Österreich getauft zu werden, und deshalb möglichst bald einen Taufvorbereitungskurs beginnen wolle.

Überdies ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Person, von der er in XXXX die Bibel erhalten habe, widersprüchlich:

Denn er gab einerseits an, dass er die Bibel von jemandem bekommen habe, der der Gruppe von jungen Männern und Frauen, über die er das Christentum kennengelernt habe, angehört habe; andererseits brachte er aber vor, dass XXXX , von dem er die Bibel erhalten habe, nicht in dieser Gruppe gewesen sei (Verhandlungsschrift S 8).

Festzuhalten ist in diesem Kontext auch, dass der Beschwerdeführer die Treffen der genannten Gruppe nur vage und undetailliert schilderte; so konnte er nicht sagen, wie viele Personen sie ungefähr gewesen seien.

Aufgrund dieser Umstände konnte der Beschwerdeführer eine christliche Vorprägung in XXXX (insbesondere eine Taufe in XXXX ) nicht glaubhaft machen.

2.1.3. Die (negativen) Feststellung zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Ereignissen nach seiner Rückkehr in den Iran im XXXX 2015 stützt sich darauf, dass seine dazu getätigten Angaben ebenfalls widersprüchlich und unplausibel sind:

Hatte er bei seiner Erstbefragung etwa noch angegeben, dass seine Konversion von iranischen Studenten an das (iranische) Konsulat verraten worden sei, das in weiterer Folge den iranischen Geheimdienst verständigt habe, weshalb ihm am Flughafen in Teheran der Pass abgenommen worden sei (Verwaltungsakt AS 17), führte er vor der belangen Behörde (Verwaltungsakt AS 197) sowie vor Gericht (Verhandlungsschrift S 4) aus, am Flughafen in Teheran von der Grenzpolizei angehalten worden zu seien, weil diese in seinem Koffer eine Bibel gefunden habe. Sofern der Beschwerdeführer mit dem Widerspruch konfrontiert, vorbrachte, er habe bei der Erstbefragung einen afghanischen Dolmetscher gehabt und es sei deshalb zu einem Missverständnis gekommen, überzeugt dies nicht, da er mit seiner Unterschrift die Richtigkeit der (ihm rückübersetzten) Niederschrift bestätigte und überdies bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde auf die Frage, ob seine bisherigen Angaben korrekt protokolliert worden seien, zwar anführte, dass es Unstimmigkeiten gegeben habe, dabei aber bloß anführte, dass der Name seines Bruder nicht korrekt protokolliert worden sei. Weiters löst sich das Spannungsverhältnis zwischen den dargestellten Aussagen des Beschwerdeführers nicht etwa dadurch auf, dass er in der Beschwerdeverhandlung auf Vorhalt des Widerspruches angab, dass im Hausdurchsuchungsbefehl gestanden sei, dass die Botschaft in XXXX bestätigt habe, dass er zum Christentum konvertiert sei (Verhandlungsschrift S 6); denn Derartiges hatte er weder bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde noch bei seiner Befragung zu den Ereignissen im Iran zuvor in der Verhandlung erwähnt. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe dies sehr wohl bereits vor der belangten Behörde gesagt, wisse aber nicht, was der Dolmetscher übersetzt habe (Verhandlungsschrift S 6), ist ihm entgegenzuhalten, dass er die betreffende, ihm ebenfalls rückübersetzte Niederschrift hinsichtlich ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit bestätigte.

Hinzu kommt, dass auch die Angaben des Beschwerdeführers zu den konkreten Umständen des Vorfalls am Flughafen von Teheran widersprüchlich sind: Während er vor der belangten Behörde angab, dass jener Beamte, der im Koffer die Bibel gefunden habe, weggegangen sei und mit einer anderen Person zurückgekommen sei und ihm dann gesagt worden sei, dass er sie (also diese beiden Personen) zur Einvernahme in einem anderen Raum begleiten solle (Verwaltungsakt AS 197), sei nach seinen Angaben vor Gericht der Grenzpolizist, der den Koffer durchsucht habe, weggegangen und hätten ihn zwei Personen, die einer anderen Abteilung angehört hätten, mitgenommen (Verhandlungsschrift S 5). Auf Vorhalt des Widerspruches beschränkte sich der Beschwerdeführer auf die Aussage, es sei so gewesen, wie er in der Beschwerdeverhandlung angegeben habe.

Auch erscheint es wenig wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer am Flughafen von Teheran nach stundenlanger Befragung freikam, nur um am nächsten Tag von der Polizei im Haus seiner Eltern sowie seiner Tante gesucht zu werden.

Ebenso unplausibel ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass sein Verstoß gegen die Kautionsbestimmungen keine Konsequenzen für die Wohnung gehabt habe, die seine Tante durch Hinterlegung der Grundbuchsrolle als Pfand zur Verfügung gestellt habe (vgl. Verhandlungsschrift S 5).

2.1.4. Die Feststellungen zu Punkt 1.1.4. stützen sich auf die vom Zeugen bestätigten Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Aktivitäten in der Evangelikalen Gemeinde XXXX sowie den Umstand, dass er in der Beschwerdeverhandlung Wissensfragen zum christlichen Glauben protestantischer Prägung im Wesentlichen richtig beantworten konnte.

2.1.5. Die (negative) Feststellung zur Ernsthaftigkeit der Konversion des Beschwerdeführers stützt sich auf folgende Erwägungen:

Zunächst kann (wie aus der Feststellung zu Punkt 1.1.2. folgt) schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer getauft wurde und somit formell zum Christentum konvertiert ist.

Überdies kann aus nachstehenden Gründen nicht angenommen werden, kann der Beschwerdeführer vom christlichen Glauben ernsthaft überzeugt ist:

Wie zunächst festzuhalten ist, konnte der Beschwerdeführer den Prozess seiner Hinwendung zum Christentum nicht glaubhaft darlegen; denn sein Vorbringen, wonach er in XXXX durch eine Gruppe junger Menschen zum neuen Glauben gefunden habe, ist (wie unter Punkt 1.1.2. dargelegt) tatsachenwidrig.

Überdies beantwortete er in der Beschwerdeverhandlung die auf die Motivation seines Glaubenswechsels abzielenden Fragen im Wesentlichen mit Gemeinplätzen, etwa dass er das Christentum nicht als Religion, sondern als „Liebe“ sehe (Verhandlungsschrift S 7). Sofern er vorbrachte, „ein ewiges Leben“ empfangen zu wollen, verspricht auch der Islam ein solches. Die (flache) Kritik des Beschwerdeführers am Islam, wonach es dort viele Strafen, Bestrafungen, Auspeitschungen und Hinrichtungen gebe, lässt nach Ansicht des Gerichtes nicht den Rückschluss zu, dass er sich ernsthaft dem Christentum zugewendet hätte.

Weiters konnte der Beschwerdeführer nicht schlüssig erklären, weshalb er sich entschlossen habe, gerade in einer evangelikalen Freikirche Christ zu sein. Zwar legte er dar, weshalb ihm die protestantische Glaubensrichtung mehr zusage als etwa die katholische; dass er in eine Freikirche gekommen sei, stellte er aber bloß als Ergebnis des Umstandes dar, dass ihn der Pfarrer einer evangelischen Pfarrgemeinde A.B. in XXXX vorgestellt habe, der ihn dann in die Evangelikale Gemeinde XXXX gebracht habe. Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten dieser Kirchen lässt dies nicht erkennen.

Schließlich ergibt sich auch aus den Aussagen des in der Beschwerdeverhandlung einvernommenen Zeugen nicht, dass ungeachtet der zuvor aufgezeigten Aspekte dennoch von einer ernsthaften Zuwendung des Beschwerdeführers zum Christentum auszugehen ist. Denn der Zeuge tätigte keine wesentlichen Aussagen zur inneren Überzeugung des Beschwerdeführers; zwar gab er an, der Beschwerdeführer besuche regelmäßig den Gottesdienst und er habe den Eindruck, dass dieser sich für das „Christsein“ interessiere; direkte Glaubensgespräche habe er mit ihm jedoch nicht bzw. nur wenig geführt (Verhandlungsschrift S 16).

Daher war – trotz des Umstandes, dass der Beschwerdeführer durchaus über Kenntnisse bezüglich des christlichen Glauben protestantischer Prägung verfügt – davon auszugehen, dass keine ernsthafte Zuwendung zum Christentum vorliegt.

2.1.6. Zur (negativen) Feststellung zu Punkt 1.1.6. ist festzuhalten, dass nach der Herkunftsländerinformation auch Konvertiten, die sehr freimütig über ihre Konversion in den Social-Media-Kanälen, einschließlich Facebook, berichten, nur dann Verfolgung droht, wenn sie schon vor Verlassen des Iran eine Verbindung mit dem Christentum hatten. Dies trifft auf den Beschwerdeführer (wie oben festgestellt) nicht zu; im Übrigen hat er sein Facebook-Profil mittlerweile gelöscht, sodass nicht ersichtlich ist, inwiefern ihm aufgrund eines Beitrag vor knapp vier Jahren im Iran Verfolgung drohen sollte.

2.1.7. Die Feststellung zur Erkrankung des Beschwerdeführers an zwei Formen von Krebs ergibt sich aus dessen glaubwürdigem Vorbringen.

2.2. Die Feststellungen zur Lage im Iran gründen sich auf das Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation zum Iran vom 14.06.2019, welches im Rahmen der Ladungen zur zweiten Beschwerdeverhandlung in das Verfahren eingeführt wurde. Da das LIB auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln, zumal der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung die Richtigkeit des LIB nicht in Frage stellte.

Das inzwischen veröffentliche aktualisierte LIB mit Stand 19.06.2020 enthält in den hier relevanten Teilen keine Aussagen, die ein maßgeblich anderes Bild zeichnen würde.

2.3. Die Feststellungen zur Situation betreffend Covid-19 beruhen auf den dort in den Klammern angeführten Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.2.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachtfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorige

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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