Entscheidungsdatum
09.07.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W109 2212256-1/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 29.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.03.2020 und am 09.06.2020 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 04.06.2018 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 04.06.2018 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und in Pakistan geboren, er habe 13 Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, er habe in Pakistan ein Mädchen kennengelernt und einen Ausflug mit ihre gemacht. Deren Eltern hätten nichts davon gewusst. Sie hätten mit ihm sprechen wollen, die Familie habe auch Personen geschickt, um mit ihm zu sprechen. Sie hätten gefordert, er solle sie heiraten. Das habe der Beschwerdeführer nicht gewollt, weil sie Schiitin sei. Sein Bruder, Vater und Onkel seien zu ihrer Familie gegangen, um ein Gespräch zu führen. Der Bruder des Mädchens habe den Bruder des Beschwerdeführers dort mit einem Messer erstochen, auch der Onkel sei verletzt worden und später gestorben. Sie seien dann nach Afghanistan gezogen, die Familie des Mädchens habe seine Adresse herausgefunden und einen Mann für Geld beauftragt, ihn zu töten.
Am 04.09.2018 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einem Mädchen gehabt. Ihre Familie habe das erfahren, das Mädchen habe den Beschwerdeführer gewarnt und er habe seinem Bruder gesagt, was er getan habe. Der Bruder sei sehr wütend gewesen und habe ihn zum Onkel geschickt. Der Bruder sei zur Familie gegangen, um eine Übereinkunft zur Hochzeit zu erzielen. Es sei zum Streit gekommen und sie hätten den Bruder erschossen. Der Onkel sei zur Beerdigung gegangen, habe dort alles erfahren und als er zurückgekommen sei, habe er den Beschwerdeführer danach gefragt. Der Beschwerdeführer habe ihm alles erzählt und der Onkel habe ihn beschimpft und geschlagen. Er sei dann nach Afghanistan zur Schwester, dort hätten sie große Schwierigkeiten. Er könne nicht ins Heimatdorf zurückkehren. Er habe in Afghanistan auch Feindschaften.
Am 25.10.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und nochmals zu seinen Fluchtgründen befragt. Er gab unter anderem an, sein Bruder sei bei der Armee gewesen und von den Taliban entführt worden, der Onkel väterlicherseits sei von den Taliban getötet worden, weil er Wasserleitungen für das Heimatdorf aufgebaut habe. Er habe Angst vor den Taliban. Der Onkel des Mädchens sei Händler in Jalalabad. Die Familie des Mädchens könne den Taliban vielleicht Geld anbieten, um den Beschwerdeführer töten zu lassen.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29.11.2018, zugestellt am 03.12.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Angaben des Beschwerdeführers seien widersprüchlich, er sei unglaubwürdig. Auch das Fluchtvorbringen sei widersprüchlich und vage. Die Angaben zu einer Gefährdungslage hinsichtlich der Taliban seien vage, der Beschwerdeführer sei nicht bedroht worden. Eine Rückkehr nach Nangarhar sei nicht zumutbar, der Beschwerdeführer könne seinen Lebensunterhalt in Herat oder Mazar-e Sharif bestreiten.
3. Am 20.12.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft, die Behörde habe sich nicht mit dem verfahrensrelevanten Sachverhalt auseinandergesetzt, der Beschwerdeführer habe einen Großteil seines Lebens in Pakistan verbracht, sei dort geboren und aufgewachsen. Auf tatsächliche Gegebenheiten und Perspektiven von Rückkehrern werde nicht eingegangen. Dem Beschwerdeführer stehe die Ressource „Sozialkapital“ nicht zur Verfügung. Die Sicherheitslage habe sich verschlechtert, Zugang zu Unterkunft, Arbeit, Grundversorgung sei ohne familiären Anschluss nicht möglich. Rückkehrer aus dem Westen würden als kontaminiert angesehen, Menschen, die sich während ihrem Aufenthalt im Westen verändert hätten, würden angegriffen. Eine interne Schutzalternative sei für stigmatisierte Rückkehrer aus dem Westen besonders problematisch. Große Städte würden keine Sicherheit mehr vor den Taliban bieten, insbesondere nicht vor Rekrutierungen. Vorehelicher Geschlechtsverkehr würde als Ehrverletzung unter Blutrache fallen und stelle den häufigsten Grund für Ehrenmorde dar. Zina sei verboten und würde strafrechtlich verfolgt. Sämtliche Widersprüche seien aufgeklärt worden oder hätten durch gezieltes Nachfragen aufgeklärt werden können. Der Beschwerdeführer sei ortsunkundig, habe keine Berufserfahrung und könne, weil er Schande über die Familie gebracht habe, nicht mit Unterstützung rechnen. Der Beschwerdeführer werde durch die Familie des Mädchens sowie durch die Taliban wegen ihm unterstellter politische bzw. religiöser Gesinnung verfolgt. Staatlichen Schutz gebe es nicht, eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung.
Am 03.03.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde verfolgt, weil er außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt habe, aufrecht. Zudem brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme in Vorlage.
Am 19.03.2020 langte eine weitere schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 09.06.2020 setzte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu fort, der Beschwerdeführer brachte bei dieser Gelegenheit eine schriftliche Stellungnahme in das Verfahren ein.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
– Deutschkursbestätigungen
– Bescheid des AMS vom 12.02.2019: Beschäftigungsbewilligung
– Abrechnungsbelege über Monatslohn
– Arbeitsbestätigung
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er spricht auch, Urdu, Hindi und Englisch und verfügt über Deutschkenntnisse.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf in der Provinz Nangarhar, Distrikt Kuz Kunar. Nach dem Eintritt des im Bundesgebiet aufhältigen Bruders in die Armee im Jahr 2010 reiste der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach Pakistan aus.
Der Vater des Beschwerdeführers arbeitete als Generatorenmechaniker, der Bruder hatte ein Honiggeschäft.
In Afghanistan lebt eine Tante mütterlicherseits des Beschwerdeführers in der Provinz Kunar, eine Schwester des Beschwerdeführers ist mit deren Sohn verheiratet und lebt ebenso in Kunar. Die Eltern des Beschwerdeführers, eine weitere Schwester, ein Bruder und dessen Frau leben in Pakistan. Zu ihnen besteht Kontakt. Auch ein Onkel mütterlicherseits lebt in Pakistan.
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan und Pakistan insgesamt 12 Jahre die Schule besucht und abgeschlossen. Anschließend hat er in Pakistan einen Englischkurs besucht.
Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in Graz, ihm wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2014, Zl. W156 1429952-1/8E, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer einige Deutschkurse besucht. Zudem wurde ihm mit Bescheid des AMS vom 12.02.2019 eine Beschäftigungsbewilligung (Branchenkontingent) für den Zeitraum 12.02.2019 bis 15.05.2019 erteilt.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einem Mädchen aus seinem Englischkurs außerehelichen Geschlechtsverkehr hatte. Es wird auch nicht festgestellt, dass das Mädchen schwanger wurde und der Beschwerdeführer sich um Hilfe an seinen älteren Bruder wandte, der in der Folge von den Brüdern des Mädchens getötet wurde.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe oder Misshandlungen durch die Familie des Mädchens.
Der andere Bruder des Beschwerdeführers diente bis zu seiner Ausreise nach Österreich etwa im Jahr 2011 als einfacher Soldat in der afghanischen Armee und war in Herat stationiert. Dass dem Beschwerdeführer deshalb im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf Übergriffe drohen, ist nicht zu erwarten.
Eine Gefährdung des Beschwerdeführers in Folge der Ermordung des Onkels väterlicherseits durch die Taliban wird nicht festgestellt.
1. 3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Nangarhar gehört zu den volatilsten Provinzen des Herkunftsstaates, seit dem Jahr 2011 ist eine stetige Verschlechterung der politischen und sicherheitspolitischen Situation zu beobachten. In der Provinz sind Taliban und der IS aktiv, die sich auch gegenseitig bekämpfen. Insbesondere der Herkunftsdistrikt ist unsicher.
Im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in die Herkunftsprovinz droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Kabul, Herat und Balkh zählen zu den am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Teilen Afghanistans. Die Krankheit breitet sich im ganzen Land aus. Zur Bekämpfung der Pandemie sind Mobilität, soziale und gesellschaftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. Insbesondere in den größeren Städten wird auf die Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Schulen, Hotels, Parks und andere öffentliche Orte sind geschlossen. Die Maßnahmen betreffen insbesondere Tagelöhner, die über keine alternativen Einkommensquellen verfügen. Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Zuletzt wurden die landesweiten Maßnahmen am 06.06.2020 um drei Monate bis Ende August verlängert.
Die Wirtschafts- und Versorgungslage in Afghanistan war bereits zuvor schlecht. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Armutsrate und Arbeitslosigkeit sind hoch. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor, der 80 bis 90 % der Wirtschaftsleistung ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt.
Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert in Afghanistan nicht. Sozialleistungen gibt es – abseits von Pensionen in sehr wenigen Fällen, kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung – nicht.
Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Ihm wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, Fuß zu fassen. Er liefe Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er spricht auch, Urdu, Hindi und Englisch und verfügt über Deutschkenntnisse.
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, Volksgruppenangehörigkeit und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache sowie seinen Sprachkenntnissen beruhen auf den gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht im Lauf des Verfahrens. Auch die belangte Behörde zweifelte nicht an den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers und traf entsprechende Feststellungen (angefochtener Bescheid, S. 34). Zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass er dieses in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.06.2018 angegeben hat, allerdings in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.09.2018 einräumt, er wisse das Datum nicht genau, es komme aber ungefähr hin (Einvernahmeprotokoll vom 04.09.2018, S. 8). Folglich wurde nur das Geburtsjahr festgestellt.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 zwar behauptete, Nierenprobleme zu haben (OZ 13, S. 5). Er legte hierzu jedoch keinerlei medizinische Unterlagen vor. Gleiches gilt für die Behauptung des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, wo er behauptete, seine Zähne seien beschädigt, weil er die ganze Nacht auf sie beiße und stehe er deshalb in medizinischer Behandlung (Einvernahmeprotkoll vom 25.10.2018, S. 2). In dergleichen Einvernahme behauptete er auch, psychische Probleme zu haben. Auch hierzu legte der Beschwerdeführer keinerlei Unterlagen vor. Damit kommt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer gesund ist.
Dass er aus einem Dorf in der Provinz Nangarhar stammt, hat der Beschwerdeführer gleichbleibend angegeben. Hinsichtlich der Ausreise des Beschwerdeführers im Jahr 2010 nach Pakistan ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer selbst zwar angab, er sei nach der dritten oder vierten Klasse in Pakistan zur Schule gegangen (Einvernahmeprotokoll vom 25.10.2016, S. 5). Der Bruder des Beschwerdeführers hatte allerdings im Lauf seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22.08.2012 angegeben, seine Familie habe die Herkunftsprovinz erst nach seinem Eintritt in die Armee verlassen, was mit Blick auf die Herkunftsprovinz und die etwa in den vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 23.12.2019 (OZ 11) in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) beschriebene Vorgehensweise der Taliban gegen Angehörige von Mitarbeitern der afghanischen Streitkräfte entspricht (Vgl. Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe k) Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, S. 54). Insbesondere ging auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 09.04.2014, Zl. W156 1429952-1/8E davon aus, dass der Bruder des Beschwerdeführers Armeeangehöriger war. Der Beschwerdeführer selbst konnte hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht lediglich angeben, dass die Sicherheitslage sehr gefährlich gewesen sei, stellt aber einen Zusammenhang zum Armee-Eintritt des Bruders, sowie zum Tod des Onkels her (OZ 20, S. 2). Aus den vom Bruder im eigenen Verfahren vorgelegten Unterlagen sowie aus seinen Angaben ergibt sich jedoch, dass der Bruder etwa im August 2010 in die Armee eingetreten ist (AS 65 ff. sowie Einvernahme am 22.08.2012, AS 81 ff.).
Die Feststellungen zur Arbeit von Vater und Bruder in Pakistan beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 (OZ 13, S. 5) sowie in der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.09.2018 (Einvernahmeprotokoll vom 04.09.2018, S. 10).
Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020, OZ 13, S. 5 – 6). Dass Kontakt besteht, wurde festgestellt, weil der Beschwerdeführer zunächst selbst durchgehend angegeben hat, dass Kontakt möglich sei und aufgrund seines Fluchtvorbringens nicht stattfinde. Nachdem aber das Bundesverwaltungsgericht das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft beurteilt – siehe hierzu unter 2.2. – war auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Kontakt zu seiner in Pakistan aufhältigen Familie besteht. Hinsichtlich des in Pakistan aufhältigen Bruders ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer zwar im Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen abgibt, sein Bruder sei ermordet worden. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Fluchtvorbringen jedoch – wie unter 2.2. ausgeführt werden wird – als nicht glaubhaft. Deshalb wurde in Ermangelung anderer Anhaltspunkte festgestellt, dass der Bruder des Beschwerdeführers ebenso in Pakistan lebt.
Die Feststellung zum Schul- und Englischkursbesuch des Beschwerdeführers beruhen auf den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers, die auch die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde legte.
Die Feststellungen zum Aufenthalt des Bruders beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers, sowie auf dem Akt zu dessen Verfahren, in den das Bundesverwaltungsgericht Einsicht genommen hat.
Zu seinen in Österreich besuchten Deutschkenntnissen hat der Beschwerdeführer Besuchsbestätigungen vorgelegt. Der Bescheid des AMS liegt im Akt ein und hat der Beschwerdeführer auch Gehaltsabrechnungen in Vorlage gebracht. Eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer war im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 auf einfachem Niveau möglich. Folglich wurde – trotzdem der Beschwerdeführer noch keine Prüfung absolviert hat – festgestellt, dass er über Deutschkenntnisse verfügt.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Hinsichtlich des „Zina“-Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers teilt das Bundesverwaltungsgericht die Einschätzung der belangten Behörde, der zufolge dieses Fluchtvorbringen widersprüchlich, unplausibel und damit nicht glaubhaft ist.
Zwar ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 13.12.2019 (OZ 11) in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien, dass sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe von weiten Teilen der afghanischen Gesellschaft als Schande für die Familie betrachtet werden und Geschlechtsverkehr zwischen einem nicht verheirateten Paar („Zina“) unter Strafe steht (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikokapitel, Unterkapitel 7. Frauen mit bestimmten Profilen oder Frauen, die unter bestimmten Bedingungen leben, Buchstabe a) Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, S. 81-84). Auch berichtet wird, dass Personen denen „Zina“ vorgeworfen wird, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaft, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte zu befürchten haben (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikokapitel, Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe c) Andere Handlungen, die gegen die Scharia verstoßen, S. 72-73). Auch die vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Ladung vom 23.12.2019 (OZ 11) in das Verfahren eingebrachte EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) bestätigt, dass „Zina“ als beschämendes moralisches Verbrechen in Afghanistan Frauen und Männern vorgeworfen werden kann. Es sei ein breites Konzept für jedes Verhalten außerhalb der Norm, wie etwa Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe und vorehelichen Geschlechtsverkehr. Es könne zu Todesdrohungen und Ehrenverletzungen und insbesondere Ehrenmorden führen und werde sowohl nach dem Strafgesetz als auch nach der Scharia bestraft. Betroffene würden bestraft und könne es auch zu Bestrafungen außerhalb des formellen Justizsystems etwa durch die Taliban kommen. Auch Familienangehörige und die Gesellschaft generell werden als potentielle Verfolger angeführt (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 12. Individuals perceived to have transgressed moral codes, S- 64-65). Damit entspricht zwar der Grundtenor des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers der tatsächlichen Lage im Herkunftsstaat.
Der Beschwerdeführer stellt allerdings den Handlungsverlauf der die Ausreise auslösenden Umstände nicht im Kern gleichbleibend dar. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.06.2018 gab der Beschwerdeführer noch an, er sei mit XXXX von Peshawar nach Kalam gefahren, sie hätten den letzten Bus verpasst und in Kalam übernachtet. Nach der Rückkehr hätte XXXX Familie mit ihm reden wollen (Erstbefragungsprotokoll, S. 6). In der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.09.2018 (Einvernahmeprotokoll vom 04.09.2018, S. 12) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 (OZ 13, S. 6 – 7) schildert der Beschwerdeführer dann, er sei mir seiner Conversation Class, in der auch XXXX gewesen sei, nach Swat bzw. Kalam gefahren, erst einige Tage später habe XXXX ihn angerufen und sie hätten sich in Naguman getroffen und seien von dort nach Sardaryab gefahren. Unerwähnt blieb zudem in der Erstbefragung, dass der Beschwerdeführer wiederholt Geschlechtsverkehr mit XXXX gehabt haben will, während er hier noch angibt, sie hätten ihn Swat übernachtet, was später nie wieder Erwähnung findet.
Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429). § 19 Abs. 1 AsylG verwehrt es der Behörde bzw. dem Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht generell, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und späteren Angaben einzubeziehen. Dies bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (VwGH 23.06.2020, Ra 2020/20/0188). Gegenständlich wurden im Zuge der Erstbefragung ungewöhnlich umfassende und detaillierte Angaben zum Fluchtvorbringen aufgenommen und vermag der Beschwerdeführer die Abweichungen nicht plausibel zu erklären. Mit seinen von der Erstbefragung abweichenden Angaben konfrontiert gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 lediglich an, ihm sei bewusst, dass die Versionen abweichen (OZ 13, S. 7), begründet dies jedoch nur vage damit, er sei in einer Stresssituation gewesen und habe einen langen Fluchtweg hinter sich gehabt (OZ 13, S. 7-8). Hieraus ist jedoch nicht nachvollziehbar erklärt, warum der Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung derart umfassende Angaben zum Fluchtgrund machen konnte, die eine in sich stimmige Geschichte ergeben, die sich, abgesehen von der übergreifenden Thematik der „verbotenen Beziehung“ im weiteren Verfahren völlig verliert.
Weiter sind die Angaben des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Schwangerschaft XXXX widersprüchlich. So gibt der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 04.09.2018 noch an, „Vielleicht haben sie das erfahren, weil sie vielleicht schwanger war.“ (Einvernahmeprotokoll vom 04.09.2018, S. 12) Am 25.10.2018 gibt er schließlich befragt dazu, wie XXXX Familie vom außerehelichen Geschlechtsverkehr erfahren hätten, an, sie habe ihm gesagt, dass er flüchten solle und sie schwanger sei. Sie hätten vielleicht von ihrer Schwangerschaft erfahren (Einvernahmeprotokoll vom 25.10.2018, S. 17) und gibt auch an, nicht zu wissen, ob das Kind geboren worden sei. Er habe keinen Kontakt zu ihr (Einvernahmeprotokoll vom 25.10.2018, S. 18). Unerwähnt bleibt an dieser Stelle auch, dass der Beschwerdeführer – wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 angibt – davon ausgeht, dass XXXX getötet worden sei (OZ 13, S. 11). In der mündlichen Verhandlung am 03.03.2020 macht der Beschwerdeführer wiederum aus eigenem keine Angaben hinsichtlich einer Schwangerschaft und gibt auf Nachfrage, ob XXXX schwanger gewesen sei, an, das wisse er nicht (OZ 13, S. 12) und behauptet konfrontiert mit seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme am 25.10.2018, das habe er so nicht gesagt. Er habe lediglich vermutet, dass sie schwanger sei (OZ 13, S. 12). Allerdings geht aus dem Protokoll der Einvernahme vom 25.10.2018 hervor, dass dem Beschwerdeführer die gesamte Niederschrift rückübersetzt wurde und ihm die Gelegenheit für Einwendungen gegen die Niederschrift gegeben wurde. Hierauf gibt der Beschwerdeführer hinsichtlich der protokollierten Angaben zur Schwangerschaft nichts zu Protokoll und hat zudem jede einzelne Seite des Einvernahmeprotokolls vom 25.10.2018 unterschrieben. Die Behauptung, er habe dies nicht so gesagt, erweist sich damit als nicht haltbar.
Auch seine Beweggründe hinsichtlich einer Heirat mit XXXX stellt der Beschwerdeführer nicht gleichbleibend dar. In der Erstbefragung gibt der Beschwerdeführer hierzu an, er habe sie nicht heiraten wollen, weil sie Schiitin sei. Die Familie XXXX habe allerdings gefordert, dass er sie heirate. In der niederschriftlichen Einvernahme am 04.09.2018 stellt der Beschwerdeführer den Handlungsverlauf schließlich so dar, dass sein Bruder habe eine Übereinkunft erzielen wollen, dass der Beschwerdeführer und XXXX heiraten könnten, der Beschwerdeführer und XXXX hätten heiraten wollen (Einvernahmeprotokoll vom 04.09.2018, S. 12). Damit konfrontiert behauptet der Beschwerdeführer, es sei die Ansicht seiner Familie gewesen, dass sie nicht heiraten sollten (Einvernahmeprotokoll, S. 15). Damit erscheint aber wiederum nicht nachvollziehbar, dass der Bruder des Beschwerdeführers beim Versuch, eine Übereinkunft hinsichtlich einer Hochzeit zu erzielen, ermordet worden sein soll. In der niederschriftlichen Einvernahme am 25.10.2018 gibt der Beschwerdeführer schließlich auf Nachfrage, warum er nicht erwogen habe, XXXX zu heiraten, an, „Ich wollte sie nicht heiraten, da ich mich um mein eigenes Leben kümmern wollte“ (Einvernahmeprotokoll vom 25.10.2018, S. 17). Diese Widersprüche versuchte der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 dadurch zu erklären, dass er gemeint habe, er habe sie zuerst heiraten wollen, deshalb sei der Bruder zur Jirga gegangen. Nachdem der Bruder getötet worden sei, habe er nicht gewusst, was mit XXXX passiert sei und habe beschlossen, sie nicht zu heiraten, weil er nicht gewusst habe, was danach mit ihm passieren könne (OZ 13, S. 12). Damit erklärt der Beschwerdeführer seine bis dahin bereits abweichenden Angaben nicht nur nicht, sondern führt zudem ein weiteres, zuvor nicht erwähntes Erklärungsmodell ein.
Hinsichtlich der Ermordung des Bruders gibt der Beschwerdeführer zunächst in der Erstbefragung an, dieser sei mit einem Messer erstochen worden. In der niederschriftlichen Einvernahme am 04.09.2018 schildert der Beschwerdeführer dagegen, der Bruder sei erschossen worden (Einvernahmeprotokoll vom 04.09.2018, S. 12) und erläutert von der belangten Behörde mit seinen Angaben in der Erstbefragung konfrontiert „Vielleicht hat einer mit dem Messer gestochen und ein anderer ihn mit der Waffe erschossen.“ (Einvernahmeprotokoll vom 04.09.2018, S. 15). Der Beschwerdeführer erklärt allerdings mit dieser Mutmaßung hinsichtlich der Todesart seines Bruders diese Abweichung nicht nachvollziehbar. So müsste der Beschwerdeführer doch angeben können, ob sein Bruder nun erstochen, erschossen oder erstochen und erschossen wurde bzw. wie er jeweils zu diesen Angaben kommt. Zwar gibt der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 schließlich an, sein Bruder sei zuerst mit dem Messer erstochen und danach erschossen worden, dies habe er von seinem Bruder in Österreich erfahren (OZ 13, S. 11). Nunmehr bleibt allerdings unklar, warum der Beschwerdeführer dies nicht bereits in der niederschriftlichen Einvernahme angegeben hat, nachdem er hier offenbar schon gewusst haben will, dass sein Bruder (auch) erschossen worden sein soll.
Zudem erscheint der vom Beschwerdeführer behauptetermaßen öffentlich praktizierte Geschlechtsverkehr in einem Restaurant in einem lediglich durch einen Vorhang abgetrennten Bereich (Einvernahmeprotokoll vom 25.10.2018, S. 14) als lebensfremd.
In Zusammenschau der beispielhaft aufgezeigten Ungereimtheiten entsteht insgesamt nicht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer tatsächlich erlebte Handlungsabläufe schildert. Damit konnte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen hinsichtlich „Zina“ nicht glaubhaft machen und wurden die entsprechenden Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers getroffen. Dass dem Beschwerdeführer – mag XXXX nun Verwandte in Afghanistan haben oder nicht – hieraus im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe drohen könnte, ist damit ebenso nicht zu erwarten.
Hinsichtlich der Tätigkeit des im Bundesgebiet aufhältigen Bruders des Beschwerdeführers für das afghanische Militär ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.04.2014, W156 1429952-1/8E, feststellt, dass der Bruder des Beschwerdeführers in der afghanischen Nationalarmee gedient und den Rang eines einfachen Soldaten bekleidet hat, sowie, dass er nie an Kampfhandlungen teilgenommen hat (Erkenntnis vom 09.04.2014, S. 8). Anhaltspunkte, die diese Feststellungen in Zweifel ziehen würden, haben sich auch im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben. Zwar ergibt sich aus den UNHCR-Richtlinien, dass regierungsfeindliche Kräfte auch Familienangehörige als Vergeltungsmaßnahmen gemäß dem Prinzip der Sippenhaft angreifen, insbesondere Verwandte von Regierungsmitarbeitern und Angehörigen der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte. Diese würden Opfer von Schikanen, Gewalt, Entführung und Tötung (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe k) Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, S. 54). Damit übereinstimmend berichtet auch die EASO Country Guidance von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance), dass Mitarbeiter afghanischer Sicherheitskräfte (ANSF; ANA, ANP, NDS und ALP) sowohl im Dienst als auch außer Dienst wahrscheinliches Ziel von Angriffen Aufständischer sind. Auch gezielte Tötungen und Entführungen in ländlichen Gebieten seien möglich. Auch EASO berichtet, dass auch Familienmitglieder von Aufständischen angegriffen und insbesondere unter Druck gesetzt werden, damit der Mitarbeiter der ANSF seine Position bei den Sicherheitskräften aufgibt. Auch frühere Mitarbeiter seien Ziel von Angriffen geworden (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 1. Members of the security forces and pro-government militias, S. 49). Hieraus ergibt sich allerdings, dass Angehörige von Mitarbeitern der ANSF ins Visier Aufständischer geraten, um ihre Familienmitglieder zur Aufgabe ihrer Position bei den Sicherheitskräften zu bewegen. Der Bruder des Beschwerdeführers ist seit beinahe zehn Jahren nicht mehr Angehöriger der Sicherheitskräfte und hat insbesondere nie aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen. Dass dem Beschwerdeführer hieraus im Fall der Rückkehr noch Gefahr droht, ist damit nicht zu erwarten. Insbesondere äußerte der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 keine derartige Rückkehrbefürchtungen.
Im Hinblick auf die Ermordung des Onkels väterlicherseits durch die Taliban kann der Beschwerdeführer lediglich oberflächliche und vage Angaben machen und führte auch diese vermeintliche Gefährdung im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.03.2020 nicht an, als er vom erkennenden Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichts explizit nochmals befragt wurde, warum er heute nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren könne (OZ 13, S. 13). Auch im Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen blieb die Ermordung des Onkels unerwähnt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.06.2020 gibt der Beschwerdeführer befragt zu den Ausreiseumständen in seiner Kindheit befragt lediglich an, sein Onkel sei getötet worden, er habe mit Japanern gearbeitet und sein Bruder habe sich bei der Armee gemeldet (OZ 20, S. 2), spannt den Bogen dieser Erzählung jedoch nicht zu einer aktuellen, seine Person betreffenden Gefährdung seiner Person im Fall der Rückkehr. In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 04.09.2018 gibt der Beschwerdeführer zu seinem Onkel lediglich an, es gebe eine Feindschaft. Die Dorfbewohner hätten sich zu Taliban gemacht und den Japaner auf die Berge mitgenommen Die Dorfbewohner hätten sich versammelt, der Onkel sei auch dabei gewesen. Der Onkel habe der Armee Bescheid gegeben und zwei Taliban festgehalten. 2009 hätten sie den Onkel mit einem schweren Maschinengewehr erschossen (Einvernahmeprotokoll vom 04.09.2018, S. 13). Ungeachtet dessen, dass diese Schilderung vor dem Hintergrund der Länderberichte (etwa UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe c) Zivilisten, die mit den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften/regierungsnahen Kräften verbunden sind oder diese vermeintlich unterstützen, S. 48) plausibel erscheint, ist nicht ersichtlich, warum der Beschwerdeführer deshalb zehn Jahre später gefährdet sein sollte und tut der Beschwerdeführer insbesondere nicht konkret dar, mit wem deshalb warum eine Feindschaft entstanden sein soll. So wurde der Onkel des Beschwerdeführers als „Täter“ bereits ermordet und ist damit nicht nachvollziehbar, warum dann noch nach den Prinzipien der „Sippenhaft“ der Beschwerdeführer als dessen Neffen angegriffen werden sollte. Insgesamt sind die Angaben des Beschwerdeführers zu vage, um eine Gefährdung für den Fall der Rückkehr glaubhaft zu machen.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 29.06.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance: Afghanistan und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 4. Sicherheitslage, Unterkapitel 4.24. Nangarhar, sowie auf der EASO Country Guidance von Juni 2019 und dem EASO COI Report, Afghanistan, Security situation von Juni 2019.
Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer Im Fall der Rückkehr in die Herkunftsprovinz die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden, beruht ebenso auf den eben zitierten Berichten zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz, wobei die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere mit jener von EASO übereinstimmt (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indisriminate violance, Abschnitt Nangarhar, S. 110).
Die Feststellungen zur COVID-19-Situation im Herkunftsstaat beruhen auf dem UNOCHA, Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response. Operational Situation Report von 01.07.2020, der ACCORD, Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) von 05.06.2020, die die Lage im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Länderinformationsblatt schildern (Abschnitt Länderspezifische Anmerkungen, Unterabschnitt COVID-19).
Die Feststellungen zur Wirtschafts- und Versorgungslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung. Dort wird auch berichtet, dass es finanzielle oder sonstige Unterstützung in Afghanistan nicht existiert.
Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.
Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff.). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).
Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig, spricht mit Paschtu eine im Herkunftsstaat verbreitete Sprache und verfügt über zum Teil im Herkunftsstaat erworbene, für afghanische Verhältnisse überdurchschnittliche Schulbildung. Er verfügt nicht über im Herkunftsstaat erworbene Berufserfahrung, konnte aber in Österreich Berufserfahrung als Küchenhilfe sammeln. Er gehört als Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zur im Herkunftsstaat mit 80 bis 89,7 % der Gesamtbevölkerung mehrheitlich vertretenen Religionsgemeinschaft (Länderinformationsblatt, Kapitel 17. Religionsfreiheit) und als Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen zur größten Volksgruppe des Herkunftsstaates (Länderinformationsblatt, Kapitel 18. Relevante Ethnische Minderheiten, Unterkapitel 18.1. Paschtunen). Insbesondere wird hinsichtlich dieser Volksgruppe nicht von spezifischen Diskriminierungen oder Gefahren berichtet. An körperlichen Vorerkrankungen leidet der Beschwerdeführer nicht, weswegen er hinsichtlich COVID-19 nicht zur Risikogruppe gehört.
Der Beschwerdeführer verfügt jedoch in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht über Familienangehörige oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte und ist mit bereits etwa 13 Jahren aus dem Herkunftsstaat ausgereist. Damit verfügt der Beschwerdeführer nicht über ein soziales Netzwerk, dass dem Länderinformationsblatt zufolge für das Überleben in Afghanistan wichtig und für Rückkehrer bei der Anpassung an das Leben in Afghanistan besonders ausschlaggebend ist. Insbesondere stelle ein Mangel an Netzwerken eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar (Kapitel 24. Rückkehr). Auch EASO schätzt ein Unterstützungsnetzwerk per se als essentiell für die Ansiedelung ein (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Individual circumstances, S. 136). Aktuell ist das wirtschaftliche Leben in den drei Städten zudem bedingt durch Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeschränkt, insbesondere Tagelöhner sind hiervon betroffen. Der ACCORD, Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) von 05.06.2020 zufolge gibt es aufgrund der landesweiten COVID-19-Beschränkungen weniger Gelegenheitsarbeit. Dies treffe insbesondere den informellen Arbeitsmarkt, auf den ein großer Teil der afghanischen Arbeitskräfte angewiesen sei. Bei Arbeitsmangel biete dieser kein Sicherheitsnetz. Zudem ist es auch zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise gekommen und wurden Hotels geschlossen. Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in der Lage ist, Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, erscheint unter diesen Bedingungen – insbesondere nachdem Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten, als formelle Qualifikation (Kapitel 20. Grundversorgung, Abschnitt Arbeitsmarkt) – als nicht wahrscheinlich. Zudem ist dem Bericht, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener von Friederike Stahlmann vom 27.03.2020 zu entnehmen, dass insbesondere Rückkehrer stigmatisiert werden, weil sie primär für die Gefahr durch Corona verantwortlich gemacht werden. Das Stigma, Seuchenüberträger zu sein, treffe auch aus Europa Eingereiste (S. 2). Dadurch würde die Niederlassung des Beschwerdeführers zusätzlich erschwert. Hierdurch würde eine Suche des Beschwerdeführers nach Arbeit und Unterkunft zweifellos weiter behindert.
Außerdem ist dem Bericht, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener von Friederike Stahlmann vom 27.03.2020 auch zu entnehmen, dass die Teehäuser ebenso als Gegenmaßnahme geschlossen wurden (S. 3). Der Beschwerdeführer wäre daher mangels Verfügbarkeit von Unterkünften von Obdachlosigkeit bedroht. Insbesondere gibt es auch keine staatliche Unterbringung von Rückkehrern (Länderinformationsblatt, Kapitel 24. Rückkehr). Nachdem der Beschwerdeführer in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht über soziale Anknüpfungspunkte verfügt, durch die ihm allenfalls Unterkunft gewährt werden könnte, wäre er im Fall der Rückkehr unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht.
Hinsichtlich einer allfälligen Unterstützung durch die Familie ist anzumerken, dass diese unter den aktuellen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nicht hinreichend gesichtert erscheint. So ist dem Bericht ACCORD, Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) vom 05.06.2020 zu entnehmen, dass teilweise zahlreiche Geschäfte und Büros geschlossen wurden. Auch dem Länderinformationsblatt ist zu entnehmen, dass unter anderem geschäftliche Aktivitäten eingeschränkt sind und hierauf insbesondere in den größeren Städten auch auf die Einhaltung der Maßnahmen geachtet wird. Damit ist nicht gesichert, dass die Abwicklung von allfälligen Geldtransfers aus dem Ausland zuverlässig möglich ist. Staatliche Unterstützung existiert dagegen nicht und wird hinsichtlich Rückkehrunterstützung berichtet, dass ein koordinierter Mechanismus nicht existiert. Insbesondere wird Rückkehrhilfe nur temporär und kurzfristig gewährt und funktioniert eine allfällige Anschlussunterstützung nicht lückenlos (Länderinformationsblatt, Kapitel 24. Rückkehr).
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften, dass eine ausreichende Unterstützung seiner Familie nicht gesichert ist und insbesondere, dass es ihm nicht möglich wäre, Fuß zu fassen und er Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Zudem zählt auch (UN)OCHA als Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten und „einschlägige internationale Menschenrechtsorganisationen“ iSd Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU zu den besonders bedeutsamen Quellen hinsichtlich der Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Parteiengehör bezüglich der in dieser Entscheidung hinsichtlich Punkt 2.3. der Beweiswürdigung neben den in das Verfahren eingebrachten verwendeten aktuellen Länderberichte konnte entfallen. Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Abfassung von Länderberichten sowie als spezialisierte Fachbehörde Kenntnisse über ebendiese Länderberichte; weiter wurden diese ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers verwendet, weshalb auch diesbezüglich eine Notwendigkeit zur Gewährung von Parteiengehör nicht gegeben war. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).
3.1.1. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen „Zina“
Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Judikatur grundsätzlich im Fall einer drohenden Ermordung durch Familienangehörige der „Geliebten“ bzw. von im Herkunftsstaat drohenden schweren gerichtlichen Strafen wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr („Zina“) bzw. einer außerehelichen Beziehung bei Vorliegen einer religiösen Motivation der Verfolger davon aus, dass ein Asylgrund im Sinne der GFK gegeben ist (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0141).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft machen, dass er außerehelichen Geschlechtsverkehr hatte sowie, dass ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe oder Misshandlungen durch die Familie seiner vermeintlichen Freundin droht. Damit konnte er eine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Judikatur im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht glaubhaft machen.
3.1.2. Zu einer allfälligen Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit zur „sozialen Gruppe“ der Familie des Bruders bzw. des Onkels
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung den Familienverband als „soziale Gruppe“ gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anerkannt. Verfolgung kann daher schon dann Asylrelevanz zukommen, wenn ihr Grund in der bloßen Angehörigeneigenschaft des Asylwerbers, somit in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe iSd Art. 1 Z 2 GFK, etwa jener der Familie liegt (Vgl. VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 mwN).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, sind im Fall der Rückkehr Übergriffe gegen den Beschwerdeführer wegen der vormaligen Tätigkeit des Bruders des Beschwerdeführers für die afghanische Armee nicht zu erwarten und konnte der Beschwerdeführer auch eine Gefährdung von Seiten der Taliban wegen der Ermordung des Onkels nicht glaubhaft machen. Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur sozialen Gruppe der Familie des Bruders bzw. des Onkels im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war daher zu verneinen.
Im Ergebnis war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß abzuweisen.
3.2. Zur Stattgebung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkt II. bis VI. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei – obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt – nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens – den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet – nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betro