TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 W164 2167718-2

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Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33

Spruch

W164 2167718-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, ehemals vertreten Mag. Ariane Olschak, p.A. Verein „Asyl in Not“, 1090 Wien, nun vertreten durch Verein „Frida Beratung in Asyl und Fremdenrecht“, dieser vertreten durch Mag Marianne Olschak, Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2018, Zl. 1078565906/150874275 (Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages) zu Recht erkannt:

A)       

Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz dahingehend abgeändert, als dieser zu lauten hat:

„Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen“.

B)       

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 16.07.2015 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 07.07.2017, Zl. 1078565906+15087275, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 3 iVm §2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II), dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG erteilt und gem § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Gem. § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. (Spruchpunkt III.) Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde gem. § 18 Abs 1 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass gem. § 55 Abs 1a FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.).

Dieser Bescheid wurde dem BF gemeinsam mit einer Verfahrensanordnung gem. § 52 Abs 1 BFA-VG laut Rückschein an die Adresse XXXX zugestellt. Laut den Eintragungen am aktenkundigen Rückschein wurde beim ersten Zustellversuch am 17.7.2017 eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeneinrichtung eingelegt. Ab 18.7.2017 wurde der Bescheid zur Abholung bereitgehalten. Am 09.08.2017 langte der Bescheid mit dem Vermerk „Zurück, nicht behoben“ wieder beim BFA ein.

Mit 31.1.2018 brachte der BF vertreten durch Mag Ariane Olschak, damals p.A. Verein „Asyl in Not“, Wien unter gleichzeitiger Vorlage einer Vollmacht bei der belangten Behörde einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und brachte zur Begründung vor, weder der BF, noch die mit der Verwaltung der Post beauftragten Personen seiner Unterkunft hätten Kenntnis von der oben genannten Zustellung erlangt. An der Meldeadresse des BF sei es von Juni 2017 bis September 2017 zu Problemen mit der Zustellung von Postsendungen gekommen. Vorgelegt wurden zwei Schreiben von Vertretern des die genannte Unterkunft betreuenden XXXX vom 18.2.2018 und 22.1.2018, mit denen bestätigt wurde, dass der BF seit seinem Einzug vom 11.01.2016, durchgehend an der genannten Adresse wohnhaft gewesen sei und dass es in der Zeit von Juni 2017 bis September 2017 im genannten Haus Probleme mit der Zustellung von Postsendungen gegeben habe. Postsendungen seien nur unregelmäßig eingetroffen. Bewohner hätten die Betreuer aufgesucht und mitgeteilt, dass sie Briefsendungen nicht erhalten hätten. Mehrere Personen hätten Briefe, Ladungen oder auch Pakete nicht erhalten. Die Post sei damals kontaktiert worden, jedoch ohne Erfolg.

Der BF erhob durch seine Rechtsvertretung gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.07.2017, Zl. 1078565906+15087275.

Die belangte Behörde richtete daraufhin am 08.02.2018 per E-Mail eine Anfrage an den Kundenservice der Österreichischen Post AG unter Anschluss des genannten Rückscheins und ersuchte um Auskunft, ob dem BF eine Verständigung über die Hinterlegung (vulgo „gelber Zettel“) zugekommen sei bzw. an der Zustelladresse abgegeben wurde und der BF von der Hinterlegung Kenntnis erhalten hat bzw. ob Zustellprobleme bekannt seien.

Seitens der Österreichischen Post AG wurde am 07.03.2018 geantwortet, dass sich an der Adresse des BF keine Hausbriefanlage befinde. Hinterlegungen und Benachrichtigungen würden dort an einen Betreuer übergeben, wenn der Empfänger nicht persönlich angetroffen werde. Zustellprobleme seien nicht vorhanden.

Mit Spruchpunkt I. des nun angefochtenen Bescheides vom 04.05.2018, Zl. 1078565906/150874275, hat die belangte Behörde den Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 31.01.2018 gemäß § 33 Abs 1 VwGVG idgF abgewiesen.

Mit Spruchpunkt II. hat die belangte Behörde dem Antrag auf Wiederseinsetzung die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die Zustellung des genannten Bescheides vom 07.07.2017 und der genannten Verfahrensanordnung sei ordnungsgemäß durch Hinterlegung am 18.07.2017 beim Postamt 1165 Wien erfolgt, nachdem ein Zustellversuch am 17.07.2017 nicht erfolgreich gewesen sei. Die Verständigung über die Hinterlegung sei laut Rückschein in der Abgabeneinrichtung eingelegt worden. Im vorliegenden Fall sei kein unabwendbares Ereignis iSd § 33 Abs 1 VwGVG gegeben. Bereits im Bescheid vom 07.07.2017, Zl. 1078565906+15087275, sei die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen worden. Dieser Bescheid sei dem BF durch Hinterlegung „rechtskräftig“ zugestellt worden. Der BF habe diesen Bescheid nicht innerhalb der Beschwerdefrist bekämpft. Er sei an der genannten Meldeadresse gemeldet und daher greifbar. Es sei ein Heimreisezertifikat seine Person betreffend erwirkt worden. Der Termin für die Abschiebung stehe nicht fest. Daraus ergebe sich, dass das private Interesse des BF an der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. am Verbleib im Bundesgebiet dem öffentlichen Interesse am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitige und zulässige Beschwerde, mit der beantragt wurde, dem Antrag auf Wiedereinsetzung nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung stattzugeben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit gem § 28 Abs 3 VwGVG zur Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Zur Begründung führte der BF durch seine Vertretung aus, er habe von der Hinterlegung des genannten Bescheides vom 07.07.2017, keine Kenntnis erlangt. Von der Existenz dieses Bescheides habe er erstmals dadurch erfahren, dass seine Vertretung am 17.1.2018 Akteneinsicht genommen habe.

Von Juni bis September 2017 sei es in der Unterkunft des BF gehäuft zu Zustellproblemen gekommen. Auch der BF sei davon betroffen gewesen. Er habe sich regelmäßig an seiner Adresse aufgehalten. Ihn treffe kein Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist. Die belangte Behörde habe abgesehen von einer E-Mail-Anfrage an die Post kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt. Auch sei das Parteiengehör nicht eingehalten worden. Aus der Beantwortung der genannten Anfrage an die Post ergebe sich, dass an der Meldeadresse des BF kein Hausbrieffach vorhanden sei. Hinterlegungen und Benachrichtigungen würden dort an einen Betreuer übergeben, wenn der Empfänger nicht persönlich angetroffen werde. Aus der Mitteilung der österreichischen Post AG, dass Zustellprobleme nicht vorhanden seien, sei nicht erkennbar, ob es konkret von Juni bis September 2017 an der genannten Zustelladresse zu Zustellproblemen gekommen sei oder nicht.

Die belangte Behörde habe die mit Antrag vom 31.1.2018 gestellten Beweisanträge ohne Begründung nicht gewürdigt und die vorgelegten Schriftstücke des die genannte Unterkunft betreuenden XXXX übergangen. Erneut wurde die zeugenschaftliche Einvernahme der Frau XXXX und der Frau XXXX , beide XXXX , XXXX Wien.

Die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass der genannte Bescheid vom 07.07.2017, dem BF wirksam zugestellt worden wäre. Dies sei nicht der Fall. Der BF habe ohne sein Verschulden von der Zustellung keine Kenntnis erlangt. Auch sei nicht nachvollziehbar und daher unschlüssig, dass die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgehe, die Verständigung von der Hinterlegung wäre in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden, wo die Post doch bekannt gegeben habe, dass es an der Meldeadresse des BF keine Abgabeeinrichtung gebe sondern Benachrichtigungen in der Regel den Betreuern übergeben würden.

Mit ergänzender Beweisvorlage vom 21.6.2018 legte der BF durch seine Rechtsvertretung eine schriftliche Stellungnahme der Unterkunftsbetreuerin XXXX vom 04.06.2018 als Beweismittel vor. Darin werde einerseits erneut bestätigt, dass es im Zeitraum zwischen Juni und September 2017 zu Zustellproblemen an der Adresse XXXX Wien, gekommen sei. Weiters müsse aus diesem Schreiben abgeleitet werden, dass die Servicestelle der Post dem BFA eine unrichtige Auskunft gegeben habe bzw. dass sich die Auskunft der Post nicht auf den hier relevanten Zeitraum bezogen habe. Das in der Stellungnahme der Post erläuterte Zustellsystem werde erst seit Herbst 2017 angewendet und sei genau deshalb entstanden, da es im Sommer 2017 gehäuft zu Zustellproblemen gekommen sei. Der BF beantragte erneut eine mündliche Beschwerdeverhandlung und Befragung namhaft gemachter ZeugInnen. Der BF sei nicht der einzige aus dieser Unterkunft, der im Sommer 2017 unverschuldet einen Bescheid nicht zugestellt bekommen habe. Der BF verwies auf ein weiteres Wiedereinsetzungsverfahren einer Bewohnerin seines Asylheimes.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts W164 2167718-1/4Z vom 10.12.2018 wurde Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 5 VwGVG behoben und dem Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 31.01.2018 aufschiebende Wirkung zuerkannt. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.

Mit Schreiben vom 09.01.2019 gab die Vertreterin des BF, Frau Mag. Ariane Olschak die Kündigung der vom BF erteilten Vollmacht bekannt und verwies auf eine Aktuelle Vollmacht ihrer Kollegin Mag. Anna Resch. Mit Schreiben vom 26.06.2019 kündigte Frau Mag. Anna Resch das genannte Vollmachtsverhältnis.

Mit Schriftsatz vom 27.09.2019 gab der BF bekannt, das das Vollmachtsverhältnis zum Verein „Asyl in Not“ aufgelöst worden sei und der BF nun vom Verein „frida-Beratung in Asyl- und Fremdenrecht“, dieser wiederum durch Mag. Ariane Olschak, vertreten werde. Die Vollmacht umfasse keine Zustellvollmacht. Die aktuelle Meldeadresse des BF wurde bekannt gegeben.

Der BF verwies durch seine nunmehrige Rechtsvertretung erneut auf die bereits erwähnten Zustellprobleme und auf den Beschluss I403 2190501-1 des BVwG – diese hatte ein Zustellproblem im selben Wohnhaus zum Gegenstand, in dem auch der BF in der relevanten Zeit wohnhaft war und betraf auch den hier relevanten Zeitraum. Der BF verwies weiters auf die oben genannten Schreiben vom 18.1.2018, 22.1.2018 und 4.6.2018 und legte ein weiteres Auskunftsschreiben des XXXX vom 13.09.2019 vor, mit dem erneut bestätigt werde, dass Bewohner des genannten Asylheimes Postsendungen nicht erhalten hätten. Die impliziere, dass auch Hinterlegungsanzeigen („gelbe Zettel“) nicht erhalten wurden. Der BF habe in der fraglichen Zeit der angeblichen Zustellung durchgehend in der genannten Unterkunft gewohnt und habe seine Post regelmäßig kontrolliert. Er habe niemals Kenntnis von der Hinterlegung des Bescheides erlangt. Es liege eine mangelhafte Zustellung iSd § 17 ZustG vor. Die Beschwerdefrist habe nicht zu laufen begonnen (VwGH Ra 2018/18/0302 vom 1312.2018). Eine Fristversäumnis habe nicht eintreten können (VwGH 2011/05/0076 vom 28.05.2013).

Der BF sei von der Hinterlegung des Bescheides nicht ordnungsgemäß verständigt worden. Es fehle eine unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Zustellung (VwGH Ro 2018/02/0014 vom 01.02.2019). Die Verständigung von der Hinterlegung sei nicht in einer Form hinterlassen worden, von der anzunehmen wäre, dass der Empfänger sie tatsächlich erhalten hätte. Die Hinterlegung sei ohne rechtliche Wirkung.

Auch die am 17.01.2018 erfolgte Akteneinsicht durch die rechtliche Vertretung des BF habe keine Heilung der mangelhaften Zustellung bewirken können. Die bloße Kenntnis der Vertreterin vom Bescheidinhalt durch Übermittlung einer Kopie bilde kein „tatsächliches Zukommen“ des Bescheides gegenüber dem Vertreter (VwGH 2013/01/0173 vom 16.07.2014). Maßgeblich für den Tatbestand des „tatsächlichen Zukommens“ sei, dass der Bescheid im Original durch den Empfänger bzw. dessen Vertretung „körperlich“ in Empfang genommen werde. Die Vertreterin des BF habe im Zuge der Akteneinsicht lediglich Fotokopien des Bescheides anfertigen dürfen. Sie habe zum damaligen Zeitpunkt über keine Zustellvollmacht verfügt. Somit sei auch am 17.01.2018 keine wirksame Zustellung an die Vertretung des BF erfolgt. Der BF beantragte nun die Zurückweisung seines Antrages auf Wiedereinsetzung vom 31.01.2018.

Beigelegt wurde eine Bestätigung des XXXX vom 13.09.2019 an Herrn XXXX , Rechtsberater „Queer Base“, Wien, mit dem bestätigt wird, dass es im Zeitraum Juni 2017 bis Oktober 2017 im Haus XXXX (dem vom BF im relevanten Zeitraum bewohnten Asylheim) zu Problemen mit der Zustellung von Postsendungen gekommen sei. Postsendungen seien in dieser Zeitspanne nur unregelmäßig eingetroffen. BewohnerInnen hätten die Heimleitung vermehrt aufgesucht und mitgeteilt, dass sie Briefsendungen nicht erhalten hätten. Es sei auch vorgekommen, dass gelbe Verständigungszettel nicht an die BewohnerInnen gelangt seien. Die Heimleitung habe diesen Sachverhalt an den Fachbereich des Arbeits-Samariterbundes kommuniziert, der wiederum versucht habe, bei der Post zu intervenieren. Grundsätzlich würden die BewohnerInnen die Hauptverantwortung dafür tragen, ihre Post täglich zu kontrollieren. Nichtsdestrotrotz würden MitarbeiterInnen und Zivildiener immer wieder ein Auge auf die Post werfen und Postzustellungen verteilen, wenn etwa bemerkt werde, dass Postsendungen aus einer Art „Hausbrieffach“ im Rezeptionsbereich seit geraumer Zeit von den BewohnerInnen nicht abgeholt würden.

Das BFA erhielt diese Stellungnahme samt Beilagen im Sinne eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Hinsichtlich der Feststellungen des Sachverhaltes wird auf die in Punkt I. (Verfahrensgang) gemachten Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und in die im Beschwerdeverfahren eingebrachten Schriftsätze. Sämtliche wesentliche Beweismittel sind allen Parteien des Beschwerdeverfahrens bekannt.

Mehrere Vertreter der Organisation XXXX , die das vom BF im relevanten Zeitraum bewohnte Asylheimes im relevanten Zeitraum betreut und geleitet hat, haben in unbedenklicher Weise übereinstimmend schriftlich bestätigt, dass im dem vom BF bewohnten Asylheim im hier relevanten Zeitraum Juni 2017 bis Oktober 2017 Zustellprobleme vorkamen, und dass der zuständige Fachbereich der genannten Organisation aus diesem Anlass Kontakt mit der Österreichischen Post AG aufgenommen hatte, um die aufgetretenen Probleme in den Griff zu bekommen.

Die diesbezüglichen übereinstimmenden Angaben von mehreren VertreterInnen der am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Organisation XXXX erscheinen unbedenklich. Auch das BFA hat im Zuge des im Beschwerdeverfahren gewährten Parteiengehörs keine Bedenken hinsichtlich dieser Angaben geltend gemacht. Eine nochmalige Befragung der genannten VertreterInnen der Organisation XXXX im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erscheint unter Beachtung des Grundsatzes der Verfahrensökonomie nicht notwendig und daher nicht geboten.

Zu Recht hat der BF darauf hingewiesen, dass die vom BFA im März 2018 eingeholte Auskunft der Österreichischen Post AG nicht mehr in den hier relevanten Zeitraum fällt und Zustellprobleme für den damals aktuellen Zeitraum (also März 2018) verneint. Aus dieser Auskunft konnte unter Beachtung der weiteren unter Punkt I. „Verfahrensgang“ näher dargestellten Beweismittel aber gerade nicht abgeleitet werden, dass diese unproblematische Situation auch für den hier relevanten Zeitraum galt.

In Zusammenschau mit den weiteren nun vorliegenden Beweismitteln war daher insgesamt davon auszugehen, dass im hier relevanten Zeitraum Juni 2017 bis Oktober 2017 bei der Zustellung von Postsendungen an Bewohner des vom BF damals bewohnten Asylheimes sehr wohl Fehler unterliefen. Im vorliegenden Fall war daher davon auszugehen, dass der BF die Verständigung von der ab 18.07.2017 für ihn hinterlegten Postsendung nicht erhalten hat. Eine ordnungsgemäße Zustellung dieser Postsendung ist nicht als erwiesen anzunehmen. Die im aktenkundigen Rückschein vorgenommenen Eintragungen sind als widerlegt zu betrachten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 33 Abs 1 VwGVG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu bewilligen, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist […] versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis Ra 2017/20/0290 vom 19.10.2017 ausgeführt hat ist die in § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG nicht ein. Zwar macht ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis als öffentliche Urkunde Beweis über die Zustellung; allerdings ist der Gegenbeweis (etwa dass der in der Urkunde bezeugte Vorgang unrichtig ist; vgl. § 292 Abs. 2 ZPO) möglich.

Entspricht die Form der Zurücklassung nicht dem Gesetz, bleibt die Hinterlegung ohne Wirkung. Die Verständigung ist grundsätzlich in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach, Briefeinwurf) einzulegen. Ob die Abgabeeinrichtung für die Abgabestelle bestimmt ist, ist anhand objektiver Kriterien (Lage, Aufschrift) zu beurteilen, die den Schluss zulassen, der Adressat wolle auf diese Weise schriftliche Mitteilungen entgegennehmen. Lässt sich eine solche Zuordnung nicht treffen, liegt keine Abgabeeinrichtung im Sinne des Gesetzes vor. Gleiches gilt auch, wenn diese (erkennbar) stillgelegt oder in einer ihrer Funktion beeinträchtigenden Weise beschädigt ist, sodass insbesondere der Inhalt für Dritte zugänglich ist. Das Zustellorgan hat die Verständigung der Hinterlegung derart an der Abgabestelle zurückzulassen, dass anzunehmen ist, dass die Art des Zurücklassens die größere Gewähr dafür bietet, dass der Empfänger die Verständigung tatsächlich erhält.

Eine in eine falsche Abgabeeinrichtung, eingelegte Verständigung, entspricht nicht dem Gesetz, weil unter "Abgabestelle" in § 17 Abs. 2 ZustG nur die auf der Sendung und dem Rückschein angeführte Abgabestelle gemeint ist.

Eine Hinterlegung ohne dem Gesetz entsprechende schriftliche Verständigung iSd § 17 Abs 2 ZustG entfaltet keine Rechtswirkungen und erlaubt eine Sanierung des damit unterlaufenen Zustellmangels nur nach Maßgabe des § 7 ZustG.

Gemäß § 7 ZustG gilt, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Die bloße Kenntnis vom Vorhandensein eines zuzustellenden Dokuments vermag die Zustellwirkungen nicht zu entfalten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 2013/05/0175 vom 23.11.2016 ausgeführt hat, wird der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 47 AVG in Verbindung mit § 292 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind.

Im vorliegenden Fall wird zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages vom 31.01.2018 ein Zustellmangel behauptet. Es wird behauptet, dass für den BF anlässlich der verfahrensgegenständlichen Zustellung vom 18.7.2017 im Hausbrieffach seines Wohnheimes keine Hinterlegungsanzeige zurückgelassen wurde. Diese Behauptung widerspricht zwar den aktenkundigen Eintragungen am Rückschein. Dem BF ist jedoch ein Gegenbeweis in dem Sinn gelungen, als er glaubhaft machen konnte, dass in der fraglichen Zeit Juni 2017 bis September 2017 wiederholt Zustellprobleme in dem Sinn eintragen, dass BewohnerInnen des Heims Post nicht erhielten oder dass für sie keine Hinterlegungsanzeigen im Hausbrieffach zurückgelassen wurden.

Die Beschwerdefrist kann nur im Fall einer wirksamen Zustellung versäumt werden. Im Fall eines Zustellmangels beginnt die Beschwerdefrist erst zum Zeitpunkt der Heilung des Zustellmangels zu laufen.

Im vorliegenden Fall war der Bescheid des BFA vom 07.07.2017, Zl. 1078565906+15087275 dem BF nicht per 18.07.2017 wirksam zugestellt worden.

Die vom BF durch seine Vertreterin per 31.01.2018 gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.07.2017 erfolgte daher rechtzeitig.

Ob der festgestellte Zustellmangel anlässlich einer durch die (nicht ausdrücklich zustellbevollmächtigte) Vertreterin des BF vorgenommenen Akteneinsicht vom 17.01.2018 geheilt wurde, oder ob die Beschwerde bereits eingebracht wurde, noch ehe überhaupt eine wirksame Zustellung des Bescheides vom 07.07.2017 erfolgte, muss nicht mehr näher geprüft werden, da die Beschwerde vom 31.01.2018 in beiden Fällen als rechtzeitig zu beurteilen ist.

Somit liegt eine rechtzeitige Beschwerde vom 31.1.2018 gegen den Bescheid des BFA vom 07.07.2017 vor. Die Beschwerdefrist wurde nicht versäumt. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 31.01.2018 war als unzulässig zurückzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht wird ein Beschwerdeverfahren über die vom BF rechtzeitig erhobene Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 07.07.2017, Zl. 1078565906+15087275 führen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristenwahrung Rechtzeitigkeit Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung Zustellmangel Zustellung Zustellwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W164.2167718.2.00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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