TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 W155 2233021-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W155 2233021-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dieser Antrag abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Mit Erkenntnis vom XXXX , XXXX wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab.

Der BF war während des Asylverfahrens in XXXX , nach rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens in II. Instanz ab 31.07.2019 in einer Betreuungsstelle des Bundes - zunächst in Schwechat (bis 18.03.2020), anschließend in Traiskirchen (vom 19.05.2020 bis 08.06.2020) - aufhältig.

Mit Mandatsbescheid vom XXXX trug die belangte Behörde dem BF gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG auf, bis zur Ausreise durchgängig in der Bundesbetreuungseinrichtung Rückkehrberatungszentrum (RÜBE) XXXX , XXXX , Unterkunft zu nehmen. Die Überstellung in die RÜBE XXXX erfolgte am 08.06.2020. Gegen diesen Mandatsbescheid (Wohnsitzauflage) wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Zuvor, am 03.06.2020, erging an den BF ein Ladungsbescheid der belangten Behörde mit der Aufforderung, am 09.06.2020 von 13:00 bis 14:00 Uhr in XXXX zu einer Einvernahme persönlich zu kommen. Dem BF wurde der Stand des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt und Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen. Dabei gab der BF an, eine Freundin zu haben, die er heiraten möchte und daher in Österreich bleiben wolle. Die Unterschrift auf die Niederschrift wurde vom BF verweigert.

Ab 14.06.2020 war der BF unbekannten Aufenthaltes. Er hat sich aus der Unterkunft entfernt und ist nicht mehr zurückgekehrt.

Am 16.06.2020 erließ die belangte Behörde einen Festnahmeauftrag (§ 34 Abs. 3 Z1 BFA-VG).

Am 29.06.wurde der BF aufgrund des vorliegenden Festnahmeauftrages festgenommen und in das PAZ-HG nach Wien überstellt.

Am XXXX wurde der BF niederschriftlich vernommen und zu seinen Lebensverhältnissen und bisherigen Aussagen und Angaben zu seinem Aufenthalt in Österreich befragt. Dem BF wurde mitgeteilt, dass auf Grund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes, seines Untertauchen und seiner Mittellosigkeit eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen und zur Sicherung dieses Verfahrens und der Abschiebung die Schubhaft verhängt werde. Außerdem wurde die Vorführung vor die nigerianische Botschaft sowie die Abschiebung per Luftweg nach Nigeria im August angekündigt. Der BF stellte über seinen Rechtsvertreter (bzw. dessen Mitarbeiter) einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltsrechtes gemäß § 56 AsylG.

Mit angefochtenem Mandatsbescheid vom XXXX wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Mit Verfahrensanordnung vom 03.07.2020 wurde ihm ein Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Dieser legte eine allgemeine Jobzusage für den Fall eines Bleiberechtes des BF vor.

Am 15.07.2020 erhob der BF Beschwerde und führte begründend im Wesentlichen aus, dass eine frist- bzw. zeitgerechte Ausreise nicht möglich gewesen sei, weil die nigerianische Botschaft kein Heimreisezertifikat (HRZ) ausgestellt habe. Eine neuerliche Vorführung sei daher nicht erforderlich. Die Behörde sei ihrer Pflicht, auf eine möglichst kurze Haftzeit hinzuwirken, nicht nachgekommen. Es sei auf Grund von Covid-19 nicht ersichtlich, wann tatsächlich Abschiebungen möglich sein würden, die Schubhaft sei daher unverhältnismäßig. Der belangten Behörde unterstellte er die Verhängung der Schubhaft aus Ärger. Er habe jeder behördlichen Maßnahme Folge geleistet und mitgewirkt. Die erfolgte Wohnsitzauflage sei rechtswidrig angeordnet worden und stelle einen Eingriff in die Rechte nach Art. 8 der MRK dar. Die Verlegung aus seiner familiären Umgebung in XXXX in ein Containerdorf bzw in der Folge in ein XXXX Bergdorf habe ihn psychisch belastet und habe sein Weglaufen begründet. Das gelindere Mittel, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden hätte anstelle der Verhängung der Schubhaft ausgereicht. Bei Erteilung des beantragten humanitären Aufenthaltstitels hätte er einen fixen Arbeitsplatz. Er sei aufgrund seiner Unterstützer nicht mittellos. Er sei am 29.06.2020 festgenommen und erst 2 Tage später einvernommen worden. Das Zuwarten stelle eine Rechtswidrigkeit der Anhaltung dar. Er beantragte die Einvernahme einiger Unterstützer als Zeugen und die Einvernahme des Behördenvertreters ADir König sowie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung der Schubhaft bis zur Einvernahme und die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides.

Die belangte Behörde legte die angeforderten Aktenteile mitsamt einer Stellungnahme vor und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Am 16.07.2020 wurde der BF der nigerianischen Delegation vorgeführt und seine Identität festgestellt und die Ausstellung eines HRZ zugesagt. Der Konsul klärte den BF über seine Situation auf und legte ihm die freiwillige Ausreise nahe.

Darüber hinaus wurde das erkennende Gericht von der belangten Behörde informiert, dass eine Flugbuchung veranlasst wurde und der Abschiebetermin mit 01.08.2020 avisiert wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria und führt den im Spruch genannten Namen. Seine Identität steht fest. Er ist nicht österreichischer Staatsbürger, sohin Fremder im Sinne des FPG.

Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter und verfügt nicht über einen Aufenthaltstitel in Österreich.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten, er wird seit 02.07.2020 zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens in Schubhaft angehalten.

Der BF ist gesund. Es gibt keine stichhaltigen Hinweise für substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur.

Der BF ist zum Entscheidungszeitpunkt haftfähig.

Zur Schubhaft, zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

Der BF verfügt über eine rechtskräftige und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme. Dem BF kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot ist anhängig sowie die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen.

Für den BF liegt aktuell eine HRZ- Zusage des nigerianischen Konsulates vor. Die Abschiebung ist für August geplant.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer besteht zum Zeitpunkt dieser Entscheidung in hinreichendem Maße. Die Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist möglich.

Der BF hat keine sozialen Bindungen in Österreich und weist keine besonderen Integrationsmerkmale auf. Er verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nach. Er verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der BF ist nicht vertrauenswürdig. Er ist nicht ausreisewillig.

2. Beweiswürdigung:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren und aus den Gerichts- und Verwaltungsakten zu oben angeführten Geschäftszahlen, insbesondere aus den jeweiligen Einvernahmeprotokollen (zB. vom 09.06.2020, XXXX ).

Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des BF wurde von der nigerianischen Botschaft bestätigt.

Dass er nicht österreichischer Staatsbürger, nicht Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist und in Österreich über keinen Aufenthaltstitel verfügt, gründet sich auf die Aktenlage; Gegenteiliges wurde auch nicht behauptet.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer aktuellen Strafregisterauskunft.

Die Feststellungen zum Wohnsitz ergeben sich aus dem Melderegister.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand stützt das Gericht auf die diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers in seinen Einvernahmen am 09.06.2020, XXXX . Der Beschwerdeführer gab an, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall ist, sind auch der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres nicht zu entnehmen.

Der BF ist seit 25.01.2020 vom Verein „ XXXX “ abgemeldet.

Zur Schubhaft, zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

Die Feststellungen zum Fortgang des gegen den Beschwerdeführer geführten Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergeben sich aus dem diesbezüglichen Verwaltungsakt der belangten Behörde.

Aufgrund der Covid-19-Pandemie kommt es zwar weiterhin zu Einschränkungen bzw. Verzögerungen im internationalen Flugverkehr. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Nigeria innerhalb der gesetzlichen Höchstdauer der Schubhaft besteht jedoch aus aktueller Sicht. Die schrittweise Rücknahme der Restriktionen in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ist bereits angelaufen. Anhaltspunkte, dass innerhalb der Höchstdauer der Schubhaft keine Abschiebung des Beschwerdeführers möglich wäre, sind nicht gegeben. Ferner ist festzuhalten, dass eine Abschiebung mittels Charterfluges nicht die Wiederaufnahme des Linienflugverkehrs voraussetzt.

Die bestehende Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, aus der sich keine Anhaltspunkte für eine Haftuntauglichkeit ergeben haben. Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Dass der Beschwerdeführer nicht vertrauenswürdig ist, ergibt sich unzweifelhaft aus seinen widersprüchlichen und falschen Angaben zu seinen privaten Bindungen in seinen Einvernahmen und den aktenkündigen Ermittlungen der belangten Behörde sowie im Zusammenhang mit seinem Untertauchen. Er hat damit deutlich aufgezeigt, sich nicht an die gesetzlichen Anordnungen halten zu wollen.

Dass der Beschwerdeführer keinen gesicherten Wohnsitz in Österreich hat, stützt das Gericht auf die Einvernahme am XXXX , in der der BF weder Namen eines Unterkunftgebers noch eine Adresse angeben konnte.

Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer in Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen wäre, sind den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Eine bisherige legale Beschäftigung wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Eine nachhaltige Existenzsicherung ist aufgrund der in der Anhaltedatei ausgewiesenen Geldreserven nicht zu erblicken. Einer Selbsterhaltungsfähig steht entgegen, dass der Beschwerdeführer in Österreich mangels entsprechenden Aufenthaltstitels keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Dass keine verbindliche Jobzusage seitens Blattform Garten- und Raumgestaltung vorliegt ergibt sich dem entsprechenden Schreiben.

Eine nennenswerte soziale Verankerung in Österreich wurde vom Beschwerdeführer in der Einvernahme zwar vorgebracht, konnten aber nicht nachgewiesen werden. Besondere Integrationsmerkmale sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der BF spricht nicht Deutsch und konnte keine Prüfungszeugnisse vorlegen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen: Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

§§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs. 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur

Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund

nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Zu Spruchpunkt A) I

Das bedeutet für den vorliegenden Fall:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder asylberechtigt noch subsidiär Schutzberechtigter, er verfügt über kein Aufenthaltsrecht in Österreich, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.

Fluchtgefahr/Sicherungsbedarf

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständliche Schubhaft auf der Überlegung beruhte, dass der BF unbekannten Aufenthaltes und für die Behörde nicht greifbar war.- Er entzog sich der bestehenden Wohnsitzauflage und hielt sich im Verborgenen auf. Er stellte in den Einvernahmen klar, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde.

Gemessen an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich (§76 Abs. 3 Z 9 FPG) zu berücksichtigen. Der BF verfügt zwar über eine Anhängerschaft, aber über keine vertiefenden Beziehungen, die auf eine Verankerung in Österreich schließen. Er konnte weder einen Wohnsitz nennen und verfügt über keine finanziellen Mittel. Es liegen daher in einer Gesamtbetrachtung keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF aufgrund des Grades einer familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat, um sich seinem Überstellungsverfahren nicht zu entziehen.

Dass beim BF – wie in der Beschwerde behauptet – keine Fluchtgefahr vorliegt, kann aufgrund obiger Erwägungen nicht erkannt. Die belangte Behörde ist daher zu Recht vom Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr ausgegangen.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass das Verhalten des BF nicht vertrauenswürdig ist. Er hat in seiner Einvernahme erklärt, nicht nach Nigeria zurückkehren zu wollen, was eine Abschiebung erschweren könnte. ER behauptete verlobt zu sein und heiraten zu wollen. Diesbezügliche ernstzunehmende Beziehungen konnte der BF nicht darlegen, wie sich aus dem Verfahrensakt und den Einvernahmen ergibt. Auf Grund einer vorzunehmenden Verhaltensprognose ergibt sich ein Sicherungsbedarf, da ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF verfügt zudem in Österreich nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung und liegen keine Anhaltspunkte für eine Verankerung des BF im Inland vor. Im Ergebnis kann vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen werden.

Zur Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft:

Bei der Verhältnismäßigkeit ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Wie schon die belangte Behörde ausführte, kommt einem geordneten Fremdenwesen im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seine europäischen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen. Bei der Interessenabwägung wurde das private Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintangestellt. Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung ihrer Aufenthaltsbeendigung. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

Im Übrigen kann von einer Unverhältnismäßigkeit auch deshalb keine Rede sei, weil gesetzliche Frist zur Überstellung noch läuft.

Gelinderes Mittel:

Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.

Aufgrund des vom BF gesetzten Verhaltens – insbesondere der Tatsache, dass er schon einmal untergetaucht ist und dadurch die Vertrauenswürdigkeit gemindert ist, kann ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung des Überstellungsverfahrens führen. Der BF will nach seinen Angaben nicht nach Nigeria zurück. Es ist somit nicht zu erwarten, dass der BF bei Entlassung aus der Schubhaft seinen fremdenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen werde. Er hat auch keine familiären oder sozialen Bindungen an Österreich und verfügt hier über keinen eigenen Wohnsitz. Es ist daher nicht zu erwarten, dass der BF in Freiheit belassen seine Überstellung nach Nigeria abwarten werde, sondern Handlungen setzen wird, um Unterzutauchen.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels wurde daher zu Recht ausgeschlossen.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, ein gesichertes berstellungsverfahren zu gewährleisten.

Zu Spruchpunkt A) II

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das BVwG, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das BVwG nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und „ermächtigt“ das BVwG, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage „in der Sache“ zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).

Unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Schubhaft besteht aus Sicht des erkennenden Gerichtes kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall nach wie vor aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 6 und 9 FPG eine erhebliche Fluchtgefahr des BF sowie ein besonders hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung seiner Abschiebung – somit ein erheblicher Sicherungsbedarf – zu bejahen ist. Es besteht damit ein öffentliches Interesse, Personen wie den BF in jenen Staat zu überstellen, der für die Führung des Asylverfahrens – und gegebenenfalls in weiterer Folge für eine Abschiebung in den Herkunftsstaat – zuständig ist.

Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Dies insbesondere auch deshalb, weil der BF nicht in das für das Asylverfahren zuständige Land zurückkehren will. Es ist daher umso mehr davon auszugehen, dass der BF bei Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich dem Verfahren entziehen werde. Damit liegt die geforderte „Ultima-ratio-Situation“ für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft auch weiterhin vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt A) III. und IV

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG siehe VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid und gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der BF als auch die belangte Behörde haben einen Antrag auf Kostenersatz entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen gestellt. Die belangte Behörde ist aufgrund der Abweisung der Beschwerde obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat. Dem BF gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

Der belangten Behörde gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 4 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 368,80 für den Schriftsatzaufwand und gemäß § 1 Z 3 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 57,40 für den Vorlageaufwand, sohin insgesamt EUR 426,20.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungs-behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Von der Einvernahme der beantragten Zeugen konnte auf Grund des geklärten Sachverhaltes abgesehen werden. Zudem ist der der Beweisantrag unbestimmt. Die Beachtlichkeit eines Beweisantrages setzt die ordnungsgemäße Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, somit jener Punkte und Tatsachen, die durch das gegebene Beweismittel geklärt werden soll (VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0189).

Ein solcher Beweisantrag liegt gegenständliche nicht vor.

Zu Spruchpunkt B) Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme der belangten Behörde findet sich ein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt überdies der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W155.2233021.1.00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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