Entscheidungsdatum
24.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W183 2209608-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.07.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2016 Iran, stellte am 26.05.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 27.05.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 30.08.2018 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.
Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er Iran wegen des Mullah-Regimes verlassen habe und zum Christentum konvertiert sei.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 23.10.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
3. Mit Schriftsatz vom 14.11.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass entgegen den Ansichten der belangten Behörde keine Scheinkonversion vorliege und der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht in sein Heimatland zurückkehren könne. Es wurden ausführliche Berichte zur Lage von Konvertiten zum Christentum in Iran sowie Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts auszugsweise wiedergegeben. Der Beschwerdeführer sei aus innerer Überzeugung zum Christentum übergetreten und könne in Österreich seinen Glauben frei ausleben. Er besuche wöchentlich den Gottesdienst, bete regelmäßig und werde am 24.11.2018 getauft. Zum Beweis der Integration und der Konversion seien zwei Personen zu einer Aussage bereit.
4. Mit Schriftsatz vom 14.11.2018 (eingelangt am 16.11.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).
5. Mit Schreiben vom 04.12.2018 und vom 02.04.2019 wurden relevante Unterlagen betreffend Konversion und Integration (Taufbestätigung, Fotos der Taufe und Teilnahmebestätigung für einen Deutschkurs Niveau A0) des Beschwerdeführers vorgelegt (OZ 2 und 6).
6. Mit Schreiben vom 22.05.2020 wurden der Beschwerdeführer, zwei Zeugen sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.07.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung, beantragte die Abweisung der Beschwerde und die Übersendung des aufgenommenen Verhandlungsprotokolls (OZ 14). Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers informierte per Mail vom 25.06.2020, dass die Einvernahme eines Zeugen zum Beweis der innerlichen christlichen Überzeugung in der Verhandlung beantragt werden wird und die Vorlage von Dokumenten erst in der Verhandlung möglich sei.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 02.07.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Die drei beantragten Zeugen wurden einvernommen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020 zum Parteiengehör. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.
Seitens der Rechtsvertretung wurde ein Ausdruck eines Screenshots vom Facebookprofil des Beschwerdeführers sowie diverse Unterlagen betreffend Integration und Unterstützung vorgelegt.
Eine Strafregisterabfrage wurde am Tag der Verhandlung durchgeführt.
Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde dem BFA zur Kenntnis gebracht.
Es langten keine weiteren Stellungnahmen ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer stammt aus Shiraz und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi (Muttersprache) und bisschen Deutsch, besuchte die Schule bis zur 12. Klasse, arbeitete nach dem Militärdienst als Bäcker und absolvierte auch eine Lehre. Seine wirtschaftliche Situation war gut.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat einen ca. 19-jährigen und einen 15-jährigen Sohn sowie eine 10-jährige Tochter; Ehefrau und Kinder leben in Iran. Die Ehe wurde im Herkunftsstaat geschlossen. In Iran leben weiters seine Mutter und fünf Geschwister. Der Vater und ein Bruder des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Zu seiner Familie hat der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt. Das Verhältnis ist gut.
Der Beschwerdeführer reiste legal aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 26.05.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. Die sozialen Kontakte beschränken sich im Wesentlichen auf einen guten Freund, ein österreichisches Ehepaar und ein paar Bekannte aus dem kirchlichen Bereich und der Nachbarschaft.
Der Beschwerdeführer arbeitet zwei Stunden in der Woche und verdient € 110,-. Im Übrigen bezieht er in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Beschwerdeführer besuchte einen Deutschkurs und spricht Deutsch in Ansätzen auf Niveau A1. Das Erlernen der deutschen Sprache fällt ihm nicht leicht. Zudem besuchte er einen Werte- und Orientierungskurs.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
Der Beschwerdeführer wuchs in Iran als schiitischer Moslem auf, war aber selbst nicht gläubig. In Iran wandte sich der Beschwerdeführer nicht dem Christentum zu und missionierte nicht. Dem Beschwerdeführer wird dies auch nicht von iranischen Behörden oder Privatpersonen unterstellt. Die Frau des Beschwerdeführers hat für dessen nach der Flucht entwickeltes christliches Interesse Verständnis.
Dem Beschwerdeführer droht in Iran keine Verfolgung aufgrund des Unfalls seines Bruders oder die konfiszierten Motorräder durch staatliche Stellen.
In Österreich besucht der Beschwerdeführer seit ungefähr zwei Jahre regelmäßig die Gottesdienste in der Internationalen Baptistengemeinde in Graz und wurde von dieser am 24.11.2018 nach Besuch eines Vorbereitungskurses getauft. Der Beschwerdeführer meldete seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich bislang nicht. Der Beschwerdeführer verfügt über kein tiefergehendes Wissen zum Christentum bzw. zu der von ihm gewählten baptistischen Glaubenslehre.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert und die christliche Glaubensüberzeugung ist aktuell nicht derart ernsthaft, sodass sie Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden in Iran wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich nicht Bescheid. Von den Familienmitgliedern (Ehefrau und Kinder) und Freunden des Beschwerdeführers, die davon wissen, geht keine Bedrohung aus. Die vom Beschwerdeführer in sozialen Medien bekanntgegebene Konversion alleine wird nicht zu einer Verfolgung führen.
Der Beschwerdeführer brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19. Juni 2020 (LIB 2020) ergibt sich wie folgt:
Zur Sicherheitslage
Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.
Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).
In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 4.5.2020
? EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020
Zu Apostasie und Konversion
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).
Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).
In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).
Zu Grundversorgung und Rückkehr:
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 26.2.2020)
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020
? AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020
? AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020
? BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
? DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020
? FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020
? Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020
? US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020
Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:
Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)
Die zu Apostasie und Konversion festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran vom 19. Juni 2020 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (iranische Identitätskarten, Heiratsurkunde, Geburtsurkunden, Militärbuch, Führerschein, Taufbestätigung, Empfehlungsschreiben, Deutschkursbestätigung, Lohnzettel, Facebook-Profil-Ausdruck,…), die Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung und die Strafregisterabfrage vom 02.07.2020.
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Aufgrund der bei beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokumente (iranische Identitätskarten, Militärbuch, Führerschein, Geburtsurkunden und Heiratsurkunde) steht die Identität des Beschwerdeführers fest. Dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war der Beschwerdeführer diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig. Zusätzlich legte der Beschwerdeführer eine Heiratsurkunde und Identitätskarten seiner Ehefrau und seines ältesten Sohnes zum Beleg seines Familienstandes vor.
Die Feststellung zur Einreise und Ausreise ergibt sich aus den vom BFA vorgelegten Unterlagen und der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich, seinen Deutschkenntnissen und seiner Integration ergeben sich aus den vorgelegten, unstrittigen Dokumenten (Deutschkursbestätigung OZ 6; Teilnahmebestätigung für einen Werte- und Orientierungskurs, Lohnzettel für geringfügige Beschäftigung, Bescheidausfertigung des Arbeitsmarktservices für die Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Erntearbeiter vom 25.07.2018, AS 75) und der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
2.2.2.1. Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfällen in Iran
Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:
Bei der Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer vor, wegen des Mullah-Regimes geflohen zu sein und keine Zukunft oder Freiheit gehabt zu haben (vgl. Erstbefragung, AS 23). Später führte der Beschwerdeführer bei der Einvernahme vor der belangten Behörde zusammengefasst aus, dass der Grund für die Flucht seine persönliche Freiheit gewesen sei und er mit der Ungerechtigkeit, dass seinem verunglückten Bruder die Schuld zugewiesen worden sei, nicht klargekommen sei. Gleichzeitig verneinte er die Frage nach einer persönlichen Verfolgung oder sonstigen individuellen Bedrohung (vgl. Einvernahme, AS 99). Zuletzt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung antwortete der Beschwerdeführer auf die Aufforderung, seine Fluchtgründe möglichst genau zu schildern, dass er die iranische Regierung „satt“ gehabt habe und müde gewesen sei (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 13). Erst auf nochmalige Nachfrage berichtete der Beschwerdeführer vom Unfall seines Bruders, dem ungerechtfertigten Schuldspruch und von Problemen mit der Sittenpolizei und „Sepah“, die ihm seine Motorräder beschlagnahmt haben.
Insgesamt waren die vorgebrachten Vorfälle in Iran widersprüchlich, zu vage, unschlüssig und kaum initiativ. Wenige Details konnten erst auf konkrete Nachfrage erkundet werden. Die freie Erzählung in der Einvernahme vor der belangten Behörde enthält keine Zeitangaben und keine konkreten Namensnennungen und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung endete sie ohnehin mit einem Satz. Der Beschwerdeführer konnte auch in der Verhandlung den Zusammenhang zwischen dem Unfall seines Bruders und den vorgebrachten „Schikanen“ der iranischen Behörden nicht nachvollziehbar erklären, zumal sich der Unfall schon im Jahr 2013 ereignet hat. Insgesamt gründet das Vorbringen auf Vermutungen und allgemeinen Sätzen wie: „Ich hatte die iranische Regierung satt und war müde; Ich hatte es wirklich satt; Nach dem Tod meines Bruders hatte ich mit den Gerichten und Behörden immer zu tun, sie warfen mir grundlos Steine in den Weg…“ (Verhandlungsprotokoll, Seite 14). Bereits beim BFA gab der Beschwerdeführer an, dass es keine persönliche Verfolgung in Iran gegeben habe (AS 99).
Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer legal aus Iran unter Verwendung seines Reisepasses über den Flughafen ausreisen konnte, legt nahe, dass nicht ernsthaft seitens der iranischen Behörden oder der Sittenpolizei eine Verfolgung oder Bedrohung vorliegt, zumal- wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt – die Revolutionsgarden den Flughafen betreiben.
Weiters gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erstmals an, dass er Probleme mit der „Sepah“ habe und immer wieder sein Eigentum konfisziert worden sei, was als Steigerung des Fluchtvorbringens gewertet wird, zumal der Beschwerdeführer bereits vor der belangten Behörde hinlänglich die Möglichkeit hatte, sein Vorbringen detailliert zu erstatten (vgl. AS 99, Frage: haben Sie somit heute alle Fluchtgründe genannt?; AS 105, Frage: wollen Sie Ihren Angaben noch etwas hinzufügen, was noch nicht zur Sprache gekommen ist?).
Zusammengefasst waren somit die vorgebrachten Vorfälle in Iran nicht glaubwürdig und dem Beschwerdeführer droht in Iran keine Verfolgung aufgrund des Unfalls seines Bruders oder der konfiszierten Motorräder durch staatliche Stellen.
2.2.2.2. Zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Aktivitäten
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).
Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich aus den von ihm vorgelegten Dokumenten (Taufbestätigung vom 24.11.2018, Fotos der Taufe), der Zeugenaussage des Presbyters der Internationalen Baptistengemeinde, eines befreundeten Ehepaares sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte den Beschwerdeführer zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.
Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diente insbesondere dazu, einen Eindruck vom persönlichen Empfinden des Beschwerdeführers zu seiner neuen Religion zu gewinnen. Gerade darin konnte der Beschwerdeführer aber keinen emotionalen Bezug glaubwürdig darlegen. Die Erzählweise hinsichtlich der Motivation zum Glaubenswechsel war knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpfte sich in Stehsätzen, welche dem erkennenden Gericht aus vergleichbaren Verfahren nahezu wortgleich bekannt sind (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 5f: „Die Liebe Jesu und die Beziehung zwischen Jesus und Gott“; vgl. auch AS 105: „F: Nennen Sie noch einmal Ihre inneren Beweggründe, warum Sie sich für das Christentum entschieden haben! A: Es war die Liebe“). Eine individuelle Motivation und Bezugsebene zum Christentum konnte beim Beschwerdeführer demnach nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer konnte auch nicht nachvollziehbar darlegen, warum er konkret den Glaubenszweig des Protestantismus (baptistische Gemeinde) wählte und warum speziell die Glaubenslehren dieser Richtung für ihn persönlich wesentlich sind und zum behaupteten Glaubenswechsel veranlassten. Die diesbezüglichen vagen und rein praktischen Antworten (vgl. Einvernahme, AS 103: „F: Warum gerade zu diesem Zwei? A: Bei den Protestanten habe ich einen Unterricht auf Persisch bekommen“; Verhandlungsprotokoll, Seite 7: „RI: Was ist das besondere an der baptistischen Glaubenslehre? BF: Hauptsächlich die Taufe und die direkte Verbindung zu Gott. Nachfrage: Weil es frei ist und weil man persönlich unmittelbar mit dem Gott in Verbindung treten kann“) waren ein Indiz dafür, dass offenbar Integrationsaspekte vordergründig waren und keine ernsthafte Beschäftigung erfolgte oder ein tiefergehendes Interesse an der baptistischen Glaubenslehre besteht.
Auch ist der Umstand zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer früher in Iran nicht für Religion interessierte. Nach eigenen Aussagen habe er seinen Glauben nicht praktiziert. Die Erzählung, wie er dann zum Christentum fand, war von Äußerlichkeiten und wiederum von dem Gericht bekannten „Stehsätzen“ geprägt: So habe ihm in Serbien das Verhalten der Leute und die Fürsorge fasziniert und er wollte wissen, welche Religion diese haben. Dann lernte er das Christentum kennen. In Österreich habe ihm ein Freund die Bibel gegeben und ihn mit in die Kirche genommen; er sei mehr und mehr zur Ruhe gekommen. Daher sei sein Glaube am Christentum täglich gewachsen und er sei gläubig geworden (vgl. Einvernahme, AS 101; Verhandlungsprotokoll, Seite 5). Aufgrund der fehlenden nachvollziehbaren Erklärung zum Interesse für das Christentum – über die bekannten Stehsätze hinaus – und die vorgebrachte Motivation zum Glaubenswechsel, war für das erkennende Gericht eine persönliche und verinnerlichte Glaubensüberzeugung nicht erkennbar. Insbesondere fehlten individuelle Aussagen, welche einen Einblick in die Persönlichkeit des Beschwerdeführers und seine Beziehung zum Glauben erlaubt hätten.
Mit dem Vorbringen, er sei viel weicher und lieber geworden, zeige seinen Mitmenschen seine Liebe und versuche, freundlich zu sein, seitdem er Christ ist, konnte er ebenfalls keine Wesensänderung nachvollziehbar darlegen, weil es sich dabei in gleicher Weise um floskelhafte Aussagen zu Verhaltensweisen handelt, die man grundsätzlich von Mitmenschen erwarten kann (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 8).
Aus der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit den Zeugenaussagen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zum Teil regelmäßig Gottesdienste besucht. Ein Austausch mit der Glaubensgemeinschaft in religiösen, glaubensmäßigen Belangen wurde aber nicht dargelegt und wäre dies aufgrund der fehlenden Deutschkenntnisse auch nur schwer möglich. Gleichzeitig machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Aussagen zu seinen Gottesdienstbesuchen, weil er vor der belangten Behörde aussagte, die XXXX in Graz zu besuchen, hingegen in der mündlichen Verhandlung die freie baptistische Kirche in Graz als Heimatpfarre nannte. Auch bei den zeitlichen Angaben ergaben sich Diskrepanzen (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 6: „RI: Seit wann gehen Sie in die freie baptistische Kirche in Graz? BF: Ungefähr 18 Monate bis 2 Jahre sind das jetzt. RI: Sie sind im November 2018 getauft worden, wurden Sie gleicht getauft, als Sie zu der Kirche kamen? BF: Das weiß ich nicht mehr genau, aber im 4. Oder 5. Monat 2017 bin ich in die Kirche gegangen.“).
Die Nachfrage zu der zuvor genannten Kirche konnte der Beschwerdeführer wiederum nicht genau beantworten und die daraus folgenden Widersprüche auch nicht auferklären (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 6f: „RI: Beim BFA sagten Sie, Sie besuchen die XXXX in Graz, ist das eine andere Kirche? BF: Ich kannte mich damals nicht aus, ich habe damals außerhalb von Graz gewohnt und das ist ein falscher Name. RI: Was ist der richtige Name? BF: Kann ich das aufschreiben? RI: Sie können es sagen. BF: Kann ich es nachlesen, ich habe es mir notiert.“). Es ist somit nicht hervorgekommen, dass das Praktizieren des Glaubens innerhalb einer Gemeinschaft, was auch eine christliche Lebensweise kennzeichnet, für den Beschwerdeführer zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Glaubensausübung wurde.
Abgesehen von den Gottesdienstbesuchen konnte der Beschwerdeführer keine anderen kirchlichen Aktivitäten, wie eine Bibelrunde, Pfarrausflug etc. vorbringen, die nachvollziehbar machen würden, wie er seinen Glauben praktiziert. Der Beschwerdeführer gibt zwar an, während der durch die COVID-19 Pandemie bedingten Ausgangsbeschränkungen übers Internet direkten Kontakt zu einer Kirche gehabt zu haben, um welche Kirche es sich handelte, wusste er wiederum nicht (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 8).
Das vorgelegte Facebook-Profilbild des Beschwerdeführers bekundet dessen Interesse am Christentum zwar „öffentlich“. Andererseits ist es nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass die Freunde oder Familie des Beschwerdeführers die Einträge an iranische Behörden weiterleiten würden und ist das vor dem Hintergrund des Vorbringens des Beschwerdeführers, er habe guten Kontakt mit ihnen, nicht plausibel. Auch hat er nicht konkret dargelegt, warum welche Gefahr aus dieser Tätigkeit resultiert. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass der Beschwerdeführer seine Aktivitäten in sozialen Medien nicht eigenititiativ vorbrachte, sondern erst im Rahmen der Befragung durch seine Rechtsvertretung. Ein starker persönlicher Bezug zu diesem Vorgehen wurde damit nicht glaubwürdig und ist vielmehr von einem asyltaktischen Handeln auszugehen. Den Länderberichten ist diesbezüglich zu entnehmen, dass eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein nicht zu einer Verfolgung führen würde, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Nachdem der Beschwerdeführer in Iran noch keine christlichen Aktivitäten setzte und noch kein Interesse am Christentum hatte – demnach den Behörden nicht bekannt war, wird wohl auch nicht von einem „high-profile“-Fall auszugehen sein und kein besonderes Interesse am Beschwerdeführer seitens der iranischen Behörden bestehen.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer über ein Grundwissen zum Christentum verfügt oder etwa das Vater Unser aufsagen kann. Dieses Wissen alleine ist jedoch nicht ausreichend, um von einem inneren Glaubenswandel sprechen zu können, zumal der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, nachvollziehbar darzulegen, warum gerade die baptistische Glaubenslehre für ihn persönlich entscheidend und in seiner Glaubensausübung relevant war bzw. ist. Der Beschwerdeführer erweckte den Eindruck, Lehren, Grundsätze oder auch Bibelstellen gelernt zu haben, deren Sinn und Inhalt – womöglich auch aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse – aber nicht verstanden zu haben. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung einen Notizzettel bei sich liegen hatte, wo vermerkt war: Beichte, Glaube, Hl. Geist, Kirche und Taufe. Auf Nachfrage nach der Bedeutung dieser Begriffe war es dem Beschwerdeführer nicht möglich, diese zu erklären, sondern meinte er, es wären „Grundsätze“ und er habe es vergessen.
Eine Lieblingsstelle aus der Bibel konnte der Beschwerdeführer benennen und zusammengefasst wiedergegen, doch legte er nicht nachvollziehbar dar, auch deren Inhalt verstanden zu haben und nannte wiederum floskelhaft auf die Frage, warum dies seine Lieblingsbibelstelle sei, es gehe um die wahre Liebe eines Vaters gegenüber seinen Kindern (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 9).
Im Gesamten betrachtet konnte der Beschwerdeführer somit nur sehr oberflächliche Kenntnisse vorweisen und nicht den Eindruck erwecken, auch den Inhalt des Gelernten verstanden zu haben.
Die einvernommenen Zeugen (Presbyter der intern. Baptistengemeinde Graz, befreundetes Ehepaar vom Deutschkurs) haben zwar übereinstimmend bestätigt, dass der Beschwerdeführer zum Gottesdienst kommt, bei Feierlichkeiten mitmacht, Schweinefleisch ist, Bier trinkt oder auch vor der Mahlzeit betet oder sehr hilfsbereit ist (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 11-12, 16-18). Daraus ist aber keine innere und ernsthafte Zuwendung zum Christentum aus religiösen Motiven nachvollziehbar geworden. Gerade diese innere Zuwendung vermochte auch der Beschwerdeführer durch seinen persönlichen Eindruck nicht vermitteln.
Im Ergebnis ist bei einer Gesamtbetrachtung aller Beweismittel und insbesondere aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung in Bezug auf das Christentum nicht ableitbar. Der Beschwerdeführer hat sich im Zusammenhang mit der Ausübung seines Glaubens auf außenwirksame Akte (Taufe und Gottesdienstbesuche) beschränkt, lässt aber eine tatsächliche, tiefergehende Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten im Sinne einer nachhaltigen, persönlichen Hinwendung vermissen, sodass in weiterer Folge auch nicht von der Weitergabe von Glaubensinhalten und dem Verbreiten der christlichen Glaubenslehre ausgegangen werden kann. Dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran missionieren würde, hat er selbst nur bezüglich seiner eigenen Familie behauptet. Eine solche Tätigkeit erscheint aber auch aufgrund des geringen Wissens und mangels persönlicher Identifikation mit dem christlichen Glauben nicht wahrscheinlich.
Dass Privatpersonen in Iran mit den christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich ein ernsthaftes Problem haben, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer hat zwar auf Nachfrage der Rechtsvertreterin von einer nicht näher beschriebenen Bedrohung durch seinen Onkel gesprochen, wobei zu diesem Familienteil kein Kontakt mehr bestehe.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer keine weiteren Fluchtgründe vorbrachte, ergibt sich aus seiner Einvernahme, wo er von sich aus – abgesehen von der Konversion keine weiteren Gründe nannte, welche asylrelevant wären (AS 99; Verhandlungsprotokoll Seite 14; AS 99 betreffend politischen Aktivitäten oder Demonstrationen; AS 98 betreffend Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen). In der mündlichen Verhandlung antwortete der Beschwerdeführer auf die Frage, ob es noch weitere Gründe gebe, warum er Iran verlassen habe, wiederum sehr unkonkret, woraus keine Anhaltspunkte für andere Fluchtgründe zu entnehmen waren (Verhandlungsprotokoll, Seite 14: „Mehr, als dass man in einem Ort nicht mehr die Kraft hat zu leben und müde ist, gibt es nicht.“).
2.2.3. Zur Situation in Iran
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen und führte das aktuelle, von der Staatendokumentation des BFA erstellte Länderinformationsblatt zu Iran in der mündlichen Verhandlung ein. Es wurde die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme angeboten. Den Länderberichten wurde nicht entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten)
3.1.1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen;“
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 und Ra 2018/19/0260). Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Iran mit dem Christentum in Berührung gekommen ist (vgl. VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675); ebenso wenig, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230). Die Behauptung eines „Interesses am Christentum“ reicht zur Darlegung einer inneren Glaubensüberzeugung nicht aus (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453).
In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 07.05.2018, Ra 2018/20/0186). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergehende Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455).
Aus Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2011/95/EU (Statusrichtlinie) folgt, dass die Ausübung einer Glaubensüberzeugung nicht auf das sog. „forum internum“ beschränkt werden darf, sondern vielmehr auch der öffentliche Bereich umfasst ist.
3.1.2. Im gegenständlichen Fall wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht aus einem inneren Entschluss zum Christentum konvertiert ist. Weder kam der Beschwerdeführer bereits in Iran mit dem Christentum in Kontakt, noch führt er in Österreich aus innerer Glaubensüberzeugung ein Leben als Christ oder ist missionarisch tätig.
Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt wurde, war der Beschwerdeführer in Bezug auf den vorgebrachten (Nach-)Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig. Mangels hinreichenden Wissens über die neue Religion und schlüssiger Darlegung der Motivation für den Glaubenswechsel kann eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung nicht angenommen werden. Hinzu kommt, dass die vorgebrachte Verfolgungsgefahr aktuell auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht objektivierbar ist, weil die vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten christlichen Aktivitäte