TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/31 W192 2199745-1

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Veröffentlicht am 31.07.2020
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Entscheidungsdatum

31.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67
FPG §70 Abs3

Spruch

W192 2199745-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2018, Zahl: 1076349401-180257928, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß §§ 67 und 70 Abs. 3 FPG 2005 i.d.g.F. stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Serbiens, schloss am 29.05.2015 in Serbien die Ehe mit einem serbischen Staatsbürger, welcher in Österreich aufgrund des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ zum dauernden Aufenthalt berechtigt ist. Einem von der Beschwerdeführerin in der Folge gestellten Antrag auf Erteilung eines österreichischen Aufenthaltstitels wurde stattgegeben und es wurde dieser am 28.10.2016 der Aufenthaltstitel „Erstbewilligung Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ mit einer Gültigkeit bis zum 28.10.2017 erteilt. In Stattgabe eines am 29.09.2017 gestellten Verlängerungsantrages wurde der Beschwerdeführerin zuletzt ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ mit einer Gültigkeit bis zum 28.11.2019 erteilt.

2. Am 09.02.2018 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Abschlussbericht einer Landespolizeidirektion vom 24.01.2018 ein. In diesem wurde ausgeführt, dass aufgrund näher dargestellter Erhebungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, dass es sich bei der Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann um eine Aufenthaltsehe handle und diese nie ein aufrechtes Eheleben geführt hätten.

Die Beschwerdeführerin legte in der Folge eine handschriftliche Stellungnahme, eine Arbeits- und Lohnbestätigung sowie ihren serbischen Reisepass vor.

Am 04.04.2018 wurde die Beschwerdeführerin im Beisein ihrer damaligen bevollmächtigten Vertreterin in deutscher Sprache vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum verfahrensrelevanten Sachverhalt einvernommen. Die Beschwerdeführerin gab im Wesentlichen an, sie hätte ihren späteren Ehemann im Jahr 2014 in Serbien auf einer Hochzeitsfeier kennengelernt. Sie sei dann drei Jahre lang hin- und her gependelt und immer für ein bis drei Monate geblieben. Im Dezember 2014 habe ihr nunmehriger Ehemann um ihre Hand angehalten. Eineinhalb Jahre zuvor hätten sie um ihren Aufenthaltstitel eingereicht, seither sei sie fix hier. Sie arbeite und habe A1- und A2-Kurse belegt. Die Beschwerdeführerin habe eine Tochter aus erster Ehe, welche bei der Großmutter in Serbien lebe. Die standesamtliche Eheschließung sei in Serbien erfolgt, es habe keine größere Feier und auch keine Hochzeitsreise gegeben. Ihr Mann habe in Österreich zwei Wohnungen gehabt, in einer davon habe die Beschwerdeführerin gelebt, in der anderen laut Aussage ihres Mannes dessen Cousine; später habe die Beschwerdeführerin erfahren, dass es sich um die Geliebte ihres Mannes gehandelt hätte. Als die Beschwerdeführerin dies im November 2017 erfahren hätte, sei sie zu einer Bekannten gezogen. Ihr sei nicht bekannt, ob die Beziehung ihres Mannes mit der anderen Frau noch aufrecht sei; die Beschwerdeführerin warte darauf, dass ihr Mann sich entscheide und sie anrufe. Sie liebe ihn und wolle ihm noch ein bisschen Zeit geben. Die Beschwerdeführerin arbeite seit Februar 2017 in einer Bäckerei und habe ihren Mann finanziell erhalten. Was dieser momentan beruflich mache, sei ihr nicht bekannt. Die Beschwerdeführerin habe ihren Mann aus Liebe geheiratet und werde ihrem Mann verzeihen, wenn er eine Entscheidung treffe.

Ebenfalls am 04.04.2018 erfolgte eine Befragung des Ehemannes der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Ehemann der Beschwerdeführerin gab an, er habe die Beschwerdeführerin im Jahr 2014 auf einer Hochzeitsfeier in Serbien kennengelernt und diese im Mai 2017 gefragt, ob sie ihn heirate. Die Ehe sei noch aufrecht, sie würden jedoch momentan keine Beziehung führen, da sie im Streit seien. Der Ehemann habe einen Fehler begangen, da er sich wieder mit seiner Ex-Freundin (in der Folge: „A“) getroffen habe. Er wolle jedoch wieder mit der Beschwerdeführerin zusammenkommen. Am Tag nach der standesamtlichen Eheschließung habe es in Serbien eine große Hochzeitsfeier mit knapp 100 Gästen gegeben. Angesprochen auf die auf seiner Facebook-Seite aufscheinenden Bilder, welche ihn elf Tage vor seiner Hochzeit mit der Beschwerdeführerin mit einer anderen Frau zeigten sowie eines wenige Monate nach der Eheschließung hochgeladenen Ultraschallbildes mit dem Text „Unser Baby“ erklärte der Ehemann, diese Fotos nicht gepostet zu haben, sein Profil sei gehackt worden. Befragt, weshalb er die Fotos, sollten sie ohne sein Einverständnis gepostet worden sein, in den folgenden drei Jahren nicht gelöscht habe, erwiderte der Ehemann der Beschwerdeführerin, es sei nicht so einfach, dies zu löschen und die Fotos würden wieder gepostet werden; er habe schon mehrfach sein Passwort geändert, doch es helfe nichts. Es könne sein, dass das im April 2016 geborene Kind der A. seine Tochter sei, sie hätten es nicht mittels DNA-Analyse überprüfen lassen. Darauf angesprochen, dass das Kind im Sommer 2015, kurz nach der Hochzeit mit der Beschwerdeführerin, gezeugt worden sein müsse und befragt, ob er damals bereits ein Verhältnis mit A. gehabt habe, bejahte der Ehemann der Beschwerdeführerin dies. Er sei auch aktuell noch in einer Beziehung mit A., sei sich aber nicht sicher, da er auch mit der Beschwerdeführerin wieder zusammenkommen wolle. Momentan wohne er zusammen mit A. und ihrer Tochter. Die Beschwerdeführerin sei im September vorigen Jahres aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, nachdem der Ehegatte ihr von seiner Beziehung mit A. berichtet hätte. Er habe die Beschwerdeführerin aus Liebe geheiratet, müsse jedoch noch die Situation mit A. klären. Er habe einen Fehler gemacht und stehe dazu.

Mit Schreiben vom 17.04.2018 beantragte die bevollmächtigte Vertreterin der Beschwerdeführerin die Einvernahme näher bezeichneter Personen aus dem sozialen Umfeld der Beschwerdeführerin zum Beweis dafür, dass es sich um keine Scheinehe handle. Zudem wurde ein Foto des angeblichen Eheringes in Vorlage gebracht.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2018 wurde gegen die Beschwerdeführerin in Spruchpunkt I. gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein befristetes Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen, in Spruchpunkt II. wurde gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt.

Das Bundesamt ging von einer feststehenden Identität der Beschwerdeführerin aus uns stellte zu ihrer Person fest, diese sei seit Mitte November 2016 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und zuletzt Inhaberin einer „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ gewesen; sie sei im Bundesgebiet mehreren Beschäftigungen nachgegangen, beziehe gegenwärtig ein monatliches Einkommen von EUR 1.500 bis 1.700,-, sei versichert und strafgerichtlich unbescholten. Zu den Gründen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wurde ausgeführt, für die Behörde sei es aufgrund näher dargestellter Diskrepanzen in den Einvernahmen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes erwiesen, dass die Beschwerdeführerin eine Scheinehe eingegangen wäre, um derart einen Aufenthaltstitel zu erschleichen. So hätten weder die Beschwerdeführerin, noch ihr Ehegatte, Fotos, Chatverläufe oder Ähnliches zum Beleg eines tatsächlichen Zusammenlebens vorlegen können und dies damit begründet, dass die Beschwerdeführerin angeblich alle Fotos gelöscht und ihr Ehemann das Mobiltelefon gewechselt und das neue Mobiltelefon nicht zur Einvernahme mitgenommen hätte. Das öffentlich einsehbare Facebook-Profil ihres Ehegatten enthalte einige Fotos, welche ihn mit der Frau A. zeigen würden, ebenso sei ein Kleinkind abgebildet, welches der Ehemann als sein eigenes bezeichne. Zwei dieser Fotos seien wenige Tage vor der Eheschließung mit der Beschwerdeführerin gepostet worden; es erscheine unwahrscheinlich, dass weder die Beschwerdeführerin, noch jemand aus ihrem Familien- und Freundeskreis etwas von diesen Fotos und der Beziehung mit A. mitbekommen hätten. Die Beschwerdeführerin sei auf keinem einzigen Foto gemeinsam mit ihrem Gatten abgebildet. Die Behauptung des Ehemannes der Beschwerdeführerin, jene Fotos überhaupt nicht gepostet zu haben, zumal sein Profil mehrfach gehackt und die Fotos ohne sein Einverständnis hochgeladen worden wären, sei wenig glaubhaft, zumal der Ehemann jene Fotos mehr als drei Jahre auf seinem Profil belassen hätte. Das mutmaßliche Kind des Ehegatten der Beschwerdeführerin und A. müsse ausgehend vom Geburtsdatum wenige Monate nach der Eheschließung mit der Beschwerdeführerin gezeugt worden sein. Die Beschwerdeführerin habe anlässlich der Einvernahme angegeben, seit zwei Monaten keinen Kontakt mehr mit ihrem Ehegatten zu haben, ihr Ehemann habe demgegenüber gemeint, nach wie vor mit der Beschwerdeführerin zu sprechen und wieder mit dieser zusammenkommen zu wollen. Dem Ehemann seien Name und Alter der Tochter der Beschwerdeführerin nicht bekannt gewesen. Der Ehemann habe weiters davon gesprochen, dass es sich bei den Eheringen um schlichte Silberringe gehandelt hätte, demgegenüber habe die Beschwerdeführerin ein Foto eines angeblichen Eheringes vorgelegt, welcher gold sei und einen eingefassten Stein aufweise. Weiters habe die Beschwerdeführerin berichtet, dass die Schwester ihres Gatten sowie die Freundin ihres Bruders bei der Eheschließung als Trauzeugen fungiert hätten, ihr Ehegatte habe demgegenüber ausgeführt, dass die beiden Mütter Trauzeugen gewesen wären. Während die Beschwerdeführerin angegeben hätte, es habe lediglich eine standesamtliche Trauung gegeben, sprach der Gatte von einer am nächsten Tag abgehaltenen großen Feier mit bis zu 100 Gästen. Angesichts der vorliegenden Diskrepanzen sei in Zusammenschau mit den Ermittlungen der Landespolizeidirektion zweifelsfrei vom Eingehen einer Scheinehe auszugehen.

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin erfülle die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs. 1 FPG. Wie dargelegt, sei diese eine Scheinehe eingegangen, um sich einen Aufenthaltstitel für Österreich zu verschaffen und habe durch dieses Verhalten gezeigt, dass sie kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Da das Verhalten erst vor Kurzem gesetzt worden sei und die Beschwerdeführerin sich in keinster Weise einsichtig gezeigt hätte, müsse von einer gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden. Aufgrund der standhaften Missachtung der Rechtsordnung sowie aufgrund der Lebenssituation der Beschwerdeführerin in Österreich sei das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt. Eine Abwägung im Sinne des § 9 BFA-VG habe ein Überwiegen der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung ergeben; zwar sei die Beschwerdeführerin verheiratet, es sei jedoch, wie dargelegt, vom Vorliegen einer Scheinehe auszugehen. Die gesamte Kernfamilie der Beschwerdeführerin – ihre minderjährige Tochter, ihre Eltern und zwei Brüder – würden in Serbien leben, in Österreich habe sie demgegenüber lediglich einige Tanten und Onkeln. Die Beschwerdeführerin ginge einer Erwerbstätigkeit nach, sei versichert und habe sich anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesamt einigermaßen auf Deutsch verständigen können. Da diese sich erst seit einem relativ kurzen Zeitraum von eineinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhalte, sei davon auszugehen, dass die Bindungen zu Serbien unverändert vorliegen würden. Zusammenfassend sei die Beschwerdeführerin in Österreich weder beruflich, sprachlich, noch sozial integriert. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführerin hätten daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die von der Beschwerdeführerin ausgehende erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Da davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum eines Monats kein Verhalten setzen werde, welches die sofortige Umsetzung der Maßnahme in Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erfordern würde, sei gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub in dieser Dauer festzulegen gewesen.

4. Gegen diesen Bescheid wurde durch den nunmehr bevollmächtigten Vertreter mit Schriftsatz vom 25.06.2018 fristgerecht die verfahrensgegenständliche vollumfängliche Beschwerde eingebracht, in der begründend ausgeführt wurde, die zugegebenermaßen aufgetretenen Widersprüche zu den Aussagen ihres Ehemannes seien auf Erinnerungslücken zurückzuführen; zum Beweis für das Nichtvorliegen einer Aufenthaltsehe werde die Einvernahme näher bezeichneter Zeugen beantragt. Weiters wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid in Stattgabe der Beschwerde aufzuheben.

5. Die gegenständliche Rechtssache wurde der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.04.2020 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Serbiens und führt die im Spruch angeführten Personalien; ihre Identität steht fest.

Die Beschwerdeführerin schloss im Mai 2015 in Serbien die standesamtliche Ehe mit einem serbischen Staatsangehörigen, welcher im Bundesgebiet aufgrund des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“, welcher ihm zuletzt mit einer Gültigkeit bis Ende 2020 ausgestellt wurde, zum dauernden Aufenthalt berechtigt ist. Die Beschwerdeführerin stellte in der Folge am 17.11.2016 bei der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde einen Antrag auf Erstbewilligung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus (Familiennachzug)“, welche ihr zunächst mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 28.10.2017 sowie in Stattgabe eines am 06.11.2017 gestellten Verlängerungsantrags zuletzt mit einer Gültigkeit bis zum 28.11.2019 ausgestellt worden war.

Die Beschwerdeführerin ist nicht der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben.

Ermittlungen ergaben, dass die von der Beschwerdeführerin geschlossene Ehe mit dem Zweck eingegangen worden ist, der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen und ein tatsächliches Familienleben zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten nicht geführt worden ist.

Die Beschwerdeführerin war zuletzt seit Mitte Juni 2016 durchgehend mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin gründen sich auf den im Veraltungsakt dokumentierten Umstand, dass sie Inhaberin eines serbischen Reisepasses sowie österreichischer Aufenthaltstitel lautend auf die im Spruch genannten Personalien (gewesen) ist.

Die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Inhalt der entsprechenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

2.2. Die Feststellungen über die von der Beschwerdeführerin innegehabten Aufenthaltstitel ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister. Die Feststellung über den Inlandsaufenthalt und die Hauptwohnsitzmeldung der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

Die Feststellungen über die Staatsangehörigkeit des Ehegatten der Beschwerdeführerin sowie den von ihm besessenen Aufenthaltstitel ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt sowie der aktuellen Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in keinem relevanten Angehörigenverhältnis zu einem EWR-Bürger, Schweizer-Bürger oder Österreicher steht, ergibt sich aus dem Akteninhalt, welchem sich das Vorliegen einer entsprechenden Beziehung nicht entnehmen lässt. Auch im angefochtenen Bescheid wurde ein solches Angehörigenverhältnis nicht dargelegt.

2.3. Die Feststellungen über die Ermittlungsergebnisse zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe ergeben sich aus dem Bericht einer Landespolizeidirektion vom 24.01.2018, den Niederschriften der Einvernahmen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.04.2018 sowie den schlüssigen Erwägungen im angefochtenen Bescheid.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu Spruchteil A)

3.2. Zum Aufenthaltsverbot:

3.2.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet idgF auszugsweise wie folgt:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) […]

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.“

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner Entscheidung vom 12.03.2013, Zl. 2012/18/0228 fest:

"§ 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 enthält zwar nur zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet (bzw. im Fall von Minderjährigen). Es muss aber angenommen werden, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern (arg. a minori ad maius) auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 angesiedelt ist - heranzuziehen ist. Dies gebietet im Anwendungsbereich der Unionsbürgerrichtlinie eine unionsrechtskonforme Interpretation, weil das Aufenthaltsverbot eine Ausweisungsentscheidung im Sinn der Richtlinie beinhaltet. Zum gleichen Ergebnis führt eine verfassungskonforme Interpretation, weil die Anwendung eines weniger strengen Maßstabes für Aufenthaltsverbote als für bloße Ausweisungen sachlich nicht zu rechtfertigen wäre."

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist ein begünstigter Drittstaatsangehöriger der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

In seiner Entscheidung vom 25.01.2018, Ra 2017/21/0237, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die Bestimmung des § 21 Abs. 5 BFA-VG bei Aufenthaltsverboten nach § 67 FPG nicht zur Anwendung gelange, weshalb im Beschwerdeverfahren von der Sach- und Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt auszugehen ist.

3.2.3. Die Beschwerdeführerin ist aufgrund ihrer serbischen Staatsangehörigkeit Drittstaatsangehörige iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Staatsangehörige der Republik Serbien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Die Beschwerdeführerin ist mit einem serbischen Staatsbürger verheiratet, welcher in Österreich aufgrund des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ zum Aufenthalt berechtigt ist. Die Beschwerdeführerin ist demnach nicht im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG Ehegattin eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben; auch sonst liegt kein unter die Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG fallendes Angehörigenverhältnis vor.

Demnach handelt es sich bei der Beschwerdeführerin weder um eine unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürgerin oder Schweizer Bürgerin, noch um eine begünstigte Drittstaatsangehörige, wodurch sie nicht vom in § 67 Abs. 1 FPG genannten Personenkreis, gegen den die Erlassung eines Aufenthaltsverbots in Betracht kommt, erfasst ist. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen die Beschwerdeführerin erwies sich demnach als unzulässig.

Im Falle der Beschwerdeführerin wäre richtigerweise (angesichts der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch gültig gewesenen „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“) die Zulässigkeit einer auf § 52 Abs. 4 FPG gestützten Rückkehrentscheidung sowie eines auf § 53 Abs. 2 Z 8 FPG gestützten Einreiseverbotes zu prüfen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass es sich bei Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot einerseits sowie bei einem Aufenthaltsverbot andererseits um unterschiedliche Maßnahmen handelt. Erstere ergehen gegen Drittstaatsangehörige, verpflichten diese zur Ausreise in deren Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat (Rückkehrentscheidung; siehe § 52 Abs. 8 FPG) und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten (das sind jene Staaten, für die die Richtlinie 2008/115/EG gilt; siehe das Erkenntnis VwGH 22.5.2013, 2013/18/0021) einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten (Einreiseverbot; siehe § 53 Abs. 1 FPG). Ein Aufenthaltsverbot ist dagegen jene aufenthaltsbeendende Maßnahme, die gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige in Betracht kommt und verpflichtet "nur" zum Verlassen und über den festgesetzten Zeitraum zum Verbleib außerhalb des Bundesgebietes. Angesichts des demnach unterschiedlichen normativen Gehalts der erwähnten Maßnahmen, die zudem an unterschiedliche Voraussetzungen anknüpfen, sind sie nicht "austauschbar"; damit komme aber die vom Revisionswerber und vom BVwG offenbar angedachte Transformation eines Einreiseverbotes in ein Aufenthaltsverbot, wenn der betroffene Fremde EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger wird, nicht in Betracht (vgl. VwGH 14.11.2017 Ra 2017/21/0151).

Vor dem Hintergrund jener Erwägungen kam angesichts des unterschiedlichen Regelungsinhaltes die erstmalige Beurteilung einer Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Aussprüche im Stadium des Beschwerdeverfahrens nicht in Betracht; das Bundesverwaltungsgericht hätte andernfalls erstmals u.a. gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat abzusprechen, womit der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten und der Beschwerdeführerin eine Beschwerdeinstanz genommen würde.

3.2.4. Das gegen die Beschwerdeführerin ausgesprochene Aufenthaltsverbot sowie der darauf aufbauende Ausspruch eines Durchsetzungsaufschubes waren daher zu beheben.

4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Da der Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §§ 21 Abs. 7 BFA-VG iVm 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufgehoben begünstigte Drittstaatsangehörige Durchsetzungsaufschub Rechtsanschauung des VwGH Rechtswidrigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W192.2199745.1.00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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