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21/03 GesmbH-Recht;Norm
AnfO §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des 1940 geborenen MG in M, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 1d, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Mai 1996, Zl. 115.480/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 27. Jänner 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Geschäftsführer. Als "in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes" berief er sich auf ein ihm als Geschäftsführer zustehendes Monatsgehalt von S 10.000,-- (brutto). Als Beleg legte er eine Gehaltsbestätigung einer inländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung vor, wonach er ein derartiges Monatsgehalt beziehe.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. April 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
In einem im Akt der Berufungsbehörde enthaltenen "Bericht" heißt es, daß die Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer sei, nie tätig gewesen sei und auch "nicht mehr existiere". Die Firma befinde sich "zur Zeit in Liquidation". Ohne dem Beschwerdeführer diesen Bericht vorzuhalten, wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 6. Mai 1996 seine Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG ab. Begründend führte sie aus, ihre Recherchen hätten ergeben, daß die in Rede stehende Gesellschaft nie tätig gewesen sei und auch nicht mehr existiere. Es stehe somit fest, daß der Beschwerdeführer "nicht berechtigt" sei, die von ihm angegebene Beschäftigung auszuüben. Der Beschwerdeführer verfüge daher über "kein Einkommen aus einer legalen Beschäftigung". Sein Lebensunterhalt im Bundesgebiet sei daher gemäß § 5 Abs. 1 AufG keinesfalls gesichert. Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen die öffentlichen Interessen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautet:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
Die belangte Behörde hat erstmals vom Versagungsgrund des nicht gesicherten Unterhaltes gemäß § 5 Abs. 1 AufG Gebrauch gemacht. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies der Partei vorzuhalten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221).
Dieses Gebot, dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu gewähren, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall mißachtet.
Dieser Verfahrensfehler wird in der Beschwerde zutreffend gerügt. Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, er hätte bei Gewährung von Parteiengehör dargelegt, daß die in Rede stehende Gesellschaft nach wie vor bestehe, der Beschwerdeführer berechtigt sei, die von ihm angestrebte Beschäftigung auszuüben, und das voll einbezahlte Stammkapital der Gesellschaft von S 500.000,-- diese auch in die Lage versetze, dem Beschwerdeführer das ausbedungene Gehalt von S 10.000,-- brutto monatlich auszubezahlen.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer in tauglicher Weise die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf. Ein Geschäftsführergehalt ist grundsätzlich geeignet, den Lebensunterhalt eines Fremden unabhängig von der Erzielung eines Bilanzgewinnes durch die Gesellschaft schon dann zu sichern, wenn diese voraussichtlich für die Dauer der Bewilligung über ausreichende Mittel zur Erfüllung dieser Ansprüche verfügt, ohne daß die Gefahr einer Rückforderung solcher Zahlungen als Folge einer Anfechtung nach §§ 28 ff KO oder §§ 2 ff AnfO besteht. Gänzliche Vermögenslosigkeit bzw. eine anfechtungsrechtlich relevante Vermögens- oder Liquiditätssituation einer werbenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung stellt den Ausnahms- und nicht den Regelfall dar. Diesbezügliche Bedenken der Behörde sind daher nicht vorweg initiativ zu zerstreuen, sondern böten Anlaß für entsprechende amtswegige Ermittlungen. Im Hinblick darauf, daß der Gesellschaft das Stammkapital zur Verfügung steht, ist auch die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit für die Sicherung des Einkommens des Geschäftsführers nicht unumgänglich notwendig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0575).
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht darauf stützte, daß die in Rede stehende Gesellschaft sich in Liquidation befinde. Aber auch in diesem Falle wäre der Beschwerdeführer nicht notwendigerweise daran gehindert, seine Erwerbstätigkeit weiter auszuüben. Grundsätzlich treten gemäß § 89 Abs. 2 GmbHG als Liquidatoren die Geschäftsführer ein, wenn nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluß der Gesellschafter eine oder mehrere andere Personen dazu bestellt werden. Wäre die Gesellschaft mittlerweile in das Stadium der Liquidation getreten, so wären Feststellungen darüber zu treffen, ob der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Liquidator fortsetzt, bejahendenfalls, ob diesfalls das ausbedungene Geschäftsführergehalt während der Tätigkeit als Liquidator weiter ausbezahlt wird und welche Zeitspanne für die Liquidation der Gesellschaft voraussichtlich erforderlich sein wird. Diese Umstände wären bei der Beurteilung, ob der Unterhalt für die Dauer der beantragten Bewilligung gesichert ist, bzw. bei der Prüfung, für welchen Zeitraum die Bewilligung allenfalls zu erteilen wäre, zu beachten.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996191950.X00Im RIS seit
02.05.2001