TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/5 I412 2233532-1

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Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2233532-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. MAROKKO, vertreten durch VMÖ gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg (BAS) vom 23.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste illegal ins Bundesgebiet ein. Bei seiner Einreise verfügte er weder über ein gültiges Reisedokument, noch über einen gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitel.

Am 16.06.2020 wurde er von der Landespolizeidirektion Salzburg einvernommen. Zu seinen Einreisemotiven gab er an, in Österreich arbeiten zu wollen. Mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegebenenfalls in Verbindung mit einem Einreiseverbot habe er keine Probleme, er wolle jetzt wieder nach Italien zurück. Allfällige Bindungen in oder zu Österreich verneinte er.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 23.06.2020, Zl. XXXX , erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Daure von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 24.06.2020 zugestellt, am 25.06.2020 stellte er aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.07.2020, Zl. XXXX , hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Unter Verweis auf die mit gegenständlich angefochtenem Bescheid erlassene Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot wurde von einer neuerlichen Rückkehrentscheidung abgesehen (Bescheid S. 59).

Am 20.07.2020 wurde gegenständliche Beschwerde erhoben und diese samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht (eingelangt am 31.07.2020) zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsbürger und somit Fremder und Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Seine Identität steht nicht fest.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten, seit 30.0.2020 mit Hauptwohnsitz im Anhaltezentrum Vordernberg gemeldet und wurde über ihn am 16.06.2020 Schubhaft verhängt.

Am 26.06.2020 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt, stehen im Einklang mit dem bekämpften Bescheid und den Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem, sowie dem Zentralen Melderegister und werden vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Der Beschwerdeführer brachte keinerlei identitätsbezeugende Dokumente in Vorlage, weshalb es sich bei den im Spruch genannten Daten um eine Verfahrensidentität handelt. Die Angaben zur Staatsangehörigkeit sind glaubhaft und ergaben sich keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer nicht aus Marokko stammen würde.

Die Feststellungen über die Unbescholtenheit, den Wohnsitz und die Schubhaft ergeben sich aus Abfragen des Zentralen Melderegisters, dem Zentralen Fremdenregister und dem Strafregister der Republik Österreich.

Dass der Beschwerdeführer am 26.06.2020 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ergibt sich ebenso aus dem Zentralen Fremdenregister und dem Schriftsatz der belangten Behörde im Rahmen der Beschwerdevorlage. Der abweisende Bescheid vom 15.07.2020 zu Zl. XXXX wurde vom erkennenden Gericht eingeholt und zum Akt genommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des Bescheides:

§ 10 Abs 1 AsylG 2005 lautet:

„Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.“

Abs 2 leg. cit. lautet:

„Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.“

Die belangte Behörde hat zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides am 23.06.2020 richtigerweise § 10 Abs 2 AsylG 2005 zur Anwendung gebracht, da der Beschwerdeführer ohne einen gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitel in Österreich verweilte.

Gegen die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot wurde Beschwerde erhoben, ist also nicht rechtskräftig, und stellte der Beschwerdeführer am 26.06.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dazu führt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0162, aus: „Bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig: Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden", nach § 52 Abs. 2 FrPolG 2005 hat sie "unter einem" zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FrPolG 2005 zu treffen, dass die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen (vgl. E 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ohne eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FrPolG 2005 kommt hingegen - außer im Fall, dass die Feststellung aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist - auf Grund des vom Gesetzgeber seit 1. Jänner 2014 geschaffenen Systems nicht in Betracht (vgl. E 24. Mai 2016, Ra 2016/21/0101).“, und weiter: „Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist nicht zulässig. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen, und eine bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom VwG ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FrPolG 2005 bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ergangen ist.“

Auch wenn ein Verfahren bezüglich Rückkehrentscheidung bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen, auch wenn dieser zeitlich später gestellt wird. Da die bereits erlassene Rückkehrentscheidung nach Beschwerdeerhebung noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist, ist somit die angefochtene Rückkehrentscheidung (und auch die darauf aufbauenden weiteren Spruchpunkte) vom 23.06.2020 ersatzlos zu beheben.

In der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vom 15.07.2020 unterließ die belangten Behörde das Absprechen über eine Rückkehrentscheidung mit Verweis auf gegenständlich angefochtenen Bescheid und verkennt dabei, dass es sich nicht um eine rechtskräftige Entscheidung gehandelt hat, sondern das Rückkehrentscheidungsverfahren noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig war.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und der Asylantragstellung geklärt erscheint. Zudem kann gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG eine Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Insbesondere war die Entscheidung Ra 2016/21/0162 heranzuziehen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Antragstellung Antragszeitpunkt Asylantragstellung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Kassation Rückkehrentscheidung Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2233532.1.01

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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