TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/10 W195 1432090-3

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Veröffentlicht am 10.08.2020
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Entscheidungsdatum

10.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch

W195 1432090-3/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwälte XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.07.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

III. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides betreffend die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. und Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides betreffend die Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit einer Abschiebung sowie gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch gemäß § 52 FPG in Verbindung mit § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt.

V. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch, stellte am 06.10.2012 – unter dem Namen „ XXXX “ - einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Der BF gab an, dass drei seiner sechs Brüder im Oman leben, die anderen sowie zwei Schwestern und die Mutter in Bangladesch; sein Vater sei bereits verstorben. Er selbst sei unverheiratet und habe keine Kinder.

Zu seinem Fluchtgrund führte der BF aus, dass es zwischen „unserer Partei und der gegnerischen Partei“ zu Auseinandersetzungen gekommen sei. Bei diesen Streitereien sei eine Person der gegnerischen Partei ums Leben gekommen. Gegen den BF und andere wurde eine falsche Anzeige wegen Mordes erstattet. Sie seien geflüchtet, eine Person, die erwischt worden sei, hätte die Todesstrafe erhalten.

Er sei danach über Indien in den Iran geflohen, von dort in den Oman zu seinen Brüdern; nach 2,5 Jahren sei er wieder in den Iran, dann wieder über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien bis nach Österreich gereist. Insgesamt seien drei bis vier Jahre vergangen.

I.2. Am 22.10.2012 erfolgte die Einvernahme vor dem BFA. Eingangs gab der BF, dass er keine Dokumente besitze.

Der BF fürhte zu seinem Fluchtgrund – zusammengefasst – aus: Der BF sei kein Mitglied einer Partei, aber drei seiner Brüder seien bei der BNP gewesen. Er sei „mit meinen Brüdern bei einer Demonstration“ gewesen, welche im Februar 2004 (im Laufe der Einvernahme: „2008“, später wieder auf „2004“ korrigiert) stattgefunden habe. Sie seien von Leuten der Awami-League angegriffen worden, es hätte eine Massenschlägerei gegeben, wobei ein Mitglied der Awami League getötet worden sei. Sie seien von der Awami League angezeigt worden und der BF sei der zweite Beschuldigte auf der Anzeige. Er sei nach Indien geflüchtet. „Ein Bruder hat ein Grundstück verkauft und brachte mir das Geld nach Indien und ich bin nach Europa geflüchtet“. Nachgefragt gab der BF an, dass er in den Iran und nach Oman gegangen sei, wo er für eine Baufirma illegal gearbeitet hätte, jedoch nach „dreieinhalb Jahren“ – weil er keine Dokumente hatte – wieder in den Iran gegangen sei, weil er Sorge hatte, dass man ihn sonst im Falle der Entdeckung nach Bangladesch abschieben würde.

Genauer nachgefragt, gab der BF an, dass die Demonstration „ca eineinhalb Monate vor der Wahl“ gewesen sei. Es „waren ca. 30 Leute. Wir gingen auf die Straße weiter, ich war mit meinen Brüdern ganz vorne. Plötzlich wurden wir von der AL angegriffen. Sie waren vier oder fünf Leute. Zuerst gab es ein Streitgespräch. Dann begann die Schlägerei. Ein paar Minuten später habe ich gesehen, dass jemand am Boden liegt. Jemand hat gesagt, er ist schon tot. Ich habe ihn auch gesehen, er ist tot. Ich hatte Angst vor der Polizei und der AL. Deshalb bin ich weggelaufen.“

Gefragt, warum oder wofür sie demonstriert hätten meinte der BF, dass sein Bruder Politiker war. Er liebe ihn und mache daher, was er sage. An diesem Tag sei der BNP-Parlamentsabgeordneter XXXX in das Dorf gekommen. Deshalb hätte sie demonstriert.

Sein Bruder habe wegen der Anzeige dann einen Anwalt genommen und sei beim Vater des Toten gewesen, um Geld zu geben um seinen Namen frei zu bekommen. Das habe er aber nicht geschafft. Das Verfahren würde noch laufen.

Sein Bruder sei auch angezeigt worden, aber mit Hilfe des XXXX wurde sein name aus der Anzeige gelöscht.

Wenn er zurückmüsse, dann müsse er ins Gefägnis. Er habe kein Haus, kein Grundstück, keine Wohnung, gar nichts.

Nachgefragt hinsichtlich des genauen Verlaufes der Demonstration gab der BF an, dass ca 30 Personen der BNP den Namen der Partei geschrien hätten; sie seien auf dem Weg Richtung Bahnhof gegangen, von wo sie XXXX abholen wollten. Die gegnerische Partei der AL sei entgegengekommen und hätten sie beschimpft. Ein agrressives BNP-Mitglied habe angefangen zu schlagen, daraus sei die Schlägerei entstanden. Der BF habe auch geschlagen und sei geschlagen worden, konkret auf den Kopf. Er habe geblutet und sei zum Arzt gegangen.

Es sei keine richtige Demonstratiion gewesen. Es bestand Freude darüber, dass XXXX zu ihnen käme. Im Dorf gäbe es einen Fluss und sie wollten eine Brücke bauen. An diesem Tag habe die Baustelle begonnen. Die AL wollte aber nicht, dass die Brücke gebaut werde, vielleicht habe deshalb die gegnerische Partei sie angegriffen.

Auf den Vorhalt, dass der BF wissen müsse, weshalb die AL sie angegriffen habe, weil es ja vorher einen Wortwechsel gegeben hae, meinte der BF, dass die Politiker immer hinten bleiben, deshalb sei er vorne gewesen.

Er habe dann seinen Bruder angerufen und XXXX . Dieser sagte, dass er probieren werde, ihn aus der Anzeige herauszubekommen. Bei seinem Bruder hätte er es geschafft, bei ihm könne er es probieren.

I.3. Mit Bescheid des BFA vom 22.10.2012 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde vom 19.12.2012 an den Asylgerichtshof wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.04.2015, W114 1432090-1/6Z Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG behoben zur erlasssung eines neuen Bescheides durch das BFA. Ausgeführt wurde darin, dass im Rahmen einer Beschwerdeergänzung zusätzliche Fluchtgründe und Unterlagen vorgelegt worden seien. Darüber hinaus habe der BF seinen „nunmehrigen Namen: XXXX “ bekanntgegeben. Es habe das BFA nicht ausreichend den Sachverhalt erhoben und müsse dies nunmehr, auch unter Ermittlungen im Herkunfstland, noch durchführen.

I.4. Am 20.11.2012 war nach den vorgelegten Akten des Administrativverfahrens der BF Beteiligter bei einer Schlägerei mit seinem Zimmerkollegen in der Betreuungsstelle Nord des BFA.

I.5. Am 30.07.2015 erging nach den vorgelegten Akten des Administrativverfahrens eine Abschluss-Bericht der Polizeiinspektion Schörfling an die Staatsanwaltschaft Wels hinsichtlich des Verdachts auf Verletzung des Suchtmittelgesetzes § 27/1, in dem auf eine freiwillig durchgeführte positive Harnprobe vom 14.07.2015 sowie ein aufgenommenes Protokoll über Haschischkonsum referenziert wird.

I.6. Am 17.08.2016 erfolgte ein ergänzendes Vorbringen des BF an das BFA. Darin wurde vorgebracht, dass der BF von der Tötung einer Person während der Demonstration im April 2014 freigesprochen worden sei. Nur der Mitangeklagte „ XXXX “ sei wegen des Tötungsdeliktes zu lebenslanger Haft veruteilt worden.

Es gäbe jedoch gegen den BF aus politischen Gründen eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung und sei der BF deswegen zu zehn Jahren Gefängnis unter verschärften Bedingungen verurteilt worden. Sein Bruder XXXX habe ihm diese Unterlagen samt englischer Übersetzung zugeschickt.

I.7. Am 11.10.2016 erfolgte eine neuerliche Einvernahme des BF durch das BFA. Zu seinem Namen befragt gab der BF an, dass er vor seiner Einreise nach Österreich keine Ahnung über Vor- und Famiiliennamen gehabt habe, er könne auch nicht erklären, warum alle seine sechs Brüder und der Vater mit dem Familiennamen „ XXXX “ heißen und er „ XXXX “.

Zu den Geschehnissen rund um die Demonstration erklärte der BF nunmehr, dass sein Bruder „ XXXX “ nicht dabei gewesen sei, obwohl dieser Bruder „der Politiker in der Familie“ gewesen sei. Sein Bruder sei zum Zeitpunkt der Demonstration „im Parteibüro gewesen“. Alle anderen Brüder hätten auch nicht an der Demonstration teilgenommen, „dort habe nur ich teilgenommen“.

Von der BNP seien ca 30 Personen anwesend gewesen, von der AL ca 15 Personen.

Der vom BF in einer früheren Einvernahme besonders aggressive BNP-Aktivist habe „ XXXX “ geheißen. Er wisse jedoch nicht, ob dieser vom Gericht verurteilt worden sei, weil er ja Bangladesch verlassen habe. Nachgefragt, dass er in einer früheren Einvernahme gesagt habe, dass ein Parteigenosse zum Tode verurteilt worden sei, gab der BF nunmehr an, „kann sein, ich weiß es nicht.“

Er wisse auch nicht, ob es Zeitungsberichte darüber gäbe, denn „ich habe nächsten Tag die Heimat verlassen“.

Hinsichtlich der Anzeige wegen der Demonstratioin gab der BF an, dass XXXX es erreicht habe, dass sein Bruder nicht genannt wurde, weil dieser ja im Parteibüro gesessen sei und an der Demonstration nicht teilgenommen habe.

Zu seiner persönlichen Situation gab der BF an, dass er derzeit nicht arbeite. Früher habe er als Zeitungszusteller gearbeitet. Er habe Geld über die Caritas (Grundversorgung) erhalten.

Er habe viele Freunde, lebe aber ohne Partnerschaft. Er sei von seiner Freundin getrennt.

I.8. Mit Bescheid des BFA vom 23.11.2016 wurde sodann der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde vom 07.12.2016 wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgeerichtes vom 06.03.2017, XXXX , der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG behoben und zur Erlassung eines neuen bescheides an das BFA zurückverwiesen. Begründend stellte das BVwG fest, dass die vom BF vorgelegten Dokumente, denen asylrelevanz zukommen würde, nicht übersetzt worden seien und auch vor Ort mittels Vertrauensanwaltes nicht verifiziert oder falsifiziert wurden.

I.9. Am 22.03.2018 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF vor dem BFA.

Hinsichtlich der von ihm vorgelegten Unterlagen führte der BF aus, dass er diese von seinem Bruder im Nachhinein erhalten habe und er über deren Echtheit keine Auskunft geben könne.

Er habe seit Dezember 2017 eine Freundin namens XXXX (richtig laut Beschwerde wohl: XXXX ), XXXX . Sie sei im Tourismus beschäftigt, in der Fachhochschule in Salzburg. Sie käme aus St. Vincent von den Grenadinen.

Verwandte habe er keine in Europa.

Der BF habe eine eigene Wohnung in der Josef Ressel Gasse 13/2.

Er habe weiter einen Führerschein, Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2, und stelle – als Selbständiger - Pakete für UPS zu; dazu habe er zwei Fahrzeuge, einen Renault Master sowie einen Peugeot 5008.

Zu seinen Fluchtgründen führte der BF auf die Frage, ob er politisch tätig war oder ist: „Nein, mein Bruder XXXX ist bei der BNP tätig. Er ist Ortsparteiobmann. Ich aber nicht“. Er sei und war auch nie Mitglied einer politischen Partei oder einer Organisation gewesen.

Er habe auch in seinem Heimatland nicht an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.

Hinsichtlich des konkreten Fluchtgrundes befragt gab der BF an, dass er „alle meine Angaben in den bisherigen Einvernahmen vollinhatlich beibehalten“ möchte.

Die Demonstration sei vermutlich im April 2008 gewesen. Sein Bruder XXXX sei nicht bei der Demonstration gewesen. Es sei zu Auseinandersetzungen mit der AL gekommen und dabei sei ein Mitglied der AL verstorben. Der BF sei sofort geflüchtet, habe sich zu Hause versteckt; sein Bruder habe ihn angerufen und gesagt, er solle das Haus verlassen, weil die Polizei ihn suchen könnte. Daraufhin sei er nach indien, ca 1 km entfernt, geflüchtet. Einige Tage später habe er von seinem Bruder erfahren, dass er nicht zurückkommen sollte und sei – wieder einige Zeit später – nach Oman aufgebrochen. Dort habe er ca drei jahre gelebt, aber als die Regierung angekündigt habe, illegale Personen abzuschieben, habe er auch den Oman verlassen.

Mit seinem Bruder habe er seit ca einem Jahr keinen Kontakt mehr.

Andere außer dem genannten Fluchtgrund habe er nicht.

I.10. Am 08.02.2019 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF vor dem BFA.

Im Zuge dieser Einvernahme wurde dem BF das Ergebnis der von der Staatendokumentation durchgeführten Vor-Ort-Erhebungen mitgeteilt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

Die Staatendokumentation erbrachte folgendes Ergebnis:

Auf die Frage, ob im April 2008 in den vom BF bezeichneten Stadtteil tatsächllich eine Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der BNP und der AL stattgefunden habe, erbrachte die Recherge, dass keine Aufzeichnungen vorhanden seien.

Der BF meinte dazu, dass die Regierung alles manipulieren könne. Man könnte ihn trotzdem festnehmen, wenn er zurückkehre.

Auf der vom BF genannten Polizeiwache und dem zuständigen Bezirksgericht wurden keine Fälle gefunden, bei denen gegen den BF Anklage erhoben wurde.

Dazu meinte der BF, dass er „damals über meinen Rechtsvertreter alle Unterlagen organisiert und vorgelegt“ habe. Man könne auch in den Medien kontrollieren, es gäbe überall Korruption.

Auf den Vorhalt, dass kein Gerichtsverfahren eingeleitet, keine Klage gegen den BF eingereicht und auch kein Urteil in seiner Abwesenheit gefällt worden sei, meinte der BF, dass die Polizei mit der AL zusammenarbeite. Die Rolle der Polizei sei wie die von einem Auftragskiller.

Auf die Feststellung, dass der BF weder von der Polizei gesucht wird noch ein Haftbefehl gegen ihn erhoben worden sei, meinte der BF, dass er attackiert und geschlagen worden sei. Man würde dies am Kopf sehen. Man brauche in Bangladesch keine Anordnungen, um Personen festzunehmen,

Auf das Rechercheergebnis, dass es gegen den BF keinen Rechtsstreit gäbe, keine Anklage bestünde und kein Hinweis darauf, dass eine Bestrafung bei seiner Rückkehr nach Bangladesch zu erwarten sei, antworte der BF, dass er nicht umsonst ohne Familiemmitglieder unterwegs sei. Er hätte schon seit mehr als zwei Jahren keinen Kontakt mehr. Wenn man ihm eine Bestätigung geben würde, dass er in Bangladesch keine Probleme bekomme, könne man ihn zurückschicken.

Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen käme hervor, dass der BF der Bruder von XXXX , Sohn der XXXX , sei; dies würde stimmen, so der BF.

Während der Recherchetätigkeiten und Erhebungen im Heimatdorf konnte eine Mitgleidschaft des BF als auch des XXXX bei der BNP nicht bestätigt werden. Dazu meinte der BF, es sei unmöglich das zu glauben. „Er sei immer bei der BNP tätig gewesen“. Die Familienmitglieder seien alle bei der BNP Partei „involviert“, Unterstützer oder Mitglieder. Sein Bruder sei im gesamten Ort bzw. Bezirk bekannt.

Zu seinen geschäftlichen Status bekräftigte der BF mittels Vorlage einer Jahresabrechnung, dass er selbständig tätig sei, Einnahmen von knapp 54.000 € und Ausgaben von ca 42.000 €, somit einen zu versteuernden Gewinn von ca 11.500 € habe. Sonstige wesentliche Änderungen wurden nicht formuliert.

I.11. Am 08.07.2019 erließ das BFA den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid.

Mit diesem Bescheid wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Darüber hinaus wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen den Bescheid im Spruchpunkt VII der Entscheidung aufgehoben.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

Zu dieser Entscheidung gelangte des BFA vor allem unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Recherche durch die Staatensokumentatioin und in Folge der sich – detailliert im Bescheid beschriebenen – Widersprüchlichkeit der Aussagen des BF.

I.12. Mit Schriftsatz vom 10.08.2019 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – durch XXXX als bevollmächtigter Substitut, vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften hinsichtlicher sämtlicher Spruchpunkte angefochten.

Konkret wurde beantragt, dass dem BF auf Grund seines Antrages vom 05.12.2012 der Status des Asylberechtigten gem § 3 AsylG, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, in eventu ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ unter gleichezitiger Feststellung, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, zuerkannt werde; in eventu solle der angefochtene Bescheid zur Gänze aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung an die belangte Behörde zurückverwiesen werden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

Darüber hinaus wurde die amtswegige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Das BVCwG sei verpflichtet, dieser beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass das rechtliche Gehör des BF verletzt worden sei, weil die Abgabe einer Stellungnhame des BF ohne Berücksichtigung des Urlaubes des Rechtsvertreters festgelegt worden sei.

Es sei eine unrichtige und unschlüssige Beweiswürdigung erfolgt, aufgrund einer grob mangelhaften und unrichtigen Auslandsrecherche.

Es seien in Folge unterlassener, gesamtheitlicher Beweiswürdigung Verfahrensfehler zu bemängeln.

In der Beschwerde wird hervorgehoben, dass sich im aufgezeigten politischen Zusammenhang die Frage stelle, ob denn der Vertrauensanwalt oder dessen beauftragte Personen selbst Bestechungsgelder gezahlt haben, um überhaupt an polizeiliche und gerichtliche Akten heranzukommen, welche an sich der Amtsverschwiegenheit unterliegen und von verfahrensfremden Personen nicht eingesehen werden dürften.

Der BF habe geografisch korrekte Angaben gemacht.

Der BF habe sich 2012, also viereinhalb Jahr nach dem fluchtauslösenden Vorfall, noch an Ereignisse im Rahmen der ersten Einvernahme erinnern. Dies sei in der Beweiswürdigung nicht beachtet worden.

Der BF hätte deshalb zum Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet keine genauen Kenntnisse mehr vom Inhalt der Anschuldigungen, weiters davon, was wirklich geschehen sei und schon gar nicht davon, welche Behauptungen in der Anzeige, der Anklageschrift und dem Urteil stünden.

Er wisse deshalb auch nicht, ob der Täter von der Polizei erwischt, wurde und tatsächlich die Todesstrafe bekam.

In weiterer Folge wird wiederum darauf hingewiesen, dass die Recherchen des Vertrauensanwaltes der Republik Österreich ungenügend und unztuverlässig erhoben worden seien.

Auch eine Entscheidung über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung sowie über die Aufenthaltsberechtigung sei nicht rechtens: Das Privat- und Familienleben des BF sei ausreichend für die Einräumung eines Aufenthaltsrechtes. Dies unter anderem deshalb, weil – entsprechend der Rechtsprechung des VwGH - „bei einem mehr als zehnjährigen inländischen Aufenthalt von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen sei“.

Es läge ein unzulässiger, unverhältnissmäßiger Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF vor.

Das BFA habe jedoch – vollkommen tatsachenwidrig – auf Seite 52 der in Beschwerde gezogenen Entscheidung festgestellt, dass „Sie im Bundesgebiet eine Freundin haben, ihre Gattin sowie ihre Kinder leben in Bangladesch“.

Tatsächlich habe der BF weder eine Gattin noch Kinder in Bangladesch.

Deshalb werde auch die Freundin, Frau XXXX , StA von St. Vincent/Grenadinen, wohnhaft in XXXX , als Zeugin beantragt.

Darüber hinaus wurden weitere Beweismittel, teils zurückreichend ins Jahr 2017, vorgelegt.

I.13. Mit Entscheidung vom 21.08.2019, XXXX , hat das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt VII des angefochtenen Becheides, nämlich die Aufhebung der Zulässigkeit der aufscheibenden Wirkung einer Beschwerde, ersatzlos behoben. Unter Würdigung der Rechtsprechung des VwGH wurde festgehalten, dass zumindest theoretisch die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit mit einer Begründung aufzeige, dass die Vor-Ort-Recherchen mangelhaft geblieben seien und die Anwendbarkeit des § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG nicht mehr gegeben sei.

I.14. Mit Schreiben vom 14.08.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.14. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand April 2020) zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.15. Am 05.08.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Der gesunde BF ist arbeitsfähig und betreibt erfolgreich (zu versteuernder Gewinn 2019: ca € 19.000) das Kleintransportergewerbe. Mittlerweile habe er an die € 30.000 gespart. Mit dem gesparten Geld wolle er gemeinsam mit einem Freund ein indisches Restaurant in Salzburg, wo er auch (für ca € 500 pro Monat) wohne, eröffnen; diesbezüglich legte der BF eine gültige schriftliche Vereinbarung mit dem Freund, der bereits eine Pizzeria in Salzburg betreibt, vor.

Der BF konnte im Rahmen der Verhandlung seine guten Deutschkenntnisse unter Beweis stellen, der Sprachwortschatz war durchaus ausreichend, auch wenn die Antworten nicht immer in vollen Sätzen erfolgten.

Der BF legte zahlreiche Unterstützungschreiben vor und belegte auch seine Mitgliedschaften in diversen Vereinen.

Hinsichtlich seiner persönlichen Situation verwies der BF darauf, dass er eine Freundin habe; seine Freundin stamme aus St. Vincent/Grenadinen; er sei nicht verheiratet, die diesbezüglichen Angaben im Bescheid stimmen nicht.

Mit seiner Freundin sei er zusammen, aber es sei in der Zeit des Coronna-Pandemie bedingten Lock-Downs schwierig gewesen. Die in der Beschwerde verlangte schriftliche Einvernahme der Freundin des BF als Zeugin wurde nicht aufrechterhalten.

Der BF habe noch keine Kinder, aber er möchte mit seiner Freundin, die einen aufrechten Aufenthaltstitel besitze und im XXXX in Salzburg arbeite. Wenn sie sich treffen würden sie in deutscher Sprache miteinander kommunizieren.

Zu seinem Freundeskreis befragt gab der BF an, dass er viele österreichische Freunde habe und brachte glaubwürdig die Integration in junge Familien zum Ausdruck.

Zu seiner Familie habe der BF wenig Kontakt.

Wenig glaubwürdig blieb jedoch das politische Fluchtvorbringen und die damit behaupotete Verfolgung. Der BF war kein Mitglied einer (oppositionellen) Partei, er wisse auch nicht, ob die von ihm vorgelegten Unterlagen echt oder gefälscht seien, er sei in Bangladesch auch nicht verhaftet worden. Es gäbe auch keine Anzeige gegen ihn, weil dies nicht notwendig gewesen sei, man könmne auch ohne Anzeige verhaftet werden. Er wisse nicht, wie viel der Bruder, der ihm von der Anzeige erzählte, dafür bezahlt habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Tuluqdar sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF hat in seinem Heimatland die Schule besucht. Danach arbeitete er in Bangladesch im Geschäft seines Bruders gearbeitet.

Der BF ist unverheiratet. Er hat eine Freundin, die einen gültigen Aufenthaltstitel hat und in einem Hotel in Salzburg arbeitet.

Der BF selbst betreibt erfolgreich ein Kleintransportgewerbe und hat Pläne gemeinsam mit einen Freund ein Restaurant in Salzburg zu betreiben.

Der BF ist selbsterhaltungsfähig und spricht ausreichend Deutsch, sein Sprachwortschatz ist durchaus vielfältig, die Antworten sind verständlich. Deutsch könne er auf dem Niveau A2 verstehen und sprechen. Laut dem Prüfungszeugnis des ÖIF hat der BF das ÖSD Zertifikat A2 erworben.

Der BF scheint gut in junge österreichische Familien freundschaftlich integriert zu sein.

Der BF hat acht Geschwister (davon ein Bruder verstorben, ebenso wie der Vater), und eine Mutter sowie zahlreichende weitere Verwandte in Bangladesch bzw Oman, wo drei seiner Brüder leben,

Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht aufrechter regelmäßiger, aber sehr seltener Kontakt.

Der BF hat 2008 Bangladesch verlassen. Er lebte als Bauarbeiter fast drei Jahre im Oman und verließ dieses Land, weil er wegen illegalen Aufenthaltes gewärtigen musste, nach Bangladesch abgeschoben zu werden. Danach kam er über den Iran, Griechenland, Türkei, Serbien etc bis nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich oder der EU.

Er ist Mitglied in verschiedensten Vereinen, welche zumeist bengalischen Bezug haben, und hat einige österreichische Freunde.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Festgestellt wird, dass der BF 2008 Bangladesch verlassen hat.

Festgestellt wird, dass der BF Sympathisant, aber kein Mitglied der BNP ist.

Festgestellt wird, dass der nicht politisch verfolgt wurde, dass keine Anzeige gegen ihn besteht und er auch nicht aus politischen Gründen verhaftet wurde.

Festgestellt wird, dass die vom BF vorgelegten Unterlagen Dokumente falschen Inhaltes sind.

Festgestellt wird somit, dass das Vorbringen des BF hinsichtlich seiner politischen Verfolgung widersprüchlich, unglaubwürdig und einer objektiven Überprüfung nicht standgehalten hat.

Festgestellt wird somit, dass es dem BF nicht gelungen ist, eine politische Verfolgung, die eine Asylrelevanz hätte, glaubhaft machen konnte.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage

Letzte Änderung: 06.04.2020

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020

ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020

BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 6.4.2020

bdnews24 (20.6.2019): Turnout in Upazila polls drops 50% from general elections, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/06/20/turnout-in-upazila-polls-drops-50-from-general-elections, Zugriff 6.4.2020

BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

DS – Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 6.4.2020

DS – Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 6.4.2020

DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse . Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

PA – Prothom Alo (8.9.2019): BNP to join upazila polls: Fakhrul, https://en.prothomalo.com/bangladesh/news/201499/BNP-to-join-upazila-polls-Fakhrul, Zugriff 6.4.2020

Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.04.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (22.3.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 2.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

AA - Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

Kaipel, Simione Christina (2018): „Globaler Wandel – regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse“, Masterarbeit, Seite 41 – 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020

SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh, Number of Terrorism Related Incidents Year Wise 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020

SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020

TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 06.04.2020

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 06.04.2020

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.7.2019). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 27.7.2019).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.7.2019). Die RABs verfo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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