Entscheidungsdatum
11.08.2020Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I403 2233758-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2020, Zl. XXXX zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15.07.2020 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 3 Fremdenpolizeigesetz gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz wurde ihm kein Durchführungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Es wurde im Wesentlichen festgestellt, dass der in Haft befindliche Beschwerdeführer in Österreich zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt worden war. Berücksichtigt wurde zudem, dass der Beschwerdeführer bereits zuvor in Rumänien und Deutschland mehrmals strafrechtlich verurteilt worden war. Die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers sei daher im öffentlichen Interesse notwendig.
Mit Schriftsatz vom 30.07.2020 wurde Beschwerde erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, in eventu das ausgesprochene Aufenthaltsverbot aufheben bzw. verkürzen, in eventu der ersten Instanz die Ergänzung des Verfahrens anordnen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen und eine mündliche Verhandlung anberaumen. Inhaltlich wurde kritisiert, dass die Eltern des Beschwerdeführers in Deutschland leben würden und ein unbefristetes Aufenthaltsverbot in Österreich „den Familienbesuch erschwere“.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 06.08.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Rumäniens. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer war bis zu seiner Inhaftierung am 26.03.2018 nie im Bundesgebiet gemeldet und hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Er begab sich wenige Tage vorher nach Österreich, um hier am 26.03.2018 einen Einbruchsdiebstahl zu begehen. Vorher hielt sich der Beschwerdeführer noch nie in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer versuchte gemeinsam mit einem anderen rumänischen Staatsbürger am 26.03.2018 unter Verwendung eines Pfeffersprays einer Frau Bargeld und Wertgegenstände wegzunehmen. Er hatte im Rahmen der polizeilichen Vernehmung zugegeben, dass sie geplant hatten, an der Haustür zu läuten, auf das Öffnen der Türe zu warten und die alte Frau, von der sie wussten, dass sie zuhause sein würde, mit Pfefferspray einzusprühen und in ein Zimmer einzusperren. Sie wurden nur durch das Eingreifen von Beamten des Polizeieinsatzkommandos Cobra daran gehindert.
Der Beschwerdeführer wurde deswegen zunächst mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 31.07.2018, Zl. XXXX wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es wurde mildernd berücksichtigt, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, erschwerend dagegen die fünffache Vorstrafenbelastung und der rasche Rückfall. Der dagegen erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom 31.07.2018, Zl. XXXX Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf sieben Jahre erhöht. Dies wurde mit dem Vorliegen von insgesamt fünf einschlägigen Vorstrafen begründet, die in Rumänien und in Deutschland über den Beschwerdeführer verhängt worden waren. Bereits 2014 und 2015 wurde der Beschwerdeführer in Deutschland wegen Diebstahls sowie im Jahr 2015 wegen unbefugten Eindringens in Privatbesitz zu Geldstrafen verurteilt worden. Zudem war der Beschwerdeführer mit Urteil eines rumänischen Gerichts vom 21.05.2014 wegen qualifizierten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, die er von 20.02.2015 bis 04.04.2017 verbüßte. Die vom Amtsgericht XXXX mit Urteil vom 21.11.2017 wegen Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Sachbeschädigung verhängte sechsmonatige Freiheitsstrafe verbüßte der seit 07.09.2017 in Haft befindliche Beschwerdeführer bis 05.03.2018. Nur drei Wochen später beging der Beschwerdeführer den versuchten schweren Raub in Österreich, wobei laut Urteil des OLG der Umstand zu beachten ist, „dass ein körperlich unterlegenes, älteres Tatopfer mit Waffengewalt in ihrem eigenen Haus – somit der unmittelbaren Schutzsphäre – beraubt werden sollte, wobei derartige – selbst im Versuchsstadium verbliebene – Tathandlungen das Sicherheitsgefühl von Personen massiv erschüttern“.
Der Beschwerdeführer befindet sich aktuell in der Justizanstalt XXXX . Er wird verdächtigt, während seines Aufenthaltes in der Justizanstalt XXXX bei einem Mithäftling einen Nasenbeinbruch herbeigeführt zu haben. Als vorläufiges Datum für die Entlassung aus der Haft ist der 26.03.2025 vorgesehen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Insbesondere wurden auch Auszüge aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister (woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Inhaftierung nie im Bundesgebiet gemeldet war) und dem Strafregister eingeholt. Ergänzend wurde Einsicht in das Strafurteil erster und zweiter Instanz genommen. Die Angaben zu seinen Verurteilungen in Deutschland und Rumänien ergeben sich aus den Strafurteilen.
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vorgelegten rumänischen Identitätsnachweises fest.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine Familie verfügt, ergibt sich aus dem Umstand, dass die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde nicht bestritten wurden. Dass er vor seiner Einreise in das Bundesgebiet zur Tatbegehung im März 2018 nie in Österreich aufhältig war, ergibt sich aus der entsprechenden Angabe im „Antragsformular für unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe“ vom 29.05.2020 (AS 53).
Dass der Beschwerdeführer nur nach Österreich reiste, um hier eine Straftat zu begeben, ergibt sich aus dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 31.07.2018, Zl. XXXX .
Die Feststellungen zum Verdacht einer vom Beschwerdeführer in der Justizanstalt begangenen Körperverletzung ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 27.05.2020.
Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde mit „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ vom 27.05.2020 die Möglichkeit gewährt, eine Stellungnahme zu seinem Privat- und Familienleben abzugeben; der Beschwerdeführer nützte diese Möglichkeit nicht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3. Zur Abweisung der Beschwerde
3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:
§ 67 FPG lautet:
§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder jener, der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist. Der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger Rumäniens ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
3.1.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus den folgenden Gründen abzuweisen:
Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt und da die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 5 bzw. mehr als 10 Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1. und 2. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.
Soweit daher in der Beschwerde auf den Gefährdungsmaßstab des fünften Satzes des § 67 Abs. 1 FPG abgestellt wird („dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde“), wird verkannt, dass dieser Gefährdungsmaßstab erst nach einem Aufenthalt von zehn Jahren im Bundesgebiet anzuwenden ist.
Gegen den Beschwerdeführer als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG dagegen zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).
Dem angefochtenen Aufenthaltsverbot liegt im Wesentlichen die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich zugrunde. Der Beschwerdeführer hatte gemeinsam mit einem anderen geplant, an der Haustür eines Einfamilienhauses zu läuten, auf das Öffnen der Türe zu warten und die alte Frau, von der sie wussten, dass sie zuhause sein würde, mit Pfefferspray einzusprühen und in ein Zimmer einzusperren. Sie wurden nur durch das Eingreifen von Beamten des Polizeieinsatzkommandos Cobra daran gehindert. Der Beschwerdeführer war nur in das Bundesgebiet eingereist, um diese Straftat zu begehen.
Es ist aber auch das Verhalten des Beschwerdeführers in Deutschland und Rumänien zu berücksichtigen, wo er seit 2014 bereits fünf Vorstrafen bekommen hatte, alle wegen der gleichen schädlichen Neigung. Obwohl er sowohl in Rumänien wie auch in Deutschland bereits Haftstrafen verbüßt hatte, hielt ihn dies nicht davon ab, innerhalb eines kurzen Zeitraums weitere Straftaten zu begehen. Er war erst drei Wochen aus einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe in Deutschland entlassen worden, als er in Österreich versuchte einen schweren Raub zu begehen und dies unter Anwendung von Gewalt gegen eine alte Frau. Zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung in Deutschland war er erst einige Monate in Freiheit gewesen, nachdem er zuvor über zwei Jahre in einem rumänischen Gefängnis verbracht hatte. Der Rückfall erfolgte daher immer nach äußerst kurzer Zeit.
Entsprechend ist von einer großen kriminellen Energie des Beschwerdeführers auszugehen und auch davon, dass selbst die Erfahrung einer Freiheitsstrafe ihn nicht von der Begehung weiterer Straftaten abzubringen vermag.
Wenn in der Beschwerde behauptet wird, dem angefochtenen Bescheid fehle es an einer tauglichen Begründung der Gefährdungsprognose, so ist dem entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde zu Recht auf den Umstand verwies, dass davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und dass sich seine wirtschaftliche Situation bei Haftentlassung nicht verbessert haben wird, so dass damit zu rechnen sei, dass er weiterhin eine Bereicherung durch kriminelle Taten anstreben wird.
Es muss daher davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.
Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist.
In der Beschwerde wurde eine unzureichende Prüfung unter dem Aspekt des § 9 BFA-VG geltend gemacht, ohne allerdings auszuführen, worin das schützenswerte Privat- und Familienleben in Österreich liegen sollte. Inhaltlich wurde nur darauf verwiesen, dass ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für Österreich den Besuch seiner in Deutschland lebenden Familie erschweren würde. Wenn man das Interesse des Beschwerdeführers an einer möglichst kurzen und bequemen Anreise nach Deutschland dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Begehung weiterer Straftaten durch ihn gegenüberstellt, überwiegt das öffentliche Interesse zweifelsohne. Sonstige Aspekte eines Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet.
Im vorliegenden Fall führt der Beschwerdeführer in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Auch eine soziale Integration des Beschwerdeführers ist nicht gegeben, hatte er doch noch nie einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich (abgesehen von seiner derzeitigen Inhaftierung) und reiste er nur wenige Tage vor der Begehung des schweren Raubes in das Bundesgebiet ein, eben mit dem Zweck, hier diese Straftat zu begehen. Der bisherige Aufenthalt von etwas über zwei Jahren beschränkt sich damit im Wesentlichen auf die Inhaftierung, wobei er verdächtigt wird, in der Justizanstalt einem anderen eine Körperverletzung (Nasenbeinbruch) beigefügt zu haben.
Somit liegt jedenfalls keine umfassende Verankerung in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht im Bundesgebiet vor. Das familiäre und private Interesse des Beschwerdeführers am Aufenthalt im Bundesgebiet konnte somit im Lichte einer durch Art. 8 EMRK gebotenen Interessensabwägung das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.
Im Hinblick auf die wiederholte Tatbegehung innerhalb kürzester Zeit, die gezielte Einreise ins Bundesgebiet zur Begehung einer Straftat und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers ist ein unbefristetes Aufenthaltsverbot (welches aufgrund der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren seine gesetzliche Grundlage in § 67 Abs. 3 Z 1 FPG hat) angemessen.
Die Befristungsdauer ist auch deshalb nicht zu beanstanden, weil der Beschwerdeführer keinerlei maßgebliche Interessen an einem Aufenthalt in Österreich hat.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Anhand seines Gesamtfehlverhaltens zeigte er unzweifelhaft, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zum Schutz der Bevölkerung erforderlich und dringend geboten ist.
Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der maßgebende Sachverhalt wurde vom BFA abschließend ermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde Parteiengehör durch das BFA gewährt, indem er mit Schreiben vom 27.05.2020 vom Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich des beabsichtigten Aufenthaltsverbotes verständigt wurde und er zur Beantwortung von Fragen zu seiner Integration sowie zur Vorlage von entsprechenden Belegen aufgefordert wurde. Dass er dem nicht nachgekommen ist, ist der Behörde nicht vorzuwerfen.
Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu der vom Beschwerdeführer in Österreich begangenen Straftat und zu seinen Verurteilungen in Deutschland und Rumänien, blieben unbestritten. Tatsächlich blieben alle im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen (so auch, dass der Beschwerdeführer in Österreich kein Familienleben führt bzw. dass er nie einen Wohnsitz in Österreich hatte) unwidersprochen. In der Beschwerde wurde inhaltlich nur vorgebracht, dass die Familie des Beschwerdeführers in Deutschland leben würde, was vom Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis genommen wird, aber keinerlei Auswirkungen auf den Ausgang des Verfahrens über die Verhängung eines Aufenthaltsverbots für das österreichische Bundesgebiet hat. Unter diesen Umständen hätte selbst ein positiver persönlicher Eindruck zu keinem anderen Ergebnis geführt. Somit lag kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/002).
Im vorliegenden Fall konnte daher, in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2233758.1.01Im RIS seit
09.11.2020Zuletzt aktualisiert am
09.11.2020