Entscheidungsdatum
12.08.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I409 1435409-2/81E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Elfenbeinküste alias Mali alias Guinea, vertreten durch den Verein „Legal Focus“, Lazarettgasse 28/3, 1090 Wien, gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den am 18. April 2013 gestellten Antrag auf internationalen Schutz, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wird in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Elfenbeinküste gemäß §§ 3 und 8 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Es wird festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Elfenbeinküste auf Dauer unzulässig ist, und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monate erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Elfenbeinküste, stellte am 15. Jänner 2013 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz und gab damals an, Staatsangehöriger von Mali zu sein.
Der Beschwerdeführer reiste am 17. April 2013 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellte am 18. April 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner am 18. April 2013 erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Guinea zu sein; er gab unter der Rubrik „Fluchtgrund“ Folgendes an:
„Im April 2011 war ich Wahlkampfunterstützer des damaligen Präsidenten in der Elfenbeinküste. Am 11.04.2011 verlor mein Präsident die Wahlen und die Anhänger des derzeitigen Präsidenten begannen uns zu verfolgen. Sie zündeten unser Haus an und meine Familie floh in die verschiedensten Richtungen. Aus Angst um mein Leben, habe ich mein Land verlassen.“
Am 7. Mai 2013 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich von der belangten Behörde einvernommen. Er gab (u.a.) an, persönlich keine Lust zu haben, nach Ungarn zurückzukehren.
Seit dem 13. Mai 2013 war der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthaltes und ab dem 16. Mai 2013 zwar obdachlos gemeldet, jedoch dort postalisch nicht erreichbar.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2013 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß „§ 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ als unzulässig zurück. Zugleich wurde er gemäß „§ 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005“ nach Ungarn ausgewiesen und festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn gemäß „§ 10 Absatz 4 AsylG“ zulässig ist.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Asylgerichtshof.
Mit Erkenntnis vom 18. Juni 2013 wies der Asylgerichtshof die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Ladungsbescheid vom 21. Juni 2013 wurde der Beschwerdeführer im Hinblick auf die bestehende „durchsetzbare Ausreiseentscheidung“ für den 11. Juli 2013 zu einer Einvernahme zur Klärung seiner Identität und Herkunft geladen. Dieser Einvernahme blieb er unentschuldigt fern.
Am 26. Oktober 2013 lief die Frist für eine Überstellung nach Ungarn ab.
Am 30. Oktober 2014 stellte der Beschwerdeführer abermals einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner am 1. November 2014 erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, Angst vor einer Verfolgung durch die Regierung zu haben und bei seiner Rückkehr mit der Todesstrafe zu rechnen. Bislang habe er in Wien an verschiedenen Adressen bei Bekannten gewohnt.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2015 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass er leiblicher Vater von S. F. C., geboren am XXXX 2015, sei.
Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2016 erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG.
Mit Schriftsatz vom 4. August 2016 wurde die belangte Behörde gemäß § 19 Abs. 6 Asylgesetz 2005 mit einer Einvernahme des Beschwerdeführers beauftragt.
In seiner Einvernahme am 6. September 2016 machte der Beschwerdeführer gegenüber der belangten Behörde folgende Angaben:
„LA: Wo leben Ihre Geschwister?
A: Ich weiss von einer Schwester, dass sie in Ghana lebt. Zu den anderen habe ich keinen Kontakt.
LA: Warum haben Sie keinen Kontakt?
A: Wir haben vor langer Zeit den Kontakt verloren.
…
LA: Haben Sie Dokumente aus der Heimat? Reisepass etc.?
A: Ich habe meine Geburtsurkunde. Die habe ich hier abgegeben.
LA: Besitzen Sie andere Dokumente, eines mit Lichtbild etwa?
A: Nein.
LA: Warum nicht?
A: Ich habe einfach keine.
LA: Sie haben die Geburtsurkunde nachträglich ausstellen lassen. Sie sind in einem französischsprachigen Land geboren und behaupteten nun Staatsangehöriger eines anderen französischsprachigen Landes zu sein. Dahingehend wäre ein Dokument mit Lichtbild von Vorteil.
A: Ich kann mir nur im Land einen Pass ausstellen lassen, nicht auf der Botschaft.
LA: Das wage ich zu behaupten ist nicht richtig. Dazu sind Botschaften schlicht da.
A: Es ist nicht so, dass ich nicht könnte, ich möchte nicht in die Botschaft gehen.“
Mit Schreiben vom 7. September 2016 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht den Asylakt und die Niederschrift der Einvernahme am 6. September 2016 vor.
Mit Telefax vom 16. September 2016 legte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers Integrationsunterlagen vor und erklärte Folgendes:
„Der BF ist nun 3 1/2 Jahre in Österreich. Er hofft eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen gem § 55 AsylG und ersucht daher um eine baldige Entscheidung.“
Mit Telefax vom 16. Oktober 2016 legte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine Integrationsbestätigung vor.
Mit Telefax vom 3. November 2016 ersuchte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers die damals zuständige Leiterin der Gerichtsabteilung W232 um einen Rückruf und bot an, die Beschwerde gegen Spruchpunkt I und II zurückzuziehen, falls die Ausweisung für auf Dauer unzulässig erklärt werden könne.
Mit E-Mail vom 27. Dezember 2016 erklärte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, dass er bereit wäre, die „Beschwerde hinsichtlich I und II zurückzuziehen.“
Mit E-Mail vom 28. März 2017 erklärte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, dass er die „Beschwerde zur Spruch I und II zurückzuziehen“ würde, wenn „die Ausweisung aus Dauer unzulässig erklärt werden könnte.“
Mit E-Mail vom 8. Juni 2017 erklärte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, dass er sich über die „Aussicht dass im Sommer eine Verhandlung stattfinden wird“, „natürlich sehr gefreut hat.“
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 20. Oktober 2017 wurde die Beschwerdesache der Gerichtsabteilung W232 abgenommen und der Gerichtsabteilung I409 zugewiesen.
Mit E-Mail vom 29. Dezember 2017 übermittelte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers weitere Integrationsunterlagen.
Mit E-Mail vom 8. Jänner 2018 übermittelte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers das Tondokument eines Radiointerviews, um seine sprachliche Integration darzutun.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 erstattete die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme und wies insbesondere auf seine Integration und die Lage in der Elfenbeinküste hin.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2019 teilte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers mit, dass er laut eines DNA-Tests eine zweite Tochter habe.
Mit Schreiben vom 5. August 2019 erstattete die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme.
Mit Schreiben vom 14. August 2019 erstattete die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme.
Mit E-Mail vom 18. September 2019 legte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung vor.
Der Beschwerdeführer erschien unentschuldigt nicht zur Verhandlung am 19. September 2019.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 erstattete die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 2019 wies die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers „aus aktuellen Anlass auf die Unruhen in der Elfenbeinküste hin, die beiden nachfolgend angeführten Artikel stammen vom 24.12.2019“.
Mit Schreiben vom 15. Jänner 2020 erstattete die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme.
Mit E-Mail vom 3. Februar 2020 legte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers einen aktuellen Meldezettel vor.
Mit Schreiben vom 5. März 2020 erstattete die belangte Behörde eine Stellungnahme.
Mit E-Mail vom 9. März 2020 legte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine mit 6. März 2020 datierte Arbeitsunfähigkeitsmeldung vor.
Der Beschwerdeführer erschien unentschuldigt nicht zur Verhandlung am 9. März 2020 und einer Aufforderung zu einer amtsärztlichen Untersuchung am 10. März 2020 leistete er wiederum unentschuldigt keine Folge.
Mit E-Mail vom 5. Juli 2020 übermittelte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers medizinische Befunde und stellte in Abrede, dass er unentschuldigt nicht zur Verhandlung erschienen sei.
Mit E-Mail vom 22. Juli 2020 übermittelte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers Empfehlungsschreiben.
Mit Schreiben vom 7. August 2020 erstattete die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz und Prüfung einer Rückkehrentscheidung
A) 1. Feststellungen
Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird – um Wiederholungen zu vermeiden –als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige und erwerbsfähige, strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Elfenbeinküste, Angehöriger der Volksgruppe der Malinke und er bekennt sich zum islamischen Glauben. Er besuchte diverse Integrationskurse und arbeitete ehrenamtlich. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in der Elfenbeinküste.
Er hat mit einer Asylberechtigten, einer Staatsangehörigen von Mali, zwei am XXXX 2015 und am XXXX 2018 geborene Töchter. Zwischen dem Beschwerdeführer und der Kindesmutter stehen derzeit Partnerschaftskonflikte im Vordergrund. Es bestehen Zweifel, dass die Kindesmutter uneingeschränkt in der Lage ist, die Obsorge für ihre (insgesamt vier) Kinder wahrzunehmen. Gleichzeitig scheint es so, als ob dem Kindesvater dadurch noch mehr Bedeutung in der Erziehung der beiden Mädchen zukommt. Der Vater hat momentan offensichtlich auf seine älteste Tochter einen stabilisierenden Einfluss.
Der Beschwerdeführer erlangte am 9. Jänner 2015 ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A2 und am 1. März 2018 ein Deutschzertifikat auf dem Niveau B1.
Der Beschwerdeführer verfügt über einen ivorischen Reisepass, der am 23. Dezember 2015 ausgestellt wurde und fünf Jahre gültig ist. Sein jüngerer Bruder M. C. ist seit 5. Oktober 2015 im Bundesgebiet polizeilich gemeldet. In seiner Einvernahme am 6. September 2016 verschwieg er der belangten Behörde sowohl die Existenz seines Reisepasses, als auch den Aufent halt seines Bruder M. C. im Bundesgebiet.
Beim Beschwerdeführer liegt eine „a-Thalassaemia minima mit -a37 - Deletion in heterozygotem Zustand“ und eine „Anlageträgerschaft für die Hämoglobinvariante HbC“ vor; die Kombination dieser beiden Veränderungen führt klinisch, abgesehen von einer möglicherweise vorliegenden, milden, mikrozytären Anämie, zu keinen Auffälligkeiten. Ob die bei ihm auftretenden Gelenksbeschwerden, die vor allen Dingen bei Kälte vorhanden sind, mit der HbC-Variante in Verbindung stehen, konnte nicht eindeutig beurteilt werden. Bei homozygotem Vorliegen wäre ein Zusammenhang wahrscheinlich, da er jedoch lediglich heterozygoter Anlageträger ist, ist ein Zusammenhang eher unwahrscheinlich. Dennoch wurde ihm eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie das Vermeiden von Kälte empfohlen. Der Beschwerdeführer nimmt deswegen gelegentlich Schmerzmittel. Weiters hat er ein Magengeschwür, chronische Gastritis und eine kleine Zyste in der rechten Niere; er nimmt dagegen Pantoloc als Magenschutz ein.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Elfenbeinküste aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Er wird im Fall seiner Rückkehr in die Elfenbeinküste also mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in der Elfenbeinküste:
Zur Lage in der Elfenbeinküste werden folgende Feststellungen getroffen:
„Politische Lage
Die Côte d´Ivoire ist eine präsidiale Republik (AA 4.2017a; vgl. GIZ 3.2018a, USDOS 3.3.2017). Der Präsident wird für fünf Jahre gewählt und ernennt den Regierungschef (den Premierminister). Grundsätzlich richtet sich der Staatsaufbau nach dem französischen Muster. Die Verfassung sieht eine formale Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Justiz vor (AA 4.2017a).
2010 fanden Präsidentschaftswahlen statt, wobei sich Laurent Gbagbo und Alassane Ouattara einer Stichwahl unterziehen mussten, die nach dem offiziellen Wahlergebnis Ouattara gewann. Gbagbo versuchte die Wahl für ungültig zu erklären. Kurzfristig gab es zwei Präsidenten. Es kam zu Streiks, Drohungen und Demonstrationen. Die Wirtschaft kam praktisch zum Erliegen und das Land geriet an den Rand einer humanitären Katastrophe. Es kam überall zu erbitterten Kämpfen zwischen Gbagbo-Anhängern und Befürwortern von Ouattara. Die politische Krise 2010/2011 erschüttert das Land bis heute (GIZ 3.2018a).
Alassane Ouattara ist seit Dezember 2010 Präsident der Elfenbeinküste, das Amt des Premierministers bekleidet seit November 2012 Daniel Kablan Duncan (GIZ 3.2018a). Dem Staatspräsidenten fallen große exekutive Machtkompetenzen zu (AA 5.2017a; vgl. GIZ 3.2018a). Er ist Oberhaupt der Exekutive und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die Nationalversammlung (Assemblée nationale), mit aktuell 225 Parlamentssitzen, hat die Kontrolle über die Aktivitäten der Exekutive (GIZ 3.2018a). An den letzten Parlaments-Wahlen am 18. Dezember 2016 nahm auch die Oppositionspartei FPI wieder teil, die die Wahlen von 2011 boykottiert hatte. Die beiden Regierungsparteien RDR und PDCI verfügen seitdem über 167 der 255 Sitze Der Rest ging zum überwiegenden Teil an Unabhängige. Die bisherige Oppositionspartei FPI spielt mit nur 3 Parlamentariern keine bedeutende Rolle mehr (AA 5.2017a). Gewählter Parlamentsvorsitzender ist seit dem 12. März 2012 der ehemalige Rebellenanführer Guillaume Soro. Die Volksvertreter werden in den Distrikten gewählt (GIZ 3.2018a).
Die einflussreichsten Parteien sind die Demokratische Partei (PDCI), die Volksfront (FPI), die Arbeiterpartei (PIT) und die Republikaner (RDR), aber es existieren aktuell über 130 Parteien und auch Zusammenschlüsse einzelner Parteien (GIZ 3. 2018a).
Die letzte Präsidentschaftswahl fand im Oktober 2015 statt. Laurent Gbagbo, der sich nach den letzten Wahlen weigerte, sein Präsidentenamt aufzugeben und damit das Land in die Krise stürzte, befindet sich bis heute in Gewahrsam des internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (AA 5.2017a; vgl. GIZ 3.2018a). Seine Partei FPI ist gespalten. Doch seine Popularität im Land selbst ist ungebrochen. Anfang 2014 kandidierte Gbagbo für das Präsidentenamt, da er davon ausging, noch im selben Jahr auf freien Fuß zu kommen. Obwohl einige seiner Anhänger Anfang 2015 freigelassen wurden, war jedoch klar, dass er weiterhin in Haft bleiben wird. Mitte 2014 wurde bekannt, dass der ehemalige Premierminister Pascal Affi N'guessan als Präsident der FPI nominiert wurde. Er wollte als Chef der FPI seine Partei zur Wahl führen. Präsident Ouattara brauchte die FPI als Oppositionspartei, um bei den Wahlen auch international Anerkennung zu finden. Ouattara schwor sein Land auf Frieden und Versöhnung ein und versprach transparente und demokratische Wahlen. Die Präsidentschaftswahlen verliefen ruhig (GIZ 3.2018a; vgl. BTI 2018, USDOS 3.3.2017). Die Wahlbeteiligung blieb allerdings sehr niedrig. Obwohl die Wahlkommission vor der Wahl eine Beteiligung von ca. 60 Prozent vorhersagte, ging man eher von 20-25 Prozent aus, denn die Anhänger von Laurent Gbagbo haben die Wahlen boykottiert (GIZ 3. 2018a).
Durch die friedlich und frei verlaufenen Präsidentschaftswahlen vom 25. Oktober 2015 haben die Stabilität und der Demokratisierungsprozess in der Côte d’Ivoire einen großen Schritt voran gemacht (AA 5.2017a). Alassane Ouattara selbst hat immer noch mit dem Gesetz der Ivoiriété zu kämpfen, welches ihn, laut Verfassung, vom Amt des Präsidenten ausschließt. Er hat zwar versucht, dieses Gesetz 2013 zu ändern, ist aber gescheitert. Außerdem wurde kritisiert, das Gesetz würde nur der Erschließung neuer Wählerschichten, der Absicherung der Macht der aktuellen Eliten und der Bestätigung des amtierenden Präsidenten Ouattara bei den Wahlen 2015 dienen. Im November 2016 wurde eine neue Verfassung verabschiedet. Hierüber gab es ein Referendum, dem die Bevölkerung in großen Teilen zugestimmt hat. Die Opposition rief zwar zum Boykott auf, mit der Begründung Ouattara wolle mit der neuen Verfassung seine Macht weiter ausbauen, konnte aber gegen die Mehrheit der Befürworter nichts ausrichten (GIZ 3. 2018a; vgl. BTI 2018).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Côte d'Ivoire, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/cotedivoire-node/-/209484, Zugriff 20.3.2018
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.or Assize g/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Sicherheitslage
Seit der großen Krise von 2010/2011 hat sich die Sicherheitslage deutlich verbessert, aber es werden immer noch regelmäßig gewalttätige Vorfälle aus verschiedenen Landesteilen gemeldet (EDA 20.3.2018; vgl. BMEIA 20.3.2018).
Es wird noch mehr Zeit brauchen, bis eine Sicherheitsstruktur aufgebaut ist, die im ganzen Land wirksam ist. Die Polizei und die Gendarmerie haben zurzeit nur beschränkte Kapazitäten. Die wichtigsten Städte (Abidjan, Bouaké, San Pedro, Yamoussoukro) sind relativ gut gesichert, aber gleichwohl Zielscheibe von Angriffen gegen staatliche Institutionen. Bei Streiks, Demonstrationen und Straßenblockaden kann es zu Gewaltanwendung kommen (EDA 20.3.2018). Seitens des deutschen Auswärtigen Amts besteht keine Reisewarnung. Seitens des österreichischen Außenministeriums hingegen besteht eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für Grenzregionen an Mali, Liberia und Guinea, sowie für alle Gebiete außerhalb Abidjans; für die Hauptstadt wird von einem hohen Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) ausgegangen (BMEIA 20.3.2018).
Im Grenzgebiet zu Mali ist es im März 2015 zu Terrorakten mit islamistischem Hintergrund gekommen. Am 13. März 2016 kam es in der Hafenstadt Grand Bassam zu einem Terrorangriff auf ein Hotel. In Abidjan und im Landesinneren gibt es weiterhin Straßenkontrollen. Die Kriminalität in Côte d'Ivoire ist hoch, insbesondere in den westlichen und nordwestlichen Landesteilen (AA 20.3.2018; vgl. BMEIA 20.3.2018). Die Kontrolle der Regierung über zwei Provinzen an der liberianischen Grenze bleibt schwach. Dort stellen Rückkehrer und Milizen eine Bedrohung für das staatliche Gewaltmonopol dar (BTI 2018).
In der ersten Jahreshälfte 2017 kam es in weiten Teilen der Côte d’Ivoire wiederholt zu Unruhen und Streiks im öffentlichen Sektor, verbunden mit Straßensperren und vereinzelten Gewaltakten auch gegen Zivilisten. Eine Wiederholung derartiger Ereignisse kann nicht ausgeschlossen werden (AA 20.3.2018).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (20.3.2018): Côte d'Ivoire, Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/cotedivoire-node/cotedivoiresicherheit/209460, Zugriff 20.3.2018
-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (20.3.2018): Reiseinformationen - Côte d'Ivoire, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/cote-divoire/, Zugriff 20.3.2018
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.3.2018): Reisehinweise Côte d'Ivoire, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/cote-d-ivoire/reisehinweise-fuercotedivoire.html, Zugriff 20.3.2018
Rechtsschutz / Justizwesen
Das Justizsystem ist stark von Frankreich beeinflusst. Es existieren zwei parallele Justizsysteme – die französische Gerichtsbarkeit und das ivorische Gewohnheitsrecht. Der obere Gerichtshof (Coûr Supreme) kontrolliert die Rechtsprechung. Interessant als verfassungsmäßig vorgesehenes Organ ist der Médiateur de la Republique (Vermittler der Republik), der als eine Art Ombudsmann unparteiisch urteilt (GIZ 3.2018a). Die Verfassung und die Gesetze gewähren eine unabhängige Justiz, doch in der Praxis werden diese nicht durchgesetzt. Obwohl die Justiz in gewöhnlichen Kriminalfällen unabhängig ist, folgt sie der Exekutive in Fällen der nationalen Sicherheit oder bei politisch sensiblen Fällen (USDOS 3.3.2017). Richter sind korrupt und sehr oft durch Bestechungsgelder beeinflusst. Zudem bleibt die Justiz unzureichend ausgestattet und ineffizient (USDOS 3.3.2017; vgl. BTI 2018). Formell ist die Justiz wie erwähnt unabhängig. Tatsächlich war sie aber in ihren Entscheidungen immer der gerade amtierenden Regierung unterworfen (BTI 2018).
Trotz anhaltender, aber langsamer Verbesserungen in den Bereichen Sicherheit und politische Aussöhnung blieben die Bemühungen der Regierung zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und zur Bekämpfung der Straflosigkeit nach der Krise nach den Wahlen 2010/11 unvollständig (USDOS 3.3.2017).
Eine ernsthafte Aussöhnungspolitik wurde nicht betrieben, doch die Côte d´Ivoire steht auch vor der riesigen Herausforderung, langjährig gewachsene Konfliktfelder zu entspannen, die Bevölkerung zu versöhnen, einen funktionierenden Staat aufzubauen, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen und die Straflosigkeit nach dem gewaltsamen Konflikt nach den Wahlen 2010/11 anzuerkennen. Die Situation hat sich aktuell beruhigt, doch die Probleme bestehen weiter (GIZ 3.2018a; vgl. USDOS 3.3.2017).
Die Fortschritte in der Aufarbeitung der Gewalttaten nach den Wahlen bleibt schleppend und die überwiegende Mehrheit der Täter, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, wurden noch nicht zur Rechenschaft gezogen (HWR 18.1.2018). Am 28. Jänner 2016 wurde der Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo und seinen engen Verbündeten Charles Blé Goudé vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag eröffnet. Gbagbo und Blé Goudé wurden jeweils viermal wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, die während der postelektiven Krise 2010/11 begangen wurden, bei der mindestens 3.000 Zivilisten getötet und mehrere Frauen und Mädchen vergewaltigt wurden. Am 31. März 2016 begann der Prozess gegen die ehemalige First Lady Simone Gbagbo vor dem Assize Court für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. In der Vergangenheit wurden Assize-Gerichte (Sondergerichte, die bei Bedarf einberufen wurden, um Strafsachen mit schwerwiegenden Straftaten zu verhandeln) nur selten einberufen. Ihr Prozess war der erste wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Einige Menschenrechtsgruppen behaupteten, dass das Verfahren fehlerhaft sei. Bereits Anfang März 2016 wies der Oberste Gerichtshof Simone Gbagbos letzte Berufung gegen die 20-jährige Haftstrafe zurück, die sich aus einem separaten Prozess im Jahr 2015 ergab, in dem sie wegen Verbrechen gegen den Staat angeklagt wurde (USDOS 3.3.2017).
Die Richter in der Elfenbeinküste untersuchen weiterhin Verbrechen, die von beiden Seiten während der Krise nach den Wahlen 2010/11 begangen wurden, aber der fehlerhafte Prozess gegen die ehemalige First Lady Simone Gbagbo, welche am 28. März 2017 freigesprochen wurde, ließ Zweifel an der Fähigkeit der Gerichte aufkommen, ernsthafte Menschenrechtsfälle effektiv zu untersuchen (HRW 18.1.2018). Insgesamt übt die Regierung hinsichtlich der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen (2010/2011) Einfluss auf die Justiz aus. So sind bis Ende 2014 zwar mehrere hundert Anhänger und Behördenmitarbeiter von Gbagbo verurteilt worden, allerdings ist bis Ende 2016 keine einzige Person aus dem Kreis der ehemaligen Ouattara-Milizen verurteilt worden (BTI 2018; vgl. AI 22.2.2018). Mehr als 200 Unterstützer des ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo, gegen die im Zusammenhang mit dem Konf3likt nach den Wahlen im Jahr 2010 Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung, Völkermords und anderer Straftaten erhoben worden war, befinden sich weiterhin in Haft (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018).
Die zivilgesellschaftliche Organisation, Commission Dialogue, Vérité et Réconciliation (CDVR), die im Bereich der Versöhnung und der Friedenssicherung arbeitet, wurde 2011 in der Elfenbeinküste ins Leben gerufen. Obwohl die Arbeit der CDVR international als bedeutsam erachtet wurde, wurde sie auch kritisiert. Im Wahljahr 2015 versuchte der Präsident, den Friedensdialog zu stärken, indem er die CDVR durch die CONARIV (Commission nationale de Réconcialisatio et d´indémnisation des Victimes) ersetzte und die Kirche daran beteiligte. Trotzdem blieben die Versöhnungserfolge weit hinter den Erwartungen (GIZ 3.2018a). Die Fortschritte bei der Bereitstellung von Gerechtigkeit für die Opfer der Gewalt nach den Wahlen blieben schleppend, da die überwiegende Mehrheit der Täter von Menschenrechtsverletzungen noch nicht zur Verantwortung gezogen wurde (HRW 18.1.2018).
Der ICC-Prozess gegen Laurent Gbagbo und Charles Blé Goudé wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einschließlich Mord und Vergewaltigung während der Gewalttätigkeiten nach den Wahlen, wurde fortgesetzt. Im Juli 2017 hat die Berufungskammer des ICC die Strafkammer aufgefordert, ihre Entscheidung zu überprüfen, um die vorläufige Freilassung von Laurent Gbagbo zu unterbinden (AI 22.2.2018). Es wurden auch die Verbrechen untersucht, die von pro-Ouattara-Kräften während der Krise 2010/11 begangen wurden (HRW 18.1.2018).
Die Reparationsorganisation der Côte d'Ivoire hatte bei der Vorlage ihres Berichts im April 2016 eine Liste von mehr als 316.000 Opfern zusammengestellt, die möglicherweise für eine Wiedergutmachung in Frage kämen, obwohl die überwiegende Mehrheit der Opfer noch keine Hilfe erhalten hat. Am 25. Oktober 2017 veröffentlichte die Regierung den Bericht der Dialog-, Wahrheits- und Versöhnungskommission. Der Bericht trug nur wenig dazu bei, die Verantwortlichen für Verbrechen, die während des Konflikts von 2002-2003 begangen wurden, oder für die Krise von 2010/11 zu identifizieren (HRW 18.1.2018).
Quellen:
-AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2017/18 (22.2.2018): The State of the World's Human Rights - Côte d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1425313.html, Zugriff 20.3.2018
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 20.3.2018
-HRW - Human Rights Watch: World Report 2018 (18.1.2018): Côte d’Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1422431.html, Zugriff 15.3.2018
-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Sicherheitsbehörden
Die Polizei (unter dem Ministerium für Inneres und Sicherheit) und die Gendarmerie (unter dem Verteidigungsministerium) sind für die Strafverfolgung zuständig. Die Coordination Center for Operational Decisions (CCDO), eine Einheit aus Polizei, Gendarmerie und der Forces armées de Côte d'Ivoire (FACI), unterstützt die Polizei bei der Gewährleistung der Sicherheit in den Großstädten. Die FACI (unter dem Verteidigungsministerium) ist für die Landesverteidigung zuständig. Die Direction de la surveillance du territoire (DST) (unter dem Ministerium für Inneres und Sicherheit) ist für die Abwehr externer Bedrohungen zuständig (USDOS 3.3.2017). Die Armee besteht aus Bodentruppen, Marine und Luftwaffe. Sie wird ergänzt durch paramilitärische Einheiten der nationalen Gendarmerie sowie aus der Elitetruppe Garde Républicaine (GIZ 3.2018a).
Die FACI, die besser ausgebildet und ausgerüstet ist als Polizei oder Gendarmerie, übt weiterhin deren Funktionen aus. Die nationale Gendarmerie übernimmt von der FACI die Kontrolle über alle Sicherheitsfunktionen auf den Straßen, wie z.B. das Betreiben von Checkpoints. Dennoch betreibt die FACI nach wie vor unautorisierte Sicherheitskontrollen, vor allem in Grenznähe, wo sie auch Erpressung betrieben (USDOS 3.3.2017). Während das Personal der FACI besser ausgebildet und ausgerüstet bleibt als Polizei oder Gendarmerie, bleiben sie weiterhin nicht ausreichend ausgebildet oder ausgerüstet und verfügen auch nicht über eine angemessene Führungs- und Kontrollstruktur. Korruption und Straflosigkeit bleiben innerhalb der FACI und anderen Sicherheitskräften, einschließlich Polizei, Gendarmerie, CCDO und DST, endemisch (HRW 18.1.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen von Häftlingen und unrechtmäßige Tötungen durch die Sicherheitskräfte nahmen 2017 ab, aber Ermittlungen und Strafverfolgungen von Personen, die Missbräuche begehen, bleibt selten (HRW 18.1.2018). Besonders im Westen des Landes verlassen sich Gemeinschaften weiterhin auf Dozos (traditionelle Jäger), um ihren Sicherheitsbedarf zu decken (USDOS 3.3.2017).
Der Aufbau einer regulären, nationalen Armee für die Côte d´Ivoire ist momentan ein wichtiges politisches Ziel. Dabei gehört es zu den bedeutendsten Herausforderungen, Milizen und Kindersoldaten in die Gesellschaft zu re-integrieren, strukturelle Verbesserungen wie z.B. die pünktliche Bezahlung von Soldaten und den Abbau von Kleinwaffen in der Bevölkerung voranzutreiben. Bisher fehlt es dem Sicherheitssektor an Legitimität und Funktionalität (GIZ 3.2018a). Im Jahr 2017 kam es außerdem zu mehreren Fällen von Meuterei bei der Armee, etwa in Bouake und Yamoussoukro. Die Großstadt Bouake wurde dabei von Meuterern vorübergehend unter Kontrolle gebracht. Dabei kamen mindestens 15 Menschen ums Leben (HRW 18.1.2018).
Die Militärpolizei und das Militärtribunal sind verantwortlich für die Untersuchung und Verfolgung angeblicher interner Missbräuche, die von den Sicherheitsdiensten begangen werden (USDOS 3.3.2017). Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen finden aber nur selten statt (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018). Die Häufigkeit von willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen von Häftlingen und unrechtmäßigen Tötungen durch die Sicherheitskräfte nahm 2017 wieder ab, aber Ermittlungen und Strafverfolgungen von Personen, die Missbräuche begehen, bleiben selten (HRW 18.1.2018; vgl. BTI 2018). Viele Mitglieder der Sicherheitskräfte, darunter auch hochrangige Offiziere der Armee, setzten ihre kriminellen Geschäfte und Erpressungen fort. Mehrere Kommandanten der Armee, die angeblich für Gräueltaten während des bewaffneten Konflikts 2002/2003 und der Krise 2010/11 verantwortlich waren, wurden im Januar 2017 befördert (HRW 18.1.2018).
Sicherheitskräfte scheitern zeitweise daran, gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren, insbesondere während interkommunaler Auseinandersetzungen über Grundbesitz. Innerhalb jedes Sicherheitsapparates werden Anstrengungen unternommen, die Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen innerhalb der einzelnen Befehlsketten zu stärken (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 27.3.2018
-HRW - Human Rights Watch: World Report 2018 (18.1.2018): Côte d’Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1422431.html, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung und das Gesetz verbieten Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Trotzdem gab es einige Berichte über willkürliche oder extralegale Tötungen durch staatliche Organe. Die Verfassung und das Gesetz verbieten willkürliche Festnahme und Inhaftierung. Berichte über illegale Inhaftierungen, Erpressungen, sexuelle Gewalt und Verschwindenlassen seitens der republikanischen Streitkräfte der Côte d'Ivoire, der Forces républicaines de Côte d’Ivoire (FRCI) und anderer Sicherheitskräfte bestehen weiter, obwohl sie seit der politischen Krise zurückgingen (USDOS 3.3.2017). Es gab keine Anzeichen dafür, dass mutmaßliche Täter, einschließlich der Sicherheitskräfte, mit Ende des Jahres 2017 wegen Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt wurden (AI 22.1.2018).
Im August startete die UNO-Operation in der Côte d'Ivoire (UNOCI) und die FRCI eine gemeinsame Einrichtung für Menschenrechte, um Informationen zu teilen, auf Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen durch die FRCI einzugehen und den Aufbau von Menschenrechten im Rahmen der FRCI zu koordinieren (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
-AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2017/18 (22.2.2018): The State of the World's Human Rights - Côte d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1425313.html, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Korruption
Das Gesetz sieht Strafen für korrupte Beamte vor, doch die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um, und korrupte Beamte agieren straffrei (BTI 2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Korruption ist immer noch ein verbreitetes Problem, auch innerhalb der Regierung. Die Bevölkerung hat wenig Vertrauen in Polizei und Gerichte (GIZ 3.2018a; vgl. BTI 2018). Korruption wirkt sich vor allem auf Gerichtsprozesse, Auftragsvergabe, Zoll- und Steuersachen und Verantwortlichkeit bei Sicherheitskräften aus. Und so bleiben Korruption und Straffreiheit bei Sicherheitskräften, einschließlich Polizei und Gendarmerie endemisch (USDOS 3.3.2017). Im Jahr 2016 belegte die Elfenbeinküste im Korruptionsindex von Transparency International den 103. von 180 Plätzen (TI 20.3.2018).
Quellen:
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 27.3.2018
-TI - Transparency International (20.3.2018): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Eine Reihe von lokalen und internationalen Menschenrechtsgruppen kann uneingeschränkt agieren. Die Regierung beschränkt weder ihre Arbeit noch die Untersuchungen oder die Publikation der Resultate von Menschenrechtsfällen. Regierungsangestellte sind üblicherweise auch bereit zu kooperieren und auf die Vorschläge der NGOs einzugehen (USDOS 3.3.2018).
Quellen:
-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/local_link/322479/461956_de.html https://www.ecoi.net/en/document/1 395073.html, Zugriff 20.3.2018
Allgemeine Menschenrechtslage
Hauptprobleme der Côte d’Ivoire sind neben der hohen Armutsrate (46 Prozent) vor allem die weiterhin nur schleppend vorangekommene Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen die sich während der Bürgerkriegsjahre und den Krisenzeiten 2002, 2004 und 2010/2011 gekennzeichnet haben (AA 5.2017a; vgl. GIZ 3.2018a).
Die schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme stellen der Missbrauch durch Sicherheitskräfte und die Unfähigkeit der Regierung, Recht und Ordnung durchzusetzen, dar (BTI 2018; vgl. USDOS 3.3.2018). Weitere Probleme sind schlechte Haftbedingungen, Korruption, Einschränkungen bei der Presse- und Versammlungsfreiheit, sowie Diskriminierung, sexuelle Übergriffe und Gewalt gegen Frauen und Kinder, darunter auch weibliche Genitalverstümmlung (FGM/C). Ethnische Gruppen, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender, Menschen mit Behinderungen und Opfer von HIV/AIDS können gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt sein. Insbesondere in ländlichen Gebieten, kommt es auch unter gefährlichen Bedingungen zu Zwangsarbeit. Die Regierung verfolgt nur selten Missbrauch, der von Beamten oder Sicherheitskräften begangen wurden. Straflosigkeit stellt weiterhin ein Problem dar (BTI 2018; vgl. USDOS 3.3.2017).
Die ivorische zivilgesellschaftliche Organisation CSCI wurde 2003 von der Ivorischen Liga der Menschenrechte (Ligue Ivorienne des Droits de l´Homme LIDHO), als Antwort auf die politisch-militärische Krise in der Côte d´Ivoire von 2002, gegründet. Zu den Aufgaben der CSCI gehört es, den Wiederaufbau zu unterstützen, ein neues Sozialgesetz auf den Weg zu bringen, eine stabile Politik und eine partizipative Demokratie zu gewährleisten und die Wirtschaft dauerhaft zu stärken. In der CSCI sind politische Gruppen, Gewerkschaften, religiöse Gruppen und traditionelle Führungskräfte aktiv (GIZ 3.2018a).
Die fortwährende soziopolitische Unsicherheit, das Fehlen einer unabhängigen Justiz, die weitgehende Straflosigkeit für Regierungstruppen und eine eingeschränkte Pressefreiheit sind bis heute dafür verantwortlich, dass von einer befriedigenden Menschenrechtssituation nicht gesprochen werden kann (GIZ 3.2018a; vgl. BTI 2018).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (5.2017a): Côte d'Ivoire, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/CoteDIvoire/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2018
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Meinungs- und Pressefreiheit
Die Verfassung und das Gesetz gewähren Meinungs- und Pressefreiheit, doch die Regierung beschränkt diese Rechte in der Praxis (BTI 2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Der National Press Council (CNP), die Regierungsbehörde für Printmedien, hat mehrmals Zeitungen und Journalisten suspendiert oder gerügt, weil ihre Aussagen vorgeblich falsch oder verleumderisch waren und angeblich die Staatssicherheit bedrohten. Das Gesetz verbietet auch Aufstachelung zu Gewalt, ethnischem Hass, Rebellion und Beleidigung des Staatsoberhaupts oder anderer Mitglieder der Regierung (USDOS 3.3.2016).
Die Medienlandschaft in der Côte d‘Ivoire ist vielfältig. Die wichtigsten Tageszeitungen sind "Fraternité Matin", "Le Jour", "Le Patriote", „Soir Info“, "L'Eléphant Déchainé", "24 Heures", "Nord-Sud" und "Notre Voie". Nationale Verbreitung hat der staatliche Rundfunk "Radio Télévision Ivorien" (RTI). Von besonderer Bedeutung sind die zahlreichen lokalen Radiosender, die für den größten Teil der Bevölkerung die wichtigste Informationsquelle sind (AA 5.2017c).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (5.2017c): Côte d'Ivoire, Kultur und Bildung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/cotedivoire-node/-/209486, Zugriff 27.3.2018
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Das Gesetz erlaubt Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert dieses Recht auch in der Praxis, jedoch verbietet das Gesetz die Gründung von politischen Parteien entlang ethnischer oder religiöser Linien, obwohl früher manchmal eine solche Zugehörigkeit Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in mancher Partei war. Das Gesetz erlaubt auch Versammlungsfreiheit, die Regierung schränkt dieses Recht jedoch gelegentlich ein. Demonstrationen und Kundgebungen müssen im Voraus gemeldet werden und oppositionelle Gruppen berichten über häufige Ablehnung ihrer Anträge (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018, BTI 2018).
Drei Oppositionspolitiker wurden im Mai 2015 wegen einer verbotenen Oppositionskundgebung zu 30 Monaten Haft verurteilt. Zudem wurde ein Geschäftsmann und Anhänger der Opposition, am 31. März 2017 wegen Verleumdung und übler Nachrede zu sechs Monaten Haft verurteilt, nachdem er die Staatsangehörigkeit von Präsident Ouattara bei einer öffentlichen Kundgebung in Frage gestellt hatte (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018). Im Dezember 2016 fanden Parlamentswahlen statt, an der die Oppositionspartei von Laurent Gbagbo, die FPI, trotz vorheriger Ankündigung zum Boykott teilnahm. Die Regierungskoalition unter Ouattara (RDR) gewann die Wahlen deutlich. Im Januar 2017 kam es zu einem Aufstand der Soldaten, die ihren Lohn forderten und mit Reformen in der Armee nicht zufrieden sind. Sie setzten vorübergehend sogar den Verteidigungsminister fest. Auch die Beamten streikten (GIZ 3.2018a).
Quellen:
-AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2017/18 (22.2.2018): The State of the World's Human Rights - Côte d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1425313.html, Zugriff 20.3.2018
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 20.3.2018
-HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Côte d’Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1422431.html, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - U.S. Department of State (13.4.20163.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 20156 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Haftbedingungen
Die Gefängnisbedingungen in der Elfenbeinküste bleiben hart und lebensbedrohlich. Überbelegung bleibt ein Problem in den Gefängnissen und Haftanstalten (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018), die von den Forces républicaines de Côte d’Ivoire (FRCI) und der Direktion für territoriale Überwachung (DST) betrieben werden. Auch die Nahrungssituation, die Hygienebedingungen und die medizinische Versorgung sind teilweise mangelhaft und stellen ein ernstes Problem dar. Die Behörden achten nicht immer auf die Trennung von Männern und Frauen, Jugendliche und Erwachsene befinden sich in denselben Zellen (USDOS 3.3.2018). Abidjans Jugendstrafanstalt ist in einem Erwachsenengefängnis untergebracht, und Kinder in Untersuchungshaft werden oft mit Erwachsenen inhaftiert (HRW 18.1.2018).
Wohlhabende Gefangene können zusätzlichen Platz, Essen und sogar Personal zum Waschen und Bügeln ihrer Kleidung „kaufen“. Die Regierung gewährt dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) die Belieferung mit Nahrungsergänzungsmittel für gefährdete Häftlinge, wie schwangere Frauen und ältere Menschen. Zudem liegen keine Informationen über die Bedingungen in den von der Armee oder der Direktion für Territoriale Überwachung (DST) betriebenen informellen Haftanstalten vor, da die Regierung lokalen oder internationalen NGOs keinen Zutritt gewährt (USDOS 3.3.2018).
Quellen:
-HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Côte d’Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1422431.html, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Todesstrafe
Es gibt keine Todesstrafe (AI o.D.), diese wurde 2015 abgeschafft (GIZ 3.2018a).
Quellen:
-Amnesty International (o.D.): Cote d‘Ivoire – Overview, https://www.amnesty.org/en/countries/africa/cote-d-ivoire/, Zugriff 28.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 20.3.2018
Religionsfreiheit
Charakteristisch für die Côte d´Ivoire ist die Präsenz des Islams und des Christentums etwa zu gleich großen Teilen (GIZ 3.2018c). Die Bevölkerung besteht zu 42,9 Prozent aus Muslimen, zu 33,9 Prozent aus Christen, 3,2 Prozent der Bevölkerung sind Anhänger indigener Religionen und 19,1 Prozent bekennen sich zu keiner Religion (CIA 14.3.2018). Praktiziert werden beide Religionen in einer großen Diversität, bedingt durch soziale und kulturelle Unterschiede im Land und durch die Geschichte der Ethnien (BTI 2018; vgl. GIZ 3.2018c). Das bedeutet auch, dass Naturreligionen und Elemente traditioneller Glaubensgebräuche häufig sind und die reinen Religionen durchmischen (GIZ 3.2018c). Politische Diskriminierung (und Gewalt) hat jedoch mit ethnisch-kulturellen Stereotypen und sprachlichen Spaltungen zu tun und richtet sich an die Bevölkerung im Norden, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit (obwohl die meisten Muslime im nördlichen Teil der Elfenbeinküste leben). Nach der Machtübernahme von Ouattara, einem Moslem, gibt es Vorwürfe, dass Muslime den Christen vorgezogen werden, obwohl einige führende Persönlichkeiten der Regierung Christen sind. Zudem zeigen Umfragen, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung kein Problem darin sieht, mit Menschen unterschiedlicher ethnischer oder religiöser Herkunft zu leben (BTI 2018).
Quellen:
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-CIA (14.3.2018): The World Factbook - Côte d'Ivoire, People and Society, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iv.html, Zugriff 20.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018c), Gesellschaft, https://www.liportal.de/cote-divoire/gesellschaft, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - U.S. Department of State (15.8.2017): 2016 International Religious Freedom Report - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1406674.html, Zugriff 20.3.2018
Ethnische Minderheiten
Die Elfenbeinküste hat ca. 24 Millionen Einwohner, die sich auf ca. 60 Volksgruppen aufteilen (AA 2.2016d; vgl. USDOS 3.3.2017). Von diesen stellen die Akan (ca. 40 Prozent) und die Baulé (ca. 20 Prozent) die größten Gruppen. Ungefähr ein Viertel der Bevölkerung sind Einwanderer, vor allem aus den nördlichen Nachbarstaaten (AA 2.2016d). Ethnische Diskriminierung stellt ein Problem dar. Etwa 25 Prozent der Bevölkerung werden als Ausländer angesehen, obwohl viele Staatsangehörige der zweiten oder dritten Generation sind. Streitigkeiten unter ethnischen Gruppen, die oft mit Land zusammenhängen, führen zu sporadischer Gewalt, vor allem im westlichen Teil des Landes (USDOS 3.3.2017). Konfliktfrei ist das Zusammenleben der Bevölkerung in der Côte d´Ivoire nie gewesen. Ethnische, kulturelle, aber hauptsächlich religiöse Unterschiede in der Bevölkerung haben auch zu soziopolitischen Konsequenzen geführt wie z.B. die Einführung des Gesetzes der Ivoirité oder einer gesellschaftsspaltenden Regionalpolitik, die wiederum zu zahlreichen Ausgrenzungen und damit zu schweren Konflikten geführt haben (GIZ 3.2018c).
Bürgerrechte gehören zu den Hauptursachen des anhaltenden Konflikts in der Elfenbeinküste. Seit vielen Jahren werden der Bevölkerung im Norden, sowie den Wanderarbeitern, die seit Jahrzehnten in der Côte d'Ivoire leben, wichtige Aspekte der Staatsbürgerschaft (wenn nicht die Staatsbürgerschaft selbst) vorenthalten. Das nationalistische Konzept der Ivoirité, das von Politikern angeheizt wurde, ermutigt die Bevölkerung im Süden, die in erster Linie Christen oder Animisten sind, sich als wahre Staatsbürger zu betrachten, während die muslimische Bevölkerung aus dem Norden (ob ivorischer Nationalität oder nicht) zum Ziel fremdenfeindlicher Gefühle und Handlungen wurden. Der Wahlsieg eines „Nordländers“ hat das Problem nicht vollständig gelöst, da die zugrunde liegenden verfassungsrechtlichen und rechtlichen Fragen der Staatsbürgerschaft noch nicht vollständig geklärt sind. Ein neues Gesetz, das 2014 in Kraft trat, erlaubte es mehreren tausend Einwanderern der ersten Generation, die Staatsbürgerschaft zu beanspruchen, und die Verfassungsrevision von 2016 schwächte die Ivoirité-Bestimmungen in den Wahlen (BTI 2018).
Die Volksgruppen und Ethnien unterscheiden sich vor allem durch ihre Herkunft und ihre heutige Besiedlungskonzentration. Neben der offiziellen Amtssprache Französisch ist Dioula die am meisten gesprochene Sprache (CIA 14.3.2018; vgl. GIZ 3.2018c). Ganz grob kann man die Ethnien oder Völker in vier Hauptgruppen unterteilen: die Mandé-Gruppe im Nordwesten, die Voltaique- bzw. Gur-Gruppe im Norden und Nordosten, die Krou im Südwesten und die Akan im Südosten und im östlichen Zentralbereich. Die Voltaique-Gruppen stammten ursprünglich aus Obervolta, dem heutigen Burkina Faso, die Krou aus Liberia und die Mande aus Liberia und Guinea. Die Dioula werden häufig mit den nördlichen Bevölkerungsgruppen gleichgesetzt (GIZ 3.2018c).
Obwohl das Gesetz Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Tribalismus verbietet und diese Formen der Intoleranz durch eine Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren strafbar macht, kam es im Laufe des Jahres zu keiner Anklageerhebung. Es gab Fälle, in denen die Polizei missbräuchlich Ausländer belästigt. Die Belästigung durch Beamte spiegelt die gemeinsame Überzeugung wider, dass Ausländer für hohe Kriminalitätsraten und Identitätskartenbetrug verantwortlich seien (USDOS 3.3.2017).
Die Côte d´Ivoire ist das wichtigste Einwanderungsland für Arbeitsmigranten in Westafrika. Vor allem aus Burkina Faso, Mali und Ghana stammen die meisten der heute vielfach immer noch in der Landwirtschaft arbeitenden Afrikaner in der Elfenbeinküste. Doch in den letzten Jahren sind auch entgegengesetzte Tendenzen zu beobachten (GIZ 3.2018c).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (5.2017d): Länderinformation, Côte d‘Ivoire, Überblick https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/cotedivoire-node/cotedivoire/209444, Zugriff 20.3.2018
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-CIA (14.3.2018): The World Factbook - Côte d'Ivoire, People and Society, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iv.html, Zugriff 20.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018c), Gesellschaft, https://www.liportal.de/cote-divoire/gesellschaft/, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, nationaler Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung oder HIV-Status, aber die Regierung setzt dieses Gesetz nicht wirksam durch. Das Gesetz erklärt häusliche Gewalt nicht speziell für illegal und häusliche Gewalt bleibt weiterhin ein ernstes und weit verbreitetes Problem im Land. Das Gesetz verbietet Vergewaltigung und sieht Haftstrafen zwischen fünf und zwanzig Jahren vor, doch die Regierung setzt dieses Gesetz in der Praxis nur unzureichend durch. Das Gesetz verbietet Vergewaltigung in der Ehe nicht speziell. Frauen, die der Polizei über Vergewaltigung oder häusliche Gewalt berichten, werden oft ignoriert. Viele weibliche Opfer werden von ihren Verwandten und der Polizei überzeugt, eine einvernehmliche Lösung mit dem Vergewaltiger zu suchen, anstatt einen Rechtsfall zu veranlassen. Psychosoziale Dienste für Vergewaltigungsopfer stehen in einigen Bereichen mit Unterstützung von NGOs zur Verfügung, sind aber nicht universell zugänglich (USDOS 3.3.2017).
Frauen erfahren weiterhin ökonomische Diskriminierung im Zugang zu Beschäftigung, Krediten und bezüglich des Besitzes oder der Führung von Geschäften (USDOS 3.3.2017). Frauen sind also wirtschaftlich auf den Partner oder andere männliche Angehörige angewiesen, um wirtschaften zu können. Außerdem haben Frauen kein Erbrecht. So ist die rechtliche Gleichstellung von Frauen zwar formal im Gesetz anerkannt, doch sieht die Realität anders aus, wie auch das Ranking der Côte d´Ivoire im Global Gender Gap Index (Rang 136 von 144 Ländern 2016) zeigt (GIZ 3.2018c). Auch in der Bildung bestehen erhebliche geschlechtsspezifische Ungleichheiten, was sich in einer deutlich geringeren Alphabetisierungsrate der Frauen und einer geringeren Einschulungsrate in allen Sektoren widerspiegelt (BTI 2018).
FGM stellt ein ernstes Problem dar. Das Gesetz verbietet FGM ausdrücklich und sieht Strafen von bis zu fünf Jahren Haft und umgerechnet 610 – 3.400 US-Dollar vor. Ärzte erhalten die doppelte Strafe. FGM wurde am häufigsten unter der ländlichen Bevölkerung im Norden und Westen und seltener im Zentrum und im Süden durchgeführt. NGOs versuchen mit Programmen weiterhin auf die Gefahren von FGM hinzuweisen und die Einstellung gegenüber dieser Praxis zu ändern. Die Regierung hat einige FGM-Fälle bereits erfolgreich strafrechtlich verfolgt (USDOS 3.3.2017; vgl. BTI 2018).
In der Côte d´Ivoire ist das Ministère de la Solidarité, de la Famille, de la Femme et de l´Enfant (MSFFE) für die Belange der Familien auf Regierungsebene zuständig. Dazu zählen auch Abteilungen zur Bildung und Förderung von Frauen, zum Schutz von Kindern und zur besseren Einbindung von Frauen in die Wirtschaft (GIZ 3.2018c).
Im ländlichen Bereich leben 75 Prozent der Frauen unter der Armutsgrenze; nur 15 Prozent der industriellen bzw. Handelsunternehmen sind in der Hand von Frauen. Obwohl Frauen über 50 Prozent der Wählerschaft darstellen, sind von 29 Ministern zurzeit nur 5 Frauen und in der Nationalversammlung gibt es einen Frauenanteil von nur 10 Prozent. 75 Prozent aller Frauen sind Analphabeten, die meisten davon leben im ländlichen Norden der Côte d´Ivoire (GIZ 3.2018c).
Quellen:
-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018c), Gesellschaft, https://www.liportal.de/cote-divoire/gesellschaft, Zugriff 20.3.2018
-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018
Homosexuelle
Homosexualität wird in der Côte d’Ivoire strafrechtlich nicht verfolgt, jedoch von weiten Teilen der Bevölkerung stark abgelehnt (BMEIA 20.3.2018). Nach ivorischem Recht ist Prostitution strafbar, Homosexualität hingege