TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/17 I412 2233864-1

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Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2233864-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RA Mag. Philip Tschernitz, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Kärnten, Außenstelle Klagenfurt (BFA) vom 01.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, wurde am 01.07.2020 aufgrund einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung vom 08.08.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) niederschriftlich einvernommen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.07.2020, Zl. XXXX , erließ die belangte Behörde gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG dem Beschwerdeführer keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).

3. Dagegen wurde mit Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers vom 29.07.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben und darin vorgebracht, die Behörde hätte bei richtiger Abwägung der Eingriffe in die Grundrechte des Beschwerdeführers von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand nehmen müssen, zumal die Kernfamilie des Beschwerdeführers in Österreich lebe und er beabsichtigt habe, in Hinkunft gemeinsam mit seiner Familie in Österreich zu leben und hier auch einer geregelten Arbeitstätigkeit nachzugehen. Die Behörde übergehe in ihrer Entscheidung vollkommen, dass der Beschwerdeführer vor den nunmehr verurteilten strafbaren Handlungen unbescholten war und sein Strafregister keinerlei Eintragungen aufgewiesen habe. Der Beschwerdeführer habe seine Haftstrafe beim Landesgericht Klagenfurt verbüßt und sei nunmehr vorzeitig aus der Haft entlassen worden, da er eben unbescholten gewesen sei und in der Haft eine gute Führung aufgewiesen habe.

Nach einer einmaligen Verurteilung erscheine die Trennung des Beschwerdeführers von seiner Frau und seinen Kindern als überzogener Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienleben und würde die nach der bedingten Entlassung noch offen aushaftende Reststrafe von ca. 8 Monaten vollkommen ausreichen, um den Beschwerdeführer in Hinkunft von strafbaren Handlungen abzuhalten.

Die bloße Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich bei seinen bisherigen Besuchen bei seiner Familie in Österreich nicht angemeldet habe, erscheine nicht ausreichend, um ihm den Kontakt zu seiner Familie in Hinkunft zu verwehren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger (geb. am XXXX in XXXX Nigeria) nigerianischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet mit der polnischen Staatsbürgerin XXXX , geb. am XXXX und hat mit dieser zwei gemeinsame Kinder, XXXX , geb. am XXXX und XXXX , geb. XXXX (beide StA Polen und Nigeria).

Der Beschwerdeführer ist (de facto) begünstigter Drittstaatsangehöriger.

Die Familie des Beschwerdeführers ist seit zumindest 25.09.2014 in Klagenfurt aufhältig und aufrecht gemeldet und ging die Ehefrau des Beschwerdeführers immer wieder einer legalen geregelten Erwerbstätigkeit nach. Seit 29.05.2019 bezieht diese annähernd durchgehend Notstandshilfe – Überbrückungshilfe des AMS Klagenfurt.

Der Beschwerdeführer war (außerhalb der Justizanstalt) nie im Bundesgebiet aufrecht gemeldet und war in den letzten Jahren in Frankreich, Polen und Großteils Nigeria aufhältig.

Der Beschwerdeführer stellte im Jahr 2011 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Polen kehrte er dorthin zurück. Der Beschwerdeführer verfügt über einen gültigen Aufenthaltstitel und einen Wohnsitz in Polen.

Der Beschwerdeführer besuchte seine Familie nur unregelmäßig, er ging keiner geregelten Arbeit nach und lebte überwiegend von der Unterstützung seiner Familie in Nigeria.

Der Beschwerdeführer hat außerhalb seiner Familie keinerlei private Bindungen und verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich rechtskräftig mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 08.08.2019, GZ XXXX , wegen des Verbrechens nach §§ 28a (1) 2. Fall 28a (1) 5. Fall SMG idgF zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten unbedingt verurteilt.

Er hat in Klagenfurt und anderen Orten mit dem Vorsatz der kontinuierlichen Tatbegehung über einen längeren Zeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge in das österreichische Bundesgebiet eingeführt bzw. an verschiedene Personen überlassen.

Als erschwerend wurde in der Urteilsbegründung das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, der teilweise lange Tatzeitraum (zwischen 2014 und 2019) sowie das mehrfache Überschreiten der Grenzmenge angeführt.

Die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers wurde am 04.07.2020 durchgeführt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Algerien. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister (IZR), dem Schengener Informationssystem, dem AJ-Web und dem Strafregister wurden ergänzend eingeholt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Dass der Beschwerdeführer an keinen erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der Einvernahme durch die belangte Behörde (AS 113) und wurde auch in der Beschwerde nichts dem entgegenstehendes vorgebracht. Die Feststellungen hinsichtlich der strafgerichtlichen Verurteilungen leiten sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie insbesondere aus dem vorliegenden Strafurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 08.08.2019 her (AS 59).

Die Feststellungen betreffend die Aufenthalte in Polen, Frankreich und Nigeria wurden auf Grund der eigenen Aussagen des Beschwerdeführers getroffen, ebenso jene zu seinem Wohnsitz in Polen. Dass der Beschwerdeführer in Österreich nie gemeldet war, steht auf Grund einer Abfrage des Zentralen Melderegisters ebenso fest, die Feststellung zum Aufenthaltstitel in Polen ergeben sich ebenfalls aus dem Akt der belangten Behörde (AS 91 sowie 113).

Die Feststellungen zu den mangelnden privaten Bindungen bzw. Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben im Rahmen der Einvernahme (AS 119).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot:

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017) ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 67 Abs. 3 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ...

Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

Art. 27 und 28 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (Freizügigkeits-RL) lauten (auszugsweise):

"Artikel 27

Allgemeine Grundsätze

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.

(2) Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen.

Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

(3) ...

Artikel 28

Schutz vor Ausweisung

(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) ... ."

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).

3.1.2. Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0081, mwN).

Das Bundesamt hat das gegenständliche siebenjährige Aufenthaltsverbot auf § 67 Abs. 1 und 2 FPG gestützt und insbesondere damit begründet, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und der Erheblichkeit seines bisherigen Fehlverhaltens das Grundinteresse der österreichischen Gesellschaft an einem geordneten Zusammenleben beeinträchtige und vom Beschwerdeführer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe.

Der Beschwerdeführer hat die in den Feststellungen angeführten strafbaren Handlungen, die zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung geführt haben, begangen.

Der BF hat demnach für die Gesundheit der Menschen in Österreich besonders gefährliche Straftaten begangen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass nach Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß ist (vgl. VwGH 29.09.1994, Zl. 94/18/0370).

Der Beschwerdeführer verfügte in Österreich nie über einen Wohnsitz und hat selbst in der Einvernahme zugestanden, die letzten Jahre vor seiner Festnahme Großteils in Nigeria verbracht und von der Unterstützung seiner älteren Brüder gelebt zu haben. Er ist somit in Österreich lediglich strafrechtlich in Erscheinung getreten und ist das von ihm verübte Delikt auch nicht gering einzustufen. Der Beschwerdeführer hat somit selbst bestätigt, bislang seinen Lebensunterhalt nicht aus Eigenem, durch die Aufnahme einer legalen Tätigkeit, bestritten zu haben. Überdies wurde der teilweise lange Tatzeitraum in der Urteilsbegründung als erschwerend gewertet, es ist somit davon auszugehen, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers über einen längeren Zeitraum hinweg gesetzt wurde.

Der Beschwerdeführer, der selbst angibt, in den letzten Jahren Großteils von der Unterstützung seiner Familie in Nigeria gelebt zu haben, war bislang nie bestrebt, seinen Aufenthalt in Österreich aus legalen und eigenen Mitteln zu bestreiten, sondern hat seinen Lebensunterhalt entweder durch andere oder durch den Verkauf von Drogen bestritten.

Der Beschwerdeführer ist begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG; er verfügt jedoch nicht über eine gültige österreichische Aufenthaltskarte als Angehöriger einer polnischen EU-Bürgerin.

Von einer ehrlichen Reue bzw. tatsächlichen Einsichtsfähigkeit bezüglich der vom BF in Zusammenhang mit Suchtgift begangenen Straftaten kann ebenso nicht ausgegangen werden, gab der BF doch bei der Befragung durch die belangte Behörde an, nicht damit gerechnet zu haben, dass er aufgrund seiner Drogengeschäfte ins Gefängnis kommen könnte und einfach nicht daran gedacht zu haben.

Mit dieser Aussage versucht der BF seine Straftaten zu verharmlosen bzw. in gemilderter Form darzustellen. Insgesamt ist aber anzuführen, dass es sich bei den strafbaren Verkaufshandlungen in Zusammenhang mit Suchtgift um für die Gesundheit der Menschen besonders gefährliche Straftaten gehandelt hat und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte empfiehlt, dass „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“ (EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11).

Auch mit dem im Strafurteil angeführte Milderungsgrund der bisherigen Unbescholtenheit ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, da er sich bislang nicht (angemeldet) im Bundesgebiet aufgehalten hat und Zweck seiner Einreise die Einfuhr von Suchtgiften aus Slowenien war.

Von einer positiven Zukunftsprognose kann zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt (noch) nicht ausgegangen werden, nicht zuletzt auch deshalb, da der Beschwerdeführer erst im Juli 2020 aus der Strafhaft entlassen wurde.

Aufgrund der dem Strafrechtsurteil vom 08.08.2019 zugrundeliegenden Straftaten des BF, seiner gesamten individuellen Verhältnisse bzw. seines gesamten Verhaltens in Österreich geht vom BF eine für die öffentliche Sicherheit und Ordnung "tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr" im Sinne von § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG aus.

In der Beschwerde ist der Beschwerdeführer den Gründen, die zum Aufenthaltsverbot geführt haben, lediglich mit dem Vorbringen entgegengetreten, dass die Kernfamilie in Österreich lebe und er beabsichtige, in Zukunft gemeinsam mit seiner Familie in Österreich zu leben und einer geregelten Arbeitstätigkeit nachzugehen, sowie dass dieser zuvor unbescholten gewesen sei.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Aufenthaltsbeendigung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art. 8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl die in VfSlg 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Auswirkungen der Entscheidung und die Konsequenzen einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers auf das Familienleben und auf das Kindeswohl etwaiger Kinder zu erörtern (VfGH 24.09.2018, E1416/2018; zur Bedeutung der mit einer Trennung des Beschwerdeführers von seinem Kind verbundenen Auswirkungen VfSlg 19.362/2011). Die Intensität der privaten und familiären Bindungen im Inland ist dabei zu berücksichtigen (VfSlg 18.748/2009).

Seine Familie hat den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten, eine schwere Straftat zu begehen. Der Beschwerdeführer nahm in Kauf, im Fall einer Verurteilung durch Verbüßen einer Haftstrafe keinen oder einen sehr eingeschränkten Kontakt zu seiner Familie zu haben. Ein besonders intensives und schützenswertes Familienleben lässt sich auch sonst aus den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er die letzten Jahre – ohne seine Familie - Großteils in Nigeria verbracht hat, nicht ableiten.

Eine besondere Abhängigkeit, auch in finanzieller Hinsicht, der Ehefrau sowie der Kinder ihm gegenüber ist ebenso nicht anzunehmen. Die Pflege und Betreuung der Kinder ist im Fall der Ausreise des Beschwerdeführers durch dessen Ehefrau bzw. Kindesmutter, die mit ihnen dauerhaft zusammenlebt, gesichert. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme gegenüber dem Beschwerdeführer führt nicht dazu, dass seine Kinder das Bundesgebiet verlassen müssten (wie es etwa bei der Ausweisung der Mutter eines neugeborenen Kindes der Fall wäre; vgl. dazu das Erk. des VfGH vom 11.06.2012, U128/12).

In Bezug auf die Ehefrau des Beschwerdeführers besteht die Möglichkeit, den Kontakt via moderner Kommunikationsmittel aufrechtzuerhalten und kann eine derartige Kontaktmöglichkeit auch für das ältere der Kinder angenommen werden; eine Trennung erscheint auch aufgrund des Umstandes, dass zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer Haushalt mit der Gattin und den Kindern bestand, zumutbar.

Ein Kontakt mit seiner Familie wird auch nicht dauerhaft verunmöglicht bzw. bestünde gegebenenfalls die Möglichkeit, das Familienleben in einem Drittstaat fortzusetzen. Insbesondere verfügt der Beschwerdeführer über einen Wohnsitz in Polen und sind die Gattin und die Kinder polnische Staatsangehörige. Es erscheint eine gemeinsame Rückkehr der Familie daher auch zumutbar und sind die Kinder im Alter von drei und zehn Jahren jedenfalls im anpassungsfähigen Alter, sodass ein weiterer Aufenthalt beispielsweise in Polen keine unzumutbare Härte im Sinne des Kindeswohls darstellt.

Die vom Beschwerdeführer begangene Straftat weist einen besonders hohen Schweregrad auf. Das sich auch in der Strafbemessung niederschlagende und der Verhängung der unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwanzig Monaten manifestierte gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers rechtfertigt die Annahme, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wäre. Ein weiterer Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stünde mit den essentiellen öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung im Widerspruch. Die von ihm ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit rechtfertigt daher die gegenüber ihm erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Das vom BFA gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot ist dem Grunde nach somit jedenfalls gerechtfertigt.

Das öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von schwerer Gewalt- und Suchtgiftkriminalität, ist als sehr groß zu bewerten (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474). Zudem kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 09.03.2003, Zl. 2002/18/0293).

Es ist daher der belangten Behörde beizupflichten, wenn es im vorliegenden Fall durch das dargestellte persönliche Fehlverhalten - angesichts der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten schweren Straftat - von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Aufenthaltsverbotes erforderlich macht. Diese Maßnahme erscheint angesichts der vorliegenden Schwere des Verstoßes gegen österreichischen Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

3.1.3. Was die Dauer des Aufenthaltsverbotes im Ausmaß von sieben Jahren betrifft, erweist sie sich aus folgenden Erwägungen als gerechtfertigt:

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei der Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 2 FPG sind - in Abgrenzung zu den in § 67 Abs. 3 FPG angeführten besonders qualifizierten Straftaten - auch strafbare Handlungen mit hohem Unrechtsgehalt und Strafen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu berücksichtigen.

Das dargestellte persönliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers ist den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben massiv zuwidergelaufen. Das verhängte Aufenthaltsverbot in Dauer von sieben Jahren steht im Hinblick auf die im gegenständlichen Fall verhängten unbedingte Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten und den konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftat unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe, des dargelegten deliktischen und das Asyl- und Fremdenrecht missachtende Fehlverhalten des Beschwerdeführers und der Wirkungslosigkeit der bislang gesetzten strafrechtlichen Sanktionen in angemessener Relation, weshalb auch eine Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht in Frage kam.

Der Beschwerdeführer verfügt über einen polnischen Aufenthaltstitel und einen Wohnsitz in Polen.

Die Beziehung zu seiner Ehefrau und seinen Kindern kann durch Besuche, Telefonate und andere Kommunikationsmittel (Internet, E-Mail etc.) aufrechterhalten werden. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Familie im Fall der Ausreise des Beschwerdeführers aus Österreich gehalten wäre, das Bundesgebiet mit ihm gemeinsam verlassen zu müssen. Da der Beschwerdeführer nur durch Begehung von strafbaren Handlungen in Erscheinung getreten ist, ist auch von einem schützenswerten Privatleben nicht auszugehen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich das angeordnete Aufenthaltsverbot als rechtmäßig und die Dauer des Aufenthaltsverbotes als angemessen erwiesen haben, weshalb gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgen, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortigen Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat und wie sich aus den bereits zum Aufenthaltsverbot dargelegten Erwägungen ergibt, erweist sich die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers (nach Verbüßung seiner Haft) im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich. Er hat durch sein Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung, insbesondere an die Strafgesetze, zu halten. Die Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sind somit zu Recht erfolgt.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu entsprechen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet (VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG - trotz eines entsprechenden Antrages in der Beschwerde - eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Interessenabwägung zwischen dem Privat- und Familienleben und den öffentlichen Interessen bei Begehung schwerwiegender Straftaten; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2233864.1.00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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