TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/27 W250 2234283-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2020
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Entscheidungsdatum

27.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2

Spruch

W250 2234283-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem.GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2020, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 10.08.2020 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 767,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 01.10.2012 nach unrechtmäßiger Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.05.2013 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 14.04.2014 teilweise statt und erkannte dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. Gleichzeitig wurde ihm eine bis 08.04.2015 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

2. Nachdem dem BF mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 01.04.2015 und 03.04.2017 jeweils auf Antrag eine weitere befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde, wurde ihm mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2019 der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 2005 – AsylG von Amts wegen aberkannt, die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen und sein Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass der Sachverhalt der zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt habe - die allgemein schlechte Sicherheits- und Wirtschaftslage (Wohnungssituation) in den Städten (Mazar-e Sharif, Kabul) und der Umstand, dass er wegen des fehlenden Familiennetzwerkes und fehlender staatlicher Unterstützung in eine ausweglose Lage geraten werden würde - nun nicht mehr vorliege.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2019 mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab dem Zeitpunkt der Enthaftung des zum Entscheidungszeitpunkt in Strafhaft angehaltenen BF beträgt.

3. Mit Parteiengehör vom 12.12.2019 gab das Bundesamt dem BF die Möglichkeit, im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot sowie im Verfahren zur Verhängung der Schubhaft als Sicherungsmaßnahme nach seiner Haftentlassung eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben wurde dem BF am 12.12.2019 übergeben, eine Stellungnahme gab er innerhalb der festgesetzten Frist nicht ab.

4. Am XXXX wurde ein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt, am 28.02.2020 nahm der BF an einem Rückkehrberatungsgespräch teil, dabei zeigte er sich nicht rückkehrwillig.

5. Mit Parteiengehör vom 02.06.2020 gab das Bundesamt dem BF erneut die Möglichkeit, im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot sowie im Verfahren zur Verhängung der Schubhaft als Sicherungsmaßnahme nach seiner Haftentlassung eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben wurde dem BF am 02.06.2020 übergeben.

Mit Schreiben vom 16.06.2020 teilte der BF dem Bundesamt auf Grund des Parteiengehörs vom 02.06.2020 mit, dass er im Jahr 2012 nach Österreich eingereist sei, sich durchgehend hier aufgehalten habe und hier ein neues Leben beginnen wolle. Er habe als Automechaniker-Helfer, als Küchenhelfer und als Tischlerhelfer gearbeitet, zuletzt sei er für ca. 7 Monate im Lieferservice als Essenszusteller beschäftigt gewesen. Er sei ledig, befinde sich allerdings in einer Beziehung mit einer slowakischen Staatsangehörigen, Kinder habe er keine. Seine Familie lebe in der Schweiz, in Afghanistan habe er keine sozialen oder familiären Kontakte, da er dort nie gelebt habe. Derzeit befinde er sich zwar in Haft, könne danach jedoch an seine Arbeitsstelle als Essenszusteller zurückkehren. Sobald er wieder beschäftigt sei, könne er für seine Lebenserhaltung sorgen. Zuletzt habe er bei einem Freund gewohnt, bei diesem könne er auch nach seiner Haftentlassung wohnen, bis er eine eigene Wohnung gefunden habe. Seine Freizeit verbringe er mit seinen Bekannten und seiner Lebensgefährtin. Er habe die Deutsch-Zertifikate A1 und A2 abgeschlossen, das Zertifikat B1 habe er mündlich bestanden, schriftlich vorerst noch nicht. Er sei arbeitsfähig und habe sich auch immer um eine Arbeit bemüht. Da er über einen Wohnsitz in Österreich verfüge, bedeute die Schubhaft eine unverhältnismäßige Härte für ihn.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 05.08.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung mit der Maßgabe angeordnet, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach seiner Entlassung aus der Strafhaft eintreten.

Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Da der BF der Verpflichtung zu einem Rückkehrgespräch nicht nachgekommen sei und trotz Aufforderung seinen rechtskräftig entzogenen Fremdenpass nicht abgeliefert habe und er sich bei einem in der Haft durchgeführten Rückkehrberatungsgespräch nicht rückkehrwillig gezeigt habe, sei der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt. Der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG sei erfüllt, da gegen den BF mit Bescheid vom 17.04.2019 eine Rückkehrentscheidung erlassen worden und die dagegen erhobene Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen worden sei. Da der BF über keine hinreichenden Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes verfüge und zur legalen Arbeitsaufnahme nicht berechtigt sei, sei auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG erfüllt. Es gäbe darüber hinaus keine Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Es bestehe eine erhöhte Gefährdung, dass der BF abermals in die Kriminalität abwandere. Der BF verfüge zwar über eine Meldeadresse, es sei aber nicht gesichert, dass der BF als Mittelloser dort auch wieder Unterkunft nehmen könne und er trotz einer melderechtlichen Registrierung bei einem Bekannten für die Behörde erreichbar sein werde, zumal der BF angegeben habe, dass er nicht rückkehrwillig sei.

Der BF weise drei Vorstrafen wegen strafbarerer Handlungen gegen Leib und Leben sowie eine Vorstrafe wegen strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit auf, wobei von einer großen Wiederholungsgefahr seines bisherigen strafbaren Verhaltens ausgegangen werden müsse.

Mit einem gelinderen Mittel könne nicht das Auslangen gefunden werden, da eine jederzeitige Erreichbarkeit des BF auf Grund fehlender sozialer Verankerung nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet sei. Es sei nicht gesichert, dass der BF bei einer melderechtlichen Registrierung bei einem Bekannten für die Behörde erreichbar sei und er nicht untertauchen würde.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 05.08.2020 durch persönliche Übergabe zugestellt.

7. Am 10.08.2020 wurde der BF von der Strafhaft in die Schubhaft überstellt und wird seither in Schubhaft angehalten.

8. Am 21.08.2020 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 05.08.2020 und brachte im Wesentlichen vor, dass die Schubhaft rechtswidrig sei, da der Sicherungszweck auf Grund der COVID-19-Pandemie nicht erreichbar sei und die Abschiebung des BF innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer nicht durchgeführt werden könne. Darüber hinaus habe das Bundesamt das Vorliegen von Fluchtgefahr nicht ausreichend begründet. Der BF habe in der Vergangenheit am Verfahren mitgewirkt und insbesondere eine Stellungnahme auf Grund des übermittelten Parteiengehörs abgegeben. Dass er bisher den Fremdenpass nicht abgeliefert habe, könne dem BF nicht angelastet werden, da ihm dieser erst nach Antritt seiner Strafhaft entzogen worden sei und sich bei seinen persönlichen Sachen in der Wohnung seines Freundes befinde. Gegen den BF sei zwar eine Rückkehrentscheidung getroffen worden, doch sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2019 die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab dem Zeitpunkt der Enthaftung festgesetzt worden. Diese Frist laufe daher erst am 24.08.2020 ab. Seinen Verfahren habe sich der BF bisher nicht entzogen. Der BF habe vor Antritt seiner Haftstrafe bei einem Freund gewohnt und könne auch nach seiner Entlassung dort wieder Unterkunft nehmen. Auch der Umstand, dass der BF strafrechtlich verurteilt worden sei, begründe keine Fluchtgefahr.

Selbst bei Bestehen von Fluchtgefahr sei die Behörde verpflichtet gewesen ein gelinderes Mittel anzuordnen. Im angefochtenen Bescheid begründe die Behörde den Ausschluss gelinderer Mittel im Wesentlichen mit textbausteinartigen Stehsätzen. Da der BF vor Haftantritt über eine Meldeadresse verfügt habe und auch nach seiner Entlassung wieder an dieser Adresse Unterkunft nehmen könne, sei das gelindere Mittel der periodischen Meldeverpflichtung ausreichend.

Der BF beantragte eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß der Verwaltungsgerichts-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen habe, sowie der Eingabengebühr aufzuerlegen.

9. Das Bundesamt legte am 24.08.2020 den Verwaltungsakt vor und gab dazu eine Stellungnahme ab. Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den BF zum Ersatz für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand der belangten Behörde zu verpflichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.9. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Identität des BF steht fest, er ist ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF weist drei strafgerichtliche Verurteilungen auf:

2.2.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 08.10.2013, rechtskräftig seit 12.10.2013, wurde der BF wegen des am 14.06.2013 begangenen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 Strafgesetzbuch – StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

2.2.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 24.11.2015, rechtskräftig seit 28.11.2015, wurde der BF wegen des am 09.03.2014 begangenen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

2.2.3. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 05.10.2017, rechtskräftig seit 14.02.2018, wurde der BF wegen der am 01.04.2017 begangenen Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs. 1a StGB sowie der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurden die bisher bedingten Nachsichten der Freiheitsstrafen widerrufen.

2.3. Der BF wurde von 10.07.2019 bis 10.08.2020 in Strafhaft angehalten.

2.4. Der BF wird seit 10.08.2020 in Schubhaft angehalten.

2.5. Der BF ist gesund und haftfähig.

3. Zur Fluchtgefahr

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2019 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise gewährt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2019 mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab dem Zeitpunkt der Enthaftung des BF beträgt. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft lag eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Der BF hat sich weder seinem Asylverfahren noch seinem Aberkennungsverfahren, in dem auch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen ihn erlassen wurde entzogen, er verfügte ab 29.10.2012 durchgehend über eine Meldeadresse.

3.3. Der BF bewohnte seit 24.07.2018 bis zum Antritt seiner Freiheitsstrafe am 10.07.2019 gemeinsam mit einem Freund eine Wohnung, deren Hauptmieter der Freund des BF ist. In dieser Wohnung verfügen der Freund des BF sowie der BF selbst über eine Meldeadresse. Weitere Personen sind an dieser Adresse nicht gemeldet.

3.4. Der BF hält sich seit 2012 durchgehend in Österreich auf. Der BF hat vor seiner Haft in Österreich als Automechaniker (15.09.2017-30.11.2017), Küchenhelfer (03.09.2018-30.09.2018), als Monteur für Holzstände (28.04.2018-27.07.2018) und als Fahrradbote (23.10.2018-Haftantritt) gearbeitet. In der Zeit vor seiner Arbeitsaufnahme bezog der BF Grundversorgung, zwischen den einzelnen Beschäftigungszeiträumen Arbeitslosengeld. Der BF ist nicht verheiratet, nicht verlobt, lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Er verfügt im Bundesgebiet über keine familiären Bindungen. Der BF hat einige Freunde und Bekannte in Österreich. Der BF beherrscht die deutsche Sprache in einem Ausmaß, dass die mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren den Bescheid vom 17.04.2019 betreffend überwiegend auf Deutsch geführt werden konnte.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes, in den vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2019 betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2019 betreffend. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF konnten getroffen werden, da im Zentralen Fremdenregister die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF eingetragen ist. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Verwaltungsakt nicht. Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde und ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig aberkannt wurde, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist.

2.2. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus dem Strafregister.

2.3. Dass der BF von 10.07.2019 bis 10.08.2020 in Strafhaft angehalten wurde ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und ist überdies unstrittig.

2.4. Dass der BF seit 10.08.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt sowie den damit übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei.

2.5. Im Verwaltungsakt und insbesondere im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2019 betreffend finden sich keine Hinweise auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung des BF und wurden derartige Umstände auch in der Beschwerde nicht vorgebracht, weshalb die Feststellung getroffen werden konnte, dass der BF gesund und haftfähig ist.

3. Zur Fluchtgefahr

3.1. Die Feststellungen zur rechtskräftigen und durchführbaren Rückkehrentscheidung beruhen auf dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2019 betreffend, insbesondere aus der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2019 erfolgten Abweisung der Beschwerde.

3.2. Weder im Verwaltungsakt noch im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2019 betreffend finden sich Hinweise darauf, dass sich der BF seinem Asylverfahren oder dem Aberkennungsverfahren entzogen hat. Derartige Umstände werden auch im angefochtenen Bescheid nicht genannt. Aus dem zentralen Melderegister und dem Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem ergibt sich zudem, dass der BF seit 29.10.2012 durchgehend über eine Meldeadresse verfügte.

3.3. Die Feststellung den letzten Wohnsitz des BF vor Antritt seiner Freiheitsstrafe betreffend beruht auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Aus diesem ergibt sich überdies, dass der vom BF in der Beschwerde genannte Freund Hauptmieter dieser Wohnung ist und an dieser Adresse ausschließlich der BF sowie sein Freund gemeldet sind.

3.4. Die Feststellungen zu den mangelnden Familienangehörigen des BF in Österreich, seiner Berufsausübung und seinen sozialen Kontakten ergeben sich aus den Angaben des BF im Rahmen des Parteiengehörs vom 16.06.2020 sowie seinen darin im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 18.09.2019 im Verfahren die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2019 betreffend. Auf Grund der in diesem Verfahren aufgenommenen Verhandlungsschrift konnte die Feststellung getroffen werden, dass diese Verhandlung überwiegend auf Deutsch geführt werden konnte.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war insofern zu rechnen, als eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und von der afghanischen Vertretungsbehörde ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden war.

3.1.5. Das Bundesamt geht im angefochtenen Bescheid auf Grund der Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme – im Fall des BF das Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten – mitgewirkt und bisher keine Handlungen gesetzt, die seine Rückkehr oder Abschiebung behindern. Derartige taugliche Umstände werden vom Bundesamt auch im angefochtenen Bescheid nicht herangezogen. Dass der BF an einem Rückkehrberatungsgespräch – nach Erlassung der Rückkehrentscheidung durch das Bundesamt mit Bescheid vom 17.04.2019 – nicht teilgenommen hat stellt weder eine mangelnde Mitwirkung im Verfahren zur Erlassung dieser Maßnahme dar noch behinderte er dadurch seine Abschiebung. Auch aus dem Umstand, dass der in Strafhaft angehaltene BF seinen Fremdenpass noch nicht abgeliefert hat, stellt keinen Umstand dar, der unter § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu subsumieren ist. Der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist im vorliegenden Fall daher nicht erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Vom BF wurde keiner der Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z. 1 bis Z. 8 FPG verwirklicht, insbesondere hat sich der BF weder seinem Asylverfahren noch dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen. Der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG ist daher ebenfalls nicht erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG ist bei der Beurteilung der Frage ob Fluchtgefahr vorliegt der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF hält sich seit dem Jahr 2012 durchgehend in Österreich auf und verfügte stets über eine Meldeadresse. Seit 24.07.2018 bis zu seinem Haftantritt am 10.07.2019 bewohnte er mit einem Freund eine von diesem gemietete Wohnung. Der BF ist an dieser Adresse nach wie vor gemeldet. Da sich aus dem Zentralen Melderegister ergibt, dass in dieser Wohnung außer dem Freund des BF und dem BF selbst keine weiteren Personen gemeldet sind, geht das Bundesverwaltungsgericht – in Übereinstimmung mit den Angaben des BF in seiner Stellungnahme vom 16.06.2020 sowie seinen Angaben in der Beschwerde – davon aus, dass der BF auch nach seiner Haftentlassung an dieser Adresse Unterkunft nehmen kann. Da sich aus dem Strafregister ergibt, dass der BF seine letzte strafbare Handlung am 01.04.2017 begangen hat und er in den Zeiträumen 15.09.2017 bis 30.11.2017, 28.04.2018 bis 27.07.2018, 03.09.2018 bis 30.09.2018 und von 23.10.2018 bis zu seinem Haftantritt berufliche Tätigkeiten ausgeübt hat, so zeigt sich, dass er insbesondere in der Zeit, in der er bei seinem Freund Unterkunft genommen hat, relevante soziale und berufliche Anknüpfungspunkte in Österreich hatte. Insbesondere ergibt sich daraus auch, dass der soziale Kontakt zu seinem Freund und die damit verbundene Wohnmöglichkeit den BF dazu bewegt hat, einen rechtskonformen Lebenswandel, der darauf abzielte, die Existenz des BF finanziell abzusichern, zu führen. Da sich im Beschwerdeverfahren den Bescheid vom 17.04.2019 betreffend auch ergeben hat, dass der BF die deutsche Sprache in einem Ausmaß beherrscht, dass die Beschwerdeverhandlung überwiegend auf Deutsch geführt werden konnte und darüber hinaus festgestellt wurde, dass der BF über Freunde und Bekannte in Österreich verfügt, liegen unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der BF bisher keinerlei Handlungen gesetzt hat, die auf eine Vereitelung seiner Abschiebung schließen lassen, insgesamt ausreichend Anhaltspunkte dafür vor dass der BF von einem Untertauchen abgehalten wird.

Der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG ist daher ebenfalls nicht erfüllt.

Der BF verwirklichte vor Anordnung der Schubhaft keinen der in § 76 Abs. 3 FPG genannten Tatbestände, weshalb das Bundesamt zu Unrecht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr ausging.

Um von der Erfüllung des Kriteriums der „Fluchtgefahr“ ausgehen zu können, bedarf es jedenfalls des Vorliegens eines tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG. Eine derartige Tatbestandserfüllung, und damit die geforderte Anknüpfung an abstrakt formulierte Umstände, stellt gleichsam den Ausgangspunkt für jegliche Annahme von "Fluchtgefahr" dar, die allerdings im Ergebnis nur dann bejaht werden kann, wenn auch eine fallbezogene Betrachtung der Gesamtsituation zu der Schlussfolgerung führt, der Fremde könnte sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen. Es bedarf also über die Erfüllung eines tauglichen Tatbestandes nach § 76 Abs. 3 FPG hinaus einer konkreten Bewertung aller im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte, die insofern in die "Abwägungsentscheidung" (so die einleitenden Überlegungen in den ErläutRV zu § 76 Abs. 3) einzufließen haben. Unter diesem Aspekt bieten die Tatbestände des § 76 Abs. 3 FPG – uneingeschränkt, also ohne Rücksicht auf ihre Eignung, schon abstrakt "Fluchtgefahr" zu umschreiben – maßgebliche Beurteilungskriterien (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Der Annahme des Bundesamtes, im Fall des BF sei im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft Fluchtgefahr vorgelegen, kann daher mangels Erfüllung eines Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG nicht gefolgt werden. Der angefochtene Bescheid war daher für rechtswidrig zu erklären. Eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft sowie eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen konnte daher entfallen.

3.1.5. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 10.08.2020 ist daher rechtswidrig.

3.1.6. Der Beschwerde war daher gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG stattzugeben und der angefochtene Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung des BF in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

3.2. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

3.2.2. Der bereits der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides zur Grunde liegende Sachverhalt hat keine wesentliche Änderung erfahren, weshalb daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen war, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.4. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkte III. und IV. – Kostenersatz

3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.4.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der BF beantragte die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen. Das Bundesamt beantrage die Abweisung der Beschwerde und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen. Sowohl der BF als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden und festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft nicht vorliegen, ist der BF die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 767,60. Darin enthalten ist auch der Kostenersatz im Umfang der Eingabengebühr, da diese entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls zu ersetzen ist (vgl. VwGH vom 28.05.2020, Ra 2019/21/0336).

Dem Bundesamt gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

3.5. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Berufsausübung Fluchtgefahr gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz Kostenersatz - Antrag Mittellosigkeit Obsiegen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf soziale Bindung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Verhältnismäßigkeit Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W250.2234283.1.00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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