TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/27 W137 2234265-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2020
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Entscheidungsdatum

27.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W137 2234265-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst – ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2020, Zl. 450557708 – 200665129, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 31.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft seit 31.07.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verfahrensaufwands wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Er verfügt über kein gültiges Reisedokument. Bereits 2009 wurde über ihn ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Seit Oktober 2018 besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem rechtskräftigen Einreiseverbot (für 8 Jahre).

2. Für den Beschwerdeführer wurde im Oktober 2019 ein Heimreisezertifikat seines Herkunftsstaates ausgestellt. Die für Dezember 2019 geplante Charter-Abschiebung scheiterte, weil der Beschwerdeführer nicht an seiner Meldeadresse angetroffen werden konnte.

3. Ab 28.01.2020 verfügte der Beschwerdeführer über keine Meldung im Bundesgebiet. Am 31.07.2020 suchte der Beschwerdeführer aus Eigenem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) auf, wo seine Festnahme erfolgte.

4. Mit Bescheid vom 31.07.2020 wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde die Fluchtgefahr im Wesentlichen mit dem Aufenthalt im Verborgenen der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung (von 2018) sowie der weitgehend fehlenden sozialen Verankerung und Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet.

Mit der Anordnung des gelinderen Mittels könne auch unter Berücksichtigung der Straffälligkeit des Beschwerdeführers nicht das Auslangen gefunden werden. Insgesamt erweise sich die Schubhaft angesichts der vorliegenden „ultima-ratio-Situation“ auch als verhältnismäßig. Aufgrund der bereits 2019 erfolgten Ausstellung eines Heimreisezertifikats sei mit der baldigen neuerlichen Ausstellung eines solchen zu rechnen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe (gemeinsam mit der Verfahrensanordnung betreffend die Beigabe eines Rechtsberaters) zugestellt.

5. Am 21.08.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer Ende Februar / Anfang März eine Bekannte in Innsbruck besucht und aufgrund der CoVid-19-Pandemie nicht mehr nach Wien habe zurückkehren können. Nach der Rückkehr nach Wien habe er bei einem Freund Unterkunft genommen. Eine amtliche Meldung sei ihm mangels Identitätsnachweis nicht möglich gewesen. Aus diesem Grund habe er am 31.07.2020 freiwillig das Bundesamt aufgesucht, um die sichergestellte Verfahrenskarte einzuholen.

Der Beschwerdeführer sei kooperationswillig und ausreisebereit; er würde sich für einen allfälligen Abschiebetermin bereithalten und Auflagen aus dem gelinderen Mittel akzeptieren. Eine Anmeldung wäre bei jenem Freund in Wien möglich, bei dem er sich zuletzt aufgehalten habe. Unabhängig davon sei aber auch nicht absehbar, ob innerhalb der höchstzulässigen Anhaltedauer eine Abschiebung nach Nigeria überhaupt möglich ist.

Beantragt werde daher a) eine mündliche Verhandlung durchzuführen; b) den angefochtenen Bescheid und die bisherige Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig zu erklären; c) auszusprechen, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung nicht vorliegen; d) der Belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen aufzuerlegen.

6. Am 21.08.2020 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Rahmen einer gesonderten Stellungnahme verwies das Bundesamt insbesondere auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers – insbesondere auch die Begehung von Straftaten, falsche Angaben zur Identität und den Aufenthalt im Verborgenen – sowie die fehlende Integration im Bundesgebiet.

Beantragt wurden die Abweisung der Beschwerde sowie die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Kostenersatz.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Er verfügt über kein personal- oder Reisedokument. Er hält sich seit 2008 in Österreich auf, wobei er mehrere verschiedene falsche Identitäten benutzte. Seit November 2008 ist ihm bekannt, dass er das Bundesgebiet verlassen muss. Eine Abschiebung im Dezember 2019 scheiterte, weil der Beschwerdeführer an seiner damaligen Wohnadresse polizeilich nicht aufgegriffen werden konnte. Von der problemlosen (neuerlichen) Ausstellung eines Heimreisezertifikats/Reisedokuments ist auszugehen.

Mit einer Abschiebung kann innerhalb der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer in Schubhaft gerechnet werden. Realistisch ist derzeit eine Abschiebung innerhalb von wenigen Monaten (während des laufenden Kalenderjahres). Abschiebungen nach Nigeria sind in den nächsten Wochen nicht möglich; auch danach ist im Zusammenhang mit der gegenwärtigen CoVid-19-Pandemie immer wieder mit Verzögerungen oder zeitlich begrenzten Abschiebehindernissen zu rechnen. Dem Beschwerdeführer steht die Möglichkeit offen, sich aktiv um eine beschleunigte Überstellung nach Nigeria im Wege einer freiwilligen Ausreise zu bemühen.

Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber und verfügt über keinen faktischen Abschiebeschutz. Er unterliegt einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und es besteht seit 2018 ein rechtskräftiges Einreiseverbot für die Dauer von 8 Jahren gegen ihn. Schon ab September 2009 unterlag der Beschwerdeführer einem Aufenthaltsverbot (für die Dauer von 10 Jahren). Er hat sich jedenfalls ab Februar 2020 im Verborgenen aufgehalten und die gesetzliche Meldeverpflichtung missachtet. Zudem hat er bis 30.07.2020 (sechs Monate lang) bewusst keinen Kontakt zu österreichischen Behörden hergestellt und das Bundesamt nicht über seinen aktuellen Aufenthaltsort in Kenntnis gesetzt. Dafür und ebenso für die behauptete „Unmöglichkeit“ einer (früheren) Rückkehr aus Innsbruck blieb der Beschwerdeführer jegliche nachvollziehbare Erklärung schuldig. Die Kontaktaufnahme am 31.07.2020 erfolgte zudem intentional nicht zur Erfüllung der rechtskräftigen Rückkehrverpflichtung, sondern zur Ermöglichung einer Unterkunftnahme in einem Heim für Asylwerber.

Der Beschwerdeführer wurde 2008, 2009, 2010 und zuletzt 2011 wegen Suchtmitteldelikten strafrechtlich verurteilt. Dabei handelte es sich durchwegs um mehrmonatige (bedingte) Freiheitsstrafen, wobei nach der jüngsten Verurteilung (2011 – 14 Monate unbedingt) auch die bedingten Entlassungen/Strafnachsichten widerrufen wurden. Seine Vertrauenswürdigkeit ist deutlich reduziert.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er spricht nicht Deutsch. Er ist in Österreich seit 28.01.2020 (bis zu seiner Festnahme) nicht mehr gemeldet gewesen. In diesem Zeitraum hielt er sich im Bundesgebiet auf, ohne das Bundesamt über seinen Verbleib zu informieren. Die entsprechende Verpflichtung war ihm stets bekannt; eine Unmöglichkeit der Kontaktaufnahme lag in diesem Zeitraum nie vor. Er verfügt in Österreich über keinen gesicherten Wohnsitz und ist nahezu mittellos. Der in der Beschwerde namentlich nicht angeführte (potenzielle) Unterkunftgeber wohnt selbst in einer Asylwerberunterkunft; er ist zu einer Anmeldung des Beschwerdeführers nicht berechtigt. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig. Es gibt keine Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 450557708 – 200665129 (aktuelle Schubhaft) sowie den weiteren Verwaltungsakten betreffend den Beschwerdeführer. Unstrittig sind die Feststellungen zur Nutzung verschiedener falscher Identitäten im Bundesgebiet sowie zum Aufenthaltsverbot von 2009 und dem Einreiseverbot von 2018.

Der dem Beschwerdeführer nachweislich bereits 2019 ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Ausstellung eines neuerlichen Reisedokuments/HRZ grundsätzlich problemlos erfolgen wird. Gegenteiliges wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.

1.2. Abschiebungen nach Nigeria sind nach derzeitigem Stand vor Mitte Oktober 2020 nicht möglich. Es gibt aber keinen Grund zur Annahme, dass eine Einreise nach Nigeria auf dem Luftweg auch in den folgenden Monaten nicht möglich sein sollte. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Abschiebungen nach Nigeria in wenigen Monaten wieder möglich sein sollten. Insofern ist zum Entscheidungszeitpunkt – unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalles - ein Abschiebezeitpunkt noch im Kalenderjahr 2020 (und damit innerhalb einer Anhaltedauer von insgesamt fünf Monaten realistisch. Derzeit kann daher von einer Abschiebung jedenfalls innerhalb des zulässigen maximalen Anhaltezeitraumes auszugehen.

Davon unabhängig besteht für den Beschwerdeführer jederzeit die Möglichkeit eine frühere Beendigung der Schubhaft durch eine freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat zu erwirken. Eine solche könnte nach Wiederaufnahme des Flugbetriebs sehr kurzfristig erfolgen, zumal an der neuerlichen Ausstellung eines Heimreisezertifikats keine Zweifel bestehen. Hinsichtlich länderspezifischer Ein- und Ausreisebestimmungen kann derzeit im Übrigen selbst für Österreich wenig bis nichts „ausgeschlossen“ werden – was etwa durch spontane Reisewarnungen und Kontrollpflichten im August 2020 belegt ist.

1.3. Unstrittig ist zudem das bestehende Einreiseverbot (im Anschluss an ein Aufenthaltsverbot). Ebenfalls unstrittig ist die ab Ende Jänner 2020 erfolgte Verletzung der Meldepflicht, wobei der Beschwerdeführer keine Begründung für die Aufgabe seiner damaligen Unterkunft vorgebracht hat. Der Beschwerdeführer hat auch nie behauptet, zwischen 28.01.2020 und 30.07.2020 eine österreichische Behörde von seinem tatsächlichen Aufenthaltsort in Kenntnis gesetzt zu haben. Die Kenntnis der entsprechenden Verpflichtung muss bei einer gesunden Person mit mehrjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet und Erfahrung in mehreren asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren vorausgesetzt werden können. Ein (rechtlich relevantes) Hindernis hinsichtlich der Rückkehr von Innsbruck nach Wien „aufgrund des Ausbruchs der CoVid 19 Pandemie“ – wie in der Beschwerde behauptet – kann allenfalls bis Mitte April (Ende des „Lockdown“) angenommen werden. Keinesfalls aber für Mai/Juni 2020.

Der Beschwerdeführer hat am 31.07.2020 auch unmissverständlich angegeben, warum er das Bundesamt aufgesucht hat („Ich wollte eine Adresse bei der Caritas machen. Bei der Caritas haben sie mir gesagt, ich soll hier herkommen.“). Dies deckt sich auch mit den Ausführungen in der Beschwerde (Seite 2).

Schließlich ist auch unstrittig, dass der Beschwerdeführer nicht Asylwerber ist und ihm auch kein faktischer Abschiebeschutz zukommt.

1.4. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sind aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister ersichtlich und im Übrigen auch unstrittig.

Gleiches gilt für die gegenüber Behörden gemachten falschen Angaben, insbesondere seine Identität betreffend.

Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere der bewusst tatsachenwidrigen Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität, der wiederholten Straffälligkeit und dem bewussten Aufenthalt im Verborgenen in den Monaten vor der Schubhaftanordnung.

1.5. Familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet wurden vom Beschwerdeführer ausdrücklich verneint. Hinweise auf Integrationsschritte waren nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer war auch nach 12 Jahren Aufenthalt auf die Unterstützung eines Dolmetschers angewiesen. Im Verfahren sind auch keine legalen Beschäftigungsverhältnisse hervorgekommen. Gegenwärtig verfügt der Beschwerdeführer über Barmittel in Höhe von rund 60 Euro.

Angesichts eines 12 Jahre übersteigenden Aufenthalts im Bundesgebiet samt mehrerer Asyl- und fremdenrechtlicher Verfahren in dieser Zeit ist die Unkenntnis von der entsprechenden Verpflichtung auszuschließen. Gleiches gilt für eine faktische Möglichkeit und Zumutbarkeit, zumal sowohl in Innsbruck wie in Wien Polizeidienststellen und Regionaldirektionen des BFA eingerichtet sind.

1.6. Der Beschwerdeführer gibt an, er wolle sich bei einem namentlich nicht genannten „Freund“ an einer konkret bezeichneten Adresse in Wien-Donaustadt anmelden. Dabei handelt es sich allerdings um eine Unterkunft für Asylwerber, was dem Beschwerdeführer belegbar bekannt ist (weil er es am 31.07.2020 selbst erklärt). Dementsprechend verfügt der „Freund“ weder über eine faktische Möglichkeit noch die rechtliche Befugnis, den Beschwerdeführer dort anzumelden.

Der Beschwerdeführer hat im Verfahren auch keine Bestätigung der zuständigen Trägerorganisation vorgelegt, wonach (und allenfalls unter welchen Umständen) er in dieser Unterkunft sicher aufgenommen würde.

1.7. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers wurden in der Beschwerde nicht behauptet und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer wurde nach vorzeitiger Entlassung aus der Strafhaft die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit dem Aufenthalt im Verborgenen, der illegalen Wiedereinreise ins Bundesgebiet trotz eines bestehenden Einreiseverbots sowie dem Fehlen familiärer sowie substanzieller sozialer und beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich dabei nicht nur erkennbar auf die Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG, es hat diese vielmehr sogar im Einzelnen konkret begründet (Bescheid Seite 9f). Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffern 1 und 3 wurde in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten; vielmehr erweist sich deren Vorliegen auch im Zusammenhang mit der Beschwerde und der Aktenlage als unstrittig.

3.3. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer weder eine legale Erwerbstätigkeit ausübt, und keine familiären sowie keine substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt. Auch eine gesicherte Unterkunft ist zu verneinen. Überdies wurden keine substanziellen Integrationsschritte während des langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet (seit 2008) vorgebracht – vielmehr ist die Integration für diesen Zeitraum auffallend gering ausgeprägt.

Auf die angeblichen familiären Anknüpfungspunkte in Portugal (Freundin und gemeinsames Kind) wurde mangels Relevanz für das gegenständliche verfahren zu recht nicht weiter eingegangen.

Die Behörde geht auch richtigerweise von einem Überwiegen der Interessen des Staates an der Sicherstellung der Abschiebung gegenüber den Interessen des Beschwerdeführers auf Beendigung der Freiheitsentziehung aus.

3.4. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

Dem konnte auch mit dem Verweis auf das freiwillige Aufsuchen des Bundesamtes am 31.07.2020 nicht wirkungsvoll entgegengetreten werden. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob eine hinreichende Sicherheit besteht, dass sich der Beschwerdeführer zukünftig dem Zugriff der Behörden nicht entziehen würde. Davon kann angesichts seines Vorverhaltens – insbesondere dem unmittelbar vorangehenden Aufenthalt im Verborgenen über sechs Monate hinweg und der daraus resultierenden mangelnden Vertrauenswürdigkeit jedoch nicht ausgegangen werden.

3.5. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da sich der Beschwerdeführer insbesondere durch sein vor Anordnung der Schubhaft gezeigtes kriminelles Verhalten, den mehrmonatigen Aufenthalt im Verborgenen und die konsequente Missachtung von Ausreiseverpflichtungen und Aufenthalts-/Einreiseverboten als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat – was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der bestehenden Fluchtgefahr, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Anordnung der Schubhaft und war diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

3.6. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Nigeria in zumutbarer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung war tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen. Hinweise auf eine grundsätzliche Unmöglichkeit einer Abschiebung nach Nigeria bestehen nicht; unstrittig ist vielmehr, dass solche Abschiebungen bis März 2020 (Erklärung des Pandemiestatus von CoVid-19 durch die WHO) problemlos erfolgen konnten.

3.7. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 31.07.2020 abzuweisen.

4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:

4.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur „ermächtigt“, einen „weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen“, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

4.2. Für die Durchsetzung der Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich – insbesondere bei bevorstehender Abschiebung - dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen erneut entziehen würde, sofern sich eine Gelegenheit dazu bietet. Da er zudem über keine feststellbaren beruflichen und familiären oder substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem neuerlichen Untertauchen abhalten sollte. Überdies hat er sich durch sein sonstiges Vorverhalten – etwa die unstrittigen Straftaten (Suchtmitteldelikte) – als nicht vertrauenswürdig erwiesen.

4.3. Im gegenständlichen Fall sind die Kriterien der Ziffern 1 und 3 wie dargelegt weiterhin gegeben. Hinsichtlich Ziffer 9 wurde in der Beschwerde kein nennenswertes substantiiertes Vorbringen erstattet. In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte“ für sich alleine nicht ausreichen, der Anordnung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den „Grad der sozialen Verankerung in Österreich“, wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall sind diese Anknüpfungspunkte aber durchgehend nicht oder nur in sehr geringem Grad gegeben.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine zur Schubhaftanordnung hinreichende Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer (bereits durchsetzbaren) Abschiebung zu bejahen ist.

Seine Kooperationsverpflichtung hat der Beschwerdeführer zudem seit Februar 2020 über mehrere Monate hinweg wissentlich massiv verletzt. Auch bei der jüngsten Kontaktaufnahme dachte er nach eigenen Angaben nicht daran, seiner schon lange rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung nachzukommen, sondern handelte rein eigennützig im Wunsch, eine (kostenlose) Unterkunft beziehen zu können. Dies wurde von ihm selbst und in der Beschwerde auch freimütig eingestanden. Der angekündigte Verzicht auf (physischen) Widerstand gegen eine Abschiebung stellt im Übrigen ohnehin kein Indiz für eine Kooperationsbereitschaft dar. Den Wunsch nach einer freiwilligen Ausreise hat der Beschwerdeführer – dem eine solche mangels gültigen Reisedokuments selbständig nicht möglich ist – zudem nie geäußert.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anordnung des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Anordnung/Fortsetzung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig.

4.4. Hinsichtlich der absehbaren Dauer der Schubhaft ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass diese in zumutbarer Zeit – voraussichtlich wenigen Monaten - beendet werden kann.

Für die Annahme einer (zukünftigen) unverhältnismäßig langen Anhaltung gibt es gegenwärtig keinen Anhaltspunkt. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass der internationale Reiseverkehr – soweit er für die Durchführung von Abschiebungen (allenfalls mittels Charter) und Überstellungen erforderlich ist – noch über längere Zeit (insbesondere über die gesetzlich zulässige Anhaltedauer hinaus) stillgelegt sein wird. Daraus ergibt sich eine realistische Wahrscheinlichkeit einer Abschiebung noch im Verlauf des laufenden Kalenderjahres.

Diese Frist ist – auch unter Berücksichtigung der weitgehend fehlenden sozialen Verankerung im Bundesgebiet – in Anbetracht der in besonderem Maß fehlenden Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers jedenfalls verhältnismäßig. Die Beeinträchtigung seiner Vertrauenswürdigkeit hat der Beschwerdeführer ausschließlich selbst zu verantworten und muss sie daher im Rahmen einer individuellen Verhältnismäßigkeitsabwägung auch entsprechend gegen sich gelten lassen.

Aus heutiger Sicht ist weiter davon auszugehen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers jedenfalls (klar) innerhalb der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer erfolgen kann. Der Beschwerdeführer befindet sich auch erst seit knapp einem Monat in Schubhaft.

4.5. An der Haftfähigkeit des Beschwerdeführers bestehen keine Zweifel. Schwerwiegende gesundheitliche Probleme ergeben sich weder aus der Aktenlage, noch wurden sie im Beschwerdeverfahren behauptet.

4.6. Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass das Bundesamt allfällige Maßnahmen Nigerias mit Auswirkungen auf die Möglichkeit einer Überstellung – etwa längerfristige Einreisesperren über den Jahreswechsel hinaus (für die es derzeit allerdings keine Hinweise gibt) – aus Eigenem wahrzunehmen hat; insbesondere im Rahmen der amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfungen.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Zeugen wurden in der Beschwerde nicht genannt und (somit) auch deren Befragung nicht beantragt. Es wird im Übrigen auch nicht dargelegt, welche Sachverhaltselemente abseits der Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers einer mündlichen Erörterung bedürften.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Der vorgebrachten Kooperationsbereitschaft steht das unstrittige Verhalten des Beschwerdeführers in den letzten Monaten (insbesondere ab Februar 2020) gegenüber.

6. Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2234265.1.00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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