TE Bvwg Beschluss 2020/9/1 W228 2231071-1

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Veröffentlicht am 01.09.2020
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Entscheidungsdatum

01.09.2020

Norm

ASVG §410
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

W228 2231071-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Rahmen seiner Beschwerde gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, vom 09.04.2020, GZ: XXXX , beschlossen:

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a VwGVG abgewiesen und die Verfahrenshilfe nicht bewilligt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Die Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) hat mit Bescheid vom 09.04.2020 den Antrag von XXXX (im Folgenden: Antragsteller) vom 13.03.2020 auf Invaliditätspension gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass über den Antrag des Antragstellers vom 03.05.2011 auf Invaliditätspension bereits mit rechtskräftigem Bescheid vom 30.01.2012 entschieden worden sei. Seit dieser Entscheidung hätten sich weder Änderungen in der Sach- noch in der Rechtslage ergeben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 04.05.2020 fristgerecht Beschwerde. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt.

Die Beschwerdesache wurde gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 19.05.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller hat am 04.05.2020 einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und ist nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin die PVA.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Somit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahmen der §§ 1 bis 5, sowie des vierten Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe im Beschwerdeverfahren

§ 8a VwGVG lautet:

„Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden.

Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt."

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch das Erk. des VwGH vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).

In seinem Erkenntnis vom 11.09.2019, Ro 2018/08/0008, stellte der Verwaltungsgerichtshof unter anderem zu den Voraussetzung für die Gewährung der Verfahrenshilfe nach § 8a VwGVG klar, dass der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer im Verfahren der Verwaltungsgerichte Ausnahmecharakter zukommt und diese nur in besonderen, in der Entscheidung genannten Einzelfallkonstellationen erforderlich sein kann, etwa wenn die Formulierung einer Beschwerde oder andere Verfahrenshandlungen besondere Schwierigkeiten aufwerfen, die die Fähigkeiten der Partei nach ihren persönlichen Umständen überschreiten.

Gemäß § 64 Abs. 1 Z 3 ZPO umfasst die Verfahrenshilfe die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwaltes nur in solchen Fällen, in denen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich geboten ist oder es nach der Lage des Falles erforderlich erscheint. Eine Erforderlichkeit ist nur dann gegeben, wenn der Rechtsfall besondere Schwierigkeiten in rechtlicher und/oder tatsächlicher Hinsicht erwarten lässt. Dabei kommt es einerseits auf die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers an, wie etwa über den Grad von Verständnis und Intelligenz bzw. an Rechtskenntnissen dieser verfügt. In Einzelfällen kann auch die besondere Trageweite des Rechtsfalles für den Antragsteller von Relevanz sein. Weiters kommt es auch auf die Komplexität der Rechtssache an (vgl. M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1 § 64 ZPO, Rz 16).

Den gegenständlichen Fall betreffend ist zunächst auszuführen, dass in den Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, sohin auch zur Erhebung einer Beschwerde, keine Anwaltspflicht besteht und der entscheidungserhebliche Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln ist.

Der zu ermittelnde Sachverhalt weist zudem keine rechtliche Komplexität auf, die das Einschreiten eines Rechtsanwaltes erforderlich machen würde.

Des Weiteren ist auf die Erfolgsaussichten Bedacht zu nehmen. In § 8a Abs. 1 VwGVG ist die Aussichtslosigkeit als Versagungsgrund für den Verfahrenshilfeantrag ausdrücklich erwähnt und steht dies im Einklang mit Art. 6 EMRK, da der Zugang zu einem Gericht nicht absolut gewährt werden muss und Beschränkungen der Verfahrenshilfe grundsätzliche zulässig sind, sodass auch die mangelnde Aussicht auf Erfolg zur Abweisung des Verfahrenshilfeantrages führen kann (EGMR 13.3.2007 Laskowska, 77.765/01 Rz 52).

Offenbar aussichtslos ist die Rechtsverfolgung dann, wenn sie schon ohne nähere Prüfung der vorgebrachten Argumente als erfolglos erkannt werden kann. Dies ist vom Verwaltungsgericht anhand der ihm vorgelegten Akten objektiv zu beurteilen; ob die antragstellende Person selbst die Aussichtslosigkeit nicht erkennt oder erkennen kann, ist ohne Bedeutung. Der Erfolg muss zur Genehmigung von Verfahrenshilfe zwar nicht gewiss sein, aber nach der sofort erkennbaren Lage eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Erforderlich ist hierfür allerdings kein besonders strenger Maßstab, weil sonst unter Umständen durch die Verfahrenshilfeentscheidung bereits die Sachentscheidung vorweggenommen würde. Einzubeziehen sind vom Verwaltungsgericht daher nicht sämtliche, sondern nur die wesentlichen Gesichtspunkte. Erachtet das Gericht zur Beurteilung etwa Beweisaufnahmen oder sonstige Ermittlungen für erforderlich, ist nicht mehr von einer "offenkundigen" Aussichtslosigkeit auszugehen und der Verfahrenshilfeantrag bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zu bewilligen (Beate Sündhofer, Neuregelung der Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ZVG 2018, 17).

Im gegenständlichen Fall ist die Identität der Sach- und Rechtslage zu prüfen, nämlich ob eine bereits "entschiedene Sache" vorliegt, ohne dass sich nachträgliche eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben hätte.

Da mit rechtskräftigem Bescheid der PVA vom 30.01.2012 der Anspruch des Antragstellers auf Invaliditätspension ab 01.06.2011 unbefristet für die weitere Dauer der Invalidität anerkannt wurde, zwei Sozialgerichtsverfahren in mehreren Instanzen zu Lasten des Antragstellers ausgegangen sind und auch bereits ein Verwaltungsverfahren beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung zu Ungunsten des Antragstellers geendet hat (es wurde bereits im Jahr 2012 ein weiterer Antrag des Antragstellers auf Invaliditätspension gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen), und auch keine neuen Versicherungszeiten erworben wurden – womit es im Rahmen einer Grobprüfung weder zu einem neuen Versicherungsfall noch zum Wechsel der Versicherungszugehörigkeit gekommen sein kann –, können die Argumente des BF nur als offenbar aussichtslos gewertet werden.

Angesichts dieses Ergebnisses erübrigt sich eine Prüfung, ob der Antragsteller außerstande ist die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung seines notwendigen Unterhaltes zu bestreiten.

Da die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht gegeben sind, ist der darauf gerichtete Antrag spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Unter Berücksichtigung der oben zitierten Entscheidung des VwGH vom 11.09.2019, Ro 2018/08/0008, weicht die vorliegende Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aussichtslosigkeit Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2231071.1.00

Im RIS seit

11.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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