Entscheidungsdatum
01.09.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z3Spruch
W117 2232698-1/19E
Schriftliche Ausfertigung des am 08.07.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD NÖ Außenstelle St. Pölten vom 24.06.2020, Zl. 1109024007-200444696,, sowie die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Mit im Spruch angeführtem Bescheid der Verwaltungsbehörde wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet.
Die Verwaltungsbehörde ging in ihrem Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines bisherigen Verhaltens, welches ein hohes Risiko an Gewaltbereitschaft und Aggressivität zeige, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei. Die Verwaltungsbehörde befasste sich dann im Detail mit den, den Beschwerdeführer betreffenden Verurteilungen und hob insbesondere hervor, dass der Beschwerdeführer gerade gegenüber Polizeibeamten in seinem aggressiven Verhalten verharrt geblieben sei und letztlich auch wegen Gewalt gegen die Staatsgewalt verurteilt worden sei. Außerdem sei der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung, gefährlicher Drohung und schwerer Körperverletzung verurteilt worden und zeige die fortgesetzte Gewaltbereitschaft seine besondere Gefährlichkeit auf. Die Verwaltungsbehörde nahm daher insofern einen Sicherungsbedarf an, als sie im Ergebnis davon ausging, dass der Beschwerdeführer sich auch zukünftig nicht an die Rechtsordnung halten würde und wandte §76 Abs. 2 ZI 1 FPG an.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid binnen offener Frist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und stellte die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen; aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte; im Rahmen einer „Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen; der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gern. VwG Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, auferlegen.
Der Beschwerdeführer begründete seine Beschwerde wie folgt (Hervorhebungen gemäß der Beschwerde):
(…)
Die gegenständliche Schubhaftverhängung erweist sich als rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG liegen nicht vor: weder ist der Sicherungszweck erreichbar, noch wurde die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausreichend begründet. Auch Fiuchtgefahr und Verhäitnismäßigkeitsind nicht gegeben.
1. Zur Nichterreichbarkeit des Sicherungszwecks „im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme"
(…)
im gegenständlichen Fall kann ~ nicht zuletzt aufgrund des substantiierten Vorbringens des BF unter Bedachtnahme der aktuellen Situation in seinem Herkunftsstaat Afghanistan - nicht davon ausgegangen werden, dass das Asylverfahren mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme abgeschlossen werden wird. Es finden sich im angefochtenen Bescheid auch keine Überlegungen der Behörde dazu, warum diese derzeit einen negativen Abschluss des Verfahrens in Betracht zieht.
2. Zum Nichtvorliegen von Fluchtgefahr und der Unverhältnismäßigkeit der Haft
(…)
Die Behörde lässt hier völlig außer Acht, dass das Asylverfahren des BF nach wie vor anhängig ist und dieser ein immenses Interesse an der Fortführung dieses Verfahrens hat. Abgesehen davon, dass es im gegenständlichen Fall auch sonst keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen von Fluchtgefahr gibt — insbesondere die Tatsache, dass der BF durchgehend gemeldet und grundversorgt war und im Verfahren immer mitgewirkt hat, spricht dagegen - ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF untertauchen und sich seinem Verfahren entziehen würde.
An dieser Stelle wird festgehalten, dass ein strafrechtliches Fehlverhalten bzw. eine strafrechtliche Verurteilung keine Fluchtgefahr begründen können. Aus einer strafrechtlichen Verurteilung kann jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Person eine Abschiebung behindern wolle. Insbesondere stellt die Befürchtung, der BF werde weitere Straftaten begehen, keinen Grund für die Verhängung der Schubhaft dar. Schubhaft dient keinesfalls der Verhinderung weiterer Straftaten (vgl. VwGH 22.12.2009, 2009/21/0185).
Auch die von der Behörde ins Treffen geführte fehlende soziale und familiäre Verankerung vermag im Fall des BF jedoch die Verhängung der Schubhaft nicht zu tragen, zumal es sich beim BF um einen Asylwerber handelt (vgl. VwGH 24.10.2007, 2006/21/0045).
(…)
Da sich der BF im laufenden Asylverfahren befindet und Anspruch auf Grundversorgung hat, würde insbesondere das gelindere Mittel der periodischem Meldeverpflichtung gern. § 77 Abs. 3 Z 2 FPG in Betracht kommen.
Der BF war bisher durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und hat keine Anstalten gemacht, sich seinem Verfahren zu entziehen. Gegen ihn wurde bislang kein gelinderes Mittel angeordnet und hätte damit daher jedenfalls das Auslangen gefunden können. Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen steht und Betroffenen aufgetragen werden kann, sich für insgesamt 72 Stunden übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten (§ 77 Abs. 5 FPG).
Auch die Tatsache, dass derzeit überhaupt nicht absehbar ist, wie und wann das anhängige Asylverfahren zu einem Abschluss gelangen wird, lässt die gegen den BF verhängte Schubhaft unverhältnismäßig erscheinen: eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG ist ausständig, ein Verhandlungs- geschweige denn Entscheidungsdatum steht nicht fest. Dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom BVwG in diesem Verfahren als notwendig erachtet wird, lässt sich aus der bereits für den 30.06.2020 anberaumten Verhandlung schließen.
Somit erweist sich die Verhängung der Schubhaft gegenüber dem BF jedenfalls auch als unverhältnismäßig.
3. Zur vermeintlichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit - mangelnde Gefährdungsprognose
(…)
Im Fall des BF wurde die Schubhaft ohne Durchführung einer Einvernahme, somit ohne vorherige Gewährung von Parteiengehör u.a. zum Zwecke der Erstellung einer Gefährdungsprognose, angeordnet. Der VwGH hat in seiner Entscheidung zur Zahl 2015/21/0002 vom 30.06.2015 ausgesprochen, dass dem persönlichen Eindruck bei der Erstellung einer Gefährdungsprognose besondere Bedeutung zukommt. Wäre der BF zu den von ihm begangenen Straftaten befragt worden, hätte er dazu angeben können, dass er sein Fehlverhalten ~ nicht auch zuletzt aufgrund des mittlerweile verspürten Haftübels ~ einsieht, er dies Straftaten bereut und sich künftig wohlverhalten wird. Dies hätte in die von der Behörde zu erstellenden Gefährdungsprognose einfließen müssen.
Insgesamt lassen die persönlichen Umstände des BF keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erkennen in jenem schwerwiegenden Ausmaß, wie es von §76 Abs. 2 Z 1 FPG gefordert wird, erkennen.
(…)
Die Verwaltungsbehörde legte den Schubhaftakt vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde und den Ausspruch der Fortsetzung der Anhaltung sowie Kostenzuspruch für Vorlage-, Schriftsatz- und im Falle einer Verhandlung Verhandlungsaufwand. In ihrer Stellungnahme führte sie unter anderem aus (Hervorhebungen entsprechend der Stellungnahme):
(…)
Zum Punkt 1. der Beschwerde:
Schubhaftbescheide gegen Asylwerber können gem § 76 Abs 2 Ziffer 1 erlassen werden, wenn der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit gem § 67 FPG darstellt oder ein Festnahmeauftrag erlassen wurde. Aus oben bereits angeführten Gründen beurteilte die beklagte Behörde, dass der BF durch sein bisher gezeigtes Verhalten eindeutig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt.
Der BF hat laut Urteil des LG Krems angekündigt: „Wenn ich jetzt wegen dir in das Gefängnis komme, dann bringe ich dich um, wenn ich wieder draußen bin.“ Der BF hat diese gefährliche Drohung manifestiert indem er dem Opfer durch Angriffe mit einem Messer schwere Verletzungen im Brustbereich und am Oberarm zufügte.
Der BF wurde daraufhin gemäß §§ 83 Abs. 1 (Körperverletzung), 107 Abs. 1 (gefährliche Drohung), 15, 84 Abs. 4 (versuchte schwere Körperverletzung) StGB zu einer teilbedingten
Freiheitsstrafe von 18 Monate, davon 13 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt. Zudem wurde das Asylverfahren des BF in erster Instanz bereits negativ entschieden. Die beklagte Behörde konnte davon ausgehen, dass dieser Entscheidung in der II. Instanz bestätigt werden würde.
Falls das BVwG die erstinstanzliche Entscheidung des Asylverfahrens nicht bestätigen würde, wäre der BF aus der Schubhaft zu entlassen.
Im Falle der Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das BVwG wäre der BF weiter in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verblieben. Im Stande der Schubhaft war geplant ihn nach eventueller Rechtskraft II. Instanz der afghanischen Delegation zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vorzuführen und nach erfolgter Ausstellung den BF nach Afghanistan abzuschieben.
Zu Punkt 2. der Beschwerde:
Der BF ist zwar aufrecht gemeldet und in der GVS aktiv gemeldet, jedoch hat der BF durch sein gezeigte Verhalten jegliches Vertrauen verspielt. Zudem verfügt der BF über keine familiären sozialen und beruflichen Ankerpunkte im Bundesgebiet.
Die beklagte Behörde beurteilte, dass sich der BF nach eventuell erfolgter Bestätigung der negativen Asylentscheidung dem Prozess zur Erlangung eines Heimreisezertifikates und – nach erfolgter Zustimmung zur Ausstellung des Reisedokumentes – der geplanten Abschiebung in sein Heimatland nicht stellen würde. Der BF gab in Rückkehrberatungsgespräch selbst an, nicht in sein Heimatland zurückkehren zu wollen. Schon aus diesem Grund nimmt die beklagte Behörde an, dass sich der BF nach bestätigender Entscheidung des negativen Aslyverfahrens durch das BVwG der Greifbarkeit der Behörden entziehen würde. Es wurde im angefochtenen Bescheid auch nie behauptet, dass eine strafrechtliche Verurteilung eine Fluchtgefahr begründet.
Auch ist sich die belangte Behörde dessen bewusst, dass aus einer strafrechtlichen Verurteilung nicht der Schluss gezogen werden kann, dass eine Person eine Abschiebung behindern oder untertauchen wolle. Hinsichtlich der Straffälligkeit ist selbstverständlich davon auszugehen, dass die Schubhaft weder der Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten noch seiner Sanktionierung, sondern ausschließlich der Erfüllung des administrativen Sicherungszweckes dienen soll.
Jedoch ist auf Grund des bisher gezeigten persönlichen Verhaltens des BF und der damit verbundenen stark geschmälerten Vertrauenswürdigkeit seiner Person davon auszugehen, dass er sich der BF nach rechtskräftiger Entscheidung des Asylverfahrens durch das BVwG fremdenpolizeilichen Maßnahmen durch Untertauchen entziehen werde.
Zu Punkt 3. der Beschwerde:
Die Beurteilung, ob eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den BF vorliegt, wurde durch die beklagte Behörde unter Bedachtnahme aller Umstände und sehr sorgfältig getroffen.
Der BF wurde am 17.04.2020 wegen zu I.) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, zu II.) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, zu III.) des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB verurteilt.
Der BF wurde wegen zweier Vergehen und eines Verbrechens verurteilt.
Die beklagte Behörde kam zur Entscheidung, dass die Gefährdung der öffentlichen Ordnung
und Sicherheit gem § 67b FPG durch das gezeigte Verhalten des BF eindeutig gegeben und auch verhältnismäßig ist.
Die Behörde gelangt zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorlagen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis stand und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten war.
Zum Vorwurf des BF, dass über ihn ohne Gewährung des Parteiengehörs die Schubhaft verhängt wurde: Dem BF wurde am 02.06.2020 in der JA Krems die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme nachweislich zugestellt, wo dem BF die beabsichtigte Verhängung einer Sicherungsmaßnahme der Schubhaft bzw. gelinderen Mittels mitgeteilt wurde.
Der BF hat keine Stellungnahme abgegeben und somit nicht am Verfahren teilgenommen.
Aus dem Recht auf Parteiengehör lässt sich kein subjektives Recht darauf ableiten, vor der Behörde mündlich gehört zu werden (VwGH 17.6.1992, 91/02/0147).
Es verleiht keinen Anspruch - auf persönliche Anwesenheit bei der Beweisaufnahme (VwSIg 1287 A/1950), auf persönliche Vernehmung (VwGH 25.9.1991, 91/02/0032), - auf Gegenüberstellung mit den Zeugen (VwGH 14.6.1995, 95/03/0110) sowie - darauf, den Zeugen und Sachverständigen Fragen zu stellen (VwGH 15/10/1995, 95/05/0286).
Das Parteiengehör muss der Partei ausdrücklich, in förmlicher Weise gewährt und bewusstgemacht werden (VwGH 5.9.1995, 95/08/0002).
Die Behörde hat der Partei eine ausreichende Frist zur Stellungnahme einzuräumen (VwGH 13.12.1990, 89/06/1008), die es ihr ermöglicht, ihr Vorbringen entsprechend zu überlegen und zu formulieren sowie eventuell fachlichen Rat einzuholen oder ein (Gegen)-Gutachten vorzulegen (VwGH 27.9.1990, 89/12/0201).
Dem wurde im konkreten Fall durch die Gewährung des schriftlichen Parteiengehörs nachgekommen.
Die Behörde gelangt zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorlagen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis stand und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten war.
Am 08.07.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Verhandlung durchgeführt – diese nahm folgenden Verlauf (Hervorhebungen laut VH-Protokoll):
„(…)
RI befragt die beschwerdeführende Partei ob diese psychisch und physisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen und an sie gerichteten Fragen wahrheitsgemäß beantworten?
BF: Mir geht es gesundheitlich gut.
Eröffnung des Beweisverfahrens:
Verlesen wird der bisherige Akteninhalt.
Festgehalten wird, dass der Vertreter er Verwaltungsbehörde gestern mitteilte, dass das parallel zu diesem Schubhaftverfahren laufende Asylverfahren, anhängig unter der Zahl W107-2192093 in den kommenden Tagen ohne Durchführung einer Verhandlung finalisiert werden wird. Dies teilte die zuständige Einzelrichterin mit.
Festgehalten wird, dass es aktuell um die Sicherung des Verfahrens und nicht um die Sicherung der Abschiebung geht.
R: Sie wurden 2x Strafgerichtlich rechtskräftig verurteilt. Das erste Mal am 17.07.2019 vom LG Krems an der Donau wegen Sachbeschädigung, als auch wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt. Bei dieser Verurteilung fällt auf, dass Sie offensichtlich über ein nicht geringes Aggressionspotential verfügen, dem BF wird ZI I, 2. Der Verurteilung im Detail vorgehalten. Was sagen Sie dazu?
BF: Das stimmt.
R: Sie wurden ein weiteres Mal am 17.04.2020 wiederum vom LG Krems an der Donau rechtskräftig verurteilt. Dem BF wird diese Verurteilung im Detail vorgehalten.
BF: Das passt auch, ja.
R: In dem Urteil steht weiters bemerkenswert unter der Rubrik „erschwerend“, dass es sich um eine auf der gleichen schädlichen Neigung befindlichen Handlung handle, dass es sich um eine starke Gefährdung Ihrerseits handelt.
Ich halte Ihnen in diesem Zusammenhang vor: Aus dem Abschlussbericht vom 17.03.2020 der LPD S. 5, entsprechende Markierung, geht hervor, dass das Verhältnis zu der Zeugin XXXX ein rein sexuelles sei. Der BF habe die Z geschlagen, weil sie seine Sexwünsche nicht mehr erfüllen wollte. Was sagen Sie dazu?
BF: Es kann möglich sein, ich war alkoholisiert und kann mich nicht erinnern.
Dem BF wird S. 6 des Abschlussberichtes vorgehalten.
R: Offensichtlich handelt es sich bei Ihren Taten um ein „Kontinuum“?
RV bringt vor, dass der BF diesbezüglich extra auf sein Entschlagungsrecht hingewiesen werden müsste.
R gibt an, dass dies nicht nötig ist, da der BF zu Beginn der Verhandlung darauf hingewiesen wurde.
BF: Ich will dazu nichts sagen.
Der RV wird die Möglichkeit eingeräumt, Fragen an den BF zu stellen.
RV: Sie haben erwähnt, dass Sie ein Alkoholproblem haben und es in diesem Zusammenhang auch zu diesen Strafhandlungen gekommen sei. Haben Sie seit dem letzten Vorfall Alkohol getrunken
BF: Nein, ich habe Angst, dass mir wieder etwas geschehen könnte.
R: Warum haben Sie Alkohol getrunken?
BF: Um meine Probleme zu vergessen und die Geschehnisse in der Vergangenheit.
RV: Würden Sie sich im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft behördlich melden, um für die Behörde erreichbar zu sein?
BF: Ja, auf jeden Fall.
RV: Wären Sie auch mit einer allfälligen periodischen Meldeverpflichtung einverstanden?
BF: Ja.
RV: Inwiefern kam es durch das Erlebnis des Haftübels zu einer Veränderung in Ihrer Person, damit weitere strafbare Handlungen nicht mehr vorkommen?
BF: Ja. Es war für mich eine Lehre. Ich habe im Gefängnis begonnen, Sport zu machen. Ich arbeite seit 1,5 Monaten intensiv an mir. Ich möchte mich bessern.
RV: Sind Sie mit Frau XXXX weiter in einer Beziehung?
BF: Ja, bin ich.
RV: Haben Sie die Vorfälle mit ihr auch besprochen?
BF: Ja, sie ist auch heute anwesend. Ich habe mit ihr telefonisch gesprochen.
RV: Werden Sie sich künftig an die österreichischen Gesetze halten?
BF: Ja, ich habe begonnen mich zu bessern und möchte das in Zukunft fortsetzen, auch wenn ich freigelassen erden würde. Ich wollte eigentlich nie bewusst gegen irgendwelche Gesetze verstoßen, aber es kam leider wie geschildet.
RV: Keine weiteren Fragen.
Dem BFV wird die Möglichkeit gegeben, Fragen zu stellen.
BFV: Der BF hat angegeben, seit der letzten Tat keinen Alkohol mehr getrunken zu haben. Hatten Sie überhaupt die Möglichkeit seit der letzten Tat am 16.03. noch einmal Alkohol zu trinken?
BF: Doch, es gab Möglichkeiten. Es gab in der Wäscherei, wo ich aushelfe, die Möglichkeit zu konsumieren. Ich habe es aber nicht getan.
R: Von welcher Art von Alkohol sprechen Sie?
BF: Ich spreche von Desinfektionsmittel.
BFV: Keine weiteren Fragen.
Die Zeugin wird um 10.04 Uhr in den Verhandlungssaal gebeten.
R: Sie heißen XXXX .
Z: Ja, ich bin seit 32 Jahren in Österreich.
R: Sie wurden von der RV als Zeugin stellig gemacht. Als Lebensgefährtin müssen Sie keine Zeugenaussage tätigen. Sollten Sie dies wollen, müssen Sie aber die Wahrheit sagen, sonst hat das strafrechtliche Konsequenzen.
Z: Versehe ich. Ich möchte aussagen.
R: Es wird erneut auf den Abschlussbericht vom 17.03.2020 hingewiesen.
R: In dem Bericht steht, dass der BF nur Ihr Sexualpartner sei.
Z: Ich konnte nicht angeben, dass er mein Lebensgefährte ist, weil er in einer Asylunterkunft gelebt hat.
R: Am 17.03.2020 seine Sie vom BF ins Gesicht geschlagen worden, weil Sie seine Sexualwünsche nicht mehr erfüllen wollten.
Z: Das war alles in der Coronazeit. Wir hatten ein sexuelles Verhältnis. Er wolle es meines Erachtens übertreiben, es hat bis 3 in der Früh gedauert, und ich wurde müde. Ich habe ihn auch geschimpft und ihn ein bisschen provoziert.
R: Es fällt auf – das steht auch im Bericht – dass Sie über 3 Jahre vom BF geschlagen wurden, wenn er alkoholisiert war.
Z: Ich wurde im betrunkenen Zustand befragt worden. Ich habe der Polizei gesagt, dass ich bitte erst am nächsten Tag aussagen möchte. Sie haben mich dann nach 2 Stunden wieder abgeholt und ich hatte zuhause aber weiter getrunken. Ich hatte ca. 2,4 Promille.
R: Hat der BF Sie geschlagen, wenn er betrunken war?
Z: Gestritten haben wir schon öfter, aber geschlagen wurde ich nur einmal. Ich hatte österreichische Ehemänner und wurde auch geschlagen.
R: In dem Urteil wird hervorgehoben, auch die vom BF ausgesprochene Drohung, wenn er aus der Haft käme, würde er Sie umbringen.
Der Zeugin wird Schuldspruch II des Urteils vom 17.04.2020 vorgehalten.
Z: Das hat der BF nicht gesagt – das habe ich auch bei der Gerichtsverhandlung angegeben. Ich habe einen Bescheid bekommen, dass er wegen Körperverletzung verurteilt wurde. Sein Rechtsanwalt hat auch gesagt, dass wenn er sich nicht erinnern kann, dann kann er sich nicht erinnern. Wenn er das in den drei Jahren gesagt hätte, wäre ich nicht bei ihm geblieben. Ich bin 45 Jahre alt und war zwei Mal verheiratet. Wenn jemand mich mit Umbringen bedroht- ich habe zwei Kinder, das hätte ich nicht riskiert. Ich war und bin mit dem BF glücklich. Geben Sie ihm eine zweite Chance. (Z beginnt zu weinen)
R an RV: Haben Sie Fragen?
RV: Ja.
RV: Haben Sie den BF in der JVA besucht?
Z: Ja, solange es möglich war. Ich habe mit ihm telefoniert. Ich war nach Corona die erste, die ihn besucht hat. Jeden Montag nach seiner Arbeit in der Wäscherei habe ich ihn besucht. Ich habe ihm Geld geschickt und er hat selbst etwas verdient.
RV: Haben Sie Veränderung seiner Persönlichkeit wahrgenommen?
Z: Ja. Zwischen uns war eine Glasscheibe, aber er hat sehr ruhig geredet und war nicht aufgeregt. Er hat erzählt, dass er Sport gemacht hat. Ich kenne ihn gut und ich glaube, dass er sich zum Positiven verändert hat. Er hat auch abgenommen.
RV: Haben Sie Angst bzw. Sorge, dass es nach einer Entlassung zu erneuten körperlichen Auseinandersetzungen Ihnen gegenüber kommen könnte?
Z: Nein, sonst wäre ich nicht mit ihm zusammengeblieben. Ich habe überhaupt keine Angst.
RV: Würden Sie den BF für eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beschreiben?
Z: Nein. Er ist ein ganz lieber und ruhiger, wirklich. Er redet oft gar nichts und man muss ihm die Wörter aus der Nase ziehen.
RV: Hat sich der BF Ihnen gegenüber reumütig wegen seiner Verurteilungen gezeigt?
Z: Wir wussten nicht, ob wir am Telefon darüber reden dürfen, aber er hat sich entschuldigt und gesagt, dass er mich liebt.
R an BFV: Haben Sie Fragen?
BFV: Ja.
BFV: Ihre Narbe am Oberarm – stammt die von der Verletzung, die Ihnen der BF zugefügt hat?
Z: Nein, das ist etwas Anderes.
BFV: Keine weiteren Fragen.
Ende der Befragung der Z um 10.20 Uhr.
R: Sie wurden im Asylverfahren bereits am 28.07.2017 einvernommen. Sind Ihre Angaben im Asylverfahren vollständig und richtig?
Z: Ja, meine Angaben stimmen.
R an Z: Waren Sie bei der Gerichtsverhandlung am 17.04.2020 dabei und haben Sie inhaltlich die gleiche Aussage getroffen wie jetzt?
Z: Ich war dabei und habe eine inhaltsgleiche Aussage wie heute getätigt.
Die RV möchte eine Stellungnahme abgeben hinsichtlich der Gefährdung des BF.
Diese Stellungnahme wird nicht mehr zugelassen.
RV: In Bezug auf das Asylverfahren möchte ich angeben, dass 43 Prozent der erstinstanzlichen Entscheidungen in zweiter Instanz behoben wurden. Im Übrigen verweise ich auf die Beschwerde.
BFV: Ich gebe keine Stellungnahem ab.
In der Folge wurde das Erkenntnis spruchgemäß mündlich verkündet:
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) reist am 19.03.2016 ins Bundesgebiet illegal ein und stellte noch an diesem Tag einen Asylantrag.
Mit 12.03.2018 wurde der Asylantrag des BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §§§ 3, 8 AsylG negativ entschieden, dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß §57 AsylG nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Dem BF wurde die freiwillige Ausreise innerhalb von 14 Tagen ab Rechtskraft gewährt. Dieser Bescheid wurde versucht dem BF am 23.03.2018 an seiner Adresse zuzustellen und wurde schließlich am 23.03.2018 am zuständigen Postamt zur Abholung hinterlegt.
Am 26.03.2018 nahm der BF an einer Rückkehrberatung beim Verein Menschenrechte Österreich teil und erklärte nicht ausreisewillig zu sein.
Am 22.11.2018 langte bei der Verwaltungsbehörde eine Verständigung ein, aus der hervorgeht, dass der BF am 20.11.2018 gegen 22:34 Uhr eine Auseinandersetzung mit einer österreichischen Staatsbürgerin hatte, wobei sie sich alkoholisiert gegenseitig verletzten. Der BF musste im Zuge der Amtshandlung von den einschreitenden Polizeibeamten mehrmals abgemahnt, die Festnahme angedroht und weggewiesen werden. Nachdem der BF die Wegweisung nicht zur Kenntnis nahm und weiterhin in seinem aggressiven Verhalten verharrte und die Polizeibeamten attackierte, wurde der BF festgenommen. Auch dieser Festnahme widersetzte sich der BF.
Der BF wurde daraufhin vom LG KREMS A D DONAU, Zahl 036 HV 17/2019d, am 17.07.2019 (RK 21.07.2019), gemäß §§ 15, 269 Abs. 1, erster Fall (Widerstand gegen die Staatsgewalt), 125 (Sachbeschädigung) StGB, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monate, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt.
Am 17.03.2020 wurde der BF als Beschuldigter einvernommen, da er im Verdacht stand, eine Straftat gem. §§ 83 (Körperverletzung), 84 (schwere Körperverletzung), 107 (gefährliche
Drohung) StGB begangen zu haben. Aus dieser Einvernahme geht hervor, dass es sich bei dem Opfer abermals um die gleiche österreichische Staatsbürgerin handelt, mit welcher der
BF bereits am 22.11.2018 eine Auseinandersetzung hatte.
Der BF wurde angeklagt und daraufhin vom LG KREMS AN DER DONAU zur Zahl 46 HR 30/20w in Untersuchungshaft (U-Haft) genommen und in die Justizanstalt (JA) KREMS AN DER DONAU überstellt.
Der BF wurde daraufhin vom LG KREMS A D DONAU, Zahl 035 HV 13/2020k, am 17.04.2020 (RK 17.04.2020), gemäß §§ 83 Abs. 1 (Körperverletzung), 107 Abs. 1 (gefährliche Drohung), 15, 84 Abs. 4 (schwere Körperverletzung) StGB, zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monate, davon 13 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt.
Auszug aus dem Urteil des LG Krems zur Zahl 35 Hv 13/20k vom 17.04.2020, Seite 2 von 4:
„ XXXX ist schuldig, er hat in Krems XXXX
I.) am Körper verletzt, und zwar
A.) am 23.01.2019, indem er ihr mit einem schweren Trinkglas einen Schlag gegen den
Hinterkopf versetzt hat, wodurch sie eine Platzwunde am Hinterkopf erlitt;
C.) am 16.3.2020, indem er ihr einen Faustschlag in ihr Gesicht verletzte, wodurch sie ein
Hämatom und eine Schwellung unter dem linken Auge erlitt;
II.) am 16.3.2020 gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, indem er
äußerte „Wenn ich jetzt wegen dir in das Gefängnis komme, dann bringe ich dich um, wenn
ich wieder draußen bin.“ und im Anschluss mit einem Taschenmesser mehrere
Bewegungen in Richtung ihres Bauches und Gesichtes ausführte, wodurch sie
Schnittverletzungen am linken Oberarm und im Brustbereich erlitt;
III.) am 16.3.2020 durch die unter II.) geschilderte Tat am Körper verletzt und dadurch eine
schwere Verletzung herbeigeführt, wobei es beim Versuch (§ 15 StGB) blieb, da XXXX den Angriffen ausweichen konnte.“
Das Opfer wies zum Zeitpunkt der Straftat einen Alkoholisierungsgrad von 1,24 Promille auf.
Am 25.05.2020 wurde der Verwaltungsbehörde der Beschluss zur vorzeitigen Entlassung des BF (Entlassung am 27.06.2020) übermittelt.
Dem BF wurde am 02.06.2020 in der JA Krems eine neuerliche Verständigung vom Ergebnis
der Beweisaufnahme zugestellt, wo dem BF die beabsichtigte Verhängung einer Sicherungsmaßnahme der Schubhaft bzw. gelinderen Mittels mitgeteilt wurde. Der BF hat sein Recht auf Parteiengehör nicht in Anspruch genommen und hat keine Stellungnahme abgegeben. Dem BF wurde am 24.06.2020 der angefochtene Bescheid in der JA-Krems nachweislich zugestellt.
Der BF wurde am 27.06.2020 aus der Strafhaft entlassen und aufgrund des erlassenen Schubhaftbescheides in Schubhaftgenommen und in das PAZ-Hernalser Gürtel überstellt.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung.
Es bestand und besteht erhebliche Fluchtgefahr.
Beweiswürdigung:
Im Ergebnis erweist sich diese Einschätzung der Verwaltungsbehörde als zutreffend und hat letztlich auch die heutige Verhandlung kein anderes Bild ergeben:
Zunächst ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer selbst nach entsprechendem Vorhalt der Details der strafrechtlichen Verurteilungen keine weitere Stellungnahme dazu abgab und die Richtigkeit derselben festhielt. Er rechtfertigte die strafbaren Handlungen mit dem Vorliegen von Alkoholisierung und Stress. Auch den Umstand des Vorliegens einer bloß sexuellen Beziehung nach entsprechendem Vorhalt verneinte der Beschwerdeführer nicht. Ausdrücklich gab er an, Alkohol getrunken zu haben, um seine Probleme und die Geschehnisse der Vergangenheit zu vergessen. In diesem Sinne vermag aus der Aussage des Beschwerdeführers in der heutigen Verhandlung keine maßgebliche Änderung gegenüber dem Zeitpunkt der strafgerichtlichen Verurteilungen, der anschließenden jüngsten Anhaltung in Strafhaft, sowie der nachfolgenden Anordnung der Schubhaft abgeleitet werden; ein tatsächlich innerer nachhaltiger Wandel konnte nicht konstatiert werden:
So hatte der Beschwerdeführer, wie er selbst zugestand, während der Anhaltung in Haft gar keine Möglichkeit, Alkohol zu konsumieren, da lediglich Desinfektionsmittel mit entsprechendem Alkoholgehalt an der Arbeitsstätte in der Haft verfügbar waren. An der äußeren Situation des Beschwerdeführers, welche ihn offensichtlich in Stress versetzte und letztlich zum Alkoholkonsum führte, die wiederum die Straftaten zur Folge hatten, hat sich weder zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung, noch zum aktuellen Zeitpunkt etwas geändert – im Gegenteil: Mit einer Entscheidung im Asylverfahren ist ehebaldigst zu rechnen, wie die Leiterin der für das Asylverfahren zuständigen Gerichtsabteilung mitteilte.
Eine Grobprüfung des Asylantrages, insbesondere basierend auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Asyleinvernahme, ergibt nämlich die Aussichtslosigkeit des Asylantrages und ist daher mit einer baldigen negativen Entscheidung zu rechnen.
Mit dem Einwand der Rechtsvertretung in diesem Zusammenhang, dass 43 Prozent aller erstinstanzlichen Entscheidungen vom BVwG behoben würden, ist gegenständlich vor dem Hintergrund einer sich relativ klar darstellenden Sachverhaltslage im Asylverfahren nichts gewonnen. Der Beschwerdeführer hatte nämlich lediglich angegeben, Afghanistan wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen zu haben und weil man nicht ohne weiteres von einer Stadt in die andere fahren hätte können. Dies erscheint im Rahmen einer Grobprüfung als viel zu unsubstantiiert, als dass man daraus das Vorliegen einer Flüchtlingseigenschaft oder zumindest subsidiären Schutzes ableiten kann.
Da nach wie vor von einer sehr hohen Stresssituation des Beschwerdeführers auszugehen ist, drängte sich und drängt sich geradezu der Schluss auf, dass sich der Beschwerdeführer, je näher die Entscheidung des BVwG naht, wieder in den Alkohol flüchten und daher wieder ähnliche Straftaten, wie schon begangen, begehen wird. Dieser Umstand jedoch zeigt gerade im Hinblick auf die begangenen schweren strafbaren Handlungen nicht nur, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die österreichische Gesellschaft ist, sondern ergibt sich als logische Konsequenz der zu erwartenden neuerlichen Straftaten, dass sich der Beschwerdeführer dem Zugriff der Justiz und damit auch den Verwaltungsbehörden entziehen würde.
Die Aussage der Zeugin vermochte auch zu keiner Annahme einer geänderten Situation führen:
Zunächst ist anzuführen, dass der Beschwerdeführer – obwohl die Freundin eine ungefähr inhaltsgleiche Aussage vor dem Strafgericht ablegte – trotzdem verurteilt wurde. In diesem Sinne vermag auch heute die beschönigende Aussage der Zeugin nicht zu überzeugen, dies schon insofern nicht, als nicht einmal der Beschwerdeführer seine begangenen Taten derart relativierte, wie es die Zeugin tat.
Es wirkt zudem völlig unglaubwürdig, wenn die Zeugin in der Verhandlung angibt, nicht nur gar nichts von einer gefährlichen Drohung, wie in Spruchpunkt II des Schuldspruches des Landesgerichtes Krems vom 17.04.2020 festgehalten, zu wissen, sondern überhaupt ausführt: „Das hat der Beschwerdeführer nicht gesagt.“. Alleine dieser Aussageteil lässt die Zeugin in keinem glaubwürdigen Licht erscheinen.
Außerdem wurden nach dem Polizeibericht von der Zeugin und dem Beschwerdeführer Alkoholtests durchgeführt. So wies die Zeugin 1,24 Promille auf. Dies lässt die heutige Verantwortung, sie habe 2,4 Promille gehabt, als unglaubwürdig erscheinen.
Dass die Zeugin Ehemänner gehabt hätte, die sie auch geschlagen haben, wie von ihr vorgebracht, vermag die Taten des Beschwerdeführers nicht zu relativieren. Auch das im Strafurteil festgehaltene Verletzungsbild steht mit ihrer Angabe, sie sei nur einmal geschlagen worden, im eindeutigen Widerspruch. Denn aufgrund des Urteils wurde ihr durch den Schlag mittels eines Trinkglases eine Platzwunde am Hinterkopf zugefügt und durch einen Faustschlag ins Gesicht ein Hämatom und eine Schwellung unter dem linken Auge.
Dass sich der Beschwerdeführer während der Haft ordentlich benahm, lässt keinen Schluss zu, wie er sich nach Haftentlassung und neuerlichem Zugang zu Alkohol benehmen wird, insbesondere, wenn man, wie oben angemerkt, bedenkt, dass eine negative Entscheidung im Asylverfahren alsbald droht.
Zusammengefasst ergibt also das Verhandlungsbild kein von der Einschätzung der Behörde abweichendes Bild. Der Verfahrensmangel der fehlenden Einvernahme ist daher nicht als wesentlich zu werten, der zu einem anderen Ergebnis nach Durchführung einer Verhandlung geführt hätte.
Wie aus dem Verhalten des BF zu entnehmen ist, schreckt der BF nicht nur vor gefährlicher
Drohung zurück, sondern untermauerte diese Drohungen mit Messerangriffen auf das Opfer.
Auch ist darauf hinzuweisen, dass der BF bei der ersten Verurteilung schon wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigung verurteilt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Zuständigkeit
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2
Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Zu Spruchpunkt A) I. (Schubhaftbescheid, bisherige Anhaltung):
Gesetzliche Grundlagen:
Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
Die Bestimmung des §22a BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.
Materielle Rechtsgrundlage:
Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lauten:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 77 FPG - Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114; 02.08.2013, 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
Vor dem Hintergrund des aktuell feststehenden Sachverhaltes, welcher aber bereits dem angeführten Mandatsbescheid zugrunde gelegt wurde und auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren waren – die Verhandlung vom 08.07.2020 bestätigte das bereits von der Verwaltungsbehörde erzielte Ergebnis – wird daher die rechtliche Beurteilung des Schubhaftbescheides zur rechtlichen Beurteilung erhoben: Die Verwaltungsbehörde hatte im Ergebnis zutreffend den Sachverhalt dem Tatbestand des § 76 Abs. 2 Z 1 und § 76 Abs. 3 Z 9 FPG unterstellt:
Da nach wie vor von einer sehr hohen Stresssituation des Beschwerdeführers auszugehen war (bezogen auf den Zeitpunkt der Schubhaftanordnung) und (aktuell) ist, drängte sich und drängt sich geradezu der Schluss auf, dass sich der Beschwerdeführer, je näher die Entscheidung des BVwG naht, wieder in den Alkohol flüchten und daher wieder ähnliche Straftaten, wie schon begangen, begehen wird. Dieser Umstand jedoch zeigt gerade im Hinblick auf die begangenen schweren strafbaren Handlungen nicht nur, dass der Beschwerdeführer eine große Gefahr für die österreichische Gesellschaft im Sinne des §76 Abs. 2 Z 1 FPG ist, sondern ergibt sich als logische Konsequenz der zu erwartenden neuerlichen Straftaten, dass sich der Beschwerdeführer dem Zugriff der Justiz und damit auch den Verwaltungsbehörden entziehen würde (§76 Abs.3 Z 9).
Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers und der damit verbundenen Gefahr des Untertauchens, gerade im Hinblick auf die bevorstehende Asylentscheidung, hatte die Verwaltungsbehörde auch zu Recht von einem gelinderen Mittel Abstand genommen. Da der Beschwerdeführer bis zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht lange in Schubhaft angehalten wird, erweist sich die bisherige Anhaltung auch in zeitlicher Hinsicht als verhältnismäßig.
Aufgrund dieser vom Beschwerdeführer ausgehenden besonderen Gefährlichkeit war und ist dem Interesse des Staates am Vollzug fremdenrechtlicher Normen jedenfalls der Vorrang gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers an seiner Freiheit einzuräumen.
Zu Spruchpunkt A II. (Fortsetzung der Anhaltung):
Die entscheidungsrelevante Bestimmungen des § 22 Abs. 3 BFA-VG idgF lautet:
Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
All das soeben Gesagte gilt auch für den Ausspruch der Fortsetzung der Haft. Nochmals ist auf die bevorstehende Asylentscheidung hinzuweisen, sodass sich auch die weitere Anhaltung jedenfalls als nicht unverhältnismäßig