TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/1 W117 2232597-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2020
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Entscheidungsdatum

01.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z3
FPG §76 Abs3 Z9
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W117 2232597-1/14E
Schriftliche Ausfertigung des am 06.07.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des BFA, RD NÖ Außenstelle St. Pölten vom 10.06.2020, Zl. 1091047807-200317716, sowie die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit im Spruch angeführtem Bescheid der Verwaltungsbehörde wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet.

Die Verwaltungsbehörde ging in ihrem Schubhaftbescheid entscheidungswesentlich von folgendem Parametern aus:

Der Beschwerdeführer sei mehrmals strafrechtlich verurteilt worden, unter anderem einmal wegen § 28a Abs. 1 SMG. Seit 20.05.2017 liege eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Bezug auf Marokko vor. Der Beschwerdeführer sei untergetaucht und hätte eine Abschiebung am 22.04.2018 auf der Grundlage eines ausgestellten Heimreisezertifikates, nicht durchgeführt werden können. Überhaupt sei der Beschwerdeführer außer in Haftanstalten nie gemeldet gewesen.

Die Verwaltungsbehörde subsummierte diese Parameter unter die Fluchtgefahrtatbestände des § 76 Abs. 3 Z. 1, Z. 3 und Z. 9 FPG.

Z. 1 sei insofern erfüllt, als sich der Beschwerdeführer der für 22.04.2018 terminisierten Abschiebung entzog; Z. 3 wiederum deshalb, weil der Sachverhalt vor dem Hintergrund einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung zu sehen ist und Z. 9 im Hinblick auf die Straffälligkeit.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid binnen offener Frist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und stellte die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen; aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte; im Rahmen einer „Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen; der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gem. VwG Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, auferlegen.

Der Beschwerdeführer begründete seine Beschwerde wie folgt (Hervorhebungen gemäß der Beschwerde):

(…)

2. Mangelhaftes Verfahren zur Bestimmung der Fluchtgefahr und der Prüfung gelinderer Mittel

Der BF befand sich bei Einleitung des Schubhaftverfahrens in Gerichtshaft. Folgerichtig hat die belangte Behörde den gegenständlichen Schubhaftbescheid gern § 76 Abs 4 FPG nicht im Mandatsverfahren erlassen. Dafür ist aber an die Anforderungen des Ermittlungsverfahrens und an das Begründungserfordernis ein höherer Maßstab anzulegen als bei einem Mandatsbescheid.

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Schubhaftbescheid nicht.

Ein ordnungsgemäß begründeter Bescheid setzt u.a. die Offenlegung der beweiswürdigenden Erwägungen voraus. Die „Beweiswürdigung“ im angefochtenen Bescheid beschränkt sich aber auf einen Hinweis auf den Verfahrensakt.

Zur vermeintlichen Verwirklichung des Tatbestandes der Z 9 wird festgehalten, dass der BF keine maßgeblichen Anknüpfungspunkte zu Österreich habe. Es bestehe eine erhöhte Gefahr, dass er abermals „in die Kriminalität abwandern“ würde (S. 12 f). Dabei wird aber das Vorbringen des BF, wonach er eine mehrjährige Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin führt, nicht berücksichtigt. Die belangte Behörde führt aus, die Lebensgemeinschaft könne nicht nachvollzogen werden, weil der BF in den letzten Jahren im ZMR, ausgenommen in Strafanstalten, nicht in Erscheinung getreten sei (S. 6). Eine solche Schlussfolgerung setzt aber die Durchführung entsprechender Ermittlungen voraus. Alleine der Umstand einer fehlenden Meldung ist aber kein Indiz dafür, dass eine Lebensgemeinschaft nicht besteht. Überdies ist ein gemeinsamer Wohnsitz auch keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft. Außerdem ist es auch während einer Haft möglich, eine Beziehung durch gegenseitige Besuche sowie Telefon- und Briefverkehr aufrechtzuerhalten.

Die belangte Behörde hat jegliche Ermittlungen zur Person der Lebensgefährtin des BF unterlassen. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Wäre die Lebensgefährtin des BF als Zeugin einvernommen worden, hätte diese das Bestehen einer Lebensgemeinschaft bestätigt und darüber hinaus angegeben, dass der BF im Fall der Entlassung aus der Haft bei ihr Unterkunft nehmen kann.

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren wird die Einvernahme der Lebensgefährtin, Frau XXXX Wien, zum Beweis dafür beantragt, dass der BF bei ihr über eine Wohnmöglichkeit verfügt sowie zum Beweis dafür, dass bereits in den letzten Jahren eine Lebensgemeinschaft bestand.

Der BF führte in seinen schriftlichen Stellungnahmen aus, dass er sich wünscht, in Österreich bleiben zu können. Dies bedeutet im Umkehrschluss nicht - wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt - dass sich der BF dem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung entziehen wird. Vielmehr wird sich der BF im Fall der Haftentlassung für die Behörde zur Verfügung halten. Er wird bei Frau XXXX einen Wohnsitz begründen und würde- sofern von ihm gefordert - auch einer allfälligen polizeilichen Meldeverpflichtung nachkommen. Eine Abschiebung wird sich der BF nicht entziehen (Beweis: PV).

Selbst wenn man von Fluchtgefahr ausgeht, wäre daher jedenfalls die Anordnung eines gelinderen Mittels an Stelle der Schubhaft ausreichend, um den Sicherungszweck zu erfüllen.

Überdies ist auch keineswegs sichergestellt, dass eine Abschiebung in naher Zukunft überhaupt möglich sein wird. In Marokko kam es gerade in den letzten Tagen, beginnend mit 20.06.2020, zu einem Anstieg der Zahl an CoVid 19 erkrankten Personen (vgl https://covid19.who.int/reqion/emro/countrv/ma. Zugriff am 01.07.2020). Wenn die belangte Behörde ausführt, dass eine Abschiebung ehestmöglich realisiert wird, sobald die aktuellen Pandemiemaßnahmen zurückgenommen würden (S. 15), so mag dies zwar dem Grunde nach zutreffend sein. Es kann aber aus heutiger Sicht überhaupt nicht prognostiziert werden, wann - konkret in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko - entsprechende Reiselockerungen vorgenommen werden. Es ist auch nicht gesichert, dass dies innerhalb der Schubhafthöchstdauer von grundsätzlich 6 Monaten gern § 80 FPG durchgeführt werden kann.

(…)

Die Verwaltungsbehörde legte den Schubhaftakt vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde und den Ausspruch der Fortsetzung der Anhaltung sowie Kostenzuspruch für Vorlage- und Schriftsatzaufwand. In ihrer Stellungnahme führte sie unter anderem aus (Hervorhebungen entsprechend der Stellungnahme):

Zu den Punkten in der Beschwerde wird folgendes ausgeführt:

Entgegen den Ausführungen des BF war das Bundesamt während dessen Anhaltung in Strafhaft nicht untätig, die erforderlichen Schritte für die Erlangung und Ausstellung eines Heimreisezertifikates und die Vorbereitung der geplanten Abschiebung wurden rechtzeitig und ordnungsgemäß umgesetzt.

Wenn in der Beschwerde weiters angeführt wird, dass aufgrund der CoV-19-Krise eine Anhaltung schon deswegen nicht weiter zulässig ist, da ein Zeitpunkt der Abschiebung nicht absehbar ist, so ist dies grundsätzlich richtig, dass ein Ende der gegenwärtigen Maßnahmen nicht vorhersehbar ist, jedoch eine derartige Ausnahmesituation nicht zur Aussetzung der Rechtsstaatlichkeit führen darf, sondern dies mit allen gesetzlichen Mitteln zu verhindern ist.

Was die weitere Gesundheits- und Versorgungslage in Marokko betrifft, so trifft es vermutlich zu, dass, wie in allen von der CoV-19 betroffenen Ländern, mit einem Anstieg an Krankheitsfällen zu rechnen ist, jedoch die marokkanische Regierung ebenfalls Maßnahmen gegen eine Ausbreitung ergreift und auch der Zusammenhalt in der übrigen Bevölkerung untereinander gegeben ist. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht aus aktueller Sicht weiterhin. Es ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Verzögerungen und Annullierungen im internationalen Flugverkehr im Zusammenhang mit CoV-19 zumindest weitgehend gelockert und Abschiebungen durchgeführt werden können.

Bezüglich seiner familiären und sozialen Verhältnisse im Inland ist anzumerken, dass der BF keine Familienangehörige in Österreich hat, seine Angehörigen leben in Marokko. Was seine Freundin/Lebensgefährtin, XXXX , betrifft, bei der der BF angeblich unterkommen könnte (auch im Zusammenhang mit der möglichen Anordnung eines gelinderen Mittels), ist anzumerken, dass der BF mit der Genannten keinen gemeinsamen Wohnsitz begründet und es vorgezogen hat, sich durch Untertauchen und Vereitelung seiner geplanten Abschiebung der Behörde zu entziehen. Der BF ist somit nicht ansatzweise vertrauenswürdig.

Da sich der BF illegal im Bundesgebiet aufhält und er damit nicht zur legalen Arbeitsaufnahme berechtigt ist, bestehen jedoch hinreichend Gründe zur Annahme, dass der BF seinen Lebensunterhalt nach Entlassung aus der Schubhaft wieder durch Delikte nach dem SMG bestreiten wird, zumal er bereits fünfmal und davon dreimal wegen der Begehung von Suchtgiftdelikten gerichtlich rechtskräftig verurteilt wurde, Diese Straftaten werden von der belangten Behörde deshalb als sehr schwerwiegend erachtet, da sich in der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit manifestiert. Die Suchtgiftkriminalität ist in höchstem Maße sozialschädlich, da durch sie eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß entstehen kann, wobei zu bemerken ist, dass sie vor allem auch besonders schutzwürdige jugendliche Personen gefährdet. Durch seine Mitwirkung am Suchtgifthandel hat der Fremde dazu beigetragen, diese Gefahren zu verwirklichen. Das Fehlverhalten ist daher außerordentlich gravierend und gefährdet massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

In Hinblick auf die "verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" gab auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für die Bestimmtheit der Mitgliedstaaten im Vorgehen gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck (vgl. EGMR, 19.02.1998, Dalia gegen Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR vom 30.11.1999, Baghli gegen Frankreich, Nr. 34374/97).

Auf Grund der dargelegten Umstände stellt der Fremde für die Behörde unweigerlich eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich dar und ist diesem somit jegliche Vertrauenswürdigkeit abzusprechen.

Somit geht die belangte Behörde davon aus, dass der BF auch in Hinkunft nicht gewillt ist, sich an die geltende Rechtsordnung zu halten.

Entsprechend des bisherigen Verhaltens des BF begründen folgende Kriterien eine Fluchtgefahr:

- Der BF ist illegal in das Bundesgebiet eingereist.

? Der BF ging im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass er eine Arbeitsstelle findet, er ist zur legalen Arbeitsaufnahme auch nicht berechtigt.

- Der BF entzog sich einer bereits für den 22.04.2018 terminlich fixierten Abschiebung durch Untertauchen, und konnte an der Meldeadresse nicht angetroffen werden.

- Der BF tauchte in Österreich unter, indem er am 26.6.2018, ausgenommen in Haftanstalten nicht behördlich zur Anmeldung kam und zuvor nur in Bundesbetreuungseinrichtungen und Obdachlosenquartieren gemeldet war.

- Der BF besitzt kein gültiges Reisedokument und kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

- Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hiezu bestand, verweigerte der BF die Ausreise aus Österreich. Stattdessen tauchte er in die Illegalität ab und wurde wiederholt straffällig.

- Der BF missachtete die österreichische Rechtsordnung, indem er wiederholt straffällig und bereits 5 Mal von inländischen Gerichten rechtskräftig verurteilt wurde.

- Der BF verfügt nicht über ausreichend Barmittel um seinen Unterhalt zu finanzieren.

- Der BF ist in keinster Weise integriert, weder beruflich, noch sozial und finanziert seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Suchtmittel.

Die Anhaltung in Schubhaft ist jedenfalls nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043). Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Auch aufgrund ständiger Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts wegen CoV-19 (z. B. vgl BVwG ZI. W137 2218884-12/8E, BVwG ZI. W180 2226127-5/13E, BVwG Zl. W171 2126792-2/8E) gelangt das Bundesamt zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten ist.

Am 08.07.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Verhandlung durchgeführt – diese nahm folgenden Verlauf (Hervorhebungen laut VH-Protokoll):

„(…)

RI befragt die beschwerdeführende Partei ob diese psychisch und physisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen und an sie gerichteten Fragen wahrheitsgemäß beantworten?

BF: Mir geht es gesundheitlich nicht so gut, ich war zu lange im Gefängnis und jetzt bin ich in Schubhaft. Es gibt eine Person, die mich verrückt macht. Alle Menschen die dort sitzen, sind nicht normal. Es herrscht dort viel Streit.

Eröffnung des Beweisverfahrens:

Verlesen wird der bisherige Akteninhalt.

RI: Ihr Asylverfahren ist seit dem 20.05.2017 rechtskräftig negativ, warum haben Sie das Land bisher noch nicht verlassen?

BF: Ich habe Probleme in Marokko, ich kann nicht zurück. Sowas wie eine Blutrache.

RI: Das BVwG hat rechtskräftig die Entscheidung der Verwaltungsbehörde bestätigt und es besteht Ihrerseits die Verpflichtung, das Land zu verlassen.

BF: Ich brauche noch eine Chance, meine Freundin lebt auch hier in Österreich, und ich will hierbleiben. Bitte wenn es geht.

RI: Sie sind bereits am 06.05.2015 nicht zum Transfer von der EAS OST Traiskirchen in die Betreuungsstelle Erdberg erschienen, und Sie sind dann auch nicht am 12.11.2015 zum Transfer Betreuungsstelle Leoben erschienen. Sie sind weiters am 25.01.2016 nicht zum Transfer Graz Antlitz erschienen. Sie haben am 08.03.2016 den Transfer in die Betreuungsstelle Klagenfurt verweigert, Sie sind am 14.03.2016 nicht zum Transfer nach Schwarzenberg erschienen, und Sie waren seit 22.04.2018 unbekannten Aufenthaltes, sodass Sie aus der Grundversorgung abgemeldet wurden.

BF: Ich wollte in Wien bleiben, deswegen bin ich nicht hingefahren. Da mein Bruder auch in Wien war.

RI: Wenn das so ist, warum sind Sie dem Transfer in die Betreuungsstelle in Erdberg nicht gefolgt?

BF: Ich wusste nicht, dass Sie mich nach Wien bringen wollten.

RI: Sie sind in Österreich fünf Mal rechtskräftig strafrechtlich verurteil worden. Dabei fällt auf, dass Sie zwei Mal offensichtlich (versuchten) Diebstahl begingen, aber auch schwer in der Suchtgift-Kriminalität verhaftet sind/waren. Sie wurden nämlich zuletzt am 13.09.2019 sogar wegen § 28a SMG strafrechtlich verurteilt. Das heißt, Sie haben Suchtgifthandel mit einer größeren Menge betrieben. Wollen Sie dazu was sagen?

BF: Ich war damals süchtig, ich habe verkaufen müssen, damit ich selbst nicht dafür bezahle.

RI: Sie haben sich einer für den 22.04.2018 terminisierten Rückführung nach Marokko aufgrund Vorliegens eines Heimreisezertifikates entzogen. Warum?

BF: Ich habe woanders gelebt und ich habe die Briefe nicht erhalten.

RI: Wo haben Sie gelebt?

BF: Ich habe im 23. Bezirk, in der Mehlführergasse 24/28/13 gewohnt.

RI: Warum liegen hinsichtlich Ihrer Person außer Ihren Aufenthalten in Strafanstalten und jetzt aktuell in der Schubhaft keine polizeilichen Meldedaten vor. Warum haben Sie sich nicht polizeilich angemeldet?

BF: Ich habe es nicht gewusst und ich hatte keinen Ausweis, um mich anmelden zu lassen. Ich habe nur eine Karte von der Caritas erhalten und damit kann ich mich nicht anmelden.

RI: Sie hätten es zumindest der Behörde, wie es auch Ihre Verpflichtung ist, wie es auch im Rahmen der (Asyl)Erstbefragung zur Kenntnis gebracht wurde, den Behörden Ihren jeweiligen aktuellen Aufenthaltsort bekanntgeben müssen.

BF: Das hat mir keiner gesagt. Ich war damals neu hier und ich war müde.

RI: Wo leben Ihre Familienangehörigen?

BF: Ich habe einen Bruder, der in Deutschland lebt und einen Bruder, der in Kroatien lebt. Mein Vater und meine Mutter sind in Marokko.

RI: Wie viel Vermögen besitzen Sie aktuell?

BF: Keines, ich habe kein Vermögen.

RI: Haben Sie jemals in Österreich legal gearbeitet?

BF: Nur „schwarz“.

RI: Was haben Sie da genau gearbeitet?

BF: Baustellen und Garten.

RI: Wo und von wann bis wann?

BF: 2019 habe ich für vier Monate auf Baustellen gearbeitet und einen Monat lang im Garten, da war ich in Tirol.

RI: Wie sind Sie zu dieser Arbeit gekommen?

BF: Es war in einer Zeitung ausgeschrieben, ein Kollege von mir hat angerufen und ich bin dorthin gefahren.

RI: Und Sie wurden dort „schwarz“ angestellt?

BF: Ja, die Firma hat mich dann „schwarz“ angestellt und ich arbeitete vier Stunden am Tag.

RI: Haben Sie familiäre Bezugspunkte?

BF: Eine Freundin habe ich hier seit fast drei Jahren.

RI: Bestand jemals ein gemeinsamer Wohnsitz?

BF: Ja, eineinhalb Jahre.

RI: Von wann bis wann?

BF: Von Jänner 2018 bis 24 Juli 2019, als ich abgeholt wurde von zuhause.

RI: Warum haben Sie den Ort nicht der Behörde bekanntgegeben?

BF: Es war mir nicht bekannt, sie hat eine Gemeindewohnung bekommen und ich konnte bei ihr wohnen.

RI: Letztlich müsste man vier Monate von dieser Zeit abziehen, weil Sie in diesem Zeitraum auch vier Monate in Tirol schwarzarbeiten waren.

BF: Ja, das ist richtig.

RI: Wovon haben Sie in dieser Zeit gelebt?

BF: Sie hat immer die Miete gezahlt und ich habe geschaut, wenn ich Geld hatte, dann habe ich das Essen geholt und wenn nicht, hat sie es dann bezahlt.

RI: Jetzt hat sich diese Beziehung offensichtlich nicht so stabilisiert, dass Sie keine Straftaten begangen haben. Die schwerste Straftat haben Sie während der Beziehung zu Ihrer Freundin begangen.

BF: Nein, sie wusste von nichts. Sie hat nichts damit zu tun und sie weiß nicht, was ich gemacht habe.

RI: Ist Ihrer Freundin nie Ihre Gefängnis bedingte Abwesenheit aufgefallen?

BF: Doch, sie war auch auf Besuch.

RI: Dann hat Sie doch etwas davon gewusst?

BF: Ja, ich habe ihr dann alles erzählt. Ich liebe sie wirklich und ich will sie nicht verlieren, wegen Drogen.

RI: Im Rahmen des erstinstanzlichen Schubhaftverfahrens wurde Ihnen unter anderem am 02.07.2020 von der Behörde Fragen übermittelt und zur Kenntnis gebracht, dass Sie nicht wenige Vorstrafen haben, Ihr Rechtsmittel negativ ist und es wurden Ihnen Fragen gestellt, auch im Zusammenhang mit sozialen Bindungen in Österreich. Wieso haben Sie nicht reagiert?

BF: Caritas und die Diakonie sind zu mir gekommen in die Schubhaft.

RV: Das Parteiengehör war vom Jahr 2019.

BF: Es hat mit mir keiner geredet. Ich wurde vom Gefängnis überstellt und bis heute hat mit mir keiner geredet.

Festgehalten wird, dass ein Heimreisezertifikat, den BF betreffend, seit 19.04.2018 vorliegt.

RI an BehV: Hat das HRZ ein Ablaufdatum?

BehV: Ja es hatte ein Ablaufdatum befristet auf sechs Monate, aber es wurde ein neues angefragt. Auf der Basis dieses HRZ kann die Abschiebung nicht geschehen, aber auf der Basis des HRZ wurde schon ein neues HRZ beantragt.

RI an BehV: Wissen Sie, wie viele Marokkaner in diesem Jahr bereits abgeschoben wurden?

BehV: Das weiß ich nicht auswendig, ich werde Rücksprache halten.

RI: Wie groß ist die Wohnung Ihrer Freundin ungefähr?

BF: Circa 54 m², fast 60 m² mit Balkon.

RI: Wohnt in dieser Wohnung noch jemand, außer Ihrer Freundin?

BF: Nur wir zwei und eine Katze.

Festgehalten wird, dass nach der Befragung des BF davon ausgegangen wird, dass die Wohnung hinreichend groß und geeignet wäre den BF alternativ zur Schubhaft aufzunehmen. Gegenständlich stellt sich die Frage die Gefahr des Untertauchens, selbst wenn eine derartige Wohnung als alternative Unterbringungsmöglichkeit bestünde oder besteht, sagt dies nichts über die Fluchtgefahr aus.

BF: Ich werde nicht weglaufen, bitte gebt mir noch eine Chance. Ich will in Österreich bleiben.

RV: Ich denke, die Z könnte doch dazu etwas dazu aussagen, sie kennt den BF und ist seit ca. drei Jahren und ist mit ihm zusammen. Auch dass sie eine Einschätzung geben kann, ob beim BF Fluchtgefahr vorliegt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der BF bereits bei ihr gelebt hat.

RI an BehV: Wissen Sie nach Rücksprache, wie viele Marokkaner in diesem Jahr bereits abgeschoben wurden?

BehV: Ich erhalte eine Nachricht dazu und warte noch ab.

RI an BehV: Wann rechnen Sie mit der neuerlichen Ausstellung eines HRZ?

BehV: Es wird zeitnah erfolgen, in ungefähr einem Monat. Von der ersten Beantragung bis zur aktuellen Ausstellung dauert es sechs Monate. Auf den einen Monat komme ich, weil bereits ein HRZ vorliegt und der BF bereits identifiziert wurde.

RI an BehV: Mit welche Fluglinie wird der BF abgeschoben?

BehV: Wir müssen uns daran richten, welche Fluglinie Marokko anfliegt. Wir bekommen fast täglich Änderungen hinsichtlich Fluglinien, es kann nicht gesagt werden, mit welcher Fluglinie er abgeschoben würde.

RV: Laut aktuellen Informationen auf der Homepage des österreichischen Außenministeriums zu Marokko liegt derzeit eine Unterbrechung der internationalen Flug- und Fährverbindung bis 10.07.2020 vor. Es gibt keine Hinweise darauf, wie danach verfahren werden wird. Aufgrund der aktuellen Situation, wie auch die Aussagen des BehV bestätigen, kann nicht von einer zeitnahen Ausstellung eines HRZ einerseits und einer Durchführbarkeit andererseits ausgegangen werden.

Beginn der Befragung der Z

RI: Sie wissen, wieso Sie heute hier sind?

Z: Ja.

RI belehrt die Z umfassend bezüglich Aussagerecht und Entschlagungsrecht.

Z will eine Aussage machen.

RI: Seit wann kennen Sie den BF?

Z: Seit Ende August 2017.

RI: Wo haben Sie Ihn kennengelernt?

Z: Draußen beim Spazieren habe ich ihn kennengelernt.

RI: Hat der BF jemals bei Ihnen gewohnt?

Z: Ja, seit dem Jahr 2018.

RI an BF: Darf ich der Z aufgrund des Datenschutzes Ihr österreichisches Vorleben vorhalten?

BF erklärt sich ausdrücklich damit einverstanden.

RI: Wissen Sie vom Vorleben, seinen Lebensumständen in Marokko oder hier Bescheid?

Z: Ja.

RI: Was wissen Sie genau?

Z: Er ist hergekommen, ich weiß nicht, was ich da sagen soll.

RI: Der BF wurde in Österreich fünf Mal strafrechtlich verurteilt. Neben zwei Vermögensdelikten (Diebstahl) scheinen drei Suchtgiftdelikte auf, wobei das schwerste Suchtgiftdelikt im Juli 2019 vom BF begangen wurde. Da hatte er Suchtgifthandel mit einer größeren Menge betrieben und wurde auch zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Wissen Sie von den Vorstrafen des BF Bescheid?

Z: Ja, das weiß ich.

RI: Wenn der BF bei Ihnen Unterkunft hatte, wieso haben Sie ihn nicht angemeldet. Dafür bestünde für Sie eine gesetzliche Pflicht.

Z: Ich wusste nicht wie, wo und habe davon keine Ahnung.

RI: Sie sind doch selbst angemeldet.

Z: Bei ihm war es ein bisschen anders, er war ja davor bei der Diakonie gemeldet.

RI: Sie meinen wohl die Grundversorgung?

Z nickt.

RI: Danach war er nicht mehr in der Grundversorgung und bei Ihnen.

Z: Ich weiß schon, wie es geht, aber ich wusste nicht, was ich machen sollte.

RI: Wie groß ist Ihre Wohnung?

Z: Sie ist 54 m².

RI: Wissen Sie, von was Ihr Freund in Österreich gelebt hat? Wie er seinen Lebensunterhalt bestritten hat?

Z: Hm… Zuerst hat er von der Diakonie etwas bekommen und ich habe ihm auch geholfen.

RI: Was machen Sie beruflich?

Z: Ich arbeite in einem Café, das wird gefördert von Pro mente.

RI: Was verdienen Sie da?

Z: € 700,- und bekomme auch von meinen Eltern etwas.

RI: Wie haben Sie den BF unterstützt?

Z: Er war bei mir und ich habe das Essen und so weiter gekauft.

RI: Von welchem Geld hat er sich das gekauft?

Z: Ich habe ihm das Geld dafür gegeben.

RI: Hat der BF bei Ihnen von 2018 bis 2019 durchgehend gewohnt?

Z: Doch, im Juni 2019 war er ganz kurz in Italien.

BF: Sie weiß nicht in welchem Land ich war.

RI an RV: Haben Sie Fragen an die Z?

RV: Wenn der BF heute entlassen werden würde, könnte er weiterhin bei Ihnen wohnen?

Z: Ja.

RV: Sie kennen den BF länger, gehen Sie davon aus, dass er sich seiner Abschiebung entziehen und untertauchen würde?

Z: Nein, das würde er nicht machen.

RV: Warum nicht?

Z: Ich weiß, das er sowas nicht macht.

RI: Wussten Sie, dass der BF schon einmal eine Abschiebung nicht vollziehen ließ? Er hat im Jahre 2018 am 20.04.2018 der Abschiebung entzogen. Wussten Sie davon?

Z: Nein, ich wusste nicht das es wegen einer Abschiebung war.

RV: Der BF hat selbst ausgeführt habe, dass er nicht gewusst habe, dass er abgeschoben hätte werden sollen.

RV: Ich habe keine weiteren Fragen an die Z, Danke.

Die Z verlässt um 10:37 Uhr den Verhandlungssaal und nimmt draußen Platz, um später ihre Aussage nach Richtigkeit zu unterzeichnen.

RI an RV: haben Sie noch ein Vorbringen?

RV: Nein, Danke.

Festgehalten wird, dass der BehV im Verfahren W117 2231913/62Z in der Verhandlung am 16.06.2020 zu Marokko ausführte, dass im Jahr 2019 38 Zustimmungen zur Ausstellung eines HRZ erteilt wurden.

Festgehalten wird, dass im Bezug auf das Jahr 2020 im damaligen Fall keine Daten näher von der BehV bekanntgegeben werden mussten, weil sich aufgrund der speziellen Entwicklung im damaligen Fall jedenfalls seit Februar herauskristallisiert hatte, dass eine Abschiebung nach Marokko eigentlich nicht möglich ist.

RI an BehV: Wissen Sie nach Rücksprache, wie viele Marokkaner in diesem Jahr bereits abgeschoben wurden?

BehV: Nach Auskunft der Direktion kam es von Jänner bis 13.März 2020 zu insgesamt fünf Einzelrückführungen nach Marokko, seit 13. März gibt es wegen der COVID-Krise keine Rückführungen.

RI an R: Haben Sie Fragen an den BF oder den BehV?

RV: Nein, Danke.

RV an BehV: Die Frage ist, aufgrund welcher Erfahrungswerte Sie von einer einmonatigen Ausstellung im aktuellen Fall ausgehen?

BehV: Es liegt ein HRZ vor und laut Auskunft der HRZ-Abteilung ist nach einem Monat mit einer neuerlichen Ausstellung zu rechnen.

RV: Ich habe keine weiteren Fragen, Danke.

(…)

In der Folge wurde das Erkenntnis spruchgemäß mündlich verkündet:

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger und stammt aus Casablanca.

Der Beschwerdeführer ging im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach, verrichtete aber Schwarzarbeit. Der Beschwerdeführer verfügt nicht über ausreichend Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren. Er verfügt seit 22.04.2018 über keine Krankenversicherung.

Er besitzt kein gültiges Reisedokument und kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich eine Freundin, bei der er auch wohnen könnte; bis dato wohnte er nicht mit ihr.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung

Mit Bescheid des BFA, RD Wien, vom 05.04.2017, vom Beschwerdeführer nachweislich übernommen am 06.04.2017, wurde sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, weiters sein Antrag auf Zuerkennung des Status des Subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Auf Grund seiner bereits damals bestehenden Straffälligkeit wurde ein, auf die Dauer von 5 Jahren befristetes, Einreiseverbot erlassen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Mit Erkenntnis des BvWG vom 19.05.2017 wurde seine Beschwerde vollinhaltlich als unbegründet abgewiesen. Diese im Asylverfahren erlassene Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf 5 Jahre festgesetzten Einreiseverbot ist seit 20.05.2017 in II. Instanz rechtskräftig und durchsetzbar. Der Beschwerdeführer befindet sich seitdem illegal im Bundesgebiet.

In Folge kam er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb mit einer Ausnahme, als er sich kurzzeitig illegal im Juni 2019 nach Italien begab, weiter illegal im Bundesgebiet und war mehrmals monatelang im Bundesgebiet nicht gemeldet, bzw. war er seit 26.06.2018, ausgenommen in der Haftanstalt, im Bundesgebiet nicht gemeldet. Vor dem angeführten Datum kamen er auch nur in Bundesbetreuungseinrichtungen, Haftanstalten und Obdachlosenquartieren zur Anmeldung.

Der Beschwerdeführer wurde mit 07.11.2016 und mit 22.04.2018 aus der Grundversorgung wegen unbekannten Aufenthaltes abgemeldet. Am 08.03.2016 verweigerten er einen Transfer in die BS Klagenfurt, am 25.01.2016 erschien er nicht zu einem Transfer in die BS Graz Andritz, am 12.11.2015 erschien er nicht zu einem Transfer in die BS Leoben und am 06.11.2015 erschein er nicht zu einem Transfer in die BS Erdberg.

Einer bereits für den 22.04.2018 fixierten Außerlandesbringung entzog er sich durch Untertauchen. Sie konnte er an seiner Meldeadresse nicht angetroffen werden.

Der Beschwerdeführer leistete im Jahre 2019 vier Monate lang Schwarzarbeit auf Baustellen und einen Monat lang in einem Garten (in Tirol).

Der Beschwerdeführer wurde weiters wiederholt straffällig und bereits fünf Mal von inländischen Gerichten rechtskräftig verurteilt:

So wurde er mit Urteil des LG WR.NEUSTADT, 046 HV 86/2015t, vom 26.01.2016, RK 30.01.2016, wegen § 15 StGB § 127 StGB, Datum der (letzten) Tat 30.11.2015, zu Freiheitsstrafe von drei Wochen, bedingt auf drei Jahre verurteilt; weiters auch mit Urteil des BG BADEN, 029 U 135/2016v, vom 29.12.2016, RK 03.01.2017, wegen §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (1) Z 1 8. Fall SMG, Datum der (letzten) Tat 08.03.2016, zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von vier Monaten, bedingt auf drei Jahre.

Außerdem wurde der Beschwerdeführer noch mit Urteil vom LG F.STRAFS.WIEN zur Zahl 142 HV 25/2017p vom 13.04.2017, RK 13.04.2017, wegen § 27 (2a) SMG, Datum der (letzten) Tat 16.03.2017 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten und vom LG F.STRAFS.WIEN, 154 HV 126/2017d, vom 14.11.2017, RK 18.11.2017, wegen § 127 StGB verurteilt.

Zuletzt wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.09.2019, Zahl: 063 Hv 134/19i, nach §§ 28a Abs 1, 5 und 6. Fall SMG, § 27 Abs 1 Z 1 7. Fall SMG, § 27 Abs 1 Z 1 1. Und 2. Fall SMG, § 27 Abs 2 SMG, § 28 Abs 3 1. Fall SMG, § 148 a StGB, § 27 Abs 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer befand sich bis zum 24.06.2020 in der Justizanstalt St. Pölten in Strafhaft, wurde am selben Tag (aus der Strafhaft) entlassen und seitdem, also dem 24.06.2020, in Schubhaft angehalten.

Es bestand und besteht erhebliche Fluchtgefahr. 

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu seiner Person, zu seinem Privat- und Familienleben ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben.

Die Identität des Beschwerdeführers steht durch seine positive Identifizierung durch die Botschaft von Marokko am 14.03.2018 fest.

Die Einsichtnahme im Melderegister ergab, dass er meldeamtlich, ausgenommen in Strafanstalten, nicht in Erscheinung trat. Somit kann auch die behauptete, schon seit 3 Jahren bestehende Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin, nicht nachvollzogen werden, da er mit ihr keinen nachweisbaren gemeinsamen Wohnsitz hatte. Der Verwaltungsbehörde ist darin zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer andernfalls, also für den Fall des gemeinsamen Wohnens durch Nichtmeldung an einer allfälligen gemeinsamen Adresse, wiederrum gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen hätte, was gleichfalls erhebliche Fluchtgefahr indiziert.

Letztlich kann es aber dahingestellt bleiben, ob die Verwaltungsbehörde zutreffend oder auch nicht vom Bestehen einer Lebensgemeinschaft ausging, da jedenfalls auch nach der heutigen Verhandlung ersichtlich ist, dass den Beschwerdeführer eine bestehende Lebensgemeinschaft – selbst wenn man das Vorliegen einer solchen doch annehmen sollte – – nicht von der Verrichtung von Schwarzarbeit und Drogendelikten abhielt. Der von der Zeugin ins Treffen geführte Verdienst reichte offensichtlich nicht aus, um die gemeinsamen Lebensbedürfnisse zu befriedigen.

Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung und auch aktuell ist also nicht ersichtlich, wie der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt, ohne in die Illegalität abzutauchen, bestreiten hätte können bzw. würde, zumal der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt über eine Arbeitserlaubnis verfügte; auch dies zeigte und zeigt das Bestehen erheblicher Fluchtgefahr, weil sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Enthaftung wiederum zumindest mit Schwarzarbeit seine Lebensbedürfnisse decken wird.

Die Beschwerde vermochte sohin mit dem Bestehen einer Lebensgemeinschaft keine entscheidungswesentliche Änderung der Beurteilung des gegenständlichen Falles bewirken:

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich gerade aus der Aussage der Zeugin noch ein weiterer Hinweis auf die bestehende Fluchtgefahr ergab, gab sie doch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass sich der Beschwerdeführer zwischenzeitlich im Juni 2019 sogar einmal in Italien aufgehalten habe.

Der Beschwerdeführer replizierte darauf lediglich „Sie weiß nicht in welchem Land ich war“, womit der Beschwerdeführer zwar nicht zugibt, in Italien gewesen zu sein, aber jedenfalls einräumt, sich im Ausland aufgehalten zu haben.

Auch fällt auf, dass sich der Beschwerdeführer bereits ab Beginn des Asylverfahrens immer wieder bereits Überstellungen im Rahmen der Grundversorgung entzog und liefert seine Begründung in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, er hätte „unbedingt nach Wien wollen“, keine ausreichende Rechtfertigung dafür, bereits im Rahmen der Grundversorgung nicht kooperiert zu haben, insbesondere auch deshalb, da eine geplante Überstellung die in Wien gelegene Betreuungsstelle Erdberg betraf.

Auch überzeugt die Rechtfertigung, nicht von seiner Verpflichtung gewusst zu haben, den Behörden seinen jeweiligen Aufenthaltsort bekannt geben zu müssen, nicht da dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner im Jahre 2015 erfolgten Erstbefragung ausdrücklich entsprechende Information erteilt wurde. Dass die Stresssituation so groß gewesen wäre, dass er daran gehindert gewesen sei, dieser Verpflichtung nachzukommen, wurde nicht einmal substantiiert vorgebracht, geschweige denn finden sich in der Aktenlage irgendwelche Anhaltspunkte dafür.

Letztlich verblieb also auch in der heutigen Verhandlung ein sehr vertrauensunwürdiger Eindruck des Beschwerdeführers; nochmals sei seine Angabe, dass er Suchtgift verkaufen hätte müssen, damit er sich selbst die Bezahlung für den eigenen Suchtgiftkonsum erspare, hervorgehoben.

Der Beschwerdeeinwand, dass keine ausreichende Beweiswürdigung vorliege, wäre prinzipiell zutreffend – im gegenständlichen Fall jedoch sind die Sachverhaltsparameter zunächst einmal aber so offenkundig, dass sich der bloße Hinweis auf die Aktenlage als ausreichend darstellen würde. Im Übrigen finden sich unsystematisch – also disloziert – beweiswürdigende Ausführungen im Rahmen der anderen Bescheid Rubriken.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Verwaltungsbehörde dem Beschwerdeführer erstmals mit Schreiben vom 26.11.2019, von Ihm nachweislich am gleichen Tag übernommen, eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme bezüglich der Erlassung eines Einreiseverbotes und der beabsichtigten Verhängung der Schubhaft nach Haftentlassung zugestellt und ihm somit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.

Da im ersten Parteiengehör eine nicht seine Person betreffende Strafregisterauskunft angeführt worden war und vonseiten der Verwaltungsbehörde keine Erhöhung der Dauer des Einreiseverbotes beabsichtigt war, wurde ihm über seine Rechtsvertretung am 02.04.2020 nachweislich die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme bezüglich der beabsichtigten Verhängung der Schubhaft zugestellt und Ihm somit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Inwiefern aus dem ersten (darauf erfolgten) handschriftlichen Schreiben, bei der Verwaltungsbehörde am 27.02.2020 eingelangt, – und im nachfolgenden mit seiner wesentlichen Aussage, Österreich einfach nicht verlassen zu wollen, obwohl Marokko von ihm selbst als sicherer Herkunftsstaat bezeichnet wird, zitiert – etwas für die Enthaftung des Beschwerdeführers zu gewinnen ist, bleibt die Beschwerde schuldig:

„Sehr geehrte Damen und Herren! Ich ersuche Sie höflichst mir eine Chance zu geben, dass ich in Frieden in Österreich ein gutes Leben und eine Familie aufbauen kann. Marokko ist zwar ein sicheres Herkunftsland, aber dort habe ich keine Perspektiven und keine Chancen mich so zu entwickeln und weiterzubilden, wie in Österreich. Österreich ist in jeder Hinsicht ein Land, das ich voll respektiere und mich auch am Arbeitsmarkt möchte ich für das Land verfügbar sein. Ich kann auch schon ein bisschen Deutsch, habe eine Freundin, die ist Österreicherin. Will mit dieser ein Leben zusammen aufbauen, mich in jeder Hinsicht auch in das Land Österreich zu integrieren. Ich möchte Ihnen auch sagen, bitte helfen Sie mir und schieben sie mich nicht nach Marokko ab.

(…)

Ich bin ein junger Mann, der Ihrem Land von Nutzen ist, denn ich will Ihnen beim Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Also lassen Sie mich meine Zukunft mit meiner Freundin Lea gestalten, eine Familie gründen und in Frieden glücklich werden. Ich bitte Sie sehr, geben Sie mir diese Chance.“

Da das zweite handschriftlich verfasste Schreiben des Beschwerdeführer vom 12. März 2020 unterstreicht das gänzliche Fehlen der Ausreiseunwilligkeit des Beschwerdeführer, obwohl der Beschwerdeführer Marokko selbst als schönes Land bezeichnet:


„Sehr geehrte Damen und Herren. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich bitte dringend in Österreich bleiben will. Will mich hier integrieren, die Kultur, das Land einfach genießen, ohne dass ich denken muss, mir kann der Ruin ins Haus stehen. Ich habe seit 3 Jahren schon eine Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin und will mit dieser in Österreich eine glückliche Familie gründen. Bitte Sie mich zu unterstützen und nicht einfach abzuschieben. Ich fühle mich hier sehr wohl, bin jung und will für das Land Österreich was beizutragen. In Marokko ist es auch schön, aber ich fühle mich schon wie ein Europäer. Will Arbeiten und mein Leben hier gestalten! Bitte geben Sie mir eine Chance! Mit vorzüglicher Hochachtung (Unterschrift).“

Zu welchem anderen Ergebnis als erheblicher Fluchtgefahr – dies aber natürlich aufgrund der zusätzlichen, schon angeführten Parameter – hätte da die Verwaltungsbehörde kommen können?!

Im gegenständlichen Fall konnte die Verwaltungsbehörde vor dem Hintergrund bereits erfolgter Abschiebungen in diesem Jahr und im letzten Jahr und gerade im Hinblick auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits identifiziert wurde und dass ein Heimreisezertifikat bereits einmal ausgestellt wurde, davon ausgehen, dass die vorübergehende COVID-19 Krise – siehe dazu auch aktuelle entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – die Abschiebung des Beschwerdeführers nicht verunmöglichen wird.

Weiters ist nochmals darauf hinzuweisen, dass gegenüber dem Beschwerdeführer seit 20.05.2017 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorlag und vorliegt und der Beschwerdeführer jederzeit mit seiner Rückführung nach Marokko rechnen musste, sodass sich das Nicht-bereit-halten für die Verwaltungsbehörde im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft zu Ungunsten des Beschwerdeführers auswirkt. Letztlich hatte und hat der Beschwerdeführer durch sein Verhalten die aktuelle Schubhaft zu verantworten.

Rechtliche Beurteilung

Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu Spruchpunkt A) I. (Schubhaftbescheid, bisherige Anhaltung):

Gesetzliche Grundlagen:

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, idgF, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Die Bestimmung des §22a BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Materielle Rechtsgrundlage:

Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lauten:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann di

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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