TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/3 W278 2234526-1

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Veröffentlicht am 03.09.2020
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Entscheidungsdatum

03.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W278 2234526-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dominik HABITZL als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren über die weitere Anhaltung in Schubhaft von XXXX , StA. AFGHANISTAN, zum Verfahren Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid vom 06.05.2020, Zahl: XXXX , wurde über den Beschwerdeführer (BF) die gegenständliche Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG mit 06.05.2020; 12.05 Uhr angeordnet. Der BF wird seither im PAZ XXXX angehalten.

Die Verwaltungsbehörde führte in ihrer Bescheidbegründung auf der Tatsachenebene im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen unter anderem aus:

„Sie reisten unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 17.01.2016 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.06.2017 wurde über Sie die Untersuchungshaft verhängt.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22.06.2017 wurden Sie wegen §§27 Abs. 2a zweiter Fall und 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt.

Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.09.2017, zugestellt am 29.09.2017, wurde Ihr Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen, es wurde Ihnen kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt und es wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt worden ist, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist ((Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Außerdem sprach die Behörde aus, dass Sie gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 22.06.2017 verloren haben (Spruchpunkt V.).

Sie erhoben am 04.10.2017 eine Beschwerde gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2017.

Am 10.02.2018 wurde über Sie durch das Landesgericht für Strafsachen Wien die Untersuchungshaft verhängt.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26.03.2018 wurden Sie nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a, Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurden acht Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 14.09.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.02.2020 zu der GZ: W102 2174002-1/34E wurde Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

„Gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 06.06.2017 verloren.“

Mit dem Bescheid des BFA vom 09.03.2020 zu der IFA-Zahl/ Verfahrenszahl XXXX wurde Ihnen gemäß § 46 Abs.2a und 2b FPG i.V.m. § 19 AVG aufgetragen den Interviewtermin am 03.04.2020 um 10:30 Uhr beim BFA, Regionaldirektion Wien wahrzunehmen. Bei nicht Folge leisten des Auftrages ohne Grund wurde Ihnen die Verhängung einer Haftstrafe von 7 Tagen angedroht. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde gemäß § 13 Abs.2 VwGVG ausgeschlossen.

Die Zustellungsversuche an Ihrer gemeldeten Wohnadresse des oben angeführten Bescheides an Ihrer gemeldeten Wohnadresse durch die LPD Burgenland scheiterten am 09.03.2020, 10.03.2020 und am 11.03.2020. Die Unterkunftgeberin gab gegenüber der LPD Burgenland an, dass sie Sie telefonisch erreicht habe und Ihnen mitgeteilt habe, dass Sie ein Schriftstück des BFA erhalten werden. Sie führten an, dass Sie an Ihrer Wohnadresse erreichbar seien. Ein Zustellversucht der LPD Burgenland am 13.03.2020 scheiterte jedoch wieder. In weiterer Folge wurde an der Eingangstür zu Ihrer Unterkunft der Zustellschein mit der Hinterlegungsadresse befestigt. Darüber wurde auch die Unterkunftgeberin informiert, diese gab an, dass sie Sie nicht mehr telefonisch erreichen könne. Sie holten sich bis zum 30.03.2020 den oben dargestellten Bescheid des BFA nicht ab und sind ab 02.04.2020 nicht mehr behördlich im Bundesgebiet gemeldet.

Am 16.03.2020 wurde gegen Sie ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs.1 Z 2 BFA-VG erlassen.

Am 05.05.2020 wurden die Beamten der LPD Wien nach Wien XXXX aufgrund eines Notrufes wegen sexuellen Belästigung beordert. Dort angetroffen gab das näher genannte weibliche Opfer an, dass Sie es in aufdringlicher Weise im Gesäßbereich betatscht hätten und diesem schon seit etwa 2 Wochen nachstellen würden, wobei Sie immer wieder in aufdringlicher Weise nahekommen würden. In weiterer Folge wurden Sie durch die Beamten der LPD Wien zur Anzeige gebracht. Die LPD Wien bestreifte den Tatort auf der Suche nach Ihnen und als Sie die Beamten wahrnahmen, versuchten Sie vor den Beamten der LPD Wien zu flüchten, woraufhin diese die Verfolgung aufgenommen haben. Sie versteckten sich in einem Gebüsch, wo Sie schließlich durch die Beamten der LPD Wien gestellt worden sind. Sie versuchten daraufhin erneut zu flüchten, Ihr Fluchtversucht konnte durch die Beamten der LPD Wien jedoch erfolgreich unterbunden werden. In weiterer Folge wurden Sie nach Bestimmungen der StPO festgenommen. Nach Prüfung der Sachlage wurden Sie aus der Festnahme nach StPO entlassen und auf freien Fuß angezeigt.

Sie wurden nach Kontaktaufnahme mit dem Journaldienst des BFA gemäß § 40 Abs.1 Z 1 BFA-VG um 19:25 Uhr festgenommen.

Es besteht gegen Sie eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Sie sind zur Ausreise verpflichtet und Ihre Abschiebung ist geplant.

(…)

Zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht nicht fest. Sie führen als Verfahrensidentität den Namen XXXX

Es steht fest, dass Sie nicht österreichischer Staatsbürger sind. Sie sind Staatsangehöriger von Afghanistan und somit ein Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs.4 Z 10 FPG 2005.

Sie leiden an keine lebensbedrohliche Erkrankung und sind laut polizeiamtsärztlichen Gutachten vom 05.05.2020 haftfähig.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Sie halten sich seit 06.06.2017 beharrlich illegal im Bundesgebiet auf.

Es besteht gegen Sie seit 18.02.2020 eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Sie missachteten Ihre Ausreiseverpflichtung und reisten bis zum 03.03.2020 nicht aus. Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.

(…)

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Sie sind nach Österreich illegal eingereist und stellten einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz.

Sie halten sich seit 06.06.2017 beharrlich illegal im Bundesgebiet auf.

Sie wurden im Bundesgebiet zwei Mal straffällig rechtskräftig verurteilt, wodurch Sie die österreichische Rechtsordnung missachtet haben.

(…)

Sie missachteten Ihre Ausreiseverpflichtung und reisten innerhalb der Frist zur freiwilligen Ausreise (03.03.2020) nicht aus.

Sie halten sich ab dem 02.04.2020 ohne behördliche Meldung im Verborgenen im Bundesgebiet auf.

Bei Ihren Aufgriff wegen sexueller Belästigung (§ 218 StGB) am 05.05.2020 versuchten Sie mehrmals vor den Beamten der LPD Wien zu flüchten und konnten erst nach Verfolgung gestellt werden.

Sie gehen keiner Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden. Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie gegenüber den Beamten der LPD Wien Ihren Aufenthaltsort im Bundesgebiet nicht preisgeben wollten und sich dem Zugriff der Beamten durch Flucht zu entziehen versuchten.

Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich bislang unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf.

Sie sind in keiner Weise integriert, weil Sie über keine soziale Verankerung im Bundesgebiet verfügen.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie haben keine Familienangehörige oder andere Angehörige im Bundesgebiet. Sie führen kein Familienleben im Bundesgebiet.

Sie halten sich seit 06.06.2017 beharrlich illegal im Bundesgebiet auf. Sie missachten ab dem 03.03.2020 Ihre Ausreiseverpflichtung.

Sie sind ab dem 05.03.2020 im Bundesgebiet nicht sozialversichert. Sie verfügen über 205 € aus unbekannten Quellen. Sie gehen keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach und sind wirtschaftlich im Bundesgebiet nicht integriert. Sie vermochten den Besitz der Mittel zu Ihrem Unterhalt im Bundesgebiet nicht nachzuweisen.

Sie sind ab dem 09.03.2020 unbekannten Aufenthaltes im Bundesgebiet und verfügen seit 02.04.2020 über keine behördliche Meldung mehr. Sie wollten Ihren Aufenthaltsort im Bundesgebiet nicht preisgeben.

Es bestehen keine sozialen oder sonstigen Bindungen zu Österreich. Sie können sich in der deutschen Sprache verständigen.

Sie wurden im Bundesgebiet zwei Mal rechtskräftig verurteilt:

01) LG F.STRAFS.WIEN XXXX

§ 27 (2a) 2. Fall SMG

§§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG

Datum der (letzten) Tat 03.06.2017

Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Junge(r) Erwachsene(r)

zu LG F.STRAFS.WIEN 151 HV 46/2017t RK 22.06.2017

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F.STRAFS.WIEN 162 HV 20/2018a vom 26.03.2018

02) LG F.STRAFS.WIEN XXXX

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (2a), 27 (3) SMG

Datum der (letzten) Tat 08.02.2018

Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3

Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Es liegen mehrere Anzeigen wegen Gewaltdelikten gegen Sie vor, durch Ihr Fehlverhalten gefährden Sie die körperliche Unversehrtheit von Dritten.

Im Rahmen des Verfahrensganges führte die Verwaltungsbehörde beweiswürdigend aus:

„Um Ihre Abschiebung zu verhindern, tauchten Sie unter, indem Sie sich unbekannten Aufenthaltes aus dem GVS-Quartier verzogen sind, und erschienen zum Interviewtermin mit der afghanischen Botschaft nicht.

(…) Sie haben Ihre Verpflichtungen aus dem Bescheid nach § 46 Abs. 2b FPG vom 09.03.2020 nicht befolgt, indem Sie zum Interviewtermin am 03.04.2020 um 10:30 Uhr beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht erschienen sind und stattdessen im Bundesgebiet untergetaucht sind.

(…) Sie gefährden die öffentliche Ordnung und Sicherheit, vor allem das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Volksgesundheit sowie der körperlichen Unversehrtheit von Dritten.“

Rechtlich beurteilte die Verwaltungsbehörde das Tatsachensubstrat wie folgt:

„(…)

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr: 1, 1a, 3, 9, § 76 Abs. 2a FPG

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 1a FPG 2005 liegt eine Fluchtgefahr vor, weil Sie ab dem 09.03.2020 unbekannten Aufenthaltes im Bundesgebiet sind und seit 02.04.2020 über keine behördliche Meldung verfügen, wobei Sie der Ihnen mit Bescheid des BFA vom 09.03.2020 aufgetragenen Verpflichtung gemäß § 46 Abs.2a und 2b FPG i.V.m. § 19 AVG nicht nachgekommen sind, indem Sie zum Interviewtermin am 03.04.2020 um 10:30 Uhr beim BFA, Regionaldirektion Wien nicht erschienen sind. Ebenso ist anbei zu berücksichtigten, dass Sie sich auch dem Zugriff der Beamten der LPD Wien am 05.05.2020 durch Flucht zu entziehen versuchten, was ebenso für erhebliche Fluchtgefahr spricht.

Ebenso liegt gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG 2005 eine begründete Fluchtgefahr vor, da gegen Sie eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht und Sie sich nunmehr auf freien Fuß diesem entziehen würden, wie Sie bis dato durch Missachtung Ihrer Ausreiseverpflichtung und dem Untertauchen im Bundesgebiet getan habe.

Insgesamt ergibt sich aufgrund Ihres Verhaltens eine erhebliche Fluchtgefahr.

Diese Fluchtgefahr wird gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG 2005 nicht gemindert, da Sie über keine soziale Verankerung im Bundesgebiet verfügen. Sie verfügen nicht über ausreichend Existenzmittel (205 € aus unbekannten Quellen) und haben keinen Wohnsitz im Bundesgebiet bzw. wollen einen solchen der Behörde nicht preisgeben. Sie gehen keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und haben auch keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Sie sind somit in keiner Weise für das behördliche Verfahren greifbar.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. In Ihrem Fall wurden Sie zwei Mal wegen der gleichen schändlichen Neigung (Suchtmittel) rechtskräftig verurteilt und es besteht ein großes öffentliches Interesse am Schütze der Volksgesundheit, sodass eine gesicherte Abschiebung notwendig ist. Ebenso ergibt sich aufgrund der Vielzahl der Anzeigen mit Bezug auf Gewaltkriminalität, dass Ihr Fehlverhalten die körperliche Unversehrtheit von Dritten gefährdet, zumal Sie zuletzt sogar aufgrund von sexuellen Belästigung (218 StGB) aufgegriffen worden sind.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Suchtmitteldelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (vgl. VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Delinquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Insgesamt ergibt sich aus Betrachtung Ihres Falles, insbesondere des gesetzten Verhaltens und Ihrer persönlichen Umstände eine erhebliche Fluchtgefahr. Es ist nicht davon auszugehen, dass Sie aufgrund Ihres bisher gesetzten Verhaltens sowie Ihrer persönlicheren Umstände sich für das Verfahren sowie die Abschiebung bereithalten werden. Sie haben in der Vergangenheit deutlich gezeigt, für Sie die österreichische Rechtsordnung und die behördlichen Auflagen nicht gelten. Daher kommt die Verhängung des gelinderen Mittels in Ihrem Fall nicht in Frage, da Sie dieser nur dazu nützen würden, um unterzutauchen und weiterhin Ihre kriminelle Energie im Bundesgebiet auszuüben. Somit liegt bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vor. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten, wie auch bisher.

(…)

Die Anordnung von Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung werden zwar aktuell die Reisebewegungen weltweit und aus Österreich vermehrt eingeschränkt. Jedoch handelt es sich bei den derzeitigen Restriktionen um zeitlich begrenzte Maßnahmen. Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall eine Abschiebung zwar vorübergehend nicht möglich ist, jedoch in den kommenden Wochen möglich sein wird. Mit Blick auf die höchstzulässige Schubhaftdauer iSd § 80 FPG zeigt sich, dass die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft (in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin) damit ohnehin deutlich länger andauert, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Pandemie-Restriktionen gegenwärtig zu erwarten ist. Das Bundesamt für Fremdenswesen und Asyl wird, sobald die aktuellen Pandemiemaßnahmen zurückgenommen werden, die Abschiebung ehestmöglich realisieren(...)“

Aufgrund der Annahme erheblicher Fluchtgefahr lehnte die Verwaltungsbehörde die Anwendung gelinderer Mittel ab.

Mit Aktenvorlage vom 28.08.2020, mit welcher die weitere Anhaltung in Schubhaft beantragt wurde, gab die Verwaltungsbehörde ergänzend noch folgende Stellungnahme ab:

(…)

Am 05.05.2020 wurde Herr XXXX aufgrund einer sexuellen Belästigung festgenommen, wobei er sich der Festnahme durch Flucht und Verstecken in einem Gebüsch zu entziehen versuchte. Es wurde festgestellt, dass gegen den Genannten von der RD Bgld. ein FNA ausgeschrieben war, und wurde er nach Rücksprache mit dem zuständigen BFA-JD ins PAZ HF verbracht.

(…)

Eine freiwillige Ausreise nach Afghanistan kam für Herrn XXXX zu einem nicht in Betracht, da er nicht über ausreichend Barmittel verfügte, um seine Ausreise, bzw. den Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet bis zur Ausreise aus eigenem mit legalen Mitteln zu bestreiten, und hat er auch keine Chance, sich diese Geldmittel auf legalem Wege zu verdienen, zum anderen konnte er kein gültiges Reisedokument vorweisen, mit dem er das Land hätte verlassen können und hat er auch die ihm bereits eingeräumte Frist zur freiwillige Ausreise nicht genutzt.
(…)

Herr XXXX wurde 15.05.12020 der afghanischen Delegation zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikates vorgeführt. Er wurde positiv identifiziert und wurde der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt.

Am 03.06.2020, am 01.07.2020, und am 29.07.2020 wurde jeweils eine Überprüfung gem. § 80 Abs. 6 FPG durchgeführt.

Eine begleitete Einzelflugabschiebung nach Afghanistan ist derzeit nicht möglich, der für den 01.09.2020 geplante Charter wurde abgesagt, jedoch ist ein Charter für Oktober, genauer Termin noch nicht bekannt, in Planung. Weiters besteht für Herrn XXXX im Rahmen der Schubhaftbetreuung die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise über den VMÖ. Dem VMÖ ist es bereits in der Vergangenheit mehrfach erfolgreich gelungen, entsprechende Flugbuchungen zu organisieren.

Dies wurde Herrn XXXX auch im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 06.07.2020 zur Kenntnis gebracht, wobei er jedoch seine Ausreiseunwilligkeit zum Ausdruck brachte. Auch im Gespräch mit dem VMÖ am 10.07.2020 hat er die freiwillige Ausreise abgelehnt.

Am 21.07.2020 musste Herr XXXX wegen Körperverletzung zum Nachteil eines Mithäftlings (Zufügen von Schnittwunden mit einer Rasierklinge im Bereich der linken Wange) diszipliniert werden.

(…)“

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt erwogen:

Feststellungen:

Der von der Verwaltungsbehörde im angeführten Schubhaftbescheid, vom 06.05.2020, Zahl: XXXX , zugrunde gelegten Sachverhaltselemente, welche im Rahmen obigen Verfahrensganges zitiert wurden, werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Der BF befindet sich in regelmäßiger medizinischer Behandlung und ist weiterhin uneingeschränkt haftfähig.

Der BF wurde während seiner Anhaltung in Schubhaft aufgrund des Verdachts einer Körperverletzung zum Nachteil eines Mithäftlings am 21.07.2020 diszipliniert. Die StA Wien erhob Strafantrag beim örtlichen Bezirksgericht gegen den BF wegen § 218 (1a) StGB.

Der BF ist nicht ausreisewillig.

Am 30.08.2020 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt stellte dem BF am 30.08.2020 nachweislich einen ausführlich begründeten Aktenvermerk – warum die Asylfolgeantragstellung alleine zur Verzögerung des Vollzugs der Rückführungsentscheidung gestellt wurde - nach § 76 Abs. 6 FPG zur Aufrechterhaltung der Anhaltung in Schubhaft zu.

Die Anhaltung in Schubhaft wird seit 30.08.2020 auf Rechtsgrundlage von § 76 Abs. 6 FPG gestützt.

Es hat sich keine für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechende Änderung ergeben. Die Verwaltungsbehörde ist sehr um die Organisation einer Charterabschiebung nach Afghanistan und der Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht. Die afghanische Vertretungsbehörde hat den BF bereits als afghanischen Staatangehörigen identifiziert. Es ist sowohl mit einer HRZ Ausstellung, als auch realistisch mit der Abschiebung des BF in den nächsten Monaten – vorausgesetzt einer zu erwartenden zurück - oder abweisenden Entscheidung im nunmehr anhängigen Asylverfahrens – zu rechnen.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Schubhaftbescheid übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche zutreffende Beweiswürdigung – die angeführten Sachverhaltsparameter sind unzweifelhaft der Aktenlage zu entnehmen und hatte er auch keine Schubhaftbeschwerde erhoben.

Die letzte amtsärztliche Kontrolle fand am 29.08.2020 statt, aus der sich die weiterhin vorliegende uneingeschränkte Haftfähigkeit des BF ergibt. Der Auszug der Krankendatei liegt im Gerichtsakt ein.

Der BF wurde zwischenzeitlich aufgrund des Verdachts einer Körperverletzung zum Nachteil eines Mithäftlings diszipliniert (siehe Meldung vom 21.07.2020). Der Strafantrag der StA Wien betreffend § 218 (1a) liegt ebenfalls im gegenständlichen Gerichtsakt ein.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme des BF am 06.07.2020, nach erfolgter Identifizierung durch die afghanischen Vertretungsbehörden, gab er ausdrücklich an, nicht ausreisewillig zu sein. Auch im Gespräch mit dem VMÖ lehnte der BF die freiwillige Ausreise ab und stellte hingegen am 30.08.2020 einen Asylfolgeantrag - aus dem Stande der Schubhaft, um – wie vom Bundesamt im gegenständlichen im Akt einliegenden Aktenvermerk nachvollziehbar begründet - seine Abschiebung zu verhindern bzw. zu verzögern.

Die Verwaltungsbehörde ist auch offensichtlich weiter ernsthaft bemüht, die Abschiebung zu realisieren, wie die Vorführung vor afghanische Delegation zeigt. Der Nachweis über die Vorführung des BF vor die afghanische Delegation und über die erfolgte Identifizierung des BF als afghanischen Staatsangehörigen liegt im Gerichtsakt ein.

In diesem Sinne war auch die Feststellung, es habe sich bis zum heutigen Zeitpunkt keine Änderung auf Tatsachenebene ergeben, welche für eine Freilassung des Beschwerdeführers spreche, zu treffen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung des BF weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Nach der Asylfolgeantragstellung am 30.08.2020 wird die Anhaltung in Schubhaft nunmehr auf Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 6 FPG gestützt. Die im Schubhaftbescheid seitens der Verwaltungsbehörde vorgenommene rechtliche Beurteilung betreffend die hohe Fluchtgefahr des BF insbesondere nach § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG weist weiterhin volle Gültigkeit auf.

Nochmals sind die seit der Schubhaftanordnung vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltensweisen, welche die Abschiebung zu verhindern oder zumindest zu verzögern trachten, hervorzuheben:

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 06.07.2020 vor dem Bundesamt, nach erfolgter Identifizierung durch die afghanischen Vertretungsbehörden, gab der BF ausdrücklich an nicht ausreisewillig zu sein. Auch im Gespräch mit dem VMÖ lehnte er die freiwillige Ausreise ab.

Der BF stellte am 30.08.2020 aus dem Stande der Schubhaft, trotz bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen Asylfolgeantrag, um – wie vom Bundesamt im gegenständlichen Aktenvermerk nachvollziehbar begründet - seine Abschiebung zu verhindern bzw. zu verzögern. Damit ist jedenfalls auch aktuell der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 5 FPG als erfüllt anzusehen.

Unter dem Aspekt des § 76 Abs. 2a FPG ist die Schubhaft in Bezug auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers auch als verhältnismäßig anzusehen; ebenso auch im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer, wobei in diesem Zusammenhang – in Zusammenschau mit den beiden rechtskräftigen Verurteilungen des BF nach dem Suchtmittelgesetz – auch auf die zwischenzeitlich notwendige Disziplinierung aufgrund einer Anzeige wegen des Verdachts der Körperverletzung am 21.07.2020 und auf die Anklageerhebung vom 21.08.2020 wegen dem Verdacht der sexuellen Belästigung hinzuweisen ist.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu auch die Straffälligkeit, das Untertauchen und der dokumentierte Versuch sich der Festnahme durch verstecken und Flucht zu entziehen– kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Verzögerungen im Zusammenhang mit der Abschiebung, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Vielmehr kümmerte sich das Bundesamt zügig um die Vorführung vor die afghanische Delegation. Dass pandemiebedingt ein bereits geplanter Abschiebecharterflug nicht durchgeführt werden konnte, kann nicht dem Bundesamt zugerechnet werden. Für Oktober ist der nächste Charterabschiebeflug geplant. Eine Abschiebung des BF – vorausgesetzt einer zurück- oder abweisenden Entscheidung im laufenden Asylverfahren – ist jedenfalls innerhalb der höchstzulässigen Anhaltedauer realistisch möglich.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Dies gilt insbesondere auch im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß §76 Abs. 6 FPG. Die Abfassung des einschlägigen Aktenvermerkes ist belegt, womit die Umstellung der Rechtsgrundlage erfolgt ist. Dieser Aktenvermerk verfügt auch über eine ausführliche und nachvollziehbare Begründung. Darüber hinaus besteht für den Beschwerdeführer jederzeit die Möglichkeit, eine gesonderte Beschwerde gegen die fortgesetzte Schubhaft nunmehr auf Grundlage des § 76 Abs. 6 FPG zu erheben und diese (inhaltlich) gerichtlich prüfen zu lassen.

Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.

Zu Spruchpunkt B – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Mandatsbescheid öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W278.2234526.1.00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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