TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/7 W250 2226032-8

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2020
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Entscheidungsdatum

07.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77

Spruch

W250 2226032-8/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien alias Syrien, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) reiste nach Asylantragstellung am 10.05.2015 in Ungarn illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.05.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der BF gab die im Spruch dieses Erkenntnisses genannte Alias-Identität an und behauptete syrischer Staatsangehöriger zu sein. Der BF vereitelte seine Überstellung in das Grundversorgungsquartier am 16.05.2015 und tauchte unter. Bereits am 28.05.2015 wurde über den BF mit Beschluss eines Landesgerichtes die Untersuchungshaft verhängt.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 27.07.2015 wurde der Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückgewiesen, die Außerlandesbringung des BF angeordnet und seine Abschiebung nach Ungarn für zulässig erklärt.

Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.09.2015 stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

3. Da Zweifel an der bisher angegebenen Staatsangehörigkeit des BF bestanden wurde am 03.02.2019 eine forensisch-afrikanistische Befunderhebung durchgeführt. In seinen gutachterlichen Feststellungen kam der Gutachter zu dem Schluss, dass eine Hauptsozialisierung des BF in Syrien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen und von einer Hauptsozialisierung in Algerien auszugehen sei. Auf Vorhalt, dass die beauftragte forensisch-afrikanistische Befunderhebung zu den Sprachkompetenzen und den Landeskenntnissen des BF ergeben habe, dass dieser algerischer Staatangehöriger sei, führte er wörtlich aus: „Das ist richtig. Ich bin algerischer Staatsangehöriger.“

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.07.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 11.05.2015 vollinhaltlich abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Gleichzeitig wurde ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, der Verlust des Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet ab dem 28.05.2015 festgestellt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019 abgewiesen.

5. Das Bundesamt leitete am XXXX ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF ein.

6 Mit Schreiben des Bundesamtes, zugestellt am 28.08.2019, wurde dem BF Parteiengehör zur beabsichtigten Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung geboten. Von der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme machte der BF ohne Angabe von Gründen keinen Gebrauch.

7. Am 08.10.2019 stellte er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, der faktische Abschiebeschutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.11.2019 aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.11.2019 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

8. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 25.11.2019 wurde gegen den BF die gegenständliche Schubhaft gemäß § 76 Abs. Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG zur Sicherung des Verfahrens angeordnet. Am 26.11.2019 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen und direkt in die Schubhaft überstellt, seither wird er in Schubhaft angehalten. Die gegen den Schubhaftbescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.12.2019 abgewiesen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

9. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.07.2020 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 08.10.2019 vollinhaltlich gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt. Gegenständlicher Bescheid wurde dem BF am 28.07.2020 durch persönliche Übergabe zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

10. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.03.2020, 23.04.2020, 20.05.2020, 17.06.2020, 14.07.2020 und 10.08.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig war.

11. Am 02.09.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich dem Bundesverwaltungsgericht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG unter Abgabe einer Stellungnahme vor.

12. Dem BF wurde im Wege seines Rechtsvertreters die Möglichkeit gegeben, im gegenständlichen Verfahren eine Stellungnahme abzugeben, wovon der BF keinen Gebrauch gemacht hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.12.)

Der unter Punkt I.1. – I.12. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Dokumente zum Nachweis seiner Identität hat er bisher nicht vorgelegt, er wurde von Interpol Algier als algerischer Staatsangehöriger identifiziert, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wird seit 26.11.2019 in Schubhaft angehalten, die gesetzliche Frist zur (neuerlichen) Überprüfung der Schubhaft endet am 10.09.2020.

2.3. Der BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.07.2019 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019 abgewiesen. Der BF stellte am 08.10.2019 einen Asyl-Folgeantrag, zu diesem Zeitpunkt lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Der dem BF auf Grund des Asyl-Folgeantrages zukommende faktische Abschiebeschutz wurde rechtskräftig aufgehoben. Es besteht gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3.2. Der BF tauchte bereits zu Beginn seines ersten Asylverfahrens unter und war für die Behörde nicht greifbar. Er hat dadurch die Fortführung seines Asylverfahrens qualifiziert behindert.

3.3. Der BF hat vor seiner Antragstellung in Österreich am 10.05.2015 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er hat sich seinem Asylverfahren in Ungarn durch seine Weiterreise nach Österreich entzogen.

3.4. Der BF hat in den Asyl- und Strafverfahren falsche Angaben zu seinem Namen, zu seinem Geburtsdatum und seiner Staatsangehörigkeit gemacht.

3.5. Er ist nicht vertrauenswürdig.

3.6. Er ist nicht rückreisewillig und nicht kooperativ. Der BF befand sich von 27.11.2019 bis 05.01.2020 und vom 28.03.2020 bis 30.03.2020 im Hungerstreik und schmuggelte während seiner Anhaltung in Schubhaft ein Mobiltelefon in seine Zelle.

3.7. Der BF hat in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte.

Der BF befand sich seit seiner Asylantragstellung am 11.05.2015 in Österreich von 26.05.2015 bis 25.11.2015, weiters von 05.12.2015 bis 04.02.2019 sowie von 27.06.2019 bis 26.11.2019 in österreichischen Justizvollzugsanstalten in Haft. Von 12.02.2019 bis 26.03.2019 war der BF obdachlos gemeldet. Von 26.03.2019 bis 09.10.2019 war der BF behördlich gemeldet. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Er geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung.

3.8. Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Weder die Verurteilungen noch die Inhaftierungen konnten den BF zu rechtskonformem Verhalten bewegen.

3.9. Mit Bescheid einer Bezirksverwaltungsbehörde vom 28.06.2019 wurde dem BF der Besitz von Waffen verboten (Waffenverbot), da er am 26.06.2019 im Grundversorgungsquartier mit einem Messer bewaffnet randalierte.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Der BF weist in Österreich folgende Verurteilungen auf:

4.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 13.08.2015 wurde der BF wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls teils durch Einbruch (§§ 127, 129 Z 1, 130 1. Fall, 14 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wovon 12 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

Dieser Verurteilung liegen Taten zugrunde, die der BF im Zeitraum von 20.05.2015 bis 26.05.2015 begangen hat. Dabei hat er teils durch Einbruch in Transportmittel mittels Einschlagen einer Scheibe den Verfügungsberechtigten Wertgegenstände und Kleidungsstücke weggenommen bzw. wegzunehmen versucht.

4.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 09.02.2016 wurde der BF wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die gewährte bedingte Strafnachsicht des Urteils vom 13.08.2015 widerrufen.

Dieser Verurteilung liegen insbesondere Taten zu Grunde, die der BF im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter gewerbsmäßig begangen hat. Der BF hat durch Einbruch in zwei Kfz am 05.12.2015 mittels Einschlagen einer Scheibe Wertgegenstände weggenommen. Der äußerst rasche Rückfall wurde bei der Strafbemessung erschwerend berücksichtigt.

4.1.3. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 21.06.2016 wurde der BF wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall und 15 StGB) zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten unbedingt verurteilt.

Der BF hat in der Nacht von 30.11.2015 auf 01.12.2015 durch Einbruch in zwei Kraftfahrzeuge durch Einschlagen einer Scheibe Wertgegenstände weggenommen bzw. bei weiteren fünf Kraftfahrzeugen wegzunehmen versucht.

In diesen drei Strafverfahren gab der BF einen falschen Namen, ein falsches Geburtsdatum und eine syrische Staatsangehörigkeit an.

4.1.4. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 04.10.2019 wurde der BF wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1, Abs. 2 StGB), der Körperverletzung (§§ 15, 83 Abs. 1 StGB) und der Verleumdung (§ 297 Abs. 1 erster Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt, davon wurden 10 Monate unter Bestimmung einer Probelzeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Taten hat der BF am 26.06.2019 bzw. am 04.10.2019 begangen, wobei die Vergehen der gefährlichen Drohung sowie der Körperverletzung zur Erlassung des oben genannten Waffenverbotes geführt haben.

4.2. Das Bundesamt hat am XXXX ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der Vertretungsbehörde eingeleitet. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde vom Bundesamt laufend urgiert, am XXXX findet ein Interview des BF bei der algerischen Vertretungsbehörde statt. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist möglich, Interpol Algier bestätigte mit Schreiben vom 06.07.2020 die algerische Staatsangehörigkeit des BF. Durch Mitwirkung bei den algerischen Behörden könnte der BF zu einer raschen Identitätsfeststellung und Ausstellung eines Heimreisezertifikats beitragen. Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats ist von einer zeitnahen Abschiebung des BF auszugehen.

Es ist damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer soweit gelockert sind, dass Abschiebungen innerhalb dieses Zeitraumes durchführbar sind.

4.3. Eine Änderung der für den BF sprechenden Umstände für die weitere Anhaltung in Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sowie das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren sowie das Schubhaftverfahren des BF betreffend.

1.2. Aus dem Verwaltungsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich, dass der BF illegal in das Bundesgebiet eingereist ist und bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. Die Feststellungen zu seiner Identität beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere auf dem Schreiben des Bundeskriminalamtes vom 06.07.2020, mit welchem dem Bundesamt die Identitätsdaten des BF, unter denen er von Interpol Algier identifiziert wurde, bekannt gegeben wurden. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Da seine Asylanträge in Österreich ab- bzw. zurückgewiesen wurden, ist der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.3. Dass der BF seit 26.11.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Aus dem Akt ergeben sich keine Indizien für eine Haftunfähigkeit des BF. Dass er Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.1. Die Feststellungen zu der mit Bescheid vom 03.07.2019 erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf der Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend, die Feststellungen zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes beruhen auf dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die diesbezügliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit betreffend.

2.2. Dass der BF bereits zu Beginn seines Asylverfahrens einmal untergetaucht ist und für die Behörde nicht greifbar war, beruht auf dem unbestrittenen Akteninhalt. Dass er durch sein Untertauchen die Fortführung seines Asylverfahrens behindert hat, ist notorisch.

2.3. Die Feststellungen zum Asylverfahren in Ungarn waren aufgrund des Eurodac Treffers und den Angaben des BF festzustellen. Dass er sich auch seinem Asylverfahren in Ungarn entzogen hat, war aufgrund seiner eigenen Angaben, wonach er nach 2 Tagen weitergereist sei, festzustellen.

2.4. Dass der BF unterschiedliche bzw. falsche Angaben zu seinem Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit im Verwaltungsverfahren und in drei Strafverfahren machte, ergibt sich aufgrund des Inhalts des Verwaltungsaktes und den in den Strafurteilen genannten Personaldaten des BF.

2.5. Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass er im Zuge seines ersten Asylverfahrens den Antrag unter Angabe einer falschen Identität, sowie auch unter einem falschen Fluchtvorbringen gestellt hatte. Hinzu tritt, dass der BF aufgrund seines Vorverhaltens – insbesondere durch die Erfüllung strafrechtlicher Tatbestände – für sich keine Vertrauenswürdigkeit in Anspruch nehmen kann.

2.6. Im Rahmen der Einvernahme vom 07.11.2019 erklärte der BF explizit, nicht rückreisewillig zu sein. Sein gesamtes Verhalten wird seitens des Gerichts als unkooperativ qualifiziert, da der BF bisher jede Möglichkeit ausgeschöpft hat, sein Verfahren erfolgreich zu verzögern. Auch die Asylantragstellung in Ungarn und die unmittelbar darauffolgende Weiterreise nach Österreich sowie sein Untertauchen nach der Asylantragstellung in Österreich untermauern diesen Eindruck. Auch das mehrfache Eintreten in den Hungerstreik sowie das Einschmuggeln eines Mobiltelefons in seine Zelle im Polizeianhaltezentrum, was aufgrund der Einsichtnahme in die Vollzugsdatei festzustellen war, spricht für eine Weiterführung unkooperativen Verhaltens durch den BF.

2.7. Aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten ergeben sich keine Anhaltspunkte für familiäre, soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte des BF in Österreich. Gegenteiliges wurde auch nie behauptet.

Das Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes ergibt sich im Wesentlichen aus dem zentralen Melderegister. Daraus ist zu ersehen, dass der BF aktuell über keine Meldeadresse außerhalb des Anhaltezentrums verfügt. Mit einer kurzen Ausnahme hat der BF in der Vergangenheit ausschließlich Meldungen in Justizanstalten vorzuweisen. Von einem gesicherten Wohnsitz konnte daher nicht ausgegangen werden.

Eine nachhaltige Existenzsicherung ist mangels Geldreserven, wie dies in der Anhaltedatei ersichtlich ist und aufgrund der eigenen Angaben des BF bei seiner Folgeantragstellung nicht zu erblicken. Einer legalen Erwerbstätigkeit zur Erlangung einer Selbsterhaltungsfähigkeit steht das Fehlen einer diesbezüglichen Bewilligung entgegen und hat der BF eine Beschäftigung im Strafverfahren auch verneint.

2.8. Dass der BF die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, war aufgrund seiner Verurteilungen festzustellen. Dass ihn weder seine Verurteilungen noch die Inhaftierungen von weiteren Straftaten abhalten konnten, war aufgrund der Anzahl seiner Verurteilungen und Inhaftierungen festzustellen.

2.9. Die Feststellungen zum Waffenverbot beruhen auf dem diesbezüglichen, im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

3.1. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie auf den im Akt einliegenden Urteilsausfertigungen.

3.2. Die Feststellungen zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF beruhen auf dem Akteninhalt und dem vom Bundesamt am 02.09.2020 übermittelten Vorführungsauftrag zur Identitätsprüfung durch eine Delegation der algerischen Botschaft am XXXX . Da der BF überdies von Interpol Algier identifiziert wurde, ist von der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF und seiner Abschiebung innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer von 18 Monaten auszugehen.

Dass es aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt aktuell vorherrschenden COVID-19 Pandemie zu Verzögerungen hinsichtlich der Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat wegen der vorherrschenden Mobilitätsbeschränkungen kommt, ist evident. Es ist aber davon auszugehen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 aufgrund der damit verbundenen massiven Belastungen für Privatpersonen und Wirtschaft realistischer Weise in absehbarer Zeit - jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer - wieder substantiell gelockert werden und eine Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat spätestens dann erfolgen kann. Abschiebungen nach Algerien auf dem Luftweg sind bereits vor Ausbruch der COVID-19 Pandemie regelmäßig durchgeführt worden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch die Möglichkeit besteht, den BF mittels Charterabschiebung nach Algerien zu verbringen, womit das Bundesamt nicht an die Wiederaufnahme der Linienflüge gebunden ist. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des BF ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

3.3. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zu Gunsten des BF ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.

3.1.4. Da eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF anhängig ist, er von Interpol Algier als algerischer Staatsangehöriger identifiziert wurde und ein Termin zur Vorführung des BF vor eine Delegation der algerischen Vertretungsbehörde feststeht, ist mit einer Abschiebung des BF innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer zu rechnen. Innerhalb dieses Zeitraumes erscheint es auch realistisch, dass der Flugverkehr nach Algerien wiederaufgenommen wird.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt und er während seines ersten Asylverfahrens untergetaucht ist, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 4 FPG ist bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt zu berücksichtigen, ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt.

Der faktische Abschiebeschutz des Asyl-Folgeantrages des BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.11.2019 aufgehoben, weshalb auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 4 FPG vorliegt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand.

Der BF stellte am 08.10.2019 einen Asylfolgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.07.2019 erlassene Rückkehrentscheidung bereits rechtskräftig. Es ist daher im vorliegenden Fall auch der Tatbestand der Z 5 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des BF Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen. Er verfügt im Inland über keinerlei soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3, 4, 5 und 9 FPG vor.

3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF hat sich seinem Asylverfahren entzogen und in seinem ersten Asylverfahren sowie in seinen strafgerichtlichen Verfahren falsche Angaben zu seiner Identität gemacht. Er hält sich unrechtmäßig in Österreich auf und es liegt eine den BF betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178). In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach. Der Asyl-Folgeantrag des BF wurde rechtskräftig zurückgewiesen.

Es ist daher auch weiterhin Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist Vorstrafen nach dem Strafgesetzbuch auf, wobei sich der Zeitraum, in dem er die strafbaren Handlungen gesetzt hat von 20.05.2015 bis 04.10.2019 erstreckt. Seine erste strafbare Handlung hat der BF bereits rund 10 Tage nach der Stellung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz in Österreich begangen. Gerade an der Verhinderung von Delikten gegen fremdes Vermögen besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse. Diesem hat der BF massiv zuwidergehandelt, da er teils durch Einbruch, mehrfach Diebstähle begangen hat. Die besondere Verwerflichkeit dieser Taten manifestiert sich nicht nur im langen Deliktszeitraum und der Tatbegehung trotz erfolgter gerichtlicher Verurteilung, sondern insbesondere auch darin, dass der BF diese Diebstähle auch gewerbsmäßig begangen hat. Aus den Verurteilungen lässt sich auch ableiten, dass der BF wiederholt gleichartige Delikte gesetzt hat und sohin auch durch einschlägige Vorverurteilungen nicht von der weiteren Tatbegehung abgehalten werden konnte. Allein aus diesen Erwägungen besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF. Verstärkt wird dieses öffentliche Interesse noch dadurch, dass der BF einen anderen gefährlich bedroht und versucht hat ihn am Körper zu verletzten und wegen Verleumdung verurteilt wurde.

Da der BF nicht einmal durch rechtskräftige Bestrafungen von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden konnte ist davon auszugehen, dass der BF auf Grund seiner Mittellosigkeit auch künftig insbesondere Vermögensdelikte begehen wird. Aufgrund der verschiedenen begangen Deliktsarten und insbesondere aufgrund der wiederholten Begehung von Eigentums- und Gewaltdelikten, gefährdet der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Daher besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an seiner baldigen Außerlandesbringung.

Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der BF familiäre Kontakte und andere soziale oder berufliche Kontakte im Inland nicht vorweisen konnte die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Der BF hat mehrfach gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Er hat in Österreich bereits zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt, falsche Angaben zu seiner Identität gemacht und ist im ersten Asylverfahren untergetaucht. Es wurde auch ein Einreiseverbot über ihn verhängt. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts jedenfalls ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF bekundet. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF, der keine Kontakte und keine Angehörigen in Österreich hat, weit weniger schwer als das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung des BF. Das Gericht geht daher – wie oben angeführt – von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des Bundesamtes eine baldige Abschiebung durchführen zu können, aufgrund der Urgenzen bei der Botschaft deutlich hervorgekommen sind. Es ist daher dem BF nach Ansicht des Gerichtes zuzumuten weiterhin in Schubhaft zu bleiben.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 2 und Z 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die Aufrechterhaltung der seit 26.11.2019 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft auch weiterhin als verhältnismäßig.

3.1.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung des Verfahrens, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Der BF war in der Vergangenheit nicht gewillt, freiwillig in seine Heimat zurückzukehren und hat sich bereits einmal dem laufenden Asylverfahren durch Untertauchen erfolgreich entzogen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der BF bereits mehrfach versucht hat durch Hungerstreik seine Haftunfähigkeit herbeizuführen und dadurch seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen. Die Anordnung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des BF mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der BF sein Verfahren und seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es ist zu betonen, dass bei Kooperation des BF die Anhaltung in Schubhaft schon früher hätte beendet werden können. Dass sie noch andauert - und von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen war/ist - hat der BF zu verantworten. Die realistische Möglichkeit der Überstellung des BF in seinen Herkunftstaat - innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft - besteht jedenfalls weiterhin. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund, dass ein Vorführungstermin im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates feststeht und der BF von Interpol Algier identifiziert und auch das Verfahren zum Asylfolgeantrag rechtskräftig abgeschlossen wurde, auch verhältnismäßig.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung Ausreisewilligkeit falsche Angaben Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Identität Interessenabwägung Kooperation öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Staatsangehörigkeit Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Ultima Ratio Untersuchungshaft Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit Waffenbesitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W250.2226032.8.00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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