TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/10 W137 2234713-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2020
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Entscheidungsdatum

10.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3
VwGVG §35

Spruch

W137 2234713-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan alias Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2020, Zl. 821089202/200631291, und die Anhaltung in Schubhaft seit 10.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 3 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1.       Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte am 19.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieses Verfahren wurde in der Folge gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, da sich der Beschwerdeführer unberechtigt dem Verfahren entzog und über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren im Verborgenen aufhielt. Nach erfolgter Rücküberstellung aus Großbritannien stellte der Beschwerdeführer am 04.03.2016 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Gegen den Bescheid mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei sowie eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen gesetzt wurde, erhob der Beschwerdeführer Beschwerde, welche am 16.10.2018 mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG), W114 2191955-1/18E, als unbegründet abgewiesen wurde.

2.       Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 20.03.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiten Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß vom 18 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

3.       Mit Urteil eines anderen Landesgerichtes vom 15.05.2018 wurde der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG verurteilt. Weiters wurde die zuvor angeführte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

4.       Mit Bescheid des Bundesamtes vom 02.10.2019, Zl 821089202/190735665, wurde gemäß § 52 Abs 1 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde ein Einreiseverbot auf die Dauer von zehn Jahren erlassen. Dieser Bescheid erwuchs mit Beschwerdeabweisung durch das Bundesverwaltungsgericht vom 22.10.2019, W151 2191955-2/3E, in Rechtskraft.

5.       Am 03.03.2020 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag). Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 08.06.2020, Zl 821089202-200241744, wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2020, GZ W235 2191955-3/2E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz für rechtmäßig erklärt.

6.       Mit Schreiben vom 22.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Parteiengehör eingeräumt und wurde er über die geplante Verhängung der Schubhaft unterrichtet. Dabei wurde ihm die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme binnen sieben Tagen einzubringen.

7.       Mit am 03.08.2020 eingelangten Schreiben beantwortete der Beschwerdeführer die vom Bundesamt gestellten Fragen. Dabei entschuldigte er sich zuerst für die verspätete Stellungnahme und führte sodann aus, nicht in seinen Herkunftsstaat zu können, da er ausgestoßen werden würde. Er habe in Österreich Freunde, sei gesund und brauche keine Medikamente.

8.       Mit Bescheid vom 05.08.2020 wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit dem bisherigen straffälligen Verhalten des Beschwerdeführers, den Ausreisen während seiner Verfahren und der Verletzung der Mitwirkungspflicht. Der Beschwerdeführer habe mehrfach seine Identität gewechselt und fehle es an einer sozialen Verankerung und Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Mit der Anordnung des gelinderen Mittels könne auch unter Berücksichtigung der finanziellen Lage des Beschwerdeführers nicht das Auslangen gefunden werden. Insgesamt erweise sich die Schubhaft angesichts der vorliegenden „ultima-ratio-Situation“ auch als verhältnismäßig. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe (gemeinsam mit der Verfahrensanordnung betreffend die Beigabe eines Rechtsberaters) zugestellt.

9.       Am 10.08.2020 wurde der Beschwerdeführer unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafhaft festgenommen und in Schubhaft genommen.

10.      Am 04.09.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde (samt Vollmachtsbekanntgabe) ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass keine Fluchtgefahr des Beschwerdeführers vorliege und hätten gelindere Mittel verhängt werden können. Der Beschwerdeführer habe am Verfahren mitgewirkt und sei über seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 03.03.2020 noch nicht abschließend entschieden worden.

Beantragt werde daher a) dass die Verhängung der Schubhaft für rechtswidrig erklärt und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben werde; b) in eventu ein gelinderes Mittel anzuordnen; c) den Beschwerdeführer für die Haftdauer zu entschädigen; d) eine mündliche Verhandlung „zur Klärung des relevanten Sachverhalts“ durchzuführen.

11.      Am 04.09.2020 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit der Beschwerdevorlage verwies das Bundesamt im Wesentlichen auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers und führte aus, dass eine Abschiebung innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer bestehe. Die nächsten absehbaren Abschiebemöglichkeiten nach Afghanistan seien von Schweden organisierte Charterrückflüge jeweils im Oktober, November und Dezember 2020. Auch sei für den Beschwerdeführer bereits im Februar 2019 ein Laissez-Passer ausgestellt worden.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Ein Laissez-Passer wurde bereits am 21.09.2019 für den Beschwerdeführer von der afghanischen Botschaft in Wien ausgestellt. Von einer kurzfristigen Neuausstellung (falls erforderlich) ist auszugehe.

Mit Bescheid vom 02.10.2019 wurde gemäß § 52 Abs 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen, gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.10.2019, GZ W 151 2191955-2, wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft, weshalb eine rechtskräftig und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht.

Der Beschwerdeführer stellte erstmalig am 19.08.2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Er entzog sich dem laufenden Verfahren und setzte sich illegal ins Ausland ab. Am 04.03.2016 wurde er von Großbritannien nach Österreich überstellt und stellte am selben Tag erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Er befand sich seit dem Zeitpunkt des erstmaligen Antrages auf internationalen Schutz über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren nicht in Österreich und entzog sich dadurch seinen Verfahren.

Der Beschwerdeführer stellte den gegenständlichen zweiten Asylfolgeantrag aus der Strafhaft im Wissen um das Bestehen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Er ist gegenwärtig – im insgesamt zweiten Asylfolgeverfahren - wieder Asylwerber; es kommt ihm allerdings kein faktischer Abschiebeschutz zu.

Er wurde in Österreich zwei Mal wegen Suchtmitteldelikten zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt. Er wurde seit 22.02.2018 bis zur Anordnung der Schubhaft durchgehend in Justizanstalten angehalten; der Beschwerdeführer ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig.

Der Beschwerdeführer hat weder familiäre noch sonstige substanzielle soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Stattdessen Zudem ist der Beschwerdeführer mittellos und verwendete unterschiedliche Identitäten. Eine Nächtigungsmöglichkeit bei einem Freund wird der Entscheidung zugrunde gelegt. Seit 2018 hat er nur wenige Wochen in Freiheit verbracht; in dieser Zeit wurde er allein fast zweieinhalb Jahre in Justizanstalten angehalten.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig. Es gibt keine Hinweise für substanzielle Beschwerden physischer wie psychischer Natur.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) ist weiterhin gegeben. Die schrittweise Rücknahme der gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 ist bereits angelaufen. In den Herkunftsstaat haben bereits Abschiebungen stattgefunden; weitere Charterrückführungen sind noch für das laufende Kalenderjahr terminisiert. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – mit wenigen Monaten einzustufen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 821089202/200631291. Unstrittig sind die Feststellungen zu den Asylverfahren des Beschwerdeführers. Vom von der afghanischen Botschaft in Wien ausgestellten Laissez Passer liegt eine Kopie im Akt auf, ebenso befindet sich der Bescheid hinsichtlich der ergangenen Rückkehrentscheidung, der zulässigen Abschiebung und dem erlassenen Einreiseverbot sowie der Beschluss, mit welchem die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im zweiten Asylfolgeverfahren bestätigt wurde, im Verwaltungsakt.

Es gibt keinen Grund für die Annahme, Afghanistan könnte eine allfällig erforderliche neuerliche Ausstellung eines Laissez Passer verweigern.

1.2. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sind aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister ersichtlich und im Übrigen auch unstrittig. Aus diesen sowie dem vorhergehenden Verhalten des Beschwerdeführers – insbesondere der illegalen Absetzung ins Ausland während eines laufenden Asylverfahrens - ergibt sich die in besonderem Ausmaß fehlende Vertrauenswürdigkeit.

1.3. Das Fehlen familiärer und substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlage. Es wurden auch in der Beschwerde weder familiäre noch substanzielle soziale Anknüpfungspunkte ausgeführt. Die dargelegte Nächtigungsmöglichkeit wird der Entscheidung zugrunde gelegt, wobei auch in der Beschwerde keine Hinweise für eine besonders enge Beziehung zum angeführten Unterkunftgeber präsentiert werden. Eine „gesicherte Unterkunft“ konnte hingegen nicht dargelegt werden. Der Beschwerdeführer befand sich überdies längere Zeit in Haft wodurch die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen substanziell erschwert wurde, hat keine beruflichen Integrationsschritte gesetzt, spricht nur wenig Deutsch und ist mittellos. Im Verfahren sind keine legalen Beschäftigungsverhältnisse hervorgekommen.

Die Feststellungen zu den Meldeadressen/Anhaltungen des Beschwerdeführers seit 2018 ergeben sich aus der Aktenlage und sind ebenfalls unstrittig.

1.4. Für substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers gab es keinen Hinweis und sind solche auch im Verfahren nie behauptet worden. Aus dem oben Dargestellten ergibt sich auch die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers, die überdies durch eine unmittelbar zuvor verbüßte Strafhaft zusätzlich belegt ist.

1.5. Die derzeit absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ergibt sich aus den bereits geplanten Charterabschiebungen in den Herkunftsstaat. Daran kann auch die vorübergehende Aussetzung von Einzelabschiebungen nichts ändern.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer, wurde unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit dem illegalen Absetzen nach Großbritannien während eines laufenden Asylverfahrens, der Verletzung der Mitwirkungspflichten, einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (auch zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz), dem wiederholten Verwenden falscher Identitäten sowie der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes im Folgeverfahren. Dazu komme das Fehlen familiärer und substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet sowie das Fehlen von beruflicher und sozialer Integration und einer gesicherten Unterkunft. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 3, 4, 5 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG.

3.3. Das Vorliegen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist ebenso unstrittig wie das Entziehen aus einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz, weshalb Ziffer 3 in beiden Varianten – und insbesondere in der zweiten - jedenfalls erfüllt ist.

3.4. Der Beschwerdeführer stellte am 03.03.2020 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits (seit Oktober 2019) eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme. Auch dies wird in der Beschwerde nicht bestritten und ist sohin unstrittig, weshalb Ziffer 5 erfüllt ist. Diesem Antrag wurde, wie festgestellt, zwischenzeitlich der faktische Abschiebeschutz aberkannt, was durch das Bundesverwaltungsgericht für rechtmäßig erklärt wurde, weshalb auch die Ziffer 4 erfüllt ist.

3.5. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer und sozialer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer weder eine legale Erwerbstätigkeit ausübt, noch über familiäre oder substanzielle soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt.

Weder den Feststellungen hinsichtlich seiner familiären noch hinsichtlich der sozialen Anknüpfungspunkten wird in der Beschwerde entgegengetreten. Dass keine familiäre und substantielle soziale Integration vorliegt ist somit unstrittig. Auch den Feststellungen der Behörde hinsichtlich seiner beruflichen Integration wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Der nur mit Vornamen bezeichnete „Freund“ wird in der Beschwerde nur im Zusammenhang mit einer Unterkunftsmöglichkeit erwähnt und wurde insbesondere dem Bundesamt vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zur Kenntnis gebracht.

Die Behörde geht auch richtigerweise von den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und der wiederholten Nutzung falscher Identitätsangaben und einer daraus abgeleiteten mangelnden Vertrauenswürdigkeit aus. Dass der Beschwerdeführer laufende Verfahren nicht bewusst sabotiert – und also einer Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme in einem schriftlichen Parteiengehör nachkommt – kann daran nichts ändern.

3.6. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

3.7. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da sich der Beschwerdeführer insbesondere durch sein vor Anordnung der Schubhaft gezeigtes kriminelles Verhalten als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat – was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der Fluchtgefahr, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

3.8. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Afghanistan nicht nur in zumutbarer, sondern sogar binnen relativ kurzer Frist möglich sein wird und auch verhältnismäßig ist. Zweifel an der Haftfähigkeit des Beschwerdeführers haben nie bestanden.

3.9. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.

4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:

4.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur „ermächtigt“, einen „weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen“, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

4.2. Für die Durchsetzung der Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens – insbesondere der bereits einmal erfolgten Entziehung aus einem laufenden Asylverfahren samt Absetzung ins Ausland - jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sofern sich eine Gelegenheit dazu bietet. Da er zudem über keine feststellbaren familiären, beruflichen und substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Aufenthalt im Verborgenen abhalten sollte. Die in der Beschwerde erwähnten pauschal behaupteten „vielen Freunde“ stammen entweder aus gemeinsamer Strafhaft (seit April 2018) oder aus jener Zeit, in der sich der Beschwerdeführer im Bereich der Suchtmittelkriminalität betätigte.

4.3. Im gegenständlichen Fall sind die Kriterien der Ziffern 3 (in beiden Varianten), 4 und 5 wie dargelegt weiterhin gegeben. Daraus ergibt sich bereits eine sehr ausgeprägte Fluchtgefahr. Hinsichtlich Ziffer 9 wurde in der Beschwerde kein substanzielles Vorbringen erstattet. In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte“ für sich alleine nicht ausreichen, der Anordnung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den „Grad der sozialen Verankerung in Österreich“, wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall sind diese Anknüpfungspunkte allerdings faktisch durchwegs nicht oder nur in geringem Ausmaß gegeben. Auch wenn das Bestehen gewisser sozialer Beziehungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht in Zweifel gezogen wird, legt die Beschwerde nicht dar, in welcher Form diese geeignet sein sollten, den Beschwerdeführer von einem Aufenthalt im Verborgenen abzuhalten. Auch die – der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte – Nächtigungsmöglichkeit bei einem der Freunde kann hier in der Gesamtbeurteilung keine Änderung herbeiführen.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine zur Schubhaftanordnung hinreichende Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein überwiegendes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer (bereits durchsetzbaren) Abschiebung zu bejahen ist. Dies umso mehr, als sich der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit einem Asylverfahren entzogen hat und nach seiner Überstellung aus Großbritannien vor rund vier Jahren mehr als die Hälfte der Zeit in Justizhaft verbrachte.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anordnung des gelinderen Mittels (etwa in Form einer Meldeverpflichtung) nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Insbesondere erweist sich vor diesem Hintergrund auch die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit – der Beschwerdeführer verfügt über gut 1.200 € aus seiner langen Strafhaft – als für den Sicherungszweck vollständig ungeeignet. Damit liegt auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Anordnung/Fortsetzung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig.

4.4. Hinsichtlich der absehbaren Dauer der Schubhaft ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass diese in zumutbarer Zeit beendet werden kann. Mit der Durchführung der Überstellung ist tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen. Abschiebungen nach Afghanistan finden statt; für den Beschwerdeführer wurde auch bereits ein Laissez Passer durch die afghanische Botschaft ausgestellt. Tatsächlich sind auch bereits Charterabschiebungen nach Afghanistan in den kommenden Monaten in Vorbereitung und ist derzeit davon auszugehen, dass für den Beschwerdeführer ein Platz in einem dieser Charter noch im laufenden Kalenderjahr organisiert werden kann. Die absehbare Anhaltedauer beträgt damit nur wenige Monate – konkret ist mit einer Abschiebung noch 2020 zu rechnen. Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer unmittelbar zuvor eine mehrmonatige Freiheitsstrafe verbüßt hat.

4.5. Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Durch Einträge in öffentlichen Registern (ZMR, Strafregister, etc.) belegte oder widerlegte Tatsachen beziehungsweise Sachverhaltselemente bedürfen ebenfalls keiner mündlichen Erörterung.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Die Nächtigungsmöglichkeit bei einem Freund wurde der Entscheidung zugrunde gelegt; dieser wurde ausschließlich als Unterkunftgeber in der Beschwerde erwähnt. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind. Die Erläuterung von Rechtsfragen in einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.

6. Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Haftfähigkeit Identität Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz Kostenersatz - Antrag Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Suchtmitteldelikt Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2234713.1.00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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