TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/7 97/11/0038

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Veröffentlicht am 07.10.1997
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KDV 1967 §34 Abs1 litd;
KFG 1967 §69 Abs1 litb;
KFG 1967 §73 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in G, vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in Graz, Hauptplatz 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. Oktober 1996, Zl. 11-39 Re 8-1996, betreffend Befristung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Oktober 1996 wurde gemäß § 73 Abs. 1 (richtig wohl: § 65 Abs. 2) KFG 1967 die Gültigkeit der dem Beschwerdeführer erteilten Lenkerberechtigung zeitlich auf die Dauer von fünf Jahren, gerechnet vom Tage der Erstattung des Gutachtens des Amtsarztes der Bundespolizeidirektion Graz, somit bis zum 12. April 2001 beschränkt. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit, daß im Berufungsverfahren das (weitere) Gutachten eines amtsärztlichen Sachverständigen eingeholt worden sei, worin im wesentlichen ausgeführt werde, daß ein Rückfallrisiko der psychischen Erkrankung auf Grund der Charakteristik des Leidens des Beschwerdeführers in absehbarer Zeit aus medizinischer Erfahrung gegeben sei, weshalb "eine bedingte Eignung aus geistigen und körperlichen Gründen notwendig" sei. In der mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift habe dieser ausgeführt, daß er sich gesund fühle und daher wie bisher eine unbefristete Lenkerberechtigung verlange. Dieses Vorbringen sei nicht geeignet, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen, da die medizinische Aussage eines Sachverständigen "höher zu bewerten ist als die durch nichts bewiesene Aussage des Berufungswerbers". Im übrigen werde darauf verwiesen, daß nach wie vor eine Dauertherapie beim Beschwerdeführer bestehe und die tägliche Einnahme des Medikamentes Leponex 25 mg notwendig sei.

Der Beschwerdeführer wendet demgegenüber im wesentlichen ein, daß das Amtssachverständigengutachten unrichtig und nicht hinreichend begründet sei, und insbesondere das nervenfachärztliche Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 12. April 1996 nicht berücksichtigt worden sei, woraus sich ergebe, daß keine Einschränkung in der Fahrtauglichkeit des Beschwerdeführers vorliege. Der Beschwerdeführer sei bereits seit sieben Jahren beschwerdefrei, es sei kein hinreichender Grund dafür gegeben, bei ihm werde es zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommen.

Mit seinem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:

Gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 ist Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig, nicht mehr geistig oder körperlich geeignet oder nicht mehr fachlich befähigt sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken, die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen oder durch Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit einzuschränken; dies gilt auch sinngemäß, wenn die geistige und körperliche Eignung nicht mehr im vollen Umfang gegeben ist oder nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind. Gemäß § 65 Abs. 2 KFG 1967 ist die Lenkerberechtigung, soweit dies auf Grund der Erhebungen (§ 66), auf Grund des ärztlichen Gutachtens (§ 69 Abs. 1 lit. b) oder wegen der Art der Lenkerberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen. Das ärztliche Gutachten über die geistige und körperliche Eignung hat zufolge § 69 Abs. 1 lit. b leg. cit. unter anderem für solche Personen "bedingt geeignet" zu lauten, deren Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Gruppen nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen Nachuntersuchungen erforderlich sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Feber 1996, Zl. 95/11/0237, mit weiterem Judikaturhinweis) bedarf es, um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen im Sinne des zuletzt Gesagten annehmen zu können, konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, daß die geistige und körperliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, daß aber zumindest hinsichtlich einer der Komponenten der geistigen und körperlichen Eignung eine Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer Verschlechterung gerechnet werden muß. Nur dann kann von einer Krankheit gesprochen werden, bei der unter Hinweis auf ihre Natur die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung begründet werden kann.

Diesem Erfordernis wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht. Er stützt sich auf das eingeholte Amtssachverständigengutachten vom 11. September 1996, welches - nach Darstellung der Anamnese - folgenden Inhalt aufweist:

"Befund:

Schlanker, grob-klinisch unauffälliger 32-jähriger Mann, Herz-Kreislauf- und Lungenfunktion o.B., Sehvermögen ohne Sehbehelf rechts und links 1,0; kein Tremor.

In psychischer Hinsicht sind während der Untersuchung keine Auffälligkeiten feststellbar, die Stimmungslage ist ausgeglichen, der Gedankengang geordnet.

Vorgeschichte:

Die neuerliche Erteilung der LB erfolgte nach der psychischen Krankheit 1990 und zwar wegen der schizoaffektiven Psychose befristet auf 1 Jahr, danach auf 5 Jahre, wobei auch ein verkehrspsychologischer Befund zur Gutachtenserstellung herangezogen worden ist. Bei der neuerlichen Untersuchung im April 1996 wurde ein Zustand nach schizoaffektiver Psychose, submanische Stimmungslage und Logorrhoe festgestellt und auf Grund der noch immer bestehenden Dauertherapie eine neuerliche Befristung auf fünf Jahre vorgeschlagen. Gegen die Befristung hat Herr R berufen. Der Nervenfacharztbefund vom 12.4.1996 bestätigte ein unauffälliges psychisches Zustandsbild bei einer Einnahme von Leponex 25 mg abends und eine gute Persönlichkeitsreifung.

Gutachten:

Bei Herrn R besteht ein Zustand nach schizoaffektiver Psychose bei Rückfallfreiheit seit ca. 7 Jahren. Die soziale und berufliche Integration sind gut.

Ein Rückfallrisiko der psychischen Erkrankung ist auf Grund Charakteristik dieses Leidens in absehbarer Zeit aus medizinischer Erfahrung jedoch gegeben.

Herr R ist daher zum Lenken von KFZ der Gruppen AB geistig und körperlich "bedingt geeignet".

Bedingung: 5jährliche Vorlage eines Nervenfacharztbefundes."

Die ärztliche Amtssachverständige nimmt darin somit Bezug einerseits auf eine "Untersuchung im April 1996", andererseits auf den Befund des Nervenfacharztes vom 12. April 1996.

Im Gutachten des Amtssachverständigen der Bundespolizeidirektion Graz wird zwar Bezug genommen auf eine "schizoaffektive Psychose", sowie auf "St.p. schizoaffektive Psychose", eine nähere Begründung findet sich hiefür jedoch nicht. Auch auf Grund welcher Untersuchungsergebnisse im einzelnen der Amtssachverständige der Erstbehörde zu dem Ergebnis gelangte "aus medizinischen Gründen nervenfachärztliche Kontrolle notwendig; in fünf Jahren abermalige Vorlage eines nf. GA", wird nicht näher ausgeführt. Demgegenüber weist der Befund der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 12. April 1996 einen psychisch geordneten Status des Beschwerdeführers aus und es wird darin

- zusammenfassend - ausgeführt:

"Nervenfachärztlicherseits gibt es aufgrund der guten Persönlichkeitsreifung des US, aufgrund der nunmehr 7-jährigen gesunden Entwicklung, auf Grund der Zuverlässigkeit des US und seines auch heute unauffälligen psychischen Zustandsbildes keine Einschränkung in der Fahrtauglichkeit für die Kategorien

A/B".

Im Hinblick auf diese Untersuchungsergebnisse ist es nicht schlüssig, wenn die von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige ohne nähere Begründung auf ein "Rückfallrisiko der psychischen Erkrankung" auf Grund der "Charakteristik dieses Leidens" und auf "medizinische Erfahrung" hinwies, die eine Nachuntersuchung beim Beschwerdeführer erforderlich machen würden. Insbesondere fehlt darin jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem nervenfachärztlichen Befund. Die belangte Behörde hätte daher dieses Amtssachverständigengutachten vom 11. September 1996 nicht ihrer Entscheidung zugrundelegen dürfen, sondern hätte eine Ergänzung des Gutachtens - allenfalls nach ergänzender Untersuchung des Beschwerdeführers - verlangen müssen.

Da somit der Sachverhalt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften verletzt wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf verzeichnete Stempelgebühren, von deren Entrichtung der Beschwerdeführer befreit ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997110038.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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