Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des S in O, vertreten durch Dr. Christian Függer, Rechtsanwalt in St. Pölten, Josefstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 23. Februar 1996, Zl. Senat-AB-94-006, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens wegen Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Oktober 1992 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß dem Beschwerdeführer bis einschließlich 20. März 1994 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1993, Zl. 92/11/0267, wurde die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde abgewiesen.
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Dezember 1993 auf Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 69 AVG abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen dessen behaupteter inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Hinsichtlich der Vorgeschichte ist auf das - bereits
erwähnte - hg. Erkenntnis vom 28. September 1993, Zl. 92/11/0267, zu verweisen. Daraus geht hervor, daß der Landeshauptmann von Niederösterreich mangels eines ihn bindenden rechtskräftigen Straferkenntnisses wegen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 bei Erlassung des Entziehungsbescheides vom 6. Oktober 1992 aufgrund selbständiger Vorfragenbeurteilung im Sinne des § 38 AVG zu der Annahme gelangte, der Beschwerdeführer habe am 20. März 1992 ein Kraftfahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, hiebei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und nach Aufforderung durch ein hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht, seine Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomat untersuchen zu lassen, diesen Test verweigert. Dieses Verhalten wertete die Behörde als bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 und berücksichtigte im Rahmen der Wertung gemäß § 66 Abs. 3 leg. cit. insbesondere, daß der Beschwerdeführer bereits wiederholt wegen einschlägiger Delikte bestraft und ihm zweimal die Lenkerberechtigung entzogen worden war. Er sei daher verkehrsunzuverlässig und werde seine Verkehrszuverlässigkeit nicht vor 20. März 1994 wiedererlangen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm sei zu Unrecht die Wiederaufnahme nicht bewilligt worden, ist nicht zielführend.
Der Beschwerdeführer stützt sich in seiner Beschwerde im wesentlichen darauf, daß gegen ihn zwar wegen des Vorfalls vom 20. März 1992 ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden und ein erstinstanzliches Straferkenntnis ergangen sei. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Dezember 1993 sei dieses jedoch aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt worden. Im Verwaltungsstrafverfahren sei näher geprüft worden, ob der Beschwerdeführer ein Alkoholdelikt im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO begangen habe, jedoch sei diese Frage unbeantwortet geblieben, weil "ohnedies bereits Verfolgungsverjährung eingetreten" sei und aus diesem Grunde die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen gewesen sei. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer das Alkoholdelikt nicht gesetzt habe.
Dem Beschwerdeführer ist folgendes zu entgegnen:
In dem erwähnten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 17. Dezember 1993 wurde im wesentlichen ausgeführt, daß sich aufgrund der Ergebnisse einer mündlichen Verhandlung vom 24. November 1993 herausgestellt habe, daß dem Beschwerdeführer ein falscher Tatort (nämlich das Wachzimmer der Bundespolizeidirektion anstelle des Ortes, wo er zuvor einen Verkehrsunfall verursacht hatte und zum Alkotest aufgefordert worden war) vorgehalten worden sei. Der Beschwerdeführer habe noch an der Unfallstelle den Alkotest verweigert. Der im erstinstanzlichen Straferkenntnis angeführte Tatort entspreche somit nicht den Tatsachen, die Berufungsbehörde habe daher, weil der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG entspreche, diesen Bescheid aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren, weil seit der Verwaltungsübertretung ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten verstrichen sei, einstellen müssen.
Es kann daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine Rede davon sein, daß die Einstellung des Strafverfahrens auf der Annahme beruhe, es liege keine Verwaltungsübertretung vor (§ 45 Abs. 1 Z. 2 VStG). Mit der erwähnten Einstellung des Strafverfahrens nach § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG wurde über die Vorfrage, ob der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe, tatsächlich keine Entscheidung getroffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Zl. 94/11/0412, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Wie der Beschwerdeführer selbst zugesteht, kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bestraft wurde, sondern darauf, ob er eine derartige Übertretung "begangen" hat (vgl. u.v.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zlen. 92/11/0108, 0109). Die selbständige Vorfragebeurteilung mangels eines bindenden rechtskräftigen Straferkenntnisses mit dem eingangs erwähnten Entziehungsbescheid vom 6. Oktober 1992 erfolgte zu Recht. Der Umstand, daß es wegen der Annahme, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, zur Einstellung des Strafverfahrens gekommen ist, hat darauf keinen Einfluß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1986, Zl. 85/11/0280). Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu dem Ergebnis gelangte, es liege kein Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG - und auch sonst kein Wiederaufnahmsgrund - vor.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996110096.X00Im RIS seit
12.06.2001