TE Vwgh Beschluss 2020/9/2 Ra 2020/07/0058

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

VwGG §30 Abs2
WRG 1959 §41 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Naturschutzbundes Österreich in Salzburg, vertreten durch DDr. Rainer Lukits, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 19. Mai 2020, Zl. 405-1/464/1/20-2020, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hallein; mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister A), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 1. Oktober 2019 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung von Schutz- und Regulierungswasserbauten am K.-Bach samt wasserbautechnischen Begleitmaßnahmen.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab.

3        Unter anderem stellte es fest, das Vorhaben der mitbeteiligten Partei diene dem Schutz des Stadtzentrums von H. vor Überflutungen. Die Beschädigung und Zerstörung der dortigen Objekte sowie der Verlust von Menschenleben könne bei Eintritt eines Bemessungsereignisses, ohne Umsetzung des Verfahrens, nicht ausgeschlossen werden. Das öffentliche Interesse an einer Projektumsetzung sei entsprechend hoch.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden ist.

5        Diesen begründet die revisionswerbende Partei damit, das angefochtene Erkenntnis enthalte keine näheren Feststellungen zur maßgeblichen Frage, ob „den geschützten Gütern“ für die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof aus der Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses konkrete Nachteile in qualitativer wie quantitativer Hinsicht drohten. Insofern sei es daher erforderlich, zur Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch auf weitere Aktenbestandteile zurückzugreifen.

6        Nach einem im Verfahren eingeholten Amtssachverständigengutachten habe bei Antreffen von Haselgebirge insbesondere die Laugungsgefährlichkeit und die Sulfatresistenz des Betons Bedeutung. Eine Herauslösung von Salzen/Sulfaten und chemische Reaktionen aufgrund unzureichender Sulfatresistenz des verwendeten Betons hätten „höchstwahrscheinlich“ schon während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht wiedergutzumachende negative Auswirkungen auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper und die darin befindlichen Lebewesen bzw. Organismen, wie etwa die gegen Umweltchemikalien sehr empfindlichen Feuersalamander.

7        Auch sei gegen den gegenständlichen Bescheid eine weitere Beschwerde erhoben worden, über die zur selben Aktenzahl entschieden worden sei. Aus dem dazu ergangenen Erkenntnis ergebe sich, dass gerade während der Bauzeit Bodeneingriffe zu einer Quellbeeinträchtigung führen könnten. Auch die mit den Bauarbeiten verbundenen Beeinträchtigungen der betroffenen Gewässer könnten im Fall der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses nicht rückgängig gemacht werden, sondern würden durch die neuerlichen Bauarbeiten zur Beseitigung der fraglichen Bauwerke noch einmal verstärkt.

8        Dazu nahm die mitbeteiligte Partei Stellung.

9        Unter Verweis auf der Stellungnahme beiliegende Ausführungen des forsttechnischen Dienstes der Wildbach- und Lawinenverbauung brachte sie vor, es müsse jederzeit mit einem Hochwasserereignis gerechnet werden und sei im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung das zwingende öffentliche Interesse an der Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben der im Gefahrenbereich lebenden Menschen wesentlich beeinträchtigt. Darüber hinaus sei der Schutz von Leib und Leben für Menschen im Verhältnis zum ökologischen Gewässerpotential als vorrangig zu betrachten, weshalb der revisionswerbenden Partei kein unverhältnismäßiger Nachteil entstehe.

10       Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat ab Vorlage einer Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

11       Nach der hg. Rechtsprechung sind unter zwingenden öffentlichen Interessen im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG besonders qualifizierte öffentliche Interessen zu verstehen, die den sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung zwingend gebieten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit dem Aufschub eine konkrete drohende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bzw. deren Eigentum verbunden wäre (vgl. VwGH 13.5.2020, Ra 2020/05/0024; 10.6.2014, Ro 2014/06/0047, jeweils mwN). Auch die Hintanhaltung einer Überschwemmung stellt in diesem Sinne ein zwingendes öffentliches Interesse dar (vgl. VwGH 4.7.1990, AW 90/07/0023).

12       Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen, Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichtes auszugehen. Unter diesen Annahmen sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. VwGH 28.2.2020, Ra 2020/07/0018, 0019; 11.6.2019, Ra 2019/07/0057, jeweils mwN).

13       Nach den - insoweit unbestrittenen - Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses könne nicht ausgeschlossen werden, dass ohne Umsetzung des von der mitbeteiligten Partei projektierten Hochwasserschutzes bei Eintritt eines Bemessungsereignisses die im Stadtzentrum von H. lebenden Menschen sowie die dortigen Baulichkeiten durch Hochwasser gefährdet würden. Damit ist evident, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die oben wiedergegebenen zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Der von der revisionswerbenden Partei - einer anerkannten Umweltorganisation nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 - behauptete „unverhältnismäßige Nachteil“ tritt somit in den Hintergrund (vgl. zur Geltendmachung eines solchen Nachteils durch Umweltorganisationen etwa VwGH 22.10.2019, Ra 2019/06/0148; 4.2.2019, Ra 2018/04/0179, jeweils mwN).

14       Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 2. September 2020

Schlagworte

Interessenabwägung Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070058.L00

Im RIS seit

19.07.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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