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20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des UnterbringungsG mangels (unmittelbaren) Eingriffs in die Rechtssphäre der AntragstellerinSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit ihrem auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, die §§8, 9, 19, 20, 22, 23, 26, 28 und 29 sowie Teile der §§3 und 27 des Bundesgesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker in Krankenanstalten, BGBl. Nr. 155/1990 (im folgenden: UbG), als verfassungswidrig aufzuheben.
Zur Antragslegitimation wird vorgebracht:
"Die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen sind ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung in folgender Weise für mich wirksam geworden:
Ich bin seit Freitag, 31.3.1995, im Psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien, Baumgartner Höhe 1, A-1140 Wien, gegen meinen Willen untergebracht und werde dort gegen meinen Willen behandelt. Durch die angefochtenen Bestimmungen bin ich gegenwärtig unmittelbar in mehreren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt. Diese Verletzung wird auch fortdauern, wenn die Unterbringung vor dem Eintritt des Verfassungsgerichtshofes in die Prüfung der angefochtenen Bestimmungen aufgehoben werden sollte. Das Gefühl, ungerechtfertigt einer länger dauernden Freiheitsentziehung und demütigenden Zwangsbehandlung ausgesetzt gewesen zu sein, prägt sich dem persönlichen Erleben unauslöschlich ein. Darüber hinaus bleibt auch die subjektiv-persönliche Betroffenheit durch die lange Verfahrensdauer und das Gefühl des mangelnden 'fair trial' haften.
Ich bin in meiner gegenwärtigen Situation von allen angefochtenen Bestimmungen unmittelbar betroffen, ohne daß gegen mich in diesem Zusammenhang ein anfechtbarer Rechtssetzungsakt erlassen wurde.
Auch wenn ich in den nächsten Tagen aus der Anhaltung entlassen würde, sollte es nicht von der zeitlichen Länge der Unterbringung abhängen, ob ich die Verfassungswidrigkeit der genannten gesetzlichen Bestimmungen geltend machen kann oder nicht. Offenbar - und hoffentlich - dauern die meisten ungerechtfertigten Unterbringungen weniger lang als ein verfassungsgerichtliches Verfahren."
In der Sache selbst macht die Antragstellerin mit näherer Begründung geltend, die angefochtenen Bestimmungen seien teilweise gleichheitswidrig, teilweise mit den durch Art3, 5 und 6 EMRK sowie dem BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unvereinbar.
1.2. Die Bundesregierung beantragt in ihrer Äußerung, den Antrag mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen, hilfsweise die angefochtenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Zur Zulässigkeit des Antrages nimmt die Bundesregierung wie folgt Stellung:
"1.2 Im vorliegenden Zusammenhang wird die Unterbringung durch die Entscheidung des Abteilungsleiters aufgrund zweier gleichlautender Gutachten zweier Anstaltsärzte, daß die Unterbringungsvoraussetzungen vorliegen, für den Betroffenen zwar zunächst unmittelbar wirksam, das Unterbringungsgesetz sieht jedoch vor, daß das Gericht in weiterer Folge über die Zulässigkeit der Unterbringung entscheidet. Diese gerichtliche Kontrolle der Unterbringungsvoraussetzungen wirkt grundsätzlich nur für die Zukunft. Sie setzt erst nach der Unterbringung ein und erstreckt sich nicht auf den davor liegenden Zeitraum.
...
1.3 Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, daß die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen 'ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung' für sie wirksam geworden wären, ist darauf hinzuweisen, daß die Unterbringung der Antragstellerin durch die in Anwesenheit der Antragstellerin erfolgten Erlassung des Beschlusses vom 4. April 1995, mit dem die Unterbringung bis zur Entscheidung des Gerichts vorläufig für zulässig erklärt worden ist, jedenfalls aufgrund einer diesbezüglichen gerichtlichen Entscheidung erfolgte. Die Beschwerdeführerin hat die Möglichkeit ungenützt gelassen, diese gerichtliche Entscheidung zu bekämpfen: Wäre es zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Genehmigung der weiteren Unterbringung aufgrund der vom Gericht vorbereiteten mündlichen Verhandlung gekommen, so hätte die Beschwerdeführerin den Beschluß vom 4. April 1995 gemäß §20 Abs3 UbG zwar nicht mit einem abgesonderten Rechtsmittel, jedoch mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel (vgl. §28 Abs1 UbG) anfechten können. Im Hinblick darauf, daß die Unterbringung vorher aufgehoben worden ist, wäre in diesem Fall wohl auch ein selbständiger Rekurs zulässig gewesen (vgl. Hopf-Aigner, Unterbringungsgesetz, FN 17 zu §20 UbG mwN). Anstelle dieses abgesondert zulässigen Rekurses hat die Antragstellerin jedoch einen Antrag beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 B-VG eingebracht.
1.4 Aber auch die dem Beschluß des Gerichts vom 4. April 1995 vorangehende Unterbringung hätte die Beschwerdeführerin durch ein unabhängiges Tribunal im Sinn der Europäischen Menschenrechtskonvention überprüfen lassen können:
Sowohl gegen die Einlieferung durch die Sicherheitsbehörden, als auch gegen die zwangsweise Unterbringung in der Anstalt (das Verwaltungshandeln im Vorfeld des gerichtlichen Unterbringungsverfahrens) besteht die Möglichkeit einer Beschwerde gemäß Art129a Abs1 Z2 B-VG an die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt. Belangte Behörde ist die Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeibehörde hinsichtlich der von ihr veranlaßten Einlieferung und der Abteilungsleiter hinsichtlich der Unterbringung. Die Prüfungskompetenz der Unabhängigen Verwaltungssenate im Hinblick auf Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist, sofern es sich nicht um Finanzstrafsachen des Bundes handelt oder ausnahmsweise in den Verwaltungsvorschriften eine Beschwerdemöglichkeit bei anderen Verwaltungsbehörden eröffnet ist, eine umfassende. Gegen die Bescheide der Unabhängigen Verwaltungssenate steht der Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof bzw. den Verfassungsgerichtshof offen (vgl. Kopetzki, Unterbringungsgesetz, Sonderband der Nachrichten aus dem Rechtsreferat des Vereins für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, Rz 248; Hopf-Aigner, Unterbringungsgesetz FN 10 zu §10 UbG).
1.5 Bei verfassungskonformer Interpretation des Gesetzes muß unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzinteresses der Betroffenen davon ausgegangen werden, daß für die Antragstellerin ein Rechtschutzinstrumentarium gegen alle freiheitseinschränkenden Maßnahmen im Zusammenhang mit der Unterbringung zur Verfügung steht und damit die in Art140 Abs1 B-VG geforderten Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Antrages nicht gegeben sind.
1.6 Im Hinblick auf die §§26, 27, 28 und 29 UbG fehlt darüber hinaus die Präjudizialität: Die Antragstellerin kann im gegebenen Fall durch diese Regelungen deshalb nicht beschwert sein, weil diese Bestimmungen überhaupt nicht zur Anwendung gelangt sind. Sie wären erst anzuwenden gewesen, wenn die Unterbringung bis zur Durchführung der mündlichen Verhandlung und zur Verkündung des Beschlusses gemäß §26 UbG gedauert hätte. Die Unterbringung der Antragstellerin ist zum Zeitpunkt ihrer Beendigung jedenfalls durch die gerichtliche Entscheidung vom 4. April 1995 gedeckt."
1.3. Die angefochtenen Bestimmungen - soweit sie nur teilweise bekämpft werden, sind die bekämpften Teile durch Unterstreichung hervorgehoben - haben folgenden Wortlaut:
"Voraussetzungen der Unterbringung
§3. In einer Anstalt darf nur untergebracht werden, wer
1.
an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und
2.
nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann."
"Unterbringung ohne Verlangen
§8. Eine Person darf gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.
§9. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.
(2) Bei Gefahr im Verzug können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine Anstalt bringen.
(3) Der Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorzugehen und die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren zu treffen. Sie haben, soweit das möglich ist, mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer Anstalt zusammenzuarbeiten und erforderlichenfalls den örtlichen Rettungsdienst beizuziehen."
"Anhörung des Kranken
§19. (1) Das Gericht hat sich binnen vier Tagen ab Kenntnis von der Unterbringung einen persönlichen Eindruck vom Kranken in der Anstalt zu verschaffen. Es hat ihn über Grund und Zweck des Verfahrens zu unterrichten und hiezu zu hören. Sofern dies im Rahmen der Behandlung vertretbar ist, hat der Abteilungsleiter dafür zu sorgen, daß der Kranke nicht unter einer die Anhörung beeinträchtigenden ärztlichen Behandlung steht.
(2) Das Gericht hat Einsicht in die Krankengeschichte zu nehmen sowie den Abteilungsleiter, den Patientenanwalt und einen sonstigen in der Anstalt anwesenden Vertreter des Kranken zu hören.
(3) Das Gericht kann der Anhörung des Kranken einen nicht der Anstalt angehörenden Facharzt als Sachverständigen beiziehen.
§20. (1) Gelangt das Gericht bei der Anhörung zum Ergebnis, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen, so hat es diese vorläufig bis zur Entscheidung nach §26 Abs1 für zulässig zu erklären und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die spätestens innerhalb von 14 Tagen nach der Anhörung stattzufinden hat.
(2) Gelangt das Gericht hingegen zum Ergebnis, daß die Voraussetzungen der Unterbringung nicht vorliegen, so hat es diese für unzulässig zu erklären. In diesem Fall ist die Unterbringung sogleich aufzuheben, es sei denn, der Abteilungsleiter erklärt, daß er gegen den Beschluß Rekurs erhebt, und das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt. Der Rekurs ist innerhalb von drei Tagen auszuführen.
(3) Abgesehen von dem in Abs2 vorgesehenen Rekurs ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig."
"Mündliche Verhandlung
§22. (1) Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat das Gericht einen oder mehrere, auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters aber jedenfalls einen zweiten Sachverständigen (§19 Abs3) zu bestellen. Der Sachverständige hat den Kranken unverzüglich zu untersuchen und ein schriftliches Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung zu erstatten.
(2) Das Gericht hat die Ladung zur mündlichen Verhandlung sowie den Beschluß auf Bestellung des Sachverständigen diesem, dem Kranken, dessen Vertreter sowie dem Abteilungsleiter zuzustellen.
(3) Der Sachverständige hat sein Gutachten dem Gericht, dem Vertreter des Kranken sowie dem Abteilungsleiter rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung zu übermitteln. Dem Kranken ist das Gutachten zu übermitteln, sofern dies seinem Wohl nicht abträglich ist.
§23. (1) Erforderlichenfalls hat das Gericht weitere Ermitlungen über das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung durchzuführen. Es kann auch dem Kranken nahestehende Personen sowie sonstige Personen und Stellen, die dessen ärztliche Behandlung oder Betreuung außerhalb einer Anstalt übernehmen könnten, hören oder deren schriftlichen Äußerungen einholen.
(2) Auf Ersuchen des Gerichtes haben auch die Sicherheitsbehörden einzelne Ermittlungen über das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung durchzuführen."
"Beschluß
§26. (1) Am Schluß der mündlichen Verhandlung hat das Gericht über die Zulässigkeit der Unterbringung zu entscheiden. Der Beschluß ist in der mündlichen Verhandlung in Gegenwart des Kranken zu verkünden, zu begründen und diesem zu erläutern.
(2) Erklärt das Gericht die Unterbringung für zulässig, so hat es hiefür zugleich eine Frist festzusetzen; diese darf drei Monate ab Beginn der Unterbringung nicht übersteigen.
(3) Erklärt das Gericht die Unterbringung für unzulässig, so ist diese sogleich aufzuheben, es sei denn, der Abteilungsleiter erklärt in der mündlichen Verhandlung, daß er gegen den Beschluß Rekurs erhebt, und das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt.
Zustellung
§27. Das Gericht hat innerhalb von acht Tagen den Beschluß auszufertigen. Der Beschluß ist dem Kranken, dessen Vertreter sowie dem Abteilungsleiter mit Zustellnachweis zuzustellen.
Rechtsmittel
§28. (1) Gegen den Beschluß, mit dem die Unterbringung für zulässig erklärt wird, können der Kranke und sein Vertreter innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben. Weiters sind die Verwandten in auf- und absteigender Linie, der Ehegatte und der Lebensgefährte des Kranken rekursberechtigt; ihnen steht die Rekursfrist so lange offen, als sie noch für den Kranken oder seinen Vertreter läuft.
(2) Gegen den Beschluß, mit dem die Unterbringung für unzulässig erklärt wird, kann der Abteilungsleiter unter der Voraussetzung des §26 Abs3 innerhalb von acht Tagen Rekurs erheben. Das Gericht erster Instanz hat unmittelbar nach Einlangen des Rekurses des Abteilungsleiters zu entscheiden, ob dem Rekurs weiter aufschiebende Wirkung zukommt. Gegen diese Entscheidung ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
(3) Gegen den Beschluß ist das Rechtsmittel der Vorstellung unzulässig.
§29. (1) Das Gericht zweiter Instanz hat, sofern der Kranke noch untergebracht ist, innerhalb von vierzehn Tagen ab Einlangen der Akten zu entscheiden.
(2) Das Gericht hat das Verfahren selbst zu ergänzen oder neu durchzuführen, soweit es dies für erforderlich hält. Einen persönlichen Eindruck vom Kranken darf es sich auch durch ein Mitglied des Senates verschaffen.
(3) Erklärt das Gericht die Unterbringung für unzulässig, so ist diese sogleich aufzuheben."
1.4. Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten des Bezirksgerichtes Hietzing geht hervor, daß die Antragstellerin aufgrund ärztlicher Zeugnisse am 31. März 1995 in Form einer Unterbringung in eine Anstalt aufgenommen wurde. Mit Beschluß des genannten Gerichtes vom 4. April 1995 wurde die Unterbringung der Kranken bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichtes nach §26 Abs1 UbG vorläufig für zulässig erklärt. Die Unterbringung der Antragstellerin wurde am 13. April 1995 gemäß §32 UbG beendet.
2. Der Antrag ist unzulässig.
2.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, VfGH 14.6.1994 V84/93).
2.2.1. Die §§3, 8 und 9 haben in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingegriffen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu (Individual-)Anträgen nach Art (139 und) 140 B-VG muß die Legitimation jedoch nicht nur zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages, sondern auch zu dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gegeben und die angefochtene generelle Norm daher noch im Entscheidungszeitpunkt für den Antragsteller wirksam sein (vgl. zB VfSlg. 9868/1983, 11808/1988, 12731/1991 und 13444/1993). Daß die zitierten Gesetzesstellen gegenwärtig für die Antragstellerin Wirksamkeit entfalten, behauptet diese nicht einmal, geschweige denn wird es dargetan. Dazu kommt, daß ihr gegen die - auf die §§8 und 9 UbG gestützte - zwangsweise Einlieferung durch die Sicherheitsbehörden die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Wien offengestanden ist, da die zwangsweise Unterbringung eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Art129a Abs1 Z2 B-VG darstellt (so auch unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der UVS Kopetzki, Unterbringungsrecht II (1995), S. 540 f).
2.2.2. Soweit die Unterbringung in Vollziehung des Beschlusses des Bezirksgerichts Hietzing vom 4. April 1995 erfolgte, ist es offenkundig, daß die angefochtenen Bestimmungen nicht "ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung" für die Antragstellerin wirksam geworden sind.
2.2.3. Hinsichtlich der §§22, 23, 26, 27, 28 und 29 UbG mangelt es der Antragstellerin schon deshalb an der notwendigen Anfechtungslegitimation, weil diese Bestimmungen für sie nach dem sich aus den Akten ergebenden Sachverhalt offenkundig zufolge der am 13. April 1995 schon vor der Antragstellung vorgenommenen Beendigung der Anhaltung gar nicht wirksam geworden sind.
2.3. Der Antrag war daher insgesamt mangels Legitimation der Antragstellerin gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, UnterbringungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G49.1995Dokumentnummer
JFT_10048873_95G00049_00