TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/7 97/11/0082

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Veröffentlicht am 07.10.1997
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in G, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in Graz, Grieskai 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 7. April 1997, Zl. 11-39 Pi 5-1995, betreffend Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, zwecks Veranlassung einer amtsärztlichen Untersuchung innerhalb einer Woche ab Rechtskraft des Bescheides beim Verkehrsamt der Erstbehörde (der Bundespolizeidirektion Graz) vorzusprechen. (Eine mit Bescheid der Erstbehörde vom 8. November 1995 angeordnete und mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 1996 bestätigte gleichartige Aufforderung war mangels Festsetzung einer befolgbaren Frist ins Leere gegangen; der damalige Berufungsbescheid wurde in der Folge gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben.)

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 1 KFG 1967 ist unverzüglich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkerberechtigung noch gegeben sind. Nach dem ersten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 ist vor der Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung ein neuerliches ärztliches Gutachten einzuholen. Leistet der Besitzer einer Lenkerberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, keine Folge, so ist ihm nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung die Lenkerberechtigung zu entziehen.

Voraussetzung für die Einleitung eines Entziehungsverfahrens im Sinne des § 75 KFG 1967 sind begründete Zweifel am aufrechten Vorliegen einer der Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkerberechtigung des Inhaltes, wie sie die betreffende Person innehat. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 sind demnach unter anderem begründete Bedenken in der Richtung, daß der Inhaber die geistige oder körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Gruppen, die von seiner Lenkerberechtigung erfaßt werden, nicht mehr besitzt. In diesem Stadium des Verfahrens zur Entziehung der Lenkerberechtigung geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung erschlossen werden kann. Es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände unter der hiefür notwendigen Mitwirkung des Besitzers der Lenkerberechtigung geboten erscheinen lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 94/11/0331, mwN).

Dem angefochtenen Bescheid liegen Bedenken hinsichtlich der geistigen und körperlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen zugrunde. Anlaß dafür war das Verhalten des Beschwerdeführers als Lenker eines KFZ am 27. Mai 1995 auf der sogenannten Phyrnautobahn. In dem von einer ärztlichen Amtssachverständigen der belangten Behörde erstatteten Gutachten am 25. April 1996 wird zu diesem Verhalten des Beschwerdeführers und den sich aus medizinischer Sicht daraus ergebenden Bedenken hinsichtlich seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe damals, nachdem er vor einer Tunnel-Mautstelle umgekehrt sei, über mindestens 12 Kilometer und trotz starkem Verkehrsaufkommen eine sogenannte Geisterfahrt absolviert. Bei der anschließenden Anhaltung hätten die Exekutivbeamten bei ihm einen verwirrten Zustand, insbesondere örtliche Desorientierung, festgestellt. Die Untersuchung durch den Distriktsarzt habe ergeben, daß zum Untersuchungszeitpunkt, von einem leicht erhöhten Blutdruck und Puls abgesehen, "weder physische noch psychische Leiden" vorgelegen seien. Die Atemalkoholprobe sei negativ verlaufen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, daß er die falsche Auffahrt erwischt und während der "Geisterfahrt" nicht bemerkt habe, daß er sich auf der Autobahn befinde, obwohl nach den Zeugenaussagen mehrere Fahrzeuglenker, unter anderem der Fahrer eines Autobusses, dem auf der Überholspur entgegenkommenden Fahrzeug des Beschwerdeführers nur knapp hätten ausweichen können. Aufgrund dieser Vorkommnisse bestehe aus ärztlicher Sicht der Verdacht auf eingeschränkte gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers, die entweder durch verminderte Sehfähigkeit, durch verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder andere Ursachen begründet sein könnte. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. Jänner 1997 äußerte sich die Amtssachverständige unter Bezugnahme auf ihr Gutachten vom 25. April 1996 dahin, daß zumeist erst in Grenzsituationen des Straßenverkehrs Situationen entstünden, die die gesundheitliche Eignung eines Lenkers als zweifelhaft erscheinen lassen. Daß es in der Zwischenzeit zu keinen weiteren, womöglich folgenschwereren Vorfällen gekommen sei, könne diese Zweifel aus mehreren, auf der Hand liegenden Gründen, vor allem wegen der Nichtvorhersehbarkeit von Grenzsituationen und der nicht bekannten Fahrgewohnheiten des Beschwerdeführers, nicht wirksam entkräften.

Der belangten Behörde kann gefolgt werden, wenn sie aufgrund dieser entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nachvollziehbaren und begründeten Äußerungen einer medizinischen Amtssachverständigen angenommen hat, es bestünden begründete Bedenken gegen das Weiterbestehen der nötigen gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen, die eine Prüfung dieser Eignungsvoraussetzung erforderten. Der solche Bedenken auslösende Sachverhalt wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Ebensowenig wird darin ausgeführt, welcher andere Sachverhalt sich ergeben hätte, wenn die belangte Behörde dem Begehren des Beschwerdeführers entsprechend den bezüglichen Verwaltungsstrafakt beigeschafft hätte. Der Beschwerdeführer hat demnach die Relevanz des insoweit behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan. Im Hinblick auf das Bestehen begründeter Bedenken in die aufgezeigte Richtung entspricht der angefochtene Bescheid dem Gesetz.

Das Vorbringen, der Vorfall vom 27. Mai 1995 berechtige in Anbetracht der seither verstrichenen Zeit von nahezu zwei Jahren und des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers in dieser Zeit keineswegs zur Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit, geht - ebenso wie der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1996, Zl. 95/11/0416 - ins Leere, weil es hier nicht um die Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers, sondern seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen geht.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist es keineswegs "willkürlich und sachlich nicht gerechtfertigt", daß nach der (eingangs erwähnten) Aufhebung des zunächst ergangenen Aufforderungsbescheides durch die belangte Behörde von Amts wegen neuerlich ein solcher Aufforderungsbescheid ergangen ist. Die besagte Aufhebung erfolgte, weil mit dem damaligen Aufforderungsbescheid eine bereits abgelaufene und damit nicht mehr einhaltbare Frist festgesetzt worden war, und nicht etwa infolge Wegfalles der entstandenen Bedenken.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997110082.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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