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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §64 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien V, Pilgramgasse 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Oktober 1995, Zl. MA 65-8/407/95, betreffend Versagung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B gemäß § 64 Abs. 2 KFG 1967 abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, daß dem Verwaltungsgerichtshof die Zuständigkeit zur Prüfung fehlt, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Anders als im erstinstanzlichen Bescheid (dort wurde die mangelnde Eignung des Beschwerdeführers mit "Tremor und erhöhten Leberwerten" begründet) beruht die Versagung der Lenkerberechtigung durch die belangte Behörde auf der Annahme, der Beschwerdeführer besitze infolge Fehlens der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht die erforderliche gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B. Dabei stützte sich auch die belangte Behörde auf das Gutachten eines Amtsarztes der Erstbehörde vom 9. Juni 1995 und den diesem zugrundeliegenden Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vom 14. April 1995. Dieser Befund kommt zusammenfassend zum Ergebnis, daß sich bei den kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeiten gravierende Einschränkungen ergäben. Sowohl die visuelle Auffassung als auch die Konzentrationsfähigkeit und reaktive Dauerbelastbarkeit sowie die Koordination kraftfahrtypischer Bewegungsabläufe seien beeinträchtigt. Zusätzlich seien die Befunde im Einstellungs- und Persönlichkeitsbereich eignungsausschließend. Bei vermindertem Normbewußtsein und geringer Anpassungsbereitschaft sei der Beschwerdeführer hinsichtlich der Gefährlichkeit alkoholisierter Verkehrsteilnahme nicht einsichtig und wenig problembewußt. Aus den bisherigen Vorfällen ("gehäufte Verkehrsauffälligkeit") habe er nichts gelernt. Es sei daher "die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht ableitbar". Was seine Alkoholkonsumgewohnheiten anlange, liege nach wie vor ein Dauerkonsum mit gelegentlich überhöhten Trinkmengen vor.
In Ansehung der "Bereitschaft zur Verkehrsanpassung" entspricht zwar der Befund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle nicht den an ihn zu stellenden Mindestanforderungen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 1991, Slg. Nr. 13361/A, und vom 30. April 1991, Zl. 90/11/0153). Dessen ungeachtet kann die Annahme der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer fehle die (ein Element seiner geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bildende) Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, aus den nachstehenden Erwägungen nicht als unrichtig erkannt werden.
Im verkehrspsychologischen Befund vom 14. April 1995 wird unter Berufung auf seine eigenen Angaben die "Vorgeschichte" des Beschwerdeführers wie folgt wiedergegeben:
"Lenkerberechtigungsbesitz der Gruppen A und B seit 1962 mit einer jährlichen Fahrpraxis von 60 000 km.
1982 erste Alkoholauffälligkeit nach Besuch bei einem Bekannten und dem Konsum von 5-6 Stamperl Schnaps. Beim Heimfahren sei er stehengeblieben, um seine Schlüssel zu suchen, und daraufhin von der Polizei kontrolliert worden. Feststellung einer Alkoholisierung über 1 %o, 3 Tage FS-Abnahme und S 5000,- bis S 6000,- Geldstrafe.
1985 sei Herr N nach einer Pressekonferenz vom Wirtshaus heimgefahren und "habe auch wieder nicht die Welt getrunken". Nach dem Konsum von 3 Krügel Bier sei er in eine Routinekontrolle geraten und habe wieder knapp über 1 %o erreicht. 12 Monate FS-Entzug von S 8000,- Geldstrafe.
Der 3. Vorfall habe sich 1986 oder 1987 wiederum nach einer Pressekonferenz ereignet und Herr N sei nach dem Konsum von 2/8l Wein und 2-3 Gläser Sekt von der Polizei kontrolliert worden. Wiederum eine Alkoholisierung von über 1 %o, S 8000,-
Geldstrafe und 15 Monate FS-Entzug. Der Untersuchte gibt dazu an "nie viel getrunken" zu haben. 1989 ebenfalls nach einer Pressekonferenz und einem Heurigenbesuch mit Konsum von 3 - 4 Achtel Wein Routinekontrolle, Alkoholisierung von über 1 %o, S 12 000,- Geldstrafe und 12 Monate FS-Entzug. Der 5. und 6. Alkoholvorfall sei analog verlaufen. Es habe sich jeweils um Pressekonferenzen gehandelt und Herr N sei etwa um 1 %o alkoholisiert gewesen. 1992 nach einer Pressekonferenz und dem Konsum von mehreren Gläsern Wein Routinekontrolle mit der Feststellung einer Alkoholisierung von 1,3 %o, S 24 000,-
Geldstrafe und 15 Monate FS-Entzug.
Eine Ausnahme bildet der Vorfall 1993, als Herr N beim Begräbnis seines Vaters mit der ganzen Familie getrunken habe. Es seien etwa 6/4 l Wein zusammengekommen. Auf dem Heimweg sei er am Ring bei einer Ampel nicht weggefahren, vermutlich sei er eingeschlafen und daraufhin von der Polizei kontrolliert worden, die eine Alkoholisierung von 1,8 %o feststellte.
S 45 000,- Geldstrafe und 24 Monate FS-Entzug. Nach dem Besuch des Wachzimmers habe Herr N das Auto nochmals umgeparkt und sei ein zweites Mal kontrolliert worden.
Angeblich keinerlei selbstverschuldete Unfälle in der Verkehrsvorgeschichte. Parkzettel und Anzeigen seien früher häufiger ergangen. Des weiteren berichtet Herr N von etwa 5 entdeckten Schwarzfahrten zwischen den FS-Entzügen, zuletzt 1992 oder 1993. Er gibt auch an, derzeit Auto zu fahren.
Hinsichtlich seiner Alkoholkonsumgewohnheiten berichtet der Untersuchte von 1-2 Bieren pro Woche am Stammtisch. Außerdem werde beim Fischen Bier und Wein konsumiert. Die maximale Konsummenge habe am Vortag der Untersuchung 3 Bier beim Fischen betragen und die Verträglichkeitsgrenze wird bei 7-8 Viertel Wein oder 12 Krügel Bier angesetzt. Nunmehr Untersuchung zur Frage der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B aus beruflichen und privaten Gründen."
Auf Grund der näher angegebenen Verfahren und Befunde ("VPT 2, FRF, VIP, Exploration und Verhaltensbeoachtung") gelangte der Befunderstellter zur Feststellung folgender fahrverhaltensrelevanter Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale des Beschwerdeführers:
"In einem standardisierten Persönlichkeitstestverfahren beschreibt sich der Untersuchte selbst als eher intellektuell flexibel (Skala SR im VPT signifikant erhöht). Im Explorationsgespräch fällt dagegen vor allen Dingen die völlig unkritische, nicht einsichtige und deutlich bagatellisierende Darstellung der massiv auffälligen Verkehrsvorgeschichte auf. Trotz 8 facher Alkoholauffälligkeit ist sich der Untersuchte der Problematik alkoholisierter Verkehrsteilnahme nicht bewußt und hat aus den gehäuften Vorfällen nichts gelernt. Im Zusammenhang mit einer gehäuften Auffälligkeit wegen Fahrens ohne gültige Lenkerberechtigung läßt sich ein deutlich herabgesetztes Normenbewußtsein bei verminderter Anpassungsbereitschaft ableiten. Hinsichtlich der Alkoholkonsumgewohnheiten liegt nach wie vor ein gewohnheitsmäßiger Alkoholkonsum mit teilweise deutlich überhöhten Trinkmengen vor (vgl. Angaben in der Vorgeschichte)."
Der Amtsarzt der Erstbehörde schloß sich in seinem Gutachten vom 9. Juni 1995 der im verkehrspsychologigen Befund geäußerten Auffassung an und beurteilte seinerseits den Beschwerdeführer wegen dessen Alkoholproblemen und seiner Uneinsichtigkeit im Zusammenhang mit Alkohol am Steuer als nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen.
Der Beschwerdeführer ist dem verkehrspsychologischen Befund, dessen Existenz ihm bekannt war, und dem darauf gestützten ärztlichen Gutachten nie auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Es war der belangten Behörde nicht verwehrt, gestützt auf diesen Befund und das ärztliche Gutachten die Erteilung der Lenkerberechtigung mit einer von jener der Erstbehörde abweichenden Begründung zu versagen. Dieser Umstand vermag entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keinen Verfahrensmangel zu begründen. Ebensowenig liegt im Unterbleiben der Einholung eines vom Beschwerdeführer in der Berufung beantragten weiteren ärztlichen Gutachtens ein Verfahrensmangel, weil dieses Gutachten dazu hätte dienen sollen, die von der belangten Behörde ohnedies nicht aufrecht erhaltene Begründung der Erstbehörde (Nichteignung "wegen Tremor und erhöhter Leberwerte") zu erschüttern. Im übrigen wäre es Sache des bereits bei Einbringung der Berufung anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers gewesen, sich über den Inhalt dieses im erstinstanzlichen Bescheid ausdrücklich erwähnten Befundes zu informieren und ihm gegebenenfalls entsprechend entgegenzutreten.
Das auf dem Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle beruhende ärztliche Gutachten vom 9. Juni 1995 ist, wenn man die im besagten Befund referierte "Vorgeschichte" mit der auffallenden Häufigkeit von Alkoholdelikten und der offensichtlichen Alkoholproblematik des Beschwerdeführers mitberücksichtigt, nicht unschlüssig. Wenn die belangte Behörde darauf gestützt die Auffassung vertreten hat, es fehle dem Beschwerdeführer die nötige Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, ist dies im Ergebnis nicht als unrichtig zu erkennen.
Da bereits dieser Mangel die Erteilung einer Lenkerberechtigung ausschließt, erübrigt sich eine Prüfung der weiteren Annahme der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer fehle auch die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995110371.X00Im RIS seit
19.03.2001