TE Vwgh Beschluss 2020/10/8 Ra 2020/10/0136

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Veröffentlicht am 08.10.2020
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Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

B-VG Art133 Abs4
MSG Wr 2010 §5 Abs2 Z1
StbG 1985 §12 Abs1 Z1 lita
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision des S M in W, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen das am 19. Juni 2019 mündlich verkündete und am 22. August 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, Zl. VGW-242/021/6092/2019/VOR-16, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 16. Oktober 2018 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs abgewiesen und gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. Begründend ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Revisionswerber ägyptischer Staatsangehöriger und kein Gleichstellungstatbestand nach § 5 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) erfüllt sei.

2        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 3721/2019-8, deren Behandlung ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

3        Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180-0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).

8        In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine Gleichstellung gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 WMG vorliege, wenn die Rechtsstellung des subsidiär Schutzberechtigten „außerhalb eines Asylverfahrens“ zuerkannt worden sei. Es liege keine Rechtsprechung zur Frage vor, ob der Status des subsidiär Schutzberechtigten „nur im Rahmen eines Asylverfahrens erlangt“ werden könne oder auch „unabhängig von einem Asylverfahren, wenn im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde“.

9        Dem ist zunächst die oben wiedergegebene hg. Rechtsprechung entgegenzuhalten, wonach in der Revision konkret dargetan werden muss, warum deren rechtliches Schicksal von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision ist eine derartige fallbezogene Darlegung im Hinblick auf die geltend gemachte Rechtsfrage aber nicht zu entnehmen.

10       Soweit der Revisionswerber an anderen Stellen der Revision insoweit auf den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. Juni 2013 Bezug nimmt, genügt der Hinweis, dass damit „eine Feststellung im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005“ nicht getroffen wurde. Mit diesem Bescheid wurde vielmehr - im fortgesetzten Verfahren nach der mit dem hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, 2011/23/0482, erfolgten Aufhebung eines Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien - eine gegen den Revisionswerber verfügte Ausweisung behoben und gemäß § 61 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011) ausgesprochen, dass die Ausweisung bzw. die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Dies wurde darauf gestützt, dass von einem deutlichen Überwiegen der Interessen des Revisionswerbers am Unterbleiben des mit einer Rückkehrentscheidung verbundenen Eingriffs in sein gemäß Art. 8 EMRK geschütztes Privatleben gegenüber den mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung verfolgten öffentlichen Interesse an einem geordnetem Migrations- und Fremdenwesen auszugehen sei. Von einer Feststellung wie jener, die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision angesprochen wird, kann daher keine Rede sein.

11       Soweit in der Zulässigkeitsbegründung diesbezüglich - unter Bezugnahme auf den genannten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. Juni 2013 - Verfahrensmängel geltend gemacht werden, weil das Verwaltungsgericht auf das Vorbringen des Revisionswerbers nicht eingegangen sei und Akten nicht beigeschafft habe, wird nach dem Gesagten deren Relevanz nicht aufgezeigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel aber voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180-0182, 0187; 28.5.2019, Ro 2019/10/0002; 27.6.2017, Ra 2017/10/0076).

12       In der Zulässigkeitsbegründung wird schließlich geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern stattfinde, „wenn alle Voraussetzungen des § 12 StbG, mit Ausnahme der Sicherung des Lebensunterhalts vorl[i]egen, welche eben durch Erlangung durch eine beantragte[...] Mindestsicherung gewährleistet wäre“.

13       Dem ist zu erwidern, dass dem WMG ein derartiger Gleichstellungstatbestand, der an die (teilweise) Erfüllung von Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft anknüpft, nicht zu entnehmen ist. Für den vom Revisionswerber offenbar eingenommenen Standpunkt, es sei dann, wenn die in § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 genannte Voraussetzung eines seit mindestens 30 Jahren ununterbrochenen Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet erfüllt sei, von einer Gleichstellung auszugehen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 20.12.2019, Ra 2019/10/0124; 2.8.2019, Ra 2019/10/0099; 4.7.2018, Ra 2017/10/0199). Für die vom Revisionsweber auch in diesem Zusammenhang in der Zulässigkeitsbegründung geltend gemachten Verfahrensmängel gilt das bereits oben Gesagte.

14       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020100136.L00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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