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L82007 Bauordnung TirolNorm
BauO Tir 2018 §53 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Senatspräsidentin Dr. Bayjones und Hofrätin Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision der H GmbH in I, vertreten durch Dr. Mag. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 26. April 2018, LVwG-2017/31/1895-14, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtmagistrat der Landeshauptstadt Innsbruck; mitbeteiligte Partei: L S in I, vertreten durch die Hauska & Matzunski Rechtsanwälte OG in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16/1; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrgehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Stadtmagistrates I. vom 27. Juni 2017, mit dem der revisionswerbenden Partei die Baubewilligung für die Errichtung eines Parkplatzes mit Überdachung als bauliche Anlage vorübergehenden Bestandes auf einem näher bezeichneten Grundstück gemäß § 53 Tiroler Bauordnung 2018 - TBO 2018 erteilt worden war, stattgegeben und der verfahrenseinleitende Antrag der revisionswerbenden Partei abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
5 Zur Begründung führte das LVwG zusammengefasst aus, nach dem klaren Wortlaut des - mit der Vorgängerbestimmung des § 46 Abs. 1 TBO 2011 inhaltsgleichen - § 53 Abs. 1 TBO 2018 müsse sich der vorübergehende Bestand einer konkret zu beurteilenden baulichen Anlage aus deren „besonderen Verwendungszweck“ ergeben, wobei die technische Ausführung der baulichen Anlage kein taugliches Indiz für einen vorübergehenden Bestand sei (Hinweis auf VwGH 28.4.1988, 84/06/0105, zur gleichfalls inhaltsgleichen Bestimmung des § 33 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 1978). Zur weiteren Auslegung der Wortfolge „besonderer Verwendungszweck“ im Sinne des § 53 Abs. 1 TBO 2018 seien weiters die Materialien und die historische Entwicklung dieses baurechtlichen Sonderregimes zu betrachten (wird im Folgenden beginnend mit dem 1. Jänner 1975, dem erstmaligen Inkrafttreten einer baurechtlichen Sonderbestimmung für bauliche Anlagen, die nur für einen vorübergehenden Zweck bestimmt sind, näher dargestellt).
6 Um das Vorliegen eines „besonderen Verwendungszweckes“ beurteilen zu können, sei der revisionswerbenden Partei im Verfahren vor dem LVwG die Möglichkeit gegeben worden, ergänzende Angaben zu machen. Der Vertreter der revisionswerbenden Partei habe in seinen Stellungsnahmen darauf hingewiesen, dass in den „nächsten Jahren“ die Errichtung einer Tiefgarage geplant sei, um der zunehmenden Parkplatznot im gegenständlichen Bereich entgegenzutreten. Der geplante überdachte Parkplatz diene daher der Überbrückung eines wesentlichen Bedarfs bis zu diesem Zeitpunkt. Dass die Umsetzung der Tiefgarage bereits fixiert sei, sei nicht einmal behauptet worden, zumal der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Partei in seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2017 ausgeführt habe: „In dieser Hinsicht beabsichtigt er [gemeint: der Geschäftsführer der revisionswerbenden Partei], wenn sich eine andere Lösung nicht ergibt, in den nächsten Jahren die Errichtung einer Tiefgarage, um weitere Abhilfe zu schaffen; ...“ Damit sei jedoch von der revisionswerbenden Partei nicht entsprechend dargetan worden, worin der besondere Verwendungszweck der gegenständlichen baulichen Anlage bestehe, aus der sich zwingend nur ein vorübergehender Bestand ergebe. Weder sei erkennbar, in welchem zeitlichen Rahmen die Schaffung einer Tiefgarage geplant sei, noch, ob damit dem Mangel an Parkplätzen bei der revisionswerbenden Partei nachhaltig begegnet werden könnte. Derartige Erläuterungen wären aber insbesondere deswegen indiziert, weil durch das vorliegende Bauvorhaben die bestehenden örtlichen Planungsinstrumente völlig konterkariert würden, im Mindestabstandsbereich bis direkt an die Grundgrenze des Mitbeteiligten herangebaut werden solle und nicht unerhebliche Immissionsbeeinträchtigungen geradezu auf der Hand lägen. Aufgrund des Verwendungszweckes ergebe sich sohin keinerlei Hinweis darauf, dass die geplante bauliche Anlage anders zu beurteilen wäre, als jede beliebige Erweiterung von Parkplatzkundenflächen für Gastronomiebetriebe.
7 Die zeitlich unbestimmbare Nutzung einer immissionsträchtigen baulichen Anlage in Form eines überdachten Parkplatzes bis zur Verwirklichung eines vagen Tiefgaragenprojektes könne daher nicht einen besonderen Verwendungszweck im Sinne des § 53 Abs. 1 TBO 2011 begründen (Hinweis auf VwGH 21.12.1989, 87/06/0049). Die gegenteilige Auslegung der Bestimmung entspräche auch nicht dem objektiven Sinn und Zweck der Norm. Der Vollständigkeit halber sei ergänzend anzumerken, dass auch im allgemeinen Baubewilligungsverfahren eine zeitliche Befristung der baurechtlichen Bewilligung nach § 34 Abs. 7 TBO 2018 grundsätzlich möglich wäre.
8 Gegen dieses Erkenntnis erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 26. Juni 2018, E 2359/2018-5, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
9 Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
10 Ob ein besonderer Verwendungszweck vorliegt, aufgrund dessen bauliche Anlagen nur für einen vorübergehenden Bestand bestimmt sind, betrifft eine Frage des Einzelfalles; deren Beantwortung unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 29.5.2020, Ra 2020/05/0060, 0061, mwN).
11 Derartiges wird in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht dargestellt und ist angesichts der eingehenden Begründung des LVwG, insbesondere zu dem nicht bestimmbaren zeitlichen Rahmen bis zur Errichtung der Tiefgarage, für die das gegenständliche Bauvorhaben als eine Überbrückung gedacht sei, im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und wird auch in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargelegt.
12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
13 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Beträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtig und ein Ersatz von „ERV-Gebühr“ nicht vorgesehen ist.
Wien, am 16. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018060175.L00Im RIS seit
23.11.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020