TE Vwgh Beschluss 2020/10/20 Ra 2019/15/0094

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. Mai 2019, Zl. RV/5100353/2018, betreffend Einkommensteuer 2015 (mitbeteiligte Partei: R G in H, vertreten durch die KPMG Austria GmbH, Wirtschaftsprüfungs-und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstraße 41), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die mitbeteiligte Partei war - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - als Gründungsgesellschafterin im Ausmaß von 10,97% am Stammkapital einer GmbH beteiligt, deren Managing Director sie war. Mit Kaufvertrag vom 5. August 2015 veräußerte sie diese Anteile - gleichzeitig mit anderen Gründungsgesellschaftern - an einen internationalen Konzern. Der Verkaufspreis beinhaltete für die mitbeteiligte Partei im Wesentlichen drei Komponenten: einen sofort bezahlten Betrag von rund 21 Mio €, einen noch nicht bezahlten Betrag von 3 Mio € und zusätzliche Zahlungen abhängig vom Erreichen zukünftiger Unternehmensziele (Earn-Out-Vereinbarung).

2        Der am Unterzeichnungstag des Kaufvertrages nicht ausbezahlte Betrag von 3 Mio € wurde im Kaufvertrag als „Founder Seller Retention Amount“ (Rückbehalt) bezeichnet, der automatisch im Zeitpunkt des Closings in ein zinstragendes Verkäuferdarlehen umgewandelt werde, das vom jeweiligen Gründer („Founder Seller“) an den Käufer gewährt und in weiterer Folge als „Founder Vendor Loan Amount“ bezeichnet werde. Die Zahlung dieses Zurückbehalts solle dem Vertrag zufolge in drei vereinbarten Beträgen erfolgen (30. Dezember 2016: 0,5 Mio €; 29. Dezember 2017: 1 Mio €; 28. Dezember 2018: 1,5 Mio €) und sei an Bedingungen („Forfeiture Conditions“) geknüpft. Die Auszahlung entfalle, wenn die Gründer als Geschäftsführer abberufen würden oder sie die Funktion niederlegten, wobei eine Abberufung aus wichtigem Grund erfolgen müsse (wiederholte böswillige, absichtliche oder schwerwiegende Pflichtverletzung).

3        Das Finanzamt beurteilte den nicht überwiesenen Betrag in Höhe von 3 Mio € als ein von der mitbeteiligten Partei dem Käufer im Rahmen ihrer Einkommensverwendung eingeräumtes Darlehen und rechnete ihn bereits im Jahr 2015 ihren (zugeflossenen) Einkünften aus Kapitalvermögen zu.

4        Das BFG gab der dagegen erhobenen Beschwerde Folge und änderte den bekämpften Bescheid zu Gunsten der mitbeteiligten Partei ab. Begründend führte es aus, als zugeflossen gelte eine Einnahme, sobald der Empfänger darüber tatsächlich und rechtlich verfügen könne. Werde ein verzinsliches Darlehen gewährt, werde vom Darlehensgeber über die Darlehenshöhe tatsächlich rechtlich verfügt. Das setze voraus, dass dieser Betrag zuvor zugeflossen sei. Ein Darlehen setze zudem einen unbedingten Anspruch auf Rückzahlung voraus. Gerade dieser unbedingte Anspruch auf Rückzahlung sei gegenständlich durch die „forfeiture conditions“ nicht gewährleistet. Aus dem Gesamtbild der Verhältnisse sei davon auszugehen, dass es im Interesse des Käufers gelegen gewesen sei, die Zahlungen erst nach Erfüllung bestimmter Bedingungen (Verbleib im Unternehmen) tatsächlich zu leisten. Diese Bedingungen zielten darauf ab, die mitbeteiligte Partei (und die weiteren Gründer) für eine gewisse Zeit an das verkaufte Unternehmen (an den Käufer) zu binden. Dabei sei es nicht um das Erreichen gewisser Unternehmensziele - diese seien Teil eines eigenen Earn-Out-Programms - sondern darum gegangen, deren Know-How und vor allem Management- und Vermarktungsfähigkeiten zu erhalten. Es habe also ein wesentliches Interesse des Käufers bestanden, die „Gründer“ an das Unternehmen zu binden. Tatsächlich wäre der Käufer jedenfalls in der Lage gewesen, auch diesen Teil des Vertrages sofort zur Auszahlung zu bringen. Wie in der mündlichen Verhandlung seitens der steuerlichen Vertretung dargestellt worden sei, sei es bei Firmenübernahmen zudem üblich, dass sämtliche Kaufpreisstundungen und Ähnliches einer Verzinsung unterlägen. Aus der vereinbarten Verzinsung des strittigen Betrages könne deshalb nicht darauf geschlossen werden, dass ein Darlehen - und sohin Einkommensverwendung seitens der mitbeteiligten Partei - vorliege.

5        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Amtsrevision. Zu deren Zulässigkeit bringt das Finanzamt vor, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts entspreche aus näher geschilderten Umständen nicht den Vorgaben der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung einer Parteienerklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinne zu (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/16/0119, mwN betreffend Fragen der Auslegung von Parteienerklärungen und deren mangelnde grundsätzliche Bedeutung).

11       Im Revisionsfall ging das BFG mit nachvollziehbarer Begründung davon aus, dass nach dem festgestellten Gesamtbild und angesichts der im Veräußerungsvertrag vereinbarten und noch zu erfüllenden Bedingungen der streitgegenständliche Zurückbehalt von Vornherein eine Vertragskomponente zur weiteren Bindung der mitbeteiligten Partei an das veräußerte Unternehmen gewesen sei, über die sie im Streitjahr noch nicht tatsächlich und rechtlich verfügen habe können, weshalb noch von keinem Zufluss auszugehen sei (vgl. zur Bestimmung des Zuflusszeitpunkts in Abhängigkeit von der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Gläubigers VwGH 18.5.2020, Ra 2018/15/0090, mwN).

12       Dass diese Auslegung der revisionsgegenständlichen Vertragsklausel durch das BFG unvertretbar erfolgt wäre, vermag die Revision mit ihrer alternativen Deutung insbesondere unter Hinweis auf den im Vertrag gebrauchten Begriff „Vendor loan“ und mit ihren Verfahrensrügen nicht aufzuzeigen.

13       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150094.L00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten