TE OGH 2020/9/2 6Ob11/20s

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. Dr. R*****, 2. Ing. H*****, beide vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die Antragsgegnerin A***** Holding GmbH, *****, vertreten durch Dr. Kurt Berger, Dr. Mathias Ettel, Rechtsanwälte in Wien, wegen Bucheinsicht, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. September 2019, GZ 6 R 278/19z-13, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24. Juni 2019, GZ 71 Fr 5433/19a-7, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich der bestätigten Teile lautet:

„1. Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern oder nach deren Wahl einem von ihnen bevollmächtigten, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Vertreter während der Geschäftsstunden in den Geschäftsräumlichkeiten der Antragsgegnerin nach mindestens einwöchiger Voranmeldung die Einsicht in die Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstigen Geschäftsunterlagen der Antragsgegnerin der Jahre 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 zu ermöglichen und die Herstellung von Kopien auf Kosten der Antragsteller zu dulden.

2. Der Antrag, die Antragsgegnerin sei schuldig, den Antragstellern oder nach deren Wahl einem von ihnen bevollmächtigten, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Vertreter während der Geschäftsstunden in den Geschäftsräumlichkeiten der Antragsgegnerin nach mindestens einwöchiger Voranmeldung die Einsicht in die Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstigen Geschäftsunterlagen der Jahre 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 zu ermöglichen und die Herstellung von Kopien auf Kosten der Antragsteller zu dulden, wird betreffend folgende Gesellschaften abgewiesen:

- die P***** GmbH, *****;

- die P***** GmbH & Co KG, *****;

- die M*****-GmbH, *****;

- die A***** Immobilien AG, *****;

- die K*****gesellschaft m.b.H., *****;

- die A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H., *****;

- die A***** Projektmanagement & Bauträger GesmbH & Co KG, *****;

- die T*****gesellschaft m.b.H., *****.“

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind zu je 20 % Gesellschafter der Antragsgegnerin. 60 % der Geschäftsanteile werden von Mag. B***** gehalten. Jeweils selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer sind Mag. B***** und D*****.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts waren im Firmenbuch folgende, für das Verfahren dritter Instanz relevante, mit der Antragsgegnerin verbundene Unternehmen eingetragen:

* Die A***** Immobilien AG mit 1,090.100 auf Namen lautenden Stückaktien, von denen 1,079.199 (99 %) von der Antragsgegnerin, 10.901 (1 %) von Mag. B***** gehalten werden. Alleiniger, selbstständig vertretungsbefugter Vorstand ist Mag. B*****. Die Gesellschaft ging durch Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit Generalversammlungsbeschluss vom 26. 3. 2019 aus der M*****gesellschaft mbH hervor. Deren Gesellschafter waren zuletzt die Antragsgegnerin mit einem Geschäftsanteil von 99 % und Mag. B***** mit einem Geschäftsanteil von 1 %; ihr Geschäftsführer war zuletzt Mag. B*****.

* Die K*****gesellschaft m.b.H., deren Alleingesellschafterin die A***** Immobilien AG und deren selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer Mag. B***** ist.

* Die A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H., deren Gesellschafter die A***** Immobilien AG mit einem Geschäftsanteil von 99 % und Mag. B***** mit einem Geschäftsanteil von 1 % sind; ihre jeweils selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer sind Mag. B***** und Dr. H*****.

* Die A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H. & Co KG, deren unbeschränkt haftende Gesellschafterin die A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H. ist; Kommanditistin ist die A***** Immobilien AG.

* Die T*****gesellschaft m.b.H. mit der Alleingesellschafterin A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H. und dem selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer Mag. B*****.

Die Antragsteller beantragten wie aus dem Spruch ersichtlich. Sie brachten vor, ihr Informationsrecht umfasse alle rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft, weshalb auch alle für das herrschende Unternehmen relevanten Informationen über verbundene Unternehmen verlangt werden könnten. Bei der Antragsgegnerin handle es sich um eine Holding mit dem Zweck, Beteiligungen zu halten, sodass das Informationsinteresse der Antragsteller an den Informationen betreffend die operativen Tochter- und Enkelgesellschaften gewichtig sei. Den Bucheinsichtsrechten stünden keine Interessen Dritter entgegen. Die von der Antragsgegnerin behauptete Verwendung der begehrten Informationen zugunsten eines Konkurrenzunternehmens drohe nicht.

Die Antragsgegnerin wandte sich gegen den Antrag und brachte vor, den Antragstellern stehe insbesondere bei den mit der Antragsgegnerin verbundenen Unternehmen kein Bucheinsichtsrecht zu, weil ein solches nur bei 100%-igen Tochtergesellschaften bestehe. Bei anderen verbundenen Unternehmen bestehe nur ein Auskunftsrecht. Die A***** Immobilien AG und die übrigen Gesellschaften, für die Bucheinsicht begehrt werde, seien nicht zu 100 % Töchter der Antragsgegnerin. Darüber hinaus stehe hinsichtlich der A***** Immobilien AG nur ein Auskunftsrecht in der Hauptversammlung gemäß § 118 AktG zu, umso weniger ein Bucheinsichtsrecht zugunsten der Antragsteller. Gleiches gelte für die Tochtergesellschaften der A***** Immobilien AG. Schließlich sei das Begehren rechtsmissbräuchlich, weil zu befürchten sei, der Erstantragsteller werde die begehrten Informationen zugunsten von Konkurrenzunternehmen ausnützen. Es bestehe auch kein Recht auf Herstellung von Abschriften, da dadurch die Verwendung der Informationen zu Konkurrenzzwecken erleichtert werde.

Das Erstgericht gab dem Antrag hinsichtlich sämtlicher vom Antrag umfasster Gesellschaften statt, hinsichtlich der A***** Immobilien AG jedoch nur für die Unterlagen betreffend den Zeitraum bis zum 25. 3. 2019, nicht aber betreffend die Zeit ab Fassung des Generalversammlungsbeschlusses vom 26. 3. 2019 auf Umwandlung der Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin teilweise Folge und wies den Antrag betreffend die P***** GmbH, die P***** GmbH & Co KG und die M*****-GmbH ab; im Übrigen bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichts.

Es ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters hinsichtlich verbundener Unternehmen vor, bei denen es sich nicht um Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern um Aktiengesellschaften handle. Ebenso fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters betreffend Gesellschaften, an denen die GmbH zu weniger als 100 %, aber unter gleichzeitiger Beteiligung ihrer übrigen Gesellschafter beteiligt sei.

Rechtlich führte es aus, der Informationsanspruch des GmbH-Gesellschafters könne auch Angelegenheiten der verbundenen Unternehmen erfassen. Für das Recht auf Bucheinsicht komme es nicht vornehmlich auf die Beteiligung von 100 % an, sondern darauf, ob am verbundenen Unternehmen Dritte beteiligt seien, deren Interessen beeinträchtigt würden.

Bei der A***** Immobilien AG würden 99 % der Aktien von der Antragsgegnerin und 1 % von Mag. B***** gehalten, der Mehrheitsgesellschafter der Antragsgegnerin und daher kein außenstehender Dritter sei. Der Antragsgegnerin sei es aufgrund ihrer Position in der Gesellschaft möglich, die Geschicke der A***** Immobilien AG maßgeblich zu bestimmen und auf deren Vorstand faktisch trotz der Anordnung des § 70 Abs 1 AktG maßgeblichen Einfluss auszuüben. An der K*****gesellschaft m.b.H, der A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H., der A***** Projektmanagement & Bauträger GesmbH & Co KG und der T*****gesellschaft m.b.H. seien außer Mag. B***** keine weiteren natürlichen oder juristischen Personen beteiligt. Diese Gesellschaften würden durchgerechnet zu 99 % von der Antragsgegnerin gehalten und damit von dieser beherrscht. Die hier gegebenen 99 %-Beteiligungen seien daher einer 100 %-Beteiligung gleichzuhalten.

Eine unverhältnismäßige Belastung der Antragsgegnerin durch die Ermöglichung der Bucheinsicht sei nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin diene offenkundig dem Zweck, Beteiligungen zu halten. Daher erstrecke sich das Informationsinteresse der Antragsteller auch auf die ihr nachgeordneten Gesellschaften. Von den Antragstellern könne nicht verlangt werden, die Geschäftsunterlagen, die sie einsehen wollten, zu bezeichnen. Eine aktuelle Gefahr der Nutzung der erlangten Informationen zu Konkurrenzzwecken bestehe nicht, weil die einzige konkret behauptete Konkurrenztätigkeit bereits abgeschlossen sei.

Die Abweisung des Antrags hinsichtlich dreier Gesellschaften folge daraus, dass an diesen neben der Antragsgegnerin und Mag. B***** noch andere Personen beteiligt seien. Eine Auskunftserteilung (anstelle eines Einsichtsrechts) hätten die Antragsteller trotz eines entsprechenden Einwands der Antragsgegnerin nicht begehrt.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, mit dem sie beantragt, die angefochtene Entscheidung im antragsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsteller beantragen, dem Revisionrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters hinsichtlich einer mit der informationspflichtigen GmbH verbundenen Aktiengesellschaft einer Klarstellung bedarf. Er ist aber nur zum Teil berechtigt.

1. Die Revisionsrekurswerberin macht im Wesentlichen geltend, es bestehe kein Einsichtsrecht hinsichtlich Tochterunternehmen, an denen keine 100%-ige Beteiligung bestehe, hinsichtlich Tochterunternehmen, die Aktiengesellschaften seien und hinsichtlich deren Beteiligungsgesellschaften.

2. Zur Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Antragsgegnerin

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung steht dem GmbH-Gesellschafter ein allgemeiner, umfassender und keine nähere Begründung erfordernder Informationsanspruch gegen die Gesellschaft zu (RS0060098 [insb T1]; jüngst 6 Ob 166/19h). Dieser Informationsanspruch geht über das im Gesetz geregelte Bucheinsichtsrecht gemäß § 22 Abs 2 GmbHG hinaus. Er umfasst grundsätzlich alle Angelegenheiten der Gesellschaft (RS0105318 [T3]) und steht jedem Gesellschafter als Individualrecht zu (RS0060098; 6 Ob 166/19h). Der Anspruch gründet im Gesellschaftsverhältnis und dient der Wahrung der aus der Gesellschafterstellung erfließenden Rechte (vgl RS0105318 [T1]), so auch der Vermögensrechte des Gesellschafters (6 Ob 18/91; 6 Ob 166/19h).

2.2. Aus dem grundsätzlich umfassenden Informationsanspruch der GmbH-Gesellschafter in Angelegenheiten der Gesellschaft folgt, dass von den antragstellenden Gesellschaftern nicht verlangt werden kann, die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft, in die sie Einsicht nehmen möchte, im Vorhinein zu bezeichnen (vgl 6 Ob 7/96).

2.3. Das Recht auf Bucheinsicht umfasst auch das Recht auf Herstellung von Abschriften und Kopien (6 Ob 175/10v GesRZ 2011, 166 [Rassi]; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 22 Rz 30; Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht² [2017] Rz 4/327; Mollnhuber/Suesserott in U. Torggler, GmbHG § 22 Rz 21).

2.4. Die Gesellschaft darf die Information verweigern, wenn die Informationserteilung einem gesetzlichen Verbot zuwider liefe (6 Ob 18/91) oder der Informationsanspruch rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird (6 Ob 198/12d; 6 Ob 166/19h). Die Belastung der Gesellschaft durch die Informationserteilung und der Eingriff in ihre Interessen dürfen zum Informationsinteresse des Gesellschafters nicht außer Verhältnis stehen (6 Ob 7/96).

2.5. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das hier zu beurteilende Einsichtsrecht der Antragsteller in die Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstige Geschäftsunterlagen der Antragsgegnerin der Jahre 2015 bis 2019 als berechtigt. Dies folgt bereits daraus, dass die Antragsteller Gesellschafter der Antragsgegnerin sind.

2.6. Die Antragsgegnerin hält den im Verfahren erster Instanz erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht aufrecht. Dieser selbstständige Einwand ist daher im Revisionsrekursverfahren nicht mehr zu prüfen (vgl RS0043352 [T25, T30]; RS0043338 [T13, T15]; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 66 Rz 32).

2.7. Sonstige Gründe, die der Einsichtgewährung in die Geschäftsunterlagen der Antragsgegnerin entgegen stünden, sind nicht ersichtlich und werden im Revisionsrekurs nicht behauptet. Dem Revisionsrekurs ist daher hinsichtlich des Einsichtsbegehrens in die Geschäftsunterlagen der Antragsgegnerin nicht Folge zu geben.

2.8. Soweit bei der Antragsgegnerin Unterlagen ihrer verbundenen Gesellschaften vorhanden sind, sind diese Unterlagen der Antragsgegnerin selbst und daher vom Einsichtsrecht umfasst (Temmel/Peric in Gruber/Harrer, GmbHG² § 22 Rz 37; zur deutschen Rechtslage: K. Schmidt in Scholz, GmbHG11 [2014] § 51a Rz 25; Hillmann in Münchener Komm GmbHG³ [2019] § 51a Rz 51; Strohn in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht4 [2019] § 51a GmbHG Rz 16).

3. Zur Einsicht in die Geschäftsunterlagen der verbundenen Gesellschaften

3.1. Hinsichtlich des Informationsrechts der GmbH-Gesellschafter betreffend die mit der GmbH verbundenen Gesellschaften ist stets vom Zweck des Informationsrechts auszugehen, dem GmbH-Gesellschafter die Wahrung seiner aus dem Gesellschaftsverhältnis erfließenden Rechte zu ermöglichen (vgl RS0105318 [T1]; 6 Ob 166/19h).

3.2. Da Gegenstand des Informationsrechts die Angelegenheiten der Gesellschaft, alle rechtlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse innerhalb der GmbH und gegenüber Dritten sind, können auch Angelegenheiten von Unternehmen, an denen die Gesellschaft beteiligt ist (verbundene Unternehmen), der Informationspflicht unterliegen (6 Ob 7/96; RS0105319; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 22 Rz 39). Dies ist – wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten – schon deshalb erforderlich, weil das Informationsrecht sonst durch Ausgliederung bisheriger Aktivitäten des Gesellschaftsunternehmens ausgehöhlt werden könnte (6 Ob 7/96).

3.3. Das Informationsrecht des Gesellschafters besteht hinsichtlich verbundener Gesellschaften nur soweit, als nur die für die auskunftspflichtige GmbH objektiv relevanten Informationen verlangt werden können (6 Ob 7/96; Kalss, Ausgewählte Fragen zum Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters, RdW 2017, 15, 16 f).

3.4. Daher hat der Gesellschafter die begehrten, die verbundene Gesellschaft betreffenden Auskünfte im Einzelnen zu bezeichnen und sein berechtigtes gesellschaftsrechtliches Interesse darzulegen (6 Ob 7/96; Mollnhuber/Suesserott in U. Torggler, GmbHG § 22 Rz 29). Eine derartige Konkretisierung ist, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der Unterlagen der Gesellschaft, an der der antragstellende Gesellschafter direkt beteiligt ist, nicht erforderlich (vgl 6 Ob 7/96; Mollnhuber/Suesserott in U. Torggler, GmbHG § 22 Rz 29).

3.5. Schuldnerin des Informationsanspruchs hinsichtlich des verbundenen Unternehmens ist nicht dieses, sondern stets die GmbH, an der der antragstellende Gesellschafter beteiligt ist (6 Ob 7/96; 6 Ob 197/00i = RS0060051 [T1]). Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass die zur Ausübung des Informationsrechts bei einer 100%-igen Tochtergesellschaft benötigten Unterlagen eingesehen werden können (RS0060051; RS0105319). Informationen verbundener Unternehmen hat sie sich im Rahmen ihrer eigenen Rechte gegenüber der Tochtergesellschaft zu verschaffen (Mollnhuber/Suesserott in U. Torggler, GmbHG § 22 Rz 30; zur deutschen Rechtslage: Hüffer/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG³ [2020] § 51a Rz 23; Teichmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG4 [2019] § 51a Rz 26).

3.6. Aus dem Umstand, dass das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters hinsichtlich der Tochtergesellschaften nur gegenüber der GmbH, an der der Gesellschafter beteiligt ist, ausgeübt werden kann, ist weiter abzuleiten, dass der Gesellschafter hinsichtlich der verbundenen Unternehmen grundsätzlich nur ein Recht auf Auskunft, nicht aber auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen hat (6 Ob 7/96; vgl Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht² [1997] Rz 2/746; Temmel/Peric in Gruber/Harrer, GmbHG² § 22 Rz 37; zur deutschen Rechtslage: Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz19 [2016] § 51a Rz 25; Hillmann in Münchener Kommentar GmbHG³ § 51a Rz 29; Hüffer in Hachenburg, GmbHG8 [1997] § 51a Rz 23; Hüffer/Schürnbrand in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG³ § 51a Rz 23).

3.7. Eine Ausnahme von der Einschränkung des Gesellschafters auf ein Auskunftsrecht wird in der Rechtsprechung und Lehre nur in jenen Fällen akzeptiert, in denen es sich um eine 100%-ige Tochtergesellschaft der GmbH handelt, an der der Antragsteller beteiligt ist (6 Ob 18/91; 6 Ob 197/00i; RS0060051; RS0105319; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht² Rz 2/746; Temmel/Peric in Gruber/Harrer, GmbHG² § 22 Rz 37; für Deutschland: Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG9 [2019] § 51a Rz 10; vgl [jeweils unter weiteren Voraussetzungen] Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz19 § 51a Rz 25; Hillmann in Münchener Kommentar GmbHG³ § 51a Rz 29; aM Ganzer in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmHG6 [2017] § 51a Rz 8) oder in denen an der Tochtergesellschaft keine außenstehenden Dritten beteiligt sind (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht² Rz 4/330; Unger in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG § 22 Rz 35).

3.8. Dies wird damit begründet, dass in solchen Konstellationen Interessen Dritter – das sind Gesellschafter, die nur an der Tochtergesellschaft, nicht aber an der auskunftspflichtigen GmbH selbst beteiligt sind (6 Ob 18/91) – nicht berührt werden (6 Ob 7/96). Im Fall der 100%-igen Tochtergesellschaft wird ein „Informationsdurchgriff“ insofern, als unmittelbar bei der Tochter Einsicht genommen werden kann, vertreten (Temmel/Peric in Gruber/Harrer, GmbHG² § 22 Rz 37).

3.9. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten:

In dem Umfang, in dem die Angelegenheiten eines verbundenen Unternehmens Angelegenheiten der Gesellschaft selbst sind, trifft die GmbH, an der der antragstellende Gesellschafter beteiligt ist, die Pflicht, sich die zur Erfüllung des Informationsanspruchs des Gesellschafters erforderlichen Auskünfte oder Unterlagen aus ihrem eigenen Recht als Gesellschafterin des Tochterunternehmens zu beschaffen.

3.10. Daraus ergibt sich im Weiteren, dass die Informationsverschaffungspflicht der GmbH und damit der Informationsanspruch ihrer Gesellschafter betreffend verbundene Unternehmen dort ihre Grenze finden, wo der Informationsanspruch der GmbH in dem anderen Unternehmen endet (Gruber, Einsichts- und Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters, in Festschrift G. Roth [2011] 153, 157 f).

4. Zur Verschaffung der Einsicht in Unterlagen der A***** Immobilien AG und ihrer Tochtergesellschaften

4.1. Im vorliegenden Fall begehren die Antragsteller die Verschaffung der Einsicht in die Unterlagen der A***** Immobilien AG sowie weiterer verbundener Gesellschaften bei der Antragsgegnerin. Um dieses Begehren zu erfüllen müsste die Antragsgegnerin daher aus ihrem eigenen Recht als Gesellschafterin der A***** Immobilien AG die begehrten Geschäftsunterlagen dieser Gesellschaft (bzw Kopien davon) sowie von deren Tochtergesellschaften beschaffen und den Antragstellern zur Verfügung stellen.

4.2. Hier ist aber zu beachten, dass die vormalige Tochter-GmbH der Antragsgegnerin, die M*****gesellschaft mbH, mit Generalversammlungsbeschluss vom 26. 3. 2019, sohin bereits vor der Antragstellung im vorliegenden Verfahren, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde.

Die Antragsgegnerin ist daher nicht mehr Gesellschafterin einer GmbH, sondern einer Aktiengesellschaft. Ihre rechtlichen Möglichkeiten, die erforderlichen Informationen hinsichtlich der A***** Immobilien AG zu beschaffen, sind daher nicht jene eines (aktuellen oder ausgeschiedenen) GmbH-Gesellschafters nach § 22 GmbHG, sondern jene eines Aktionärs.

4.3. Nach § 118 Abs 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunkts erforderlich ist. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen.

4.4. Das Auskunftsrecht der Aktionäre gehört zu den in der Hauptversammlung wahrzunehmenden Mitglied-schaftsrechten (RS0121480 [T1]); es ist sachlich auf den Verhandlungsstoff der jeweiligen Hauptversammlung beschränkt (Bydlinski/Potyka in Artmann/Karollus, AktG6 § 118 Rz 3, 7). Ein Aktionärsrecht auf Bucheinsicht und Anfertigung von Kopien hinsichtlich sämtlicher Geschäftsunterlagen ist in § 118 AktG hingegen nicht vorgesehen.

4.5. Lediglich nach Abwicklung der Aktiengesellschaft steht ihren (ehemaligen) Aktionären und ihren Gläubigern nach § 214 Abs 3 AktG ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu, sofern sie ein rechtliches Interesse bescheinigen (vgl Kodek in Artmann/Karollus, AktG6 § 214 Rz 26). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

4.6. Eine Ableitung des Rechts auf Einsicht in die Bücher und Schriften der existenten Gesellschaft aus den subsidiär anzuwendenden Bestimmungen über die GesbR (vgl Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG³ [1993] § 214 Rz 11, dargestellt bei Kodek in Artmann/Karollus, AktG6 § 214 Rz 30) ist abzulehnen, weil das GesbR-Recht nach § 1175 Abs 4 ABGB nur dann subsidiär auf andere Gesellschaften anzuwenden ist, wenn das spezielle Gesellschaftsrecht das Ordnungsproblem nicht regelt, was bei den Informations- und Kontrollrechten des Aktionärs nicht der Fall ist. Das AktG enthält diesbezüglich vor allem das Auskunftsrecht und das Institut der Sonderprüfung auf Minderheitsantrag (ausführlich Kodek in Artmann/Karollus, AktG6 § 214 Rz 30).

4.7. Der hier zu beurteilende Antrag, die Antragsgegnerin habe den Antragstellern die Einsicht in die Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstigen Geschäftsunterlagen der A***** Immobilien AG zu ermöglichen und die Herstellung von Kopien zu dulden, scheitert daher schon daran, dass der Antragsgegnerin die rechtlichen Befugnisse, diesem Begehren nachzukommen, aufgrund ihrer Stellung als Aktionärin gegenüber der A***** Immobilien AG nicht zukommen.

4.8. Die dargestellten Erwägungen stehen auch dem Antrag auf Verschaffung der Einsicht in die Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstige Geschäftsunterlagen der K*****gesellschaft m.b.H., der A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H. und der T*****gesellschaft m.b.H. entgegen:

4.9. Die Antragsgegnerin kann den Antragstellern nur insofern Einsicht in die Geschäftsunterlagen der genannten Enkel- und Urenkelgesellschaften verschaffen, als sie gegenüber ihrer Tochtergesellschaft A***** Immobilien AG, diese wiederum gegenüber ihren Tochter- bzw Enkelgesellschaften die begehrten Unterlagen erlangen kann.

4.10. Da ein derartiger Anspruch im Verhältnis der Antragsgegnerin gegenüber der A***** Immobilien AG nicht besteht, kann die Antragsgegnerin ihren Gesellschaftern (den Antragstellern) auch keinen Zugang zu den begehrten Unterlagen ihrer genannten Enkel- bzw Urenkelgesellschaften verschaffen.

Hinsichtlich der Verschaffung der Einsicht in die Geschäftsunterlagen der K*****gesellschaft m.b.H., der A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H. und der T*****gesellschaft m.b.H. ist der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin daher berechtigt.

5. Zur Verschaffung der Einsicht in Unterlagen der A***** Projektmanagement & Bauträger GesmbH & Co KG

5.1. Der Revisionsrekurs ist auch hinsichtlich der Verschaffung der Einsicht in die Geschäftsunterlagen der A***** Projektmanagement & Bauträger GesmbH & Co KG berechtigt.

5.2. Komplementär dieser Gesellschaft ist die A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H.; Kommanditistin ist die Antragsgegnerin.

5.3. Die Erlangung von Informationen im Weg der Geltendmachung des Informationsrechts der Komplementärgesellschaft (der A***** Projektmanagement & Bauträger Ges.m.b.H.) durch deren Gesellschafterin A***** Immobilien AG kann dem Begehren auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen der A***** Projektmanagement & Bauträger GesmbH & Co KG nicht zur Berechtigung verhelfen, da, wie ausgeführt, die Antragsgegnerin gegenüber der A***** Immobilien AG keine rechtliche Möglichkeit der Erlangung der begehrten Geschäftsunterlagen (bzw von Kopien davon) hat.

5.4. Das Kontrollrecht des Kommanditisten (hier: der Antragsgegnerin) gegenüber der Kommanditgesellschaft gemäß § 166 UGB gewährt nur ein eingeschränktes Informationsrecht. Den Kommanditisten wird als ordentliches Informations- und Kontrollrecht nur das Recht zugestanden, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses oder, wenn keine Pflicht zur Rechnungslegung besteht, eine sonstige Abrechnung zu verlangen und deren Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Schriften zu prüfen. Darüber hinaus gesteht ihnen § 166 Abs 3 UGB ein außerordentliches Informations- und Kontrollrecht bei Vorliegen wichtiger Gründe zu (vgl Kammel in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 166 Rz 1).

5.5. Der Antragsgegnerin als Kommanditistin der A***** Bauträger GesmbH & Co KG steht daher nur ein eingeschränktes Kontroll- und Einsichtsrecht zu, das je nach begehrtem Informationsgegenstand als ordentliches oder außerordentliches Informationsrecht zu qualifizieren und im letzteren Fall vom Vorliegen wichtiger Gründe abhängig ist.

5.6. Soll die Antragsgegnerin als Kommanditistin dazu verhalten werden, ihre eigenen Kontrollrechte gegenüber der Kommanditgesellschaft auszuüben, um in der Folge das Informationsrecht ihrer Gesellschafter (der Antragsteller) zu erfüllen, so bedarf dies jedenfalls einer konkreten Bezeichnung der begehrten Informationen, der Bezeichnung ihres rechtlichen Interesses sowie gegebenenfalls der für die Geltendmachung des Informationsrechts erforderlichen wichtigen Gründe.

5.7. Eine Konkretisierung ihres Informationanspruchs haben die Antragsteller aber – trotz des Vorbringens der Antragsgegnerin, dass hinsichtlich sämtlichen mit ihr verbundenen Unternehmen nur ein Auskunftsrecht zustehe – nicht vorgenommen, sondern (auch) hinsichtlich der A***** Projektmanagement & Bauträger GesmbH & Co KG nur die Ermöglichung der uneingeschränkten Einsicht in die Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstigen Geschäftsunterlagen dieser Gesellschaft beantragt.

Dieser Antrag ist aber schon deshalb nicht berechtigt, weil der Antragsgegnerin selbst kein solches umfassendes Bucheinsichtsrecht gegenüber der KG zusteht.

6. Ergebnis

Im Ergebnis ist dem Revisionsrekurs daher (nur) hinsichtlich der beantragten Einsicht in die Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstigen Geschäftsunterlagen der Antragsgegnerin nicht Folge zu geben; im Übrigen kommt ihm Berechtigung zu. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher hinsichtlich der Verschaffung der Einsicht in die Geschäftsunterlagen der mit der Antragsgegnerin verbundenen Gesellschaften im antragsabweisenden Sinn abzuändern.

Textnummer

E129581

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00011.20S.0902.000

Im RIS seit

10.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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