Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2019 verstorbenen J***** P*****, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. K***** F*****, vertreten durch Pichler Rechtsanwalt GmbH in Dornbirn, und 2. H***** P*****, vertreten durch Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, über den Revisionsrekurs der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 10. Juni 2020, GZ 1 R 106/20a-82, womit infolge Rekurses der Erstantragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 8. April 2020, GZ 36 A 33/19p-76, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Erstantragstellerin ist schuldig, dem Zweitantragsteller die mit 3.044,70 EUR (darin enthalten 507,45 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Im Verfahren über das Erbrecht stützt sich die Erstantragstellerin auf ihre Einsetzung als Alleinerbin im fremdhändigen Testament der ledigen, kinderlosen, im Jahr 2019 verstorbenen Erblasserin vom 27. 9. 2017.
[2] Dieses Testament besteht aus drei Blättern, die, beginnend auf der zweiten Seite, fortlaufend nummeriert sind. Die ersten beiden Blätter des Testaments sind beidseitig, das dritte Blatt ist nur einseitig bedruckt. Auf den ersten drei Seiten finden sich die letztwilligen Anordnungen der Erblasserin, darunter die Einsetzung der Erstantragstellerin als Alleinerbin. Auf der Rückseite des zweiten Blatts befindet sich die nuncupatio. Auf dem dritten Blatt sind Ort und Datum angegeben. Außerdem befinden sich dort die Unterschriften der Erblasserin sowie der drei Testamentszeugen, diese unter Hinzufügung des jeweiligen Geburtsdatums, der jeweiligen Adresse sowie des handschriftlichen Zusatzes „als Zeuge“ bzw „als Zeugin“.
[3] Zum Zeitpunkt der Unterfertigung waren die drei Blätter des Testaments nur durch eine Heftklammer verbunden.
[4] Der Zweitantragsteller ist der Bruder der Erblasserin. Er gab die bedingte Erbantrittserklärung aufgrund des Gesetzes zum gesamten Nachlass ab.
[5] Die Vorinstanzen hielten das Testament für formungültig und wiesen daher die Erbantrittserklärung der Erstantragstellerin ab und stellten das Erbrecht des Zweitantragstellers aufgrund des Gesetzes zum gesamten Nachlass fest.
[6] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die äußere Urkundeneinheit einer aus mehreren losen Blättern bestehenden fremdhändigen letztwilligen Verfügung durch Anbringen einer Heftklammer bewirkt werden könne.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs der Erstantragstellerin ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch mangels Vorliegens einer erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
[8] Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Fachsenats ist ein fremdhändiges Testament formungültig, wenn der Erblasser und/oder Testamentszeugen auf einem losen Blatt unterschrieben haben, ohne dass ein äußerer oder inhaltlicher Zusammenhang mit dem Blatt, auf dem sich der Text der letztwilligen Verfügung befindet, besteht. Ein äußerer Zusammenhang ist nur dann zu bejahen, wenn entweder vor der Leistung der Unterschriften von Erblasser und Zeugen oder während des Testiervorgangs (das heißt uno actu mit diesem) die äußere Urkundeneinheit hergestellt wurde, indem die einzelnen Bestandteile der Urkunde (die losen Blätter) so fest miteinander verbunden wurden, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann, wie zB beim Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile. Für die Herstellung eines inhaltlichen Zusammenhangs zwischen den mehreren losen Blättern kann neben der Fortsetzung des Textes auch ein – vom Testator unterfertigter – Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung ausreichend sein. Diese Bezugnahme muss inhaltlicher Natur sein, das heißt es muss erkennbar sein, auf welche inhaltliche Anordnung sich der Vermerk bezieht (2 Ob 218/19a; 2 Ob 145/19s; 2 Ob 143/19x; vgl 2 Ob 192/17z). Eine Seitennummerierung in der Fußzeile des zweiten Blattes vermag diese innere Urkundeneinheit schon deshalb nicht zu begründen, weil sich daraus kein inhaltlicher Bezug zum Text der letztwilligen Verfügung auf dem ersten Blatt ergibt (2 Ob 143/19x).
[9] Erst jüngst hat der Senat unter Berufung auf diese Rechtsprechung ausgesprochen, dass durch die Verbindung der Blätter mit einer Heftklammer – wie im vorliegenden Fall – eine äußere Urkundeneinheit nicht hergestellt wird (2 Ob 51/20v = RS0132171 [T2] = RS0132929 [T4]). Die Beurteilung des Testaments als formungültig steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 78, 185 AußStrG. Der Zweitantragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
Textnummer
E129580European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00143.20Y.0917.000Im RIS seit
10.11.2020Zuletzt aktualisiert am
25.05.2021